Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 291/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 1930/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. März 2015 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 8. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 2012 verurteilt, der Klägerin ab dem 1. August 2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens sowie ihre Kosten des Berufungsverfahrens in voller Höhe zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1967 geborene Klägerin erlernte nach dem Hauptschulabschluss von September 1984 bis Oktober 1986 den Beruf der Verkäuferin. Ab November 1986 arbeitete sie bei einem Versicherungsunternehmen als Versicherungsangestellte im Innendienst u.a. in der Schadenssachbearbeitung und zuletzt im Personalwesen bei der Personalbeschaffung (Recruiting); ab 2008 war die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 36 Stunden (Montag bis Donnerstag) reduziert. Seit 25. Oktober 2010 bestand durchgehend Arbeitsunfähigkeit. Nach Entgeltfortzahlung (bis 1. November 2010) und dem Bezug von Krankengeld (2. November 2010 bis 19. März 2012) wurde der Klägerin vom 20. März 2012 bis 18. März 2013 von der Agentur für Arbeit (ArbA) Karlsruhe Arbeitslosengeld gewährt. Seitdem sind in ihrem Versicherungsverlauf keine Zeiten mit Versicherungspflichttatbeständen mehr gespeichert. Aus einer privaten Versicherung bezieht die Klägerin eine Berufsunfähigkeitsrente.
In der Zeit vom 5. August bis 7. September 2010 fand auf Kosten der Beklagten in der Reha-Klinik O. d. T. in B. M. eine stationäre Rehabilitationsbehandlung statt; die Entlassung erfolgte für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne ständiges Stehen und Gehen sowie ohne Akkord- und Nachtschichtarbeiten mehr als sechsstündig leistungsfähig (Bericht der Ltd. Ärztin Dr. Z. vom 23. September 2010; Diagnosen: Colon irritabile, Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz, zervikozephales Syndrom).
Auf Aufforderung der ArbA Karlsruhe stellte die Klägerin am 8. Mai 2012 den streitgegenständlichen Rentenantrag, den sie mit einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des Verdauungssystems mit Reizdarm, Diarrhoe, Laktose-, Histamin- und Fruktoseintoleranz, einer Darmmykose, starken Schmerzzuständen, Schwächeanfällen, Energielosigkeit, Infekten, Übelkeitszuständen, Koliken, Afterjucken, Kreislaufbeschwerden, starken Kopfschmerzen und Gelenkschmerzen begründete. Die Beklagte veranlasste Begutachtungen durch die Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie, Fachärztin für Laboratoriumsmedizin Dr. D. sowie durch die Fachärztin für Innere Medizin Dr. B.-K ... Dr. D. diagnostizierte im Gutachten vom 24. Juli 2012 eine somatoforme autonome Funktionsstörung des unteren Verdauungssystems, eine Essstörung, Dysthymia, chronische Spannungskopfschmerzen, Migräne ohne Aura sowie einen schädlichen Gebrauch von Analgetika und sah Hinweise auf eine zwanghafte und histrionische Persönlichkeitsakzentuierung; die Klägerin sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung in Tagesschicht, Früh- oder Spätschicht bei Vermeidung von erhöhtem Zeitdruck noch mehr als sechs Stunden täglich auszuüben; Die Möglichkeit zum Toilettengang müsse vorhanden sein. Dr. B.-K., die in ihrem Gutachten vom 25. Juli 2012 auch das Gutachten der Dr. D. verwertete, ist - bei den zusätzlichen Diagnosen einer Nahrungsmittelunverträglichkeit gegen Fruktose und Laktose (sowie vermutlich auch Histamin) und einem Reizdarmsyndrom - zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen oder mit ständigem Sitzen in Tagesschicht, Früh-/Spätschicht sowie Nachtschicht noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne; ausgeschlossen seien schwere Tätigkeiten sowie solche mit erhöhtem Zeitdruck; eine jederzeit verfügbare Toilettenbenutzung müsse gegeben sein. Mit Bescheid vom 8. August 2012 lehnte der Beklagte darauf den Rentenantrag ab weil die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2012 zurückgewiesen.
Deswegen hat die Klägerin am 18. Januar 2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgebracht, sie leide seit vielen Jahren unter einer Störung des Verdauungstrakts mit erheblicher Einschränkung ihres Nahrungsmittelsortiments; hinzu kämen Erschöpfungszustände, Energielosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Schmerzzustände mit Bauchkrämpfen. Im November 2012 sei in der Spezialklinik N. während eines stationären Aufenthalts (13. November bis 4. Dezember 2012) außerdem eine schwere Bleivergiftung festgestellt worden. Das SG hat zunächst die Behandler der Klägerin als sachverständige Zeugen gehört. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z., der mit Schreiben vom 8. April 2013 zahlreiche (teilweise schon während des Verwaltungsverfahrens aktenkundige) Arztunterlagen eingereicht hat, hat mitgeteilt, dass er auf Grund der Bleiintoxikation mit in der Spezialklinik N. begonnener Entgiftungstherapie nur noch vier Stunden täglich bei der Klägerin für zumutbar halte. Psychotherapeut Dipl.-Psych. J., der über regemäßige Termine zur verhaltenstherapeutischen Behandlung seit Juni 2011 berichtet hat, ist wegen eines chronischen Erschöpfungszustandes von einer unter dreistündigen Leistungsfähigkeit ausgegangen (Schreiben vom 2. Juli 2013). Dagegen hat der Umweltmediziner R. im Schreiben vom 11. Mai 2013 ein arbeitstäglich mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen der Klägerin bejaht. Dr. O., Oberärztin an der Spezialklinik N., hat sich hingegen zu einer Leistungsbeurteilung nicht in der Lage gesehen (Schreiben vom 16. Juni 2013). Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des MUDr. H. vom 5. August 2013 entgegengetreten. Das SG hat anschließend Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. zum Sachverständigen bestellt. Im Gutachten vom 22. November 2013 hat der Sachverständige eine Somatisierungsstörung, eine Dysthymie, eine Persönlichkeitsakzentuierung sowie ein Kopfschmerzleiden, am ehesten Spannungskopfschmerzen, diagnostiziert. Er ist zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnden Arbeitshaltungen in Tagesschicht sowie mit üblichem Publikumsverkehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch acht Stunden arbeitstäglich verrichten könne; zu vermeiden seien widrige klimatische Bedingungen, nicht leidensgerecht Tätigkeiten unter verschärften Akkord- und Fließbandbedingungen, mit vermehrt emotionalen Belastungen oder erhöhtem Konfliktpotential. Dr. S. hat noch die ihm von der Klägerin mitgebrachten Arztunterlagen (Attest des Dr. Z. vom 31. Oktober 2013, Kurzinformation der Dr. O. vom 25. Oktober 2013 (stationärer Aufenthalt vom 30. September bis 28. Oktober 2013)) übermittelt. Das SG hat sodann auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Facharzt für Allgemeinmedizin, Umweltmedizin Dr. B. als Sachverständigen beauftragt. Im Gutachten vom 22. Oktober 2014 hat der Arzt als Diagnosen toxische Wirkungen durch Lösungsmittel, durch Gase, Rauch, durch Antibiotika und durch Psychopharmaka aufgelistet sowie die Entwicklung eines schweren Chronic Fatigue Syndrome (CFS) erwähnt; er ist davon ausgegangen, dass für die Klägerin, und zwar mindestens für die nächsten drei Jahre, keine Möglichkeit bestehe, eine regelmäßige Erwerbstätigkeit von mehr als zwei Stunden durchzuführen. Dr. B. hat mit seinem Gutachten noch den ihm von der Klägerin mitgebrachten Entlassungsbericht der Spezialklinik N. vom 11. Juni 2014 (stationärer Aufenthalt vom 24. April bis 22. Mai 2014) übersandt. Die Beklagte ist der Klage weiterhin entgegengetreten und hat die sozialmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin Dr. L. vom 18. Dezember 2014 eingereicht. Die Klägerin hat noch das Attest des Arztes für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren Dr. J. vom 17. März 2015 vorgelegt.
Mit Urteil vom 31. März 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, das arbeitstägliche Leistungsvermögen der Klägerin betrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden; dies ergebe sich aus dem in sich schlüssigen sowie wohl begründeten Sachverständigengutachten des Dr. S. sowie der sachständigen Zeugenaussage des Umweltmediziners R. und den im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dres. D. und B.-K ... Der Auffassung des Dr. B. schließe sich die Kammer nicht an, weil allein die Mitteilung von Laborbefunden und die hieraus gezogene Schlussfolgerung eine quantitative Leistungseinschränkung nicht zu begründen vermöge. Seine Leistungseinschätzung auf unter dreistündig habe Dr. B. nicht schlüssig dargelegt. Aus denselben Erwägungen sei auch der Leistungsbeurteilung des Dr. Z. nicht zu folgen.
Gegen dieses der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. April 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 7. Mai 2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Zur Begründung hat die Klägerin vorgebracht, das bei ihr vorhandene Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom (CFS) sei von Dr. S. nicht berücksichtigt worden. Zwar sei durch Dr. B. keine sozialmedizinische Untersuchung erfolgt; dieser habe jedoch die in den Fachbereichen der Allgemeinmedizin und Umweltmedizin möglichen labormedizinischen Untersuchungen veranlasst, welche die vorhandenen erheblichen Leistungseinschränkungen weitergehend objektivierten. Beim CFS handele es sich nicht um eine Somatisierungsstörung, sondern um ein eigenständiges Syndrom, das nicht dem Kapitel 5 im ICD-10 (psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen) zugeordnet sei, sondern eine Erkrankung des Nervensystems darstelle (Kapitel 6 im ICD-10). Selbst wenn man dem "veralteten wissenschaftlichen Erkenntnisstand" des Dr. S. folge und ein CFS nicht als ein solches erfasse, so sei festzustellen, dass dann jedenfalls eine schwerwiegende und chronifizierte Somatisierungsstörung vorliege. Der Klägerbevollmächtigte hat umfangreiche Unterlagen, darunter eigene Beschreibungen der Klägerin vom 4. Mai 2015 zu ihrem Tagesablauf und zu ihren Gesundheitsbeschwerden sowie deren "Richtigstellungen" zu den Gutachten von Dr. S. und Dr. D., ferner die Stellungnahme des Dipl.-Psych. J. vom 15. November 2015, Atteste des Dr. Z. vom 5. Februar 2016 und 13. Januar 2017 sowie zwei Fachveröffentlichungen zu den Akten gereicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. März 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 2012 zur verurteilen, ihr ab 1. Mai 2012 ein Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Sie hat sozialmedizinische Stellungnahmen des Dr. L. vom 20. August 2015, der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 29. Oktober 2015, 18. Januar 2016 und 18. März 2016, des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vom 1. Juli 2016 und 9. September 2016 sowie der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E.-D. vom 18. November 2016 und ferner einen Versicherungsverlauf vom 19. Dezember 2016 vorgelegt.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. als Sachverständigen beauftragt. Im Gutachten vom 6. Oktober 2015 hat der Sachverständige eine Somatisierungsstörung, eine Dysthymia mit rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, im Sinne der "double depression" sowie ein Erschöpfungssyndrom im Sinne einer Neurasthenie diagnostiziert. Die seelischen Störungen seien langjährig chronifiziert und würden durch das somatische Konzept der Umweltmedizin weiter chronifiziert und fixiert; dadurch sei eine adäquate intensivierte Behandlung der seelischen Störungen verhindert worden, obwohl eine niederfrequente ambulante Psychotherapie erfolge. Die Klägerin sei nicht in der Lage, mit zumutbarer W.ensanstrengung ihre seelische Fehlhaltung zu überwinden und in das Berufsleben einzufügen, auch nicht mit zumutbarer ärztlicher Hilfe. Er halte daher das Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden täglich abgesunken. Die Symptomatik habe sich als progredient erwiesen, wobei unter Berücksichtigung der Vorgutachten mit einer kontinuierlichen Verschlechterung ein aufgehobenes Leistungsvermögen als ungefährer Anhaltspunkt ab dem 1. Juli 2014 angenommen werden könne. Bei den bei der Klägerin vorhandenen Einschränkungen handele es sich um solche von Dauercharakter; es sei unwahrscheinlich, dass eine Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit eintrete. Dr. H. hat mit seinem Gutachten die ihm von der Klägerin mitgebrachte Kurzinformation der Spezialklinik N. vom 28. September 2015 (weitere stationäre Behandlung vom 3. bis 30. September 2015) übersandt.
Die Beklagte ist dem Gutachten mit der sozialmedizinischen Stellungnahme der Dr. E. vom 29. Oktober 2015 entgegengetreten. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hierauf vom 23. November 2015 hat der Sachverständige Dr. H. hinsichtlich der von der Prüfärztin kritisch gewerteten rezidivierenden depressiven Störung ausgeführt, dieses Syndrom lasse sich aus der Anamnese ableiten, wobei als Basis von einer Dysthymia auszugehen sei und zusätzlich von immer wieder verstärkten depressiven Episoden, die die Klägerin selbst in ihrem einseitig somatischen Krankheitskonzept als körperlich begründbare Störungen gewertet habe; deshalb sei es nicht zu einer adäquaten Behandlung gekommen. Im Vergleich zum Gutachten des Dr. S. habe sich die Symptomatik weiter verstärkt und auf die nicht fassbaren Organkonzepte weiter fixiert, nachdrücklich unterstützt von den die Klägerin einschlägig behandelnden Ärzten.
Der Senat hat anschließend Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. zum Sachverständigen bestellt. Im Gutachten vom 28. Mai 2016 hat der Sachverständige eine mittelschwere bis schwere Depression und Angst, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden sowie ein rechtsbetontes Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert. Hinsichtlich der psychischen Störung sowie der Konsequenzen dieser Störung im Alltag sei eine hochgradige Beeinträchtigung festzustellen, wobei eine massive Einengung, ein Rückzug, eine zunehmende Beeinträchtigung des selbständigen Lebens sowie eine Beeinträchtigung der allgemeinen Lebens- und Gestaltungsfähigkeit in erheblichem Ausmaß vorlägen. Vor dem Hintergrund der ausgeprägt auffälligen Depressivität und Angst, den damit verbundenen Begleiterscheinungen (psychosomatische Beschwerden) sehe er die Klägerin für nicht mehr in der Lage, Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten; ihr Leistungsvermögen sei auf unter drei Stunden täglich gesunken. Die Prognose sei in Anbetracht der wenig flexiblen und eher einfach strukturierten Primärpersönlichkeit und der inzwischen erfolgten und zunehmenden Einengung auf ein umweltmedizinisch-somatisches Krankheitsgeschehen aus seiner Sicht extrem ungünstig. Der festgestellte Gesundheitszustand habe sich spätestens ab 2012/2013 entwickelt, nachdem bereits 2011/2012 von einer dysthymen Störung gesprochen worden sei; das Leistungsvermögen habe sich bis heute zunehmend reduziert.
Die Beklagte ist dem Gutachten des Dr. L. unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. N. vom 1. Juli 2016 entgegengetreten. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2016 hat der Sachverständige ausgeführt, er sehe wie Dr. H. Auffälligkeiten über die komplette Lebensgeschichte der Klägerin, die teilweise als persönlichkeitsassoziiert, als persönlichkeitsbedingt einzuordnen seien, teilweise auch vor dem Hintergrund der rezidivierenden depressiven Störung mit ausgeprägter Neigung zur Somatisierung. Die Diagnose einer Dysthymie sei nicht zu stellen; das Ausmaß der psychiatrischen Auffälligkeiten gehe darüber hinaus. Die Lebensgeschichte und der klinische Befund bestätigten eine schwere Störung, die Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr für möglich erscheinen ließen.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (1 Rentenakte, 1 Reha-Akte), die Klageakte des SG und die Berufungsakten des Senats (2 Bde.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Berufung ist indessen nur zum Teil begründet.
Gemäß § 123 SGG zu entscheiden ist vorliegend über den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat sie zu Recht nicht begehrt, denn sie ist erst nach dem 1. Januar 1961 geboren, sodass sie schon auf Grund ihres Geburtsdatums eine derartige Rente nicht zu erlangen vermag (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI haben Versicherte - bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Satzes 1 Nrn. 2 und 3 a.a.O. - bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein Bundessozialgericht (BSG) BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat die Klägerin erfüllt. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Renten wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI) sind ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 19. Dezember 2016 allerdings nur dann gegeben, wenn bei der Klägerin eine Erwerbsminderung bis spätestens 30. April 2015 eingetreten wäre.
1. Die Klägerin hat indessen für die Zeit vor dem 1. August 2014 schon deswegen keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine solche Rente (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VI) - wie im Übrigen auch für die hilfsweise begehrte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VI) im Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2014 nicht gegeben waren.
Ganz im Vordergrund stehen bei der Klägerin die gesundheitlichen Einschränkungen auf psychiatrischem, psychosomatischem und internistischem Gebiet. Einen Rentenanspruch auslösende Leistungseinschränkungen im vorgenannten Zeitraum lassen sich indessen nicht feststellen. Das ergibt sich unter Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 128 SGG) einschließlich der Sachverständigengutachten von Dr. S., Dr. H. und Dr. L. sowie der vom Senat im Wege des Urkundenbeweises zu verwertenden (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988 - 2/9b RU 66/87 - (juris Rdnr. 17); BSG SozR 4-1500 § 118 Nr. 3 (Rdnr. 6)) Rentengutachten der Dr. D. und der Dr. B.-K ...
Auf internistischem Gebiet leidet die Klägerin an abdominellen Beschwerden bei Nahrungsmittelunverträglichkeit gegen Fruktose, Laktose und möglicherweise auch Histamin sowie einem Reizdarmsyndrom, all das begleitet von einer Neigung zu Durchfällen, Bauchkrämpfen, Blähungen und Übelkeit. Wegen der - von der Klägerin seit 1985 angegebenen Beschwerdesymptomatik - hatte sie sich am 25. November 2010 in der Deutschen Klinik für Diagnostik in W. vorgestellt, wo im Rahmen eines psychosomatischen Konsils eine somatoforme autonome Funktionsstörung des Verdauungssystems diagnostiziert worden war (vgl. Bericht der Fachärztin für Innere Medizin Dr. W. vom 18. Januar 2011). Bereits die Anfang 2009 von dem Internisten/Gasterenterologen Dr. B. durchgeführte Gastroskopie und Coloskopie hatte bis auf die besagte Nahrungsmittelunverträglichkeit gegen Laktose und Fruktose keine weiteren wegweisenden Befunde ergeben (vgl. Berichte vom 11. Januar, 4. Februar und 4. März 2011); auch eine Sprue oder mikroskopische Colitis konnte von dort ausgeschlossen werden. Die vorstehenden Diagnosen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des Verdauungssystems und einer Nahrungsmittelunverträglichkeit sind durch die Rentengutachterinnen Dr. B.-K. und Dr. D. bestätigt worden; die letztgenannte Gutachterin hat zusätzlich eine Essstörung, nicht näher bezeichnet (ICD-10 F50.9) diagnostiziert. Bereits damals fiel eine Fixierung der Klägerin auf das somatische Krankheitsbild sowie ein hohes Kontrollbedürfnis des eigenen Körpers auf (vgl. die Gutachten der Ärztinnen vom 24. und 25. Juli 2012), wobei sie seinerzeit mit Blick auf die im Zeitraum von September 2011 bis April 2012 durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen durch den Umweltmediziner R. davon überzeugt war, ihre Beschwerden auf einen Darmpilzbefall zurückführen zu können. Die frühere Untersuchung der Stuhlflora am Institut für Mikroökologie in Herborn hatte allerdings ausweislich des "Kyberstatus" vom 9. September 2003 weder den Nachweis von Hefen noch von Schimmelpilzen ergeben; Sprosspilze im Stuhl waren auch bei der Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie Dr. D. nicht nachweisbar (vgl. Endbefund vom 26. November 2008). Die Abdomen-Sonographie durch Dr. B.-K. am 25. Juli 2012 zeigte einen altersentsprechend unauffälligen Befund; auch die Laborparameter waren, bis auf eine gering erniedrigte alkalische Phosphatase, im Normbereich (vgl. Laborbefund des Medizinischen Versorgungszentrums B.-B. vom 17. Juli 2012, Gutachten von Dr. B.-K. vom 25. Juli 2012). Die Funktionsprüfung durch den Lungenarzt MUDr. H. vom 17. Juli 2012 zeitigte gute Werte der Lungenventilation und der Lungenmechanik; eine echte Störung des Blutgasaustausches in Ruhe und unter Belastung bis 70 Watt ergab sich nicht. Die von dem Internisten Dr. Müller am 20. Juli 2012 erhobene Oberflächen-Elektrokardiographie war ebenfalls unauffällig; die Spiroergometrie wurde bei 79 Watt wegen allgemeiner Erschöpfung abgebrochen, wobei die Herzfrequenzreaktion sowie die cardialen und pulmonalen Parameter regelrecht waren. Unter Berücksichtigung der Aktenlage, der Anamnese und den erhobenen Untersuchungsbefunden hat der vom SG beauftragte Sachverständige Dr. S. keinen Anhalt für die von der Klägerin schließlich in den Vordergrund gerückte Bleivergiftung gefunden. Er hat dies überzeugend mit dem Fehlen einer Anämie, eines Bleisaums an den Zähnen, einer Polyneuropathie und/oder einer Enzephalopathie begründet. Arzt für Innere Medizin, Nephrologie Dr. R. hatte bereits zuvor eine Blei-Nephropathie und eine Niereninsuffizienz ausgeschlossen (Bericht vom 22. März 2013). Dr. O. hat ausweislich ihres Schreibens vom 16. Juni 2013 eine Bleivergiftung lediglich vermutet (vgl. auch die Arztbriefe vom 13. Februar 2013, 25. Oktober 2013 und 11. Juni 2014); in der Kurzinformation vom 28. September 2015 ist auch nur noch allgemein von einer "Schwermetallbelastung" die Rede. In dem Gutachten des Dr. B. vom 22. Oktober 2014 ist im Übrigen eine Bleivergiftung nicht diskutiert. Die Schilddrüsenfunktion befindet sich bei der Klägerin im Normbereich (vgl. Bericht des Endokrinologen Zink vom 19. Mai 2011). Eine Schilddrüsenfunktionsstörung hat selbst Dr. B. auf Grund der erhobenen Laborbefunde ausgeschlossen, ebenso wie die "Reaktivierung" eines Zytomegalievirus und des Epstein-Barr-Virus, die nach seiner Darstellung Symptome wie ein CFS auslösen können.
Das psychiatrische Zustandsbild der Klägerin ist schwer zu fassen. Auf das nahezu ausschließlich somatisch orientierte Krankheitsgefühl der Klägerin, die eine Psychogenese ihrer körperlichen Beschwerden nicht sieht, vielmehr diese mit einem CFS in Verbindung bringen möchte, hat auch der Sachverständige Dr. S. im Gutachten vom 22. November 2013 hingewiesen. Schon dieser Sachverständige und die Rentengutachterin Dr. D. haben jedoch eindeutig ein psychiatrisches Geschehen gesehen, das sie unter der Diagnose einer Dysthymia (ICD-10 F34.1), der Sachverständige zusätzlich unter einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0) zusammengefasst haben. Bei einer Dysthymia handelt es sich nach der ICD-10-Klassifikation um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Eine schwerwiegendere Depressivität hat unter Würdigung der auf psychiatrischem Fachgebiet erhobenen Befunde jedenfalls noch zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. zur Überzeugung des Senats nicht bestanden. Hinsichtlich des psychopathologischen Befundes hat der Sachverständige anlässlich der Untersuchung am 14. November 2013 lediglich eine subdepressive Grundstimmung beschrieben; eine tiefgreifende oder vitale depressive Stimmungslage lag bei ihm hingegen nicht vor. Eine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung zeigte sich bei ihm nicht. Die Klägerin war geistig gut flexibel; das formale Denken war folgerichtig und nicht verlangsamt. Sie zeigte sich auskunftsbereit und kooperativ; klinisch ergab sich kein Anhalt für eine manifeste Simulation oder Dissimulation. Die affektive Resonanzfähigkeit war nicht eingeschränkt; die Klägerin konnte durchaus spontan und kurzzeitig authentisch lächeln und lachen, wirkte hinsichtlich des Affekts insgesamt jedoch sehr kontrolliert. Anzeichen für eine produktiv-psychotische Symptomatik hat der Sachverständige nicht gefunden. Die Klägerin hat sich Dr. S. gegenüber in ihrer Grundpersönlichkeit als fröhlich und sozial eingestellt sowie sehr positiv, optimistisch und aufrichtig beschrieben. Eine auffallende Erschöpftheit war in der Gutachtenssituation für Dr. S. nicht erkennbar. Ihren sozialen Radius hat die Klägerin dem Sachverständigen als nicht sehr ausgeprägt dargestellt; es bestanden jedoch soziale Kontakte. Eine soziale Phobie oder eine soziale Desintegration war nach seinen Ausführungen seinerzeit nicht gegeben; die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit der Klägerin war nicht eingeschränkt. Hinweise auf Störungen des Bewusstseins, der Orientierung oder Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses hatte die Klägerin schon zuvor bei der Rentengutachterin Dr. D. nicht offenbart; das formale und inhaltliche Denken war auch bei ihr ungestört. Bei tendenziell dysthymer Stimmungslage war die Schwingungsfähigkeit auch bei der Rentengutachterin durchweg erhalten. Der Affekt war seinerzeit allerdings, hinter kontrollierter und theatralisch anmutender Fassade, zum gereizten, innerlich unruhigen Pol hin verschoben; bei Themenwechsel kam es jedoch zu einer schnellen Stimmungsaufheiterung. Dr. D. sah eine Diskrepanz zwischen der von der Klägerin geäußerten Erschöpfung und ihren Möglichkeiten, bei Themenwechsel wiederum lebhaft, mit konzentrierter Anteilnahme am Gespräch aufmerksam teilzunehmen und energievoll bei erhaltener Schwingungsfähigkeit mitzuarbeiten. Der Rentengutachterin hatte die Klägerin noch angegeben, dass es ihr leicht falle, andere Menschen kennenzulernen; sie habe einen guten Bekanntenkreis sowie zwei Freundinnen. Seinerzeit lebte die Klägerin außerdem noch in einer Partnerschaft mit einem in H. wohnenden Mann, der sie an den Wochenenden besuchte. Suizidgedanken verneinte die Klägerin sowohl gegenüber Dr. D. als auch gegenüber Dr. S ... All das hat die Klägerin in ihren "Richtigstellungen" vom 4. Mai 2015 und 10. Februar 2016 auch nicht in Abrede gestellt.
Der Sachverständige Dr. S. - ihm folgend später der Sachverständige Dr. H. - hat außerdem die Diagnose einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0) gestellt; diese Diagnose hat nach der Beurteilung von Dr. S. anlässlich seiner gutachterlichen Untersuchung sogar im Vordergrund des Beschwerdebildes der Klägerin gestanden. Charakteristisch für eine Somatisierungsstörung sind multiple, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome, wobei die darauf durchgeführten Untersuchungen häufig negative Ergebnisse zeitigen; die von solchen Patienten angeführten Beschwerden haben mithin kein ausreichendes organisches Korrelat. Derartige deutliche Anzeichen für eine Somatisierung hat Dr. S. auch bei der Klägerin beschrieben mit vorwiegender Projektion der Beschwerden auf das gastro-intestinale System, aber auch auf andere Organsysteme wie das muskulo-skeletale System. Sowohl Dr. S. als auch Dr. D. haben außerdem Hinweise auf eine Persönlichkeitsakzentuierung gesehen (vom Sachverständigen unter ICD-10-Code Z 73.1 gefasst, von der Rentengutachterin unter F60.9). Die von der Klägerin der Rentengutachterin angegebene Labilität mit panikartigem Erleben (Luftnot, Kurzatmigkeit und Engegefühl im Brustbereich) und nachfolgender Müdigkeit, Erschöpfung, Energielosigkeit und Schwächezuständen hatte Dr. D. vordergründig mit einer Dysthymia, hintergründig mit der Persönlichkeitsakzentuierung in Zusammenhang gebracht. Die von dem behandelnden Psychotherapeuten Jung im Schreiben vom 2. Juli 2013 gestellte Diagnose einer "chronischen Anpassungsstörung mit Depression und Ängsten (ICD-10 F. 43.22)" ließ sich noch zum Begutachtungszeitpunkt durch Dr. S. angesichts der von ihm erhobenen Befunde nicht nachvollziehen; der Sachverständige hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die Wertung des Psychotherapeuten vor allem auf den Eigenangaben der Klägerin beruhte, ohne dass von diesem weitergehende objektivierbare Befunde beschrieben worden waren. Das Kopfschmerzleiden der Klägerin hat der Sachverständige Dr. S. am ehesten einem Spannungskopfschmerz zugeordnet; die Rentengutachterin Dr. D. hat eine Migräne ohne Aura beschrieben. Neurologische Ausfälle lagen weder bei Dr. S. noch bei den Rentengutachterinnen Dr. D. und Dr. B.-K. vor.
Die bei der Klägerin noch zum Begutachtungszeitpunkt bei dem Sachverständigen Dr. S. vorhandenen Gesundheitsstörungen haben keine Einschränkung ihres Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht bewirkt; sie haben lediglich zur Beachtung qualitativer Einschränkungen geführt. Der Senat schließt sich insoweit der schlüssigen und gut nachvollziehbaren Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. S. sowie der Rentengutachterinnen Dr. D. und Dr. B.-K. an, die sämtlich bei der Klägerin ein Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden arbeitstäglich jedenfalls für körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere, in wechselnder Körperhaltung und in Tagesschicht zu verrichtende Tätigkeiten bejaht haben; zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. waren der Klägerin lediglich Tätigkeiten nicht mehr zumutbar, die mit widrigen klimatische Bedingungen, mit Akkord-, Fließbandarbeit und Schichtarbeit sowie mit vermehrt emotionalen Belastungen oder erhöhtem Konfliktpotential verbunden waren. Im Übrigen ist selbst der Umweltmediziner R. als sachverständiger Zeuge im Schreiben vom 11. Mai 2013 von einer täglich mindestens sechsstündigen Leistungsfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Dr. O., die in den Arztbriefen vom 13. Februar 2013, 25. Oktober 2013 und 11. Juni 2014 u.a. ein chronisches Ermüdungssyndrom bei Zustand nach bzw. persistierender Epstein-Barr-Virusinfektion aufgeführt und in ihrem Schreiben vom 16. Juni 2013 eine "mäßige Form" einer CFS gesehen hat, hat sich seinerzeit zum Leistungsvermögen der Klägerin nicht abschließend äußern möchten. Die Leistungseinschätzung des Dipl.-Psych. J., der der Klägerin im Schreiben vom 2. Juli 2013 Tätigkeiten nur noch unter drei Stunden täglich zugetraut hat, vermag dagegen angesichts von Art und Ausmaß der seinerzeit vorhandenen objektivierbaren Gesundheitsstörungen nicht zu überzeugen; deshalb braucht nicht weiter erörtert zu werden, ob die vorwiegend auf medizinischem Gebiet liegende Beurteilung der Belastbarkeit von den fachlichen Kompetenzen eines Psychologen überhaupt umfasst ist. In Anbetracht der objektivierbaren Gesundheitsstörungen ist auch die Leistungseinschätzung des Hausarztes der Klägerin Dr. Z. (Schreiben vom 8. April 2013) nicht nachvollziehbar und nur mit seiner Einstellung als Behandler, der das Arzt-Patienten-Verhältnis nicht beeinträchtigen möchte, erklärbar; im genannten Schreiben hat der Hausarzt im Übrigen auf die aus "subjektiver Sicht" der Klägerin bestehende massive Leistungseinschränkung mit schneller körperlicher Erschöpfung, sich wiederholenden Bauchkrämpfen und einem Zustand der Erschöpfung bei der Reizdarmproblematik und der zwischenzeitlich diagnostizierten "Bleiüberlastung" hingewiesen. Die Auffassung der Ärztin für Chirurgie Medizinaldirektorin Dr. B.-K. in ihrem auf Veranlassung der ArbA Karlsruhe erstellten Gutachten vom 18. April 2012, dass die Klägerin voraussichtlich mehr als sechs Monate auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich unter drei Stunden täglich leistungsfähig sei, ist schon angesichts der von ihr gestellten - mit denjenigen der Dr. B.-K. nahezu identischen - Diagnosen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des unteren Verdauungssystems mit Reizdarmsyndrom im Sinne eines Colon irritabile und mit Diarrhoen, einer Laktose-, Fruktose- und Histaminintoleranz sowie einer Darmmykose nicht nachvollziehbar. Bereits in dem Heilverfahrens-Entlassungsbericht der Dr. Z. vom 23. September 2010 waren im Übrigen bei den Diagnosen eines Colon irritabile, einer Laktose- und Fruktoseintoleranz sowie eines zervikozephalen Syndroms rentenrechtlich relevante quantitative und qualitative Leistungseinschränkungen verneint worden.
Damit war die Klägerin mit dem oben beschriebenen Leistungsvermögen bis zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. (gutachterliche Untersuchung am 14. November 2013) nicht einmal teilweise erwerbsgemindert und erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Eine - trotz mindestens sechsstündiger Leistungsfähigkeit - eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rechtfertigende Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil der Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder seine Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Die letztgenannten beiden Gründe, die zu einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes führen können, liegen nach dem Beweisergebnis für den oben bezeichneten Zeitraum nicht vor. Eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Gehfähigkeit (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10) haben sowohl der Sachverständige Dr. S. als auch die Rentengutachterinnen Dr. B.-K. und Dr. D. verneint; ebenso wenig sind betriebsunübliche Arbeitsbedingungen (vgl. (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136; BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) zu beachten. Eine Arbeitsmarktverschlossenheit resultiert insbesondere nicht aus dem Umstand, dass nach den Ausführungen der Rentengutachterinnen Dr. B.-K. und Dr. D. für die Klägerin eine Toilette jederzeit erreichbar sein muss. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind eine Vielzahl von Arbeitsplätzen vorhanden, bei denen gewährleistet ist, dass sich eine Toilette in zumutbarer Entfernung befindet (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 30. Juli 2003 - L 17 RA 39/02). Denn nach § 6 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsstätten-Verordnung (ArbStättV) ist der Arbeitgeber verpflichtet, Toilettenräume bereitzustellen; diese müssen sich sowohl in der Nähe von Arbeitsplätzen als auch in der Nähe von Pausen- und Bereitschaftsräumen, Wasch- und Umkleideräumen befinden (Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 2 des Anhangs zur ArbStättV). Nach der Arbeitsstättenregel A4.1 (vgl. § 7 Abs. 4 ArbStättV) sollen sich die Toilettenräume im gleichen Gebäude wie die Arbeitsplätze befinden; die Weglänge sollte nicht länger als 50 m sein und darf 100 m nicht überschreiten. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, die zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit führen würde (vgl. hierzu BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSGE 109, 189 = SozR 4-2600 § 43 Nr. 16; SozR a.a.O. § 43 Nrn. 18 und 19), lag gleichfalls nicht vor; es bestanden schon keine Zweifel an der betrieblichen Einsetzbarkeit der Klägerin. Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne schweres Heben und Tragen werden bereits vom Begriff "leichter körperlicher Arbeiten" erfasst; sie haben deshalb keine Verengung der der Klägerin in der fraglichen Zeit noch möglichen Arbeitsfelder bewirkt (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Auch die verbleibenden Einschränkungen (keine Arbeiten im Akkord, am Fließband, in Schichtarbeit, unter widrigen klimatischen Bedingungen, mit vermehrt emotionalen Belastungen oder erhöhtem Konfliktpotential) haben nicht zu einer Einengung der beruflichen Einsetzbarkeit der Klägerin im oben genannten Sinn geführt (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; BSG SozR 4-2600 § 43 Nrn. 18 und 19). Körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten werden im Übrigen nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt. Etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).
2. Eine volle oder auch nur teilweise Erwerbsminderung der Klägerin ist ferner für die anschließende Zeit jedenfalls bis zum 30. Juni 2014 nicht erwiesen. Objektivierbare, das Leistungsvermögen der Klägerin in diesem Sinne auf ein rentenberechtigendes Maß herabsetzende Gesundheitsstörungen lassen sich für die Zeit vom 15. November 2013 bis zum genannten Datum nicht feststellen. Eine andere Einschätzung ist indessen für die Zeit ab dem 1. Juli 2014 gerechtfertigt.
Beide die Klägerin in der Folgezeit begutachtenden, dem Senat als sozialmedizinisch erfahrene Forensiker bekannten Sachverständigen - Dr. H. und Dr. L. - haben eine langjährige Chronifizierung der bei der Klägerin vorhandenen seelischen Störungen gesehen mit Fixierung auf ein pseudoorganisches, umweltmedizinisches Krankheitskonzept. In der Anamnese berichtete die Klägerin gegenüber Dr. H. über ihre Beschwerden, die mit dem 18. Lebensjahr, damals mit Übelkeit, Durchfällen und Bauchschmerzen, begonnen und zu vielen Arztbesuchen geführt hätten, ohne dass eine rechte Erklärung gefunden worden sei; im Laufe der Jahre sei sie immer mehr erschöpft gewesen, habe sich bei der Arbeit "zusammenreißen" müssen und in den letzten Jahren immer weniger Leistung gebracht. Dr. H. hat die Klägerin anlässlich seiner Untersuchung am 6. Oktober 2015 im psychischen Befund zwar als bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich, zur Person und situativ voll orientiert beschrieben. In Gestik und Mimik war die Klägerin jedoch wechselnd teils depressiv herabgestimmt, teils agitiert, begann immer wieder spontan zu weinen, wirkte verunsichert, selbstunsicher und hilflos, äußerte Ängste vor körperlichen Erkrankungen, auch vor "Vergiftung durch Schwermetall", schilderte eine Fülle von körperlichen Beschwerden, klagte über Einsamkeit und Erschöpfung, auch beim Ausfüllen der Fragebögen, sodass eine Pause gemacht werden musste, und war im Antrieb wechselnd und unsicher. All dies hat Dr. H. als durchaus authentisch bezeichnet; es entstand bei ihm klinisch nicht der Eindruck von zweckgerichteten oder demonstrativen Verhaltensweisen. Die Klägerin, die zur Untersuchung bei dem Sachverständigen von einer Freundin gefahren worden war, zeigte sich völlig fixiert auf ihre körperlichen Beschwerden, nach denen sich auch ihr Tagesablauf orientiert. Insoweit hat sie dem Sachverständigen gegenüber angegeben, morgens zwischen 8.30 Uhr aufzustehen, mindestens eine Stunde zu benötigen, bis sie überhaupt in Gang komme und außerdem längere Zeit, bis sie den Toilettengang erledigt habe. Die meisten Speisen könne sie nicht essen und mache sich deshalb einen Brei aus verschiedenen Substanzen, die sie vertrage. Einkaufen gehe sie nur mit einer Freundin, weil ihr alles viel zu anstrengend sei. Spazierengehen könne sie nur etwa 15 bis 20 Minuten, weil sie bereits wieder so erschöpft sei, dass sie sich hinlegen müsse: Früher habe sie gerne gelesen, könne sich jetzt aber nicht mehr konzentrieren; es komme dann gleich zu Augenbrennen. Den meisten Kontakt habe sie zu einer Freundin, die sie auch zum Sachverständigen gefahren habe. Sie traue sich nicht, irgendwohin zu gehen, weil sie dann gleich Durchfall bekomme und ihre Bauchschmerzen dann verstärkt auftreten würden. Sie fühle sich ständig angespannt und erschöpft. Insgesamt hat der Sachverständigen den psychopathologischen Befund als depressiv herabgestimmt, asthenisch wirkend, von deutlichem Leidensdruck erfüllt, ohne Hinweise auf eine Psychose oder ein hirnorganisches Psychosyndrom von Krankheitswert beschrieben. Auch die psychometrische Testung durch Dr. H. hat ergänzend zum klinischen Befund keinerlei Hinweise auf ein nicht-identisches Verhalten erbracht. Das gilt nach den Ausführungen der Sachverständigen zunächst mit Blick auf den strukturierten Fragebogen simulierter Symptome (SFSS), einem Beschwerdevalidierungstest; hier erreichte die Klägerin sowohl in den einzelnen Scores als auch im Gesamt-SFSS-Score als Indikator für Simulation (dort 13 Punkte bei einem Cut off von 16) unauffällige Werte. Im Brief Symptom Inventury (BSI) als Instrument subjektiver Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome ergaben sich - insoweit korrelierend mit dem klinischen Befund - Maximalwerte für Somatisierung, Zwanghaftigkeit und phobische Angst (T-Wert von 80). Das Ergebnis der zuletzt nach Exploration, Untersuchung und den anderen psychometrischen Tests durchgeführten Testung anhand des Freiburger Persönlichkeitsinventars (FPI-R) war wegen vieler Auslassungen der Klägerin, die völlige Erschöpfung und Überforderung angab, nicht eindeutig verwertbar.
Insgesamt hat Dr. H. die auf psychiatrischem Gebiet vorhandenen psychopathologischen Befunde diagnostisch einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F.45.0), einer Dysthymia (F34.1) mit rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F33.1), im Sinne der "double depression" sowie einem Erschöpfungssyndrom im Sinne einer Neurasthenie (F.48.0) zugeordnet und ferner eine Persönlichkeitsakzentuierung angenommen, ohne dass das Ausmaß einer Persönlichkeitsstörung erreicht werde. Mit Bezug auf das Gutachten des Dr. S. vom 22. November 2013, das der Sachverständige Dr. H. auch aus seiner psychiatrischen Sicht als schlüssig erachtet hat, hat er eine zwischenzeitlich weitere Fixierung der Symptomatik mit einem nunmehr eindeutig depressiven Syndrom zumindest mittelgradiger Ausprägung sowie einer völligen Fixierung auf die bestehenden somatoformen Störungen gesehen, dies gefördert und betont durch das organmedizinische Konzept der Umweltmediziner mit bereits fünf Aufenthalten in der Spezialklinik N., ohne dass sich dadurch irgendeine Besserung der subjektiven Beschwerden erreichen ließ. Er hat weiter ausgeführt, die Klägerin erhalte durch die Umweltmediziner eine griffige pseudo-organische Erklärung ihrer vielfältigen Befindlichkeitsstörungen, die ursprünglich als "somatoforme autonome Funktionsstörung des Gastrointestinaltraktes" gewertet worden seien und sich nunmehr zu einer "Somatisierungsstörung" ausgeweitet hätten. Die sicher seit der Jugend bestehende Dysthymia habe in den letzten Jahren eine Verstärkung dahingehend gefunden, dass nunmehr von einer zusätzlichen rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradiger Ausprägung, auszugehen sei. Das seelische Störungsbild habe letztlich auch zu einer Erschöpfungsreaktion im Sinne einer Neurasthenie geführt. Der gesamte Verlauf der letzten Jahre sei ausgesprochen ungünstig gewesen. Durch die umweltmedizinischen Maßnahmen sei das organische Krankheitskonzept der Klägerin weiter fixiert und chronifiziert worden, gleichzeitig seien bei fehlendem Behandlungserfolg aber auch das depressive Syndrom, die Hilflosigkeit den körperlichen Beschwerden gegenüber und die allgemeine Erschöpfung weiter fixiert worden. Der Sachverständige Dr. H. ist deshalb im Gutachten vom 6. Oktober 2015 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, mit zumutbarer Willensanstrengung ihre seelische Störung zu überwinden und sich wieder in das Berufsleben einzufügen, und zwar auch nicht mit ärztlicher oder intensivierter psychotherapeutischer Hilfe. Die seelische Störung im Sinne einer schweren Somatisierungsstörung, einer seelischen Hemmung gegen eine berufliche Tätigkeit, einer Antriebsminderung und einer raschen Erschöpfbarkeit sei so ausgeprägt, dass eine regelmäßige Tätigkeit nicht mehr zumutbar erscheine. Der Sachverständige hat daher das Leistungsvermögen der Klägerin auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf unter drei Stunden täglich eingeschätzt. Auf die Einwendungen der Prüfärztin Dr. E. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 29. Oktober 2015 hat Dr. H. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23. November 2015 seine diagnostische Einordnung der seelischen Störung als rezidivierendes depressives Syndrom aus der Anamnese der Klägerin abgeleitet, wobei als Basis von einer Dysthymia auszugehen sei und zusätzlich von immer wieder verstärkten depressiven Episoden, die die Klägerin selbst in ihrem einseitig somatischen Krankheitskonzept als körperlich begründbare Störungen gewertet habe; deshalb sei es nicht zu einer adäquaten Behandlung gekommen. Er hat hinsichtlich des Verlaufs und der Krankengeschichte zum Einen auf den Dipl.-Psych. J. verwiesen, der in der bereits im Rentenverfahren von der Klägerin eingereichten Bescheinigung vom 20. Januar 2012 von depressiven Reaktionen mit Erschöpfungszuständen gesprochen hatte, sowie ferner auf die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. D., die dort über eine etwa 2007/2008 aufgetretene Kraftlosigkeit mit Kreislaufproblemen, Zusammensacken in der Dusche oder beim Einstieg in den Zug auf der Fahrt zur Arbeit berichtet hatte. Solches hatte die Klägerin im Übrigen auch gegenüber Dr. B.-K., dort eingegrenzt allerdings auf die Jahre 2008/2009, angegeben. Der Sachverständige hat ferner auf die Behandlung der Klägerin in der Deutschen Klinik für Diagnostik am 25. November 2011 hingewiesen, wo bereits die Medikation mit Antidepressiva (Venlafaxin und Amitryptilin) angeraten worden war (vgl. Bericht vom 18. Januar 2011), an welche Empfehlung sich die Klägerin jedoch nicht halten wollte; das Problem sei schon damals deren völlige Fixierung auf ein ausschließlich somatisches Erklärungsmodell gewesen. Dr. H. hat dargelegt, dass sich die Symptomatik im Vergleich zum Gutachten des Dr. S. weiter verstärkt und auf die nicht fassbaren Organkonzepte weiter fixiert habe, nachdrücklich unterstützt von den die Klägerin einschlägig behandelnden Ärzten. Auf Grund der langjährigen Fixierung auf ein pseudo-organisches Krankheitskonzept, welches auch einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung entgegenstehe, ist er zum Ergebnis gelangt, dass diese nicht in der Lage sei, sich hiervon zu lösen.
Die Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. H. hat auch der von Amts wegen nach § 106 SGG vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. L. im Gutachten vom 28. Mai 2016 geteilt. In der Eigenanamnese berichtete die Klägerin diesem Sachverständigen gegenüber anlässlich der Exploration am 18. Mai 2016 von einer seit dem 20. Lebensjahr bis heute zunehmenden schleichenden Einengung und Schwäche sowie einer zunehmenden Erschöpfbarkeit. Im Beschwerdevortrag beklagte sie u.a. Kreislaufbeschwerden, Schwindel und allgemeines Zittern, sie fühle sich schwach und benommen, habe nicht lokalisierbare Schmerzen und stark ziehende Beschwerden am ganzen Körper, es komme immer wieder zu einem Muskelzucken, zu intensiver Übelkeit, zu Durchfällen mit kolikartigen Bauchschmerzen, es bestehe Kurzatmigkeit und häufig wiederkehrende Atemnot sowie ständig ein Globusgefühl, sie habe Durchschlafschwierigkeiten, grüble, könne ihre Gedanken von ihrem angeschlagenen Zustand nicht lösen, sei ständig erschöpft und abgeschlagen, ferner sei ihr Konzentrationsvermögen eingeschränkt. Zum Tagesablauf gab sie an, häufig schon gegen 20.00 Uhr bis 21.00 Uhr ins Bett zu gehen und morgens oft erst um 10.00 Uhr aufzustehen. Morgens ca. gegen 10.00 bereite sie das Frühstück, lege sich dann je nach Tagesablauf wieder hin oder richte sich im Bad. Teilweise versuche sie gegen 12.00 Uhr Einkaufen zu gehen; das Mittagessen bereite sie um 14.00 Uhr zu, sei dann aber so erschöpft, dass sie sich wieder hinlegen müsse bereite. Eine Freundin und eine Nachbarin würden ihr helfen, da sie Schwierigkeiten habe, sich inzwischen allein zu versorgen. Sie habe keine Hobbies mehr und kaum Kontakte außerhalb der eigenen vier Wände. Sie schaue viel (?) fern, lese allenfalls etwas, lasse sich von Bekannten telefonisch von der Außenwelt berichten. Im psychiatrischen Befund hat der Sachverständige die Klägerin als freundlich, zugewandt und kooperativ beschrieben und eine Simulation und Aggravation von Beschweren ausgeschlossen. Die Stimmung sei mittelschwer depressiv ausgelenkt gewesen; die Klägerin leide, sei teilweise weinerlich gewesen und habe von Angst, Unruhe, Anspannung, einem Globusgefühl, einem Engegefühl, Erschöpfung, Durchfällen und weitergehenden psychosomatischen Beschwerden berichtet. Der Klinik begleitend liege ein unruhiges Fingerspiel vor. Die Klägerin habe die Untersuchung und Exploration mehrfach unterbrechen müssen, die ausgehändigten Anamnesebögen nicht am Stück bearbeiten können und sie teilweise auch nach Hause genommen; das ihr ausgehändigte Formblatt zur Nachreichung der biographischen Anamnese habe sie bis zur Abfassung des Gutachtens nicht zurückgegeben. Weiter hat Dr. L. ausgeführt, die Klägerin sei psychomotorisch gebunden, kaum schwingungsfähig. Sie sei fixiert auf die dominierende Körperlichkeit ihrer Erkrankung. In psychodynamische Zusammenhänge auch körperlicher Störungen sei sie so gut wie nicht introspektionsfähig; sie sei somatisiert, erlebe körperlich im Ansatz vorhandene Beschwerden verstärkt und verfüge über reduzierte verbale Konfliktlösungsstrategien. Die Persönlichkeit der Klägerin hat er als wenig flexibel, ängstlich und eher einfach strukturiert bezeichnet. Die psychometrische Testung begleitend zum klinischen Befund ergab unterschiedliche Werte. So erreichte die Klägerin im Beck-Depressions-Inventar (BDI), einem Testverfahren, mit dem die Schwere einer depressiven Symptomatik bzw. von Depressionen erfasst werden, einen Wert von 26, was einer mittelschweren Depression entspricht. Beim Test nach der Korff-Schmerz-Intensitäts- und Beeinträchtigungsskala lag eine hohe Schmerzintensität (SI-Wert 86) und eine hohe Beeinträchtigung (Grad 3) vor. Bei der Schmerz-Simulations-Skala zur Charakterisierung subjektiv empfundener Schmerzen lag die Klägerin in der Gesamtzahl der angekreuzten Begriffe mit 9 items im Grenzbereich, in der Bewertung der Anzahl spezifischer Begriffe mit 5 items im Bereich der Glaubwürdigkeit. Dagegen war beim Beschwerdevalidierungstest SFSS der Cut off-Wert von 16 um 8 Punkte und damit deutlich überschritten. Im Amsterdamer Kurzzeitgedächtnistest, einem Verfahren zur Erfassung negativer Antwortverzerrungen bzw. einer unzureichenden Leistungsmotivation in einer psychologischen Untersuchung erreichte die Klägerin bei einem Höchstwert von 90 lediglich einen Wert von 70. In der Gesamtschau des klinischen Befundes, der Persönlichkeit der Klägerin sowie des bisherigen Verlaufs hat Dr. L. indes die Testpsychologie und die Selbstbeurteilungsskalen nicht als Korrelat einer Simulation und Aggravation gewertet; er hat außerdem einen hirnorganischen Schaden ausgeschlossen. Der Sachverständige hat unter Auswertung der Akten sowie auf Grund der eigenen Untersuchung und Exploration der Klägerin eine massive Einengung, einen Rückzug, eine zunehmende Beeinträchtigung des selbständigen Lebens sowie eine Beeinträchtigung der allgemeinen Lebens- und Gestaltungsfähigkeit in erheblichem Ausmaß beschrieben. Diagnostisch ist Dr. L. auf psychiatrischem Fachgebiet zu einer rezidivierend depressiven Störung mittelschwerer bis schwergradiger Ausprägung mit Angst sowie einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F.61) gekommen. Er hat sich der Auffassung von Dr. H. zur Chronifizierung und Fixierung der seelischen Störung ausdrücklich angeschlossen, wobei sich die Dysthymie inzwischen zu einer manifesten Depression entwickelt habe. Wie auch Dr. H. ist der Sachverständige Dr. L. von einer iatrogenen Fixierung der Situation bei fragwürdigen therapeutischen Maßnahmen ausgegangen. Dr. L. hat vor dem Hintergrund der von ihm beschriebenen ausgeprägt auffälligen Depressivität und Angst und den damit verbundenen Begleiterscheinungen (psychosomatische Beschwerden) die Klägerin - wie schon Dr. H. - für nicht mehr in der Lage gehalten, Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten, und ihr Leistungsvermögen auf unter drei Stunden täglich gesunken beurteilt. Auch er hat die Prognose in Anbetracht der wenig flexiblen und eher einfach strukturierten Primärpersönlichkeit und der inzwischen erfolgten und zunehmenden Einengung der Klägerin auf ein umweltmedizinisch-somatisches Krankheitsgeschehen aus seiner Sicht als extrem ungünstig gewertet. Auf die Einwendungen des Dr. N. (sozialmedizinische Stellungnahme vom 1. Juli 2016) hat der Sachverständige Dr. L. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2016 nochmals betont, er sehe wie Dr. H. Auffälligkeiten über die komplette Lebensgeschichte der Klägerin, die teilweise als persönlichkeitsassoziiert, als persönlichkeitsbedingt einzuordnen seien, teilweise auch vor dem Hintergrund der rezidivierenden depressiven Störung mit ausgeprägter Neigung zur Somatisierung. Eine Dysthymie sei nicht zu diagnostizieren; das Ausmaß der psychiatrischen Auffälligkeiten gehe vielmehr darüber hinaus. Die Lebensgeschichte und der klinische Befund bestätigten eine schwere Störung, die Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr für möglich erscheinen ließen.
Ungeachtet der oben dargestellten Meinungsverschiedenheiten der die Klägerin begutachtenden Ärzte über die genaue diagnostische Einordnung des bei ihr auf psychiatrischem Gebiet vorhandenen pathologischen Befundes ergibt sich aus ihren Ausführungen zur Überzeugung des Senats ein sich chronifizierender Verlauf des Krankheitsbildes mit einer sich über die Jahre progredient entwickelnden psychischen Symptomatik, die schließlich zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen geführt hat. Zutreffend hat Dr. L. darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit das Ausmaß der psychischen Störung sowie die Konsequenzen dieser Störung im Alltag entscheidend sind und es auf die diagnostische Einordnung der Beschwerden nicht ankommt (vgl. auch Senatsurteile vom 12. Mai 2016 - L 7 R 2061/14 - und 22. September 2016 - L 7 R 1330/16 - (beide www.sozialgerichtsbarkeit.de)). Beide Sachverständigen - Dr. H. und Dr. L. - haben das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden täglich beurteilt. Dem folgt der Senat angesichts der langjährigen Chronifizierung des Leidens der Klägerin bei iatrogen verstärkter Fixierung auf ein umweltmedizinisch-somatisches Krankheitskonzept; das aufgehobene Leistungsvermögen der Klägerin haben beide Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar begründet. Den Einwendungen der Prüfärzte der Beklagten vermag der Senat sich deshalb nicht anzuschließen. Der Sachverständige Dr. H. hat in Anbetracht des erheblichen Ausmaßes der Fixierung und Chronifizierung der seelischen Störung die bei der Klägerin vorhandenen Einschränkungen überzeugend als solche von Dauercharakter beschrieben und eine Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit für unwahrscheinlich gehalten. Auch der Sachverständige Dr. L. hat die Prognose bei der Klägerin angesichts ihrer Primärpersönlichkeit und der inzwischen erfolgten und zunehmenden Einengung auf ein umweltmedizinisch-somatisches Krankheitsgeschehen als äußerst ungünstig gewertet. Dr. L. hat darauf hingewiesen, dass sich der nunmehr festgestellte Gesundheitszustand spätestens ab 2012/2013 entwickelt habe. Dr. H. hat unter Berücksichtigung der Vorgutachten mit kontinuierlicher Verschlechterung der Symptomatik eine Eingrenzung etwa mit dem 1. Juli 2014 vorgenommen. Dem Sachverständigen Dr. H. folgend grenzt der Senat den Eintritt der vollen Erwerbsminderung auf den 1. Juli 2014 ein, d.h. auf einen Zeitpunkt, zu dem auch die vierte stationäre Behandlung der Klägerin in der Spezialklinik N. ohne jeden messbaren Erfolg geblieben war. Eine frühere Leistungsminderung vor dem genannten Zeitpunkt lässt sich dagegen nicht mit der für die richterliche Überzeugungsbildung gebotenen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Bei Dr. B. hat sich die Klägerin erst am 13. August 2014 vorgestellt.
Ausgehend vom Eintritt der vollen Erwerbsminderung am 1. Juli 2014 sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) und die allgemeine Wartezeit ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 19. Dezember 2016 erfüllt.
Die Rente wird nach der Grundregel des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI von dem Monat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei einem Versicherungsfall vom 1. Juli 2014 ist der Rentenbeginn demnach auf den 1. August 2014 festzulegen. Eine Befristung (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) war nicht vorzunehmen, denn vorliegend greift der Ausnahmefall des § 102 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 SGB VI ein; danach werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage - wie hier - besteht, unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. "Unwahrscheinlich" ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt (BSGE 96, 147 = SozR 4-2600 § 102 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 21)). Ein derartiger Fall ist vorliegend unter Würdigung der Ausführungen der Sachverständigen Dr. H. und Dr. L. gegeben; die Klägerin ist nicht mehr in der Lage sei, mit zumutbarer Willensanstrengung ihre seelische Störung zu überwinden, und zwar auch nicht mit ärztlicher oder intensivierter psychotherapeutischer Hilfe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens sowie ihre Kosten des Berufungsverfahrens in voller Höhe zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1967 geborene Klägerin erlernte nach dem Hauptschulabschluss von September 1984 bis Oktober 1986 den Beruf der Verkäuferin. Ab November 1986 arbeitete sie bei einem Versicherungsunternehmen als Versicherungsangestellte im Innendienst u.a. in der Schadenssachbearbeitung und zuletzt im Personalwesen bei der Personalbeschaffung (Recruiting); ab 2008 war die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 36 Stunden (Montag bis Donnerstag) reduziert. Seit 25. Oktober 2010 bestand durchgehend Arbeitsunfähigkeit. Nach Entgeltfortzahlung (bis 1. November 2010) und dem Bezug von Krankengeld (2. November 2010 bis 19. März 2012) wurde der Klägerin vom 20. März 2012 bis 18. März 2013 von der Agentur für Arbeit (ArbA) Karlsruhe Arbeitslosengeld gewährt. Seitdem sind in ihrem Versicherungsverlauf keine Zeiten mit Versicherungspflichttatbeständen mehr gespeichert. Aus einer privaten Versicherung bezieht die Klägerin eine Berufsunfähigkeitsrente.
In der Zeit vom 5. August bis 7. September 2010 fand auf Kosten der Beklagten in der Reha-Klinik O. d. T. in B. M. eine stationäre Rehabilitationsbehandlung statt; die Entlassung erfolgte für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne ständiges Stehen und Gehen sowie ohne Akkord- und Nachtschichtarbeiten mehr als sechsstündig leistungsfähig (Bericht der Ltd. Ärztin Dr. Z. vom 23. September 2010; Diagnosen: Colon irritabile, Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz, zervikozephales Syndrom).
Auf Aufforderung der ArbA Karlsruhe stellte die Klägerin am 8. Mai 2012 den streitgegenständlichen Rentenantrag, den sie mit einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des Verdauungssystems mit Reizdarm, Diarrhoe, Laktose-, Histamin- und Fruktoseintoleranz, einer Darmmykose, starken Schmerzzuständen, Schwächeanfällen, Energielosigkeit, Infekten, Übelkeitszuständen, Koliken, Afterjucken, Kreislaufbeschwerden, starken Kopfschmerzen und Gelenkschmerzen begründete. Die Beklagte veranlasste Begutachtungen durch die Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie, Fachärztin für Laboratoriumsmedizin Dr. D. sowie durch die Fachärztin für Innere Medizin Dr. B.-K ... Dr. D. diagnostizierte im Gutachten vom 24. Juli 2012 eine somatoforme autonome Funktionsstörung des unteren Verdauungssystems, eine Essstörung, Dysthymia, chronische Spannungskopfschmerzen, Migräne ohne Aura sowie einen schädlichen Gebrauch von Analgetika und sah Hinweise auf eine zwanghafte und histrionische Persönlichkeitsakzentuierung; die Klägerin sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung in Tagesschicht, Früh- oder Spätschicht bei Vermeidung von erhöhtem Zeitdruck noch mehr als sechs Stunden täglich auszuüben; Die Möglichkeit zum Toilettengang müsse vorhanden sein. Dr. B.-K., die in ihrem Gutachten vom 25. Juli 2012 auch das Gutachten der Dr. D. verwertete, ist - bei den zusätzlichen Diagnosen einer Nahrungsmittelunverträglichkeit gegen Fruktose und Laktose (sowie vermutlich auch Histamin) und einem Reizdarmsyndrom - zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überwiegend im Stehen, überwiegend im Gehen oder mit ständigem Sitzen in Tagesschicht, Früh-/Spätschicht sowie Nachtschicht noch mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne; ausgeschlossen seien schwere Tätigkeiten sowie solche mit erhöhtem Zeitdruck; eine jederzeit verfügbare Toilettenbenutzung müsse gegeben sein. Mit Bescheid vom 8. August 2012 lehnte der Beklagte darauf den Rentenantrag ab weil die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2012 zurückgewiesen.
Deswegen hat die Klägerin am 18. Januar 2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgebracht, sie leide seit vielen Jahren unter einer Störung des Verdauungstrakts mit erheblicher Einschränkung ihres Nahrungsmittelsortiments; hinzu kämen Erschöpfungszustände, Energielosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Schmerzzustände mit Bauchkrämpfen. Im November 2012 sei in der Spezialklinik N. während eines stationären Aufenthalts (13. November bis 4. Dezember 2012) außerdem eine schwere Bleivergiftung festgestellt worden. Das SG hat zunächst die Behandler der Klägerin als sachverständige Zeugen gehört. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Z., der mit Schreiben vom 8. April 2013 zahlreiche (teilweise schon während des Verwaltungsverfahrens aktenkundige) Arztunterlagen eingereicht hat, hat mitgeteilt, dass er auf Grund der Bleiintoxikation mit in der Spezialklinik N. begonnener Entgiftungstherapie nur noch vier Stunden täglich bei der Klägerin für zumutbar halte. Psychotherapeut Dipl.-Psych. J., der über regemäßige Termine zur verhaltenstherapeutischen Behandlung seit Juni 2011 berichtet hat, ist wegen eines chronischen Erschöpfungszustandes von einer unter dreistündigen Leistungsfähigkeit ausgegangen (Schreiben vom 2. Juli 2013). Dagegen hat der Umweltmediziner R. im Schreiben vom 11. Mai 2013 ein arbeitstäglich mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen der Klägerin bejaht. Dr. O., Oberärztin an der Spezialklinik N., hat sich hingegen zu einer Leistungsbeurteilung nicht in der Lage gesehen (Schreiben vom 16. Juni 2013). Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des MUDr. H. vom 5. August 2013 entgegengetreten. Das SG hat anschließend Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. zum Sachverständigen bestellt. Im Gutachten vom 22. November 2013 hat der Sachverständige eine Somatisierungsstörung, eine Dysthymie, eine Persönlichkeitsakzentuierung sowie ein Kopfschmerzleiden, am ehesten Spannungskopfschmerzen, diagnostiziert. Er ist zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnden Arbeitshaltungen in Tagesschicht sowie mit üblichem Publikumsverkehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch acht Stunden arbeitstäglich verrichten könne; zu vermeiden seien widrige klimatische Bedingungen, nicht leidensgerecht Tätigkeiten unter verschärften Akkord- und Fließbandbedingungen, mit vermehrt emotionalen Belastungen oder erhöhtem Konfliktpotential. Dr. S. hat noch die ihm von der Klägerin mitgebrachten Arztunterlagen (Attest des Dr. Z. vom 31. Oktober 2013, Kurzinformation der Dr. O. vom 25. Oktober 2013 (stationärer Aufenthalt vom 30. September bis 28. Oktober 2013)) übermittelt. Das SG hat sodann auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) den Facharzt für Allgemeinmedizin, Umweltmedizin Dr. B. als Sachverständigen beauftragt. Im Gutachten vom 22. Oktober 2014 hat der Arzt als Diagnosen toxische Wirkungen durch Lösungsmittel, durch Gase, Rauch, durch Antibiotika und durch Psychopharmaka aufgelistet sowie die Entwicklung eines schweren Chronic Fatigue Syndrome (CFS) erwähnt; er ist davon ausgegangen, dass für die Klägerin, und zwar mindestens für die nächsten drei Jahre, keine Möglichkeit bestehe, eine regelmäßige Erwerbstätigkeit von mehr als zwei Stunden durchzuführen. Dr. B. hat mit seinem Gutachten noch den ihm von der Klägerin mitgebrachten Entlassungsbericht der Spezialklinik N. vom 11. Juni 2014 (stationärer Aufenthalt vom 24. April bis 22. Mai 2014) übersandt. Die Beklagte ist der Klage weiterhin entgegengetreten und hat die sozialmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin Dr. L. vom 18. Dezember 2014 eingereicht. Die Klägerin hat noch das Attest des Arztes für Allgemeinmedizin/Naturheilverfahren Dr. J. vom 17. März 2015 vorgelegt.
Mit Urteil vom 31. März 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, das arbeitstägliche Leistungsvermögen der Klägerin betrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden; dies ergebe sich aus dem in sich schlüssigen sowie wohl begründeten Sachverständigengutachten des Dr. S. sowie der sachständigen Zeugenaussage des Umweltmediziners R. und den im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dres. D. und B.-K ... Der Auffassung des Dr. B. schließe sich die Kammer nicht an, weil allein die Mitteilung von Laborbefunden und die hieraus gezogene Schlussfolgerung eine quantitative Leistungseinschränkung nicht zu begründen vermöge. Seine Leistungseinschätzung auf unter dreistündig habe Dr. B. nicht schlüssig dargelegt. Aus denselben Erwägungen sei auch der Leistungsbeurteilung des Dr. Z. nicht zu folgen.
Gegen dieses der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. April 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 7. Mai 2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Zur Begründung hat die Klägerin vorgebracht, das bei ihr vorhandene Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom (CFS) sei von Dr. S. nicht berücksichtigt worden. Zwar sei durch Dr. B. keine sozialmedizinische Untersuchung erfolgt; dieser habe jedoch die in den Fachbereichen der Allgemeinmedizin und Umweltmedizin möglichen labormedizinischen Untersuchungen veranlasst, welche die vorhandenen erheblichen Leistungseinschränkungen weitergehend objektivierten. Beim CFS handele es sich nicht um eine Somatisierungsstörung, sondern um ein eigenständiges Syndrom, das nicht dem Kapitel 5 im ICD-10 (psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen) zugeordnet sei, sondern eine Erkrankung des Nervensystems darstelle (Kapitel 6 im ICD-10). Selbst wenn man dem "veralteten wissenschaftlichen Erkenntnisstand" des Dr. S. folge und ein CFS nicht als ein solches erfasse, so sei festzustellen, dass dann jedenfalls eine schwerwiegende und chronifizierte Somatisierungsstörung vorliege. Der Klägerbevollmächtigte hat umfangreiche Unterlagen, darunter eigene Beschreibungen der Klägerin vom 4. Mai 2015 zu ihrem Tagesablauf und zu ihren Gesundheitsbeschwerden sowie deren "Richtigstellungen" zu den Gutachten von Dr. S. und Dr. D., ferner die Stellungnahme des Dipl.-Psych. J. vom 15. November 2015, Atteste des Dr. Z. vom 5. Februar 2016 und 13. Januar 2017 sowie zwei Fachveröffentlichungen zu den Akten gereicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 31. März 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 2012 zur verurteilen, ihr ab 1. Mai 2012 ein Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Sie hat sozialmedizinische Stellungnahmen des Dr. L. vom 20. August 2015, der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. vom 29. Oktober 2015, 18. Januar 2016 und 18. März 2016, des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vom 1. Juli 2016 und 9. September 2016 sowie der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E.-D. vom 18. November 2016 und ferner einen Versicherungsverlauf vom 19. Dezember 2016 vorgelegt.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. als Sachverständigen beauftragt. Im Gutachten vom 6. Oktober 2015 hat der Sachverständige eine Somatisierungsstörung, eine Dysthymia mit rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, im Sinne der "double depression" sowie ein Erschöpfungssyndrom im Sinne einer Neurasthenie diagnostiziert. Die seelischen Störungen seien langjährig chronifiziert und würden durch das somatische Konzept der Umweltmedizin weiter chronifiziert und fixiert; dadurch sei eine adäquate intensivierte Behandlung der seelischen Störungen verhindert worden, obwohl eine niederfrequente ambulante Psychotherapie erfolge. Die Klägerin sei nicht in der Lage, mit zumutbarer W.ensanstrengung ihre seelische Fehlhaltung zu überwinden und in das Berufsleben einzufügen, auch nicht mit zumutbarer ärztlicher Hilfe. Er halte daher das Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden täglich abgesunken. Die Symptomatik habe sich als progredient erwiesen, wobei unter Berücksichtigung der Vorgutachten mit einer kontinuierlichen Verschlechterung ein aufgehobenes Leistungsvermögen als ungefährer Anhaltspunkt ab dem 1. Juli 2014 angenommen werden könne. Bei den bei der Klägerin vorhandenen Einschränkungen handele es sich um solche von Dauercharakter; es sei unwahrscheinlich, dass eine Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit eintrete. Dr. H. hat mit seinem Gutachten die ihm von der Klägerin mitgebrachte Kurzinformation der Spezialklinik N. vom 28. September 2015 (weitere stationäre Behandlung vom 3. bis 30. September 2015) übersandt.
Die Beklagte ist dem Gutachten mit der sozialmedizinischen Stellungnahme der Dr. E. vom 29. Oktober 2015 entgegengetreten. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hierauf vom 23. November 2015 hat der Sachverständige Dr. H. hinsichtlich der von der Prüfärztin kritisch gewerteten rezidivierenden depressiven Störung ausgeführt, dieses Syndrom lasse sich aus der Anamnese ableiten, wobei als Basis von einer Dysthymia auszugehen sei und zusätzlich von immer wieder verstärkten depressiven Episoden, die die Klägerin selbst in ihrem einseitig somatischen Krankheitskonzept als körperlich begründbare Störungen gewertet habe; deshalb sei es nicht zu einer adäquaten Behandlung gekommen. Im Vergleich zum Gutachten des Dr. S. habe sich die Symptomatik weiter verstärkt und auf die nicht fassbaren Organkonzepte weiter fixiert, nachdrücklich unterstützt von den die Klägerin einschlägig behandelnden Ärzten.
Der Senat hat anschließend Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. zum Sachverständigen bestellt. Im Gutachten vom 28. Mai 2016 hat der Sachverständige eine mittelschwere bis schwere Depression und Angst, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, ein schmerzhaftes Wirbelsäulensyndrom mit ausstrahlenden Beschwerden sowie ein rechtsbetontes Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert. Hinsichtlich der psychischen Störung sowie der Konsequenzen dieser Störung im Alltag sei eine hochgradige Beeinträchtigung festzustellen, wobei eine massive Einengung, ein Rückzug, eine zunehmende Beeinträchtigung des selbständigen Lebens sowie eine Beeinträchtigung der allgemeinen Lebens- und Gestaltungsfähigkeit in erheblichem Ausmaß vorlägen. Vor dem Hintergrund der ausgeprägt auffälligen Depressivität und Angst, den damit verbundenen Begleiterscheinungen (psychosomatische Beschwerden) sehe er die Klägerin für nicht mehr in der Lage, Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten; ihr Leistungsvermögen sei auf unter drei Stunden täglich gesunken. Die Prognose sei in Anbetracht der wenig flexiblen und eher einfach strukturierten Primärpersönlichkeit und der inzwischen erfolgten und zunehmenden Einengung auf ein umweltmedizinisch-somatisches Krankheitsgeschehen aus seiner Sicht extrem ungünstig. Der festgestellte Gesundheitszustand habe sich spätestens ab 2012/2013 entwickelt, nachdem bereits 2011/2012 von einer dysthymen Störung gesprochen worden sei; das Leistungsvermögen habe sich bis heute zunehmend reduziert.
Die Beklagte ist dem Gutachten des Dr. L. unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. N. vom 1. Juli 2016 entgegengetreten. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2016 hat der Sachverständige ausgeführt, er sehe wie Dr. H. Auffälligkeiten über die komplette Lebensgeschichte der Klägerin, die teilweise als persönlichkeitsassoziiert, als persönlichkeitsbedingt einzuordnen seien, teilweise auch vor dem Hintergrund der rezidivierenden depressiven Störung mit ausgeprägter Neigung zur Somatisierung. Die Diagnose einer Dysthymie sei nicht zu stellen; das Ausmaß der psychiatrischen Auffälligkeiten gehe darüber hinaus. Die Lebensgeschichte und der klinische Befund bestätigten eine schwere Störung, die Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr für möglich erscheinen ließen.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (1 Rentenakte, 1 Reha-Akte), die Klageakte des SG und die Berufungsakten des Senats (2 Bde.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Die Berufung ist indessen nur zum Teil begründet.
Gemäß § 123 SGG zu entscheiden ist vorliegend über den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat sie zu Recht nicht begehrt, denn sie ist erst nach dem 1. Januar 1961 geboren, sodass sie schon auf Grund ihres Geburtsdatums eine derartige Rente nicht zu erlangen vermag (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB VI haben Versicherte - bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Satzes 1 Nrn. 2 und 3 a.a.O. - bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein Bundessozialgericht (BSG) BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat die Klägerin erfüllt. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Renten wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI) sind ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 19. Dezember 2016 allerdings nur dann gegeben, wenn bei der Klägerin eine Erwerbsminderung bis spätestens 30. April 2015 eingetreten wäre.
1. Die Klägerin hat indessen für die Zeit vor dem 1. August 2014 schon deswegen keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine solche Rente (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VI) - wie im Übrigen auch für die hilfsweise begehrte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB VI) im Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2014 nicht gegeben waren.
Ganz im Vordergrund stehen bei der Klägerin die gesundheitlichen Einschränkungen auf psychiatrischem, psychosomatischem und internistischem Gebiet. Einen Rentenanspruch auslösende Leistungseinschränkungen im vorgenannten Zeitraum lassen sich indessen nicht feststellen. Das ergibt sich unter Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 128 SGG) einschließlich der Sachverständigengutachten von Dr. S., Dr. H. und Dr. L. sowie der vom Senat im Wege des Urkundenbeweises zu verwertenden (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988 - 2/9b RU 66/87 - (juris Rdnr. 17); BSG SozR 4-1500 § 118 Nr. 3 (Rdnr. 6)) Rentengutachten der Dr. D. und der Dr. B.-K ...
Auf internistischem Gebiet leidet die Klägerin an abdominellen Beschwerden bei Nahrungsmittelunverträglichkeit gegen Fruktose, Laktose und möglicherweise auch Histamin sowie einem Reizdarmsyndrom, all das begleitet von einer Neigung zu Durchfällen, Bauchkrämpfen, Blähungen und Übelkeit. Wegen der - von der Klägerin seit 1985 angegebenen Beschwerdesymptomatik - hatte sie sich am 25. November 2010 in der Deutschen Klinik für Diagnostik in W. vorgestellt, wo im Rahmen eines psychosomatischen Konsils eine somatoforme autonome Funktionsstörung des Verdauungssystems diagnostiziert worden war (vgl. Bericht der Fachärztin für Innere Medizin Dr. W. vom 18. Januar 2011). Bereits die Anfang 2009 von dem Internisten/Gasterenterologen Dr. B. durchgeführte Gastroskopie und Coloskopie hatte bis auf die besagte Nahrungsmittelunverträglichkeit gegen Laktose und Fruktose keine weiteren wegweisenden Befunde ergeben (vgl. Berichte vom 11. Januar, 4. Februar und 4. März 2011); auch eine Sprue oder mikroskopische Colitis konnte von dort ausgeschlossen werden. Die vorstehenden Diagnosen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des Verdauungssystems und einer Nahrungsmittelunverträglichkeit sind durch die Rentengutachterinnen Dr. B.-K. und Dr. D. bestätigt worden; die letztgenannte Gutachterin hat zusätzlich eine Essstörung, nicht näher bezeichnet (ICD-10 F50.9) diagnostiziert. Bereits damals fiel eine Fixierung der Klägerin auf das somatische Krankheitsbild sowie ein hohes Kontrollbedürfnis des eigenen Körpers auf (vgl. die Gutachten der Ärztinnen vom 24. und 25. Juli 2012), wobei sie seinerzeit mit Blick auf die im Zeitraum von September 2011 bis April 2012 durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen durch den Umweltmediziner R. davon überzeugt war, ihre Beschwerden auf einen Darmpilzbefall zurückführen zu können. Die frühere Untersuchung der Stuhlflora am Institut für Mikroökologie in Herborn hatte allerdings ausweislich des "Kyberstatus" vom 9. September 2003 weder den Nachweis von Hefen noch von Schimmelpilzen ergeben; Sprosspilze im Stuhl waren auch bei der Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie Dr. D. nicht nachweisbar (vgl. Endbefund vom 26. November 2008). Die Abdomen-Sonographie durch Dr. B.-K. am 25. Juli 2012 zeigte einen altersentsprechend unauffälligen Befund; auch die Laborparameter waren, bis auf eine gering erniedrigte alkalische Phosphatase, im Normbereich (vgl. Laborbefund des Medizinischen Versorgungszentrums B.-B. vom 17. Juli 2012, Gutachten von Dr. B.-K. vom 25. Juli 2012). Die Funktionsprüfung durch den Lungenarzt MUDr. H. vom 17. Juli 2012 zeitigte gute Werte der Lungenventilation und der Lungenmechanik; eine echte Störung des Blutgasaustausches in Ruhe und unter Belastung bis 70 Watt ergab sich nicht. Die von dem Internisten Dr. Müller am 20. Juli 2012 erhobene Oberflächen-Elektrokardiographie war ebenfalls unauffällig; die Spiroergometrie wurde bei 79 Watt wegen allgemeiner Erschöpfung abgebrochen, wobei die Herzfrequenzreaktion sowie die cardialen und pulmonalen Parameter regelrecht waren. Unter Berücksichtigung der Aktenlage, der Anamnese und den erhobenen Untersuchungsbefunden hat der vom SG beauftragte Sachverständige Dr. S. keinen Anhalt für die von der Klägerin schließlich in den Vordergrund gerückte Bleivergiftung gefunden. Er hat dies überzeugend mit dem Fehlen einer Anämie, eines Bleisaums an den Zähnen, einer Polyneuropathie und/oder einer Enzephalopathie begründet. Arzt für Innere Medizin, Nephrologie Dr. R. hatte bereits zuvor eine Blei-Nephropathie und eine Niereninsuffizienz ausgeschlossen (Bericht vom 22. März 2013). Dr. O. hat ausweislich ihres Schreibens vom 16. Juni 2013 eine Bleivergiftung lediglich vermutet (vgl. auch die Arztbriefe vom 13. Februar 2013, 25. Oktober 2013 und 11. Juni 2014); in der Kurzinformation vom 28. September 2015 ist auch nur noch allgemein von einer "Schwermetallbelastung" die Rede. In dem Gutachten des Dr. B. vom 22. Oktober 2014 ist im Übrigen eine Bleivergiftung nicht diskutiert. Die Schilddrüsenfunktion befindet sich bei der Klägerin im Normbereich (vgl. Bericht des Endokrinologen Zink vom 19. Mai 2011). Eine Schilddrüsenfunktionsstörung hat selbst Dr. B. auf Grund der erhobenen Laborbefunde ausgeschlossen, ebenso wie die "Reaktivierung" eines Zytomegalievirus und des Epstein-Barr-Virus, die nach seiner Darstellung Symptome wie ein CFS auslösen können.
Das psychiatrische Zustandsbild der Klägerin ist schwer zu fassen. Auf das nahezu ausschließlich somatisch orientierte Krankheitsgefühl der Klägerin, die eine Psychogenese ihrer körperlichen Beschwerden nicht sieht, vielmehr diese mit einem CFS in Verbindung bringen möchte, hat auch der Sachverständige Dr. S. im Gutachten vom 22. November 2013 hingewiesen. Schon dieser Sachverständige und die Rentengutachterin Dr. D. haben jedoch eindeutig ein psychiatrisches Geschehen gesehen, das sie unter der Diagnose einer Dysthymia (ICD-10 F34.1), der Sachverständige zusätzlich unter einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0) zusammengefasst haben. Bei einer Dysthymia handelt es sich nach der ICD-10-Klassifikation um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Eine schwerwiegendere Depressivität hat unter Würdigung der auf psychiatrischem Fachgebiet erhobenen Befunde jedenfalls noch zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. zur Überzeugung des Senats nicht bestanden. Hinsichtlich des psychopathologischen Befundes hat der Sachverständige anlässlich der Untersuchung am 14. November 2013 lediglich eine subdepressive Grundstimmung beschrieben; eine tiefgreifende oder vitale depressive Stimmungslage lag bei ihm hingegen nicht vor. Eine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung zeigte sich bei ihm nicht. Die Klägerin war geistig gut flexibel; das formale Denken war folgerichtig und nicht verlangsamt. Sie zeigte sich auskunftsbereit und kooperativ; klinisch ergab sich kein Anhalt für eine manifeste Simulation oder Dissimulation. Die affektive Resonanzfähigkeit war nicht eingeschränkt; die Klägerin konnte durchaus spontan und kurzzeitig authentisch lächeln und lachen, wirkte hinsichtlich des Affekts insgesamt jedoch sehr kontrolliert. Anzeichen für eine produktiv-psychotische Symptomatik hat der Sachverständige nicht gefunden. Die Klägerin hat sich Dr. S. gegenüber in ihrer Grundpersönlichkeit als fröhlich und sozial eingestellt sowie sehr positiv, optimistisch und aufrichtig beschrieben. Eine auffallende Erschöpftheit war in der Gutachtenssituation für Dr. S. nicht erkennbar. Ihren sozialen Radius hat die Klägerin dem Sachverständigen als nicht sehr ausgeprägt dargestellt; es bestanden jedoch soziale Kontakte. Eine soziale Phobie oder eine soziale Desintegration war nach seinen Ausführungen seinerzeit nicht gegeben; die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit der Klägerin war nicht eingeschränkt. Hinweise auf Störungen des Bewusstseins, der Orientierung oder Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses hatte die Klägerin schon zuvor bei der Rentengutachterin Dr. D. nicht offenbart; das formale und inhaltliche Denken war auch bei ihr ungestört. Bei tendenziell dysthymer Stimmungslage war die Schwingungsfähigkeit auch bei der Rentengutachterin durchweg erhalten. Der Affekt war seinerzeit allerdings, hinter kontrollierter und theatralisch anmutender Fassade, zum gereizten, innerlich unruhigen Pol hin verschoben; bei Themenwechsel kam es jedoch zu einer schnellen Stimmungsaufheiterung. Dr. D. sah eine Diskrepanz zwischen der von der Klägerin geäußerten Erschöpfung und ihren Möglichkeiten, bei Themenwechsel wiederum lebhaft, mit konzentrierter Anteilnahme am Gespräch aufmerksam teilzunehmen und energievoll bei erhaltener Schwingungsfähigkeit mitzuarbeiten. Der Rentengutachterin hatte die Klägerin noch angegeben, dass es ihr leicht falle, andere Menschen kennenzulernen; sie habe einen guten Bekanntenkreis sowie zwei Freundinnen. Seinerzeit lebte die Klägerin außerdem noch in einer Partnerschaft mit einem in H. wohnenden Mann, der sie an den Wochenenden besuchte. Suizidgedanken verneinte die Klägerin sowohl gegenüber Dr. D. als auch gegenüber Dr. S ... All das hat die Klägerin in ihren "Richtigstellungen" vom 4. Mai 2015 und 10. Februar 2016 auch nicht in Abrede gestellt.
Der Sachverständige Dr. S. - ihm folgend später der Sachverständige Dr. H. - hat außerdem die Diagnose einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F45.0) gestellt; diese Diagnose hat nach der Beurteilung von Dr. S. anlässlich seiner gutachterlichen Untersuchung sogar im Vordergrund des Beschwerdebildes der Klägerin gestanden. Charakteristisch für eine Somatisierungsstörung sind multiple, wiederholt auftretende und häufig wechselnde körperliche Symptome, wobei die darauf durchgeführten Untersuchungen häufig negative Ergebnisse zeitigen; die von solchen Patienten angeführten Beschwerden haben mithin kein ausreichendes organisches Korrelat. Derartige deutliche Anzeichen für eine Somatisierung hat Dr. S. auch bei der Klägerin beschrieben mit vorwiegender Projektion der Beschwerden auf das gastro-intestinale System, aber auch auf andere Organsysteme wie das muskulo-skeletale System. Sowohl Dr. S. als auch Dr. D. haben außerdem Hinweise auf eine Persönlichkeitsakzentuierung gesehen (vom Sachverständigen unter ICD-10-Code Z 73.1 gefasst, von der Rentengutachterin unter F60.9). Die von der Klägerin der Rentengutachterin angegebene Labilität mit panikartigem Erleben (Luftnot, Kurzatmigkeit und Engegefühl im Brustbereich) und nachfolgender Müdigkeit, Erschöpfung, Energielosigkeit und Schwächezuständen hatte Dr. D. vordergründig mit einer Dysthymia, hintergründig mit der Persönlichkeitsakzentuierung in Zusammenhang gebracht. Die von dem behandelnden Psychotherapeuten Jung im Schreiben vom 2. Juli 2013 gestellte Diagnose einer "chronischen Anpassungsstörung mit Depression und Ängsten (ICD-10 F. 43.22)" ließ sich noch zum Begutachtungszeitpunkt durch Dr. S. angesichts der von ihm erhobenen Befunde nicht nachvollziehen; der Sachverständige hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die Wertung des Psychotherapeuten vor allem auf den Eigenangaben der Klägerin beruhte, ohne dass von diesem weitergehende objektivierbare Befunde beschrieben worden waren. Das Kopfschmerzleiden der Klägerin hat der Sachverständige Dr. S. am ehesten einem Spannungskopfschmerz zugeordnet; die Rentengutachterin Dr. D. hat eine Migräne ohne Aura beschrieben. Neurologische Ausfälle lagen weder bei Dr. S. noch bei den Rentengutachterinnen Dr. D. und Dr. B.-K. vor.
Die bei der Klägerin noch zum Begutachtungszeitpunkt bei dem Sachverständigen Dr. S. vorhandenen Gesundheitsstörungen haben keine Einschränkung ihres Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht bewirkt; sie haben lediglich zur Beachtung qualitativer Einschränkungen geführt. Der Senat schließt sich insoweit der schlüssigen und gut nachvollziehbaren Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. S. sowie der Rentengutachterinnen Dr. D. und Dr. B.-K. an, die sämtlich bei der Klägerin ein Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden arbeitstäglich jedenfalls für körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere, in wechselnder Körperhaltung und in Tagesschicht zu verrichtende Tätigkeiten bejaht haben; zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. waren der Klägerin lediglich Tätigkeiten nicht mehr zumutbar, die mit widrigen klimatische Bedingungen, mit Akkord-, Fließbandarbeit und Schichtarbeit sowie mit vermehrt emotionalen Belastungen oder erhöhtem Konfliktpotential verbunden waren. Im Übrigen ist selbst der Umweltmediziner R. als sachverständiger Zeuge im Schreiben vom 11. Mai 2013 von einer täglich mindestens sechsstündigen Leistungsfähigkeit der Klägerin ausgegangen. Dr. O., die in den Arztbriefen vom 13. Februar 2013, 25. Oktober 2013 und 11. Juni 2014 u.a. ein chronisches Ermüdungssyndrom bei Zustand nach bzw. persistierender Epstein-Barr-Virusinfektion aufgeführt und in ihrem Schreiben vom 16. Juni 2013 eine "mäßige Form" einer CFS gesehen hat, hat sich seinerzeit zum Leistungsvermögen der Klägerin nicht abschließend äußern möchten. Die Leistungseinschätzung des Dipl.-Psych. J., der der Klägerin im Schreiben vom 2. Juli 2013 Tätigkeiten nur noch unter drei Stunden täglich zugetraut hat, vermag dagegen angesichts von Art und Ausmaß der seinerzeit vorhandenen objektivierbaren Gesundheitsstörungen nicht zu überzeugen; deshalb braucht nicht weiter erörtert zu werden, ob die vorwiegend auf medizinischem Gebiet liegende Beurteilung der Belastbarkeit von den fachlichen Kompetenzen eines Psychologen überhaupt umfasst ist. In Anbetracht der objektivierbaren Gesundheitsstörungen ist auch die Leistungseinschätzung des Hausarztes der Klägerin Dr. Z. (Schreiben vom 8. April 2013) nicht nachvollziehbar und nur mit seiner Einstellung als Behandler, der das Arzt-Patienten-Verhältnis nicht beeinträchtigen möchte, erklärbar; im genannten Schreiben hat der Hausarzt im Übrigen auf die aus "subjektiver Sicht" der Klägerin bestehende massive Leistungseinschränkung mit schneller körperlicher Erschöpfung, sich wiederholenden Bauchkrämpfen und einem Zustand der Erschöpfung bei der Reizdarmproblematik und der zwischenzeitlich diagnostizierten "Bleiüberlastung" hingewiesen. Die Auffassung der Ärztin für Chirurgie Medizinaldirektorin Dr. B.-K. in ihrem auf Veranlassung der ArbA Karlsruhe erstellten Gutachten vom 18. April 2012, dass die Klägerin voraussichtlich mehr als sechs Monate auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich unter drei Stunden täglich leistungsfähig sei, ist schon angesichts der von ihr gestellten - mit denjenigen der Dr. B.-K. nahezu identischen - Diagnosen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung des unteren Verdauungssystems mit Reizdarmsyndrom im Sinne eines Colon irritabile und mit Diarrhoen, einer Laktose-, Fruktose- und Histaminintoleranz sowie einer Darmmykose nicht nachvollziehbar. Bereits in dem Heilverfahrens-Entlassungsbericht der Dr. Z. vom 23. September 2010 waren im Übrigen bei den Diagnosen eines Colon irritabile, einer Laktose- und Fruktoseintoleranz sowie eines zervikozephalen Syndroms rentenrechtlich relevante quantitative und qualitative Leistungseinschränkungen verneint worden.
Damit war die Klägerin mit dem oben beschriebenen Leistungsvermögen bis zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. (gutachterliche Untersuchung am 14. November 2013) nicht einmal teilweise erwerbsgemindert und erst recht nicht voll erwerbsgemindert. Eine - trotz mindestens sechsstündiger Leistungsfähigkeit - eine Rente wegen voller Erwerbsminderung rechtfertigende Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil der Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder seine Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Die letztgenannten beiden Gründe, die zu einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes führen können, liegen nach dem Beweisergebnis für den oben bezeichneten Zeitraum nicht vor. Eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Gehfähigkeit (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10) haben sowohl der Sachverständige Dr. S. als auch die Rentengutachterinnen Dr. B.-K. und Dr. D. verneint; ebenso wenig sind betriebsunübliche Arbeitsbedingungen (vgl. (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136; BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) zu beachten. Eine Arbeitsmarktverschlossenheit resultiert insbesondere nicht aus dem Umstand, dass nach den Ausführungen der Rentengutachterinnen Dr. B.-K. und Dr. D. für die Klägerin eine Toilette jederzeit erreichbar sein muss. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind eine Vielzahl von Arbeitsplätzen vorhanden, bei denen gewährleistet ist, dass sich eine Toilette in zumutbarer Entfernung befindet (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 30. Juli 2003 - L 17 RA 39/02). Denn nach § 6 Abs. 2 Satz 1 der Arbeitsstätten-Verordnung (ArbStättV) ist der Arbeitgeber verpflichtet, Toilettenräume bereitzustellen; diese müssen sich sowohl in der Nähe von Arbeitsplätzen als auch in der Nähe von Pausen- und Bereitschaftsräumen, Wasch- und Umkleideräumen befinden (Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 2 des Anhangs zur ArbStättV). Nach der Arbeitsstättenregel A4.1 (vgl. § 7 Abs. 4 ArbStättV) sollen sich die Toilettenräume im gleichen Gebäude wie die Arbeitsplätze befinden; die Weglänge sollte nicht länger als 50 m sein und darf 100 m nicht überschreiten. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, die zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit führen würde (vgl. hierzu BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSGE 109, 189 = SozR 4-2600 § 43 Nr. 16; SozR a.a.O. § 43 Nrn. 18 und 19), lag gleichfalls nicht vor; es bestanden schon keine Zweifel an der betrieblichen Einsetzbarkeit der Klägerin. Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne schweres Heben und Tragen werden bereits vom Begriff "leichter körperlicher Arbeiten" erfasst; sie haben deshalb keine Verengung der der Klägerin in der fraglichen Zeit noch möglichen Arbeitsfelder bewirkt (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Auch die verbleibenden Einschränkungen (keine Arbeiten im Akkord, am Fließband, in Schichtarbeit, unter widrigen klimatischen Bedingungen, mit vermehrt emotionalen Belastungen oder erhöhtem Konfliktpotential) haben nicht zu einer Einengung der beruflichen Einsetzbarkeit der Klägerin im oben genannten Sinn geführt (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; BSG SozR 4-2600 § 43 Nrn. 18 und 19). Körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten werden im Übrigen nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt. Etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).
2. Eine volle oder auch nur teilweise Erwerbsminderung der Klägerin ist ferner für die anschließende Zeit jedenfalls bis zum 30. Juni 2014 nicht erwiesen. Objektivierbare, das Leistungsvermögen der Klägerin in diesem Sinne auf ein rentenberechtigendes Maß herabsetzende Gesundheitsstörungen lassen sich für die Zeit vom 15. November 2013 bis zum genannten Datum nicht feststellen. Eine andere Einschätzung ist indessen für die Zeit ab dem 1. Juli 2014 gerechtfertigt.
Beide die Klägerin in der Folgezeit begutachtenden, dem Senat als sozialmedizinisch erfahrene Forensiker bekannten Sachverständigen - Dr. H. und Dr. L. - haben eine langjährige Chronifizierung der bei der Klägerin vorhandenen seelischen Störungen gesehen mit Fixierung auf ein pseudoorganisches, umweltmedizinisches Krankheitskonzept. In der Anamnese berichtete die Klägerin gegenüber Dr. H. über ihre Beschwerden, die mit dem 18. Lebensjahr, damals mit Übelkeit, Durchfällen und Bauchschmerzen, begonnen und zu vielen Arztbesuchen geführt hätten, ohne dass eine rechte Erklärung gefunden worden sei; im Laufe der Jahre sei sie immer mehr erschöpft gewesen, habe sich bei der Arbeit "zusammenreißen" müssen und in den letzten Jahren immer weniger Leistung gebracht. Dr. H. hat die Klägerin anlässlich seiner Untersuchung am 6. Oktober 2015 im psychischen Befund zwar als bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich, zur Person und situativ voll orientiert beschrieben. In Gestik und Mimik war die Klägerin jedoch wechselnd teils depressiv herabgestimmt, teils agitiert, begann immer wieder spontan zu weinen, wirkte verunsichert, selbstunsicher und hilflos, äußerte Ängste vor körperlichen Erkrankungen, auch vor "Vergiftung durch Schwermetall", schilderte eine Fülle von körperlichen Beschwerden, klagte über Einsamkeit und Erschöpfung, auch beim Ausfüllen der Fragebögen, sodass eine Pause gemacht werden musste, und war im Antrieb wechselnd und unsicher. All dies hat Dr. H. als durchaus authentisch bezeichnet; es entstand bei ihm klinisch nicht der Eindruck von zweckgerichteten oder demonstrativen Verhaltensweisen. Die Klägerin, die zur Untersuchung bei dem Sachverständigen von einer Freundin gefahren worden war, zeigte sich völlig fixiert auf ihre körperlichen Beschwerden, nach denen sich auch ihr Tagesablauf orientiert. Insoweit hat sie dem Sachverständigen gegenüber angegeben, morgens zwischen 8.30 Uhr aufzustehen, mindestens eine Stunde zu benötigen, bis sie überhaupt in Gang komme und außerdem längere Zeit, bis sie den Toilettengang erledigt habe. Die meisten Speisen könne sie nicht essen und mache sich deshalb einen Brei aus verschiedenen Substanzen, die sie vertrage. Einkaufen gehe sie nur mit einer Freundin, weil ihr alles viel zu anstrengend sei. Spazierengehen könne sie nur etwa 15 bis 20 Minuten, weil sie bereits wieder so erschöpft sei, dass sie sich hinlegen müsse: Früher habe sie gerne gelesen, könne sich jetzt aber nicht mehr konzentrieren; es komme dann gleich zu Augenbrennen. Den meisten Kontakt habe sie zu einer Freundin, die sie auch zum Sachverständigen gefahren habe. Sie traue sich nicht, irgendwohin zu gehen, weil sie dann gleich Durchfall bekomme und ihre Bauchschmerzen dann verstärkt auftreten würden. Sie fühle sich ständig angespannt und erschöpft. Insgesamt hat der Sachverständigen den psychopathologischen Befund als depressiv herabgestimmt, asthenisch wirkend, von deutlichem Leidensdruck erfüllt, ohne Hinweise auf eine Psychose oder ein hirnorganisches Psychosyndrom von Krankheitswert beschrieben. Auch die psychometrische Testung durch Dr. H. hat ergänzend zum klinischen Befund keinerlei Hinweise auf ein nicht-identisches Verhalten erbracht. Das gilt nach den Ausführungen der Sachverständigen zunächst mit Blick auf den strukturierten Fragebogen simulierter Symptome (SFSS), einem Beschwerdevalidierungstest; hier erreichte die Klägerin sowohl in den einzelnen Scores als auch im Gesamt-SFSS-Score als Indikator für Simulation (dort 13 Punkte bei einem Cut off von 16) unauffällige Werte. Im Brief Symptom Inventury (BSI) als Instrument subjektiver Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome ergaben sich - insoweit korrelierend mit dem klinischen Befund - Maximalwerte für Somatisierung, Zwanghaftigkeit und phobische Angst (T-Wert von 80). Das Ergebnis der zuletzt nach Exploration, Untersuchung und den anderen psychometrischen Tests durchgeführten Testung anhand des Freiburger Persönlichkeitsinventars (FPI-R) war wegen vieler Auslassungen der Klägerin, die völlige Erschöpfung und Überforderung angab, nicht eindeutig verwertbar.
Insgesamt hat Dr. H. die auf psychiatrischem Gebiet vorhandenen psychopathologischen Befunde diagnostisch einer Somatisierungsstörung (ICD-10 F.45.0), einer Dysthymia (F34.1) mit rezidivierender depressiver Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F33.1), im Sinne der "double depression" sowie einem Erschöpfungssyndrom im Sinne einer Neurasthenie (F.48.0) zugeordnet und ferner eine Persönlichkeitsakzentuierung angenommen, ohne dass das Ausmaß einer Persönlichkeitsstörung erreicht werde. Mit Bezug auf das Gutachten des Dr. S. vom 22. November 2013, das der Sachverständige Dr. H. auch aus seiner psychiatrischen Sicht als schlüssig erachtet hat, hat er eine zwischenzeitlich weitere Fixierung der Symptomatik mit einem nunmehr eindeutig depressiven Syndrom zumindest mittelgradiger Ausprägung sowie einer völligen Fixierung auf die bestehenden somatoformen Störungen gesehen, dies gefördert und betont durch das organmedizinische Konzept der Umweltmediziner mit bereits fünf Aufenthalten in der Spezialklinik N., ohne dass sich dadurch irgendeine Besserung der subjektiven Beschwerden erreichen ließ. Er hat weiter ausgeführt, die Klägerin erhalte durch die Umweltmediziner eine griffige pseudo-organische Erklärung ihrer vielfältigen Befindlichkeitsstörungen, die ursprünglich als "somatoforme autonome Funktionsstörung des Gastrointestinaltraktes" gewertet worden seien und sich nunmehr zu einer "Somatisierungsstörung" ausgeweitet hätten. Die sicher seit der Jugend bestehende Dysthymia habe in den letzten Jahren eine Verstärkung dahingehend gefunden, dass nunmehr von einer zusätzlichen rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradiger Ausprägung, auszugehen sei. Das seelische Störungsbild habe letztlich auch zu einer Erschöpfungsreaktion im Sinne einer Neurasthenie geführt. Der gesamte Verlauf der letzten Jahre sei ausgesprochen ungünstig gewesen. Durch die umweltmedizinischen Maßnahmen sei das organische Krankheitskonzept der Klägerin weiter fixiert und chronifiziert worden, gleichzeitig seien bei fehlendem Behandlungserfolg aber auch das depressive Syndrom, die Hilflosigkeit den körperlichen Beschwerden gegenüber und die allgemeine Erschöpfung weiter fixiert worden. Der Sachverständige Dr. H. ist deshalb im Gutachten vom 6. Oktober 2015 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, mit zumutbarer Willensanstrengung ihre seelische Störung zu überwinden und sich wieder in das Berufsleben einzufügen, und zwar auch nicht mit ärztlicher oder intensivierter psychotherapeutischer Hilfe. Die seelische Störung im Sinne einer schweren Somatisierungsstörung, einer seelischen Hemmung gegen eine berufliche Tätigkeit, einer Antriebsminderung und einer raschen Erschöpfbarkeit sei so ausgeprägt, dass eine regelmäßige Tätigkeit nicht mehr zumutbar erscheine. Der Sachverständige hat daher das Leistungsvermögen der Klägerin auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auf unter drei Stunden täglich eingeschätzt. Auf die Einwendungen der Prüfärztin Dr. E. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 29. Oktober 2015 hat Dr. H. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23. November 2015 seine diagnostische Einordnung der seelischen Störung als rezidivierendes depressives Syndrom aus der Anamnese der Klägerin abgeleitet, wobei als Basis von einer Dysthymia auszugehen sei und zusätzlich von immer wieder verstärkten depressiven Episoden, die die Klägerin selbst in ihrem einseitig somatischen Krankheitskonzept als körperlich begründbare Störungen gewertet habe; deshalb sei es nicht zu einer adäquaten Behandlung gekommen. Er hat hinsichtlich des Verlaufs und der Krankengeschichte zum Einen auf den Dipl.-Psych. J. verwiesen, der in der bereits im Rentenverfahren von der Klägerin eingereichten Bescheinigung vom 20. Januar 2012 von depressiven Reaktionen mit Erschöpfungszuständen gesprochen hatte, sowie ferner auf die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. D., die dort über eine etwa 2007/2008 aufgetretene Kraftlosigkeit mit Kreislaufproblemen, Zusammensacken in der Dusche oder beim Einstieg in den Zug auf der Fahrt zur Arbeit berichtet hatte. Solches hatte die Klägerin im Übrigen auch gegenüber Dr. B.-K., dort eingegrenzt allerdings auf die Jahre 2008/2009, angegeben. Der Sachverständige hat ferner auf die Behandlung der Klägerin in der Deutschen Klinik für Diagnostik am 25. November 2011 hingewiesen, wo bereits die Medikation mit Antidepressiva (Venlafaxin und Amitryptilin) angeraten worden war (vgl. Bericht vom 18. Januar 2011), an welche Empfehlung sich die Klägerin jedoch nicht halten wollte; das Problem sei schon damals deren völlige Fixierung auf ein ausschließlich somatisches Erklärungsmodell gewesen. Dr. H. hat dargelegt, dass sich die Symptomatik im Vergleich zum Gutachten des Dr. S. weiter verstärkt und auf die nicht fassbaren Organkonzepte weiter fixiert habe, nachdrücklich unterstützt von den die Klägerin einschlägig behandelnden Ärzten. Auf Grund der langjährigen Fixierung auf ein pseudo-organisches Krankheitskonzept, welches auch einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung entgegenstehe, ist er zum Ergebnis gelangt, dass diese nicht in der Lage sei, sich hiervon zu lösen.
Die Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. H. hat auch der von Amts wegen nach § 106 SGG vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. L. im Gutachten vom 28. Mai 2016 geteilt. In der Eigenanamnese berichtete die Klägerin diesem Sachverständigen gegenüber anlässlich der Exploration am 18. Mai 2016 von einer seit dem 20. Lebensjahr bis heute zunehmenden schleichenden Einengung und Schwäche sowie einer zunehmenden Erschöpfbarkeit. Im Beschwerdevortrag beklagte sie u.a. Kreislaufbeschwerden, Schwindel und allgemeines Zittern, sie fühle sich schwach und benommen, habe nicht lokalisierbare Schmerzen und stark ziehende Beschwerden am ganzen Körper, es komme immer wieder zu einem Muskelzucken, zu intensiver Übelkeit, zu Durchfällen mit kolikartigen Bauchschmerzen, es bestehe Kurzatmigkeit und häufig wiederkehrende Atemnot sowie ständig ein Globusgefühl, sie habe Durchschlafschwierigkeiten, grüble, könne ihre Gedanken von ihrem angeschlagenen Zustand nicht lösen, sei ständig erschöpft und abgeschlagen, ferner sei ihr Konzentrationsvermögen eingeschränkt. Zum Tagesablauf gab sie an, häufig schon gegen 20.00 Uhr bis 21.00 Uhr ins Bett zu gehen und morgens oft erst um 10.00 Uhr aufzustehen. Morgens ca. gegen 10.00 bereite sie das Frühstück, lege sich dann je nach Tagesablauf wieder hin oder richte sich im Bad. Teilweise versuche sie gegen 12.00 Uhr Einkaufen zu gehen; das Mittagessen bereite sie um 14.00 Uhr zu, sei dann aber so erschöpft, dass sie sich wieder hinlegen müsse bereite. Eine Freundin und eine Nachbarin würden ihr helfen, da sie Schwierigkeiten habe, sich inzwischen allein zu versorgen. Sie habe keine Hobbies mehr und kaum Kontakte außerhalb der eigenen vier Wände. Sie schaue viel (?) fern, lese allenfalls etwas, lasse sich von Bekannten telefonisch von der Außenwelt berichten. Im psychiatrischen Befund hat der Sachverständige die Klägerin als freundlich, zugewandt und kooperativ beschrieben und eine Simulation und Aggravation von Beschweren ausgeschlossen. Die Stimmung sei mittelschwer depressiv ausgelenkt gewesen; die Klägerin leide, sei teilweise weinerlich gewesen und habe von Angst, Unruhe, Anspannung, einem Globusgefühl, einem Engegefühl, Erschöpfung, Durchfällen und weitergehenden psychosomatischen Beschwerden berichtet. Der Klinik begleitend liege ein unruhiges Fingerspiel vor. Die Klägerin habe die Untersuchung und Exploration mehrfach unterbrechen müssen, die ausgehändigten Anamnesebögen nicht am Stück bearbeiten können und sie teilweise auch nach Hause genommen; das ihr ausgehändigte Formblatt zur Nachreichung der biographischen Anamnese habe sie bis zur Abfassung des Gutachtens nicht zurückgegeben. Weiter hat Dr. L. ausgeführt, die Klägerin sei psychomotorisch gebunden, kaum schwingungsfähig. Sie sei fixiert auf die dominierende Körperlichkeit ihrer Erkrankung. In psychodynamische Zusammenhänge auch körperlicher Störungen sei sie so gut wie nicht introspektionsfähig; sie sei somatisiert, erlebe körperlich im Ansatz vorhandene Beschwerden verstärkt und verfüge über reduzierte verbale Konfliktlösungsstrategien. Die Persönlichkeit der Klägerin hat er als wenig flexibel, ängstlich und eher einfach strukturiert bezeichnet. Die psychometrische Testung begleitend zum klinischen Befund ergab unterschiedliche Werte. So erreichte die Klägerin im Beck-Depressions-Inventar (BDI), einem Testverfahren, mit dem die Schwere einer depressiven Symptomatik bzw. von Depressionen erfasst werden, einen Wert von 26, was einer mittelschweren Depression entspricht. Beim Test nach der Korff-Schmerz-Intensitäts- und Beeinträchtigungsskala lag eine hohe Schmerzintensität (SI-Wert 86) und eine hohe Beeinträchtigung (Grad 3) vor. Bei der Schmerz-Simulations-Skala zur Charakterisierung subjektiv empfundener Schmerzen lag die Klägerin in der Gesamtzahl der angekreuzten Begriffe mit 9 items im Grenzbereich, in der Bewertung der Anzahl spezifischer Begriffe mit 5 items im Bereich der Glaubwürdigkeit. Dagegen war beim Beschwerdevalidierungstest SFSS der Cut off-Wert von 16 um 8 Punkte und damit deutlich überschritten. Im Amsterdamer Kurzzeitgedächtnistest, einem Verfahren zur Erfassung negativer Antwortverzerrungen bzw. einer unzureichenden Leistungsmotivation in einer psychologischen Untersuchung erreichte die Klägerin bei einem Höchstwert von 90 lediglich einen Wert von 70. In der Gesamtschau des klinischen Befundes, der Persönlichkeit der Klägerin sowie des bisherigen Verlaufs hat Dr. L. indes die Testpsychologie und die Selbstbeurteilungsskalen nicht als Korrelat einer Simulation und Aggravation gewertet; er hat außerdem einen hirnorganischen Schaden ausgeschlossen. Der Sachverständige hat unter Auswertung der Akten sowie auf Grund der eigenen Untersuchung und Exploration der Klägerin eine massive Einengung, einen Rückzug, eine zunehmende Beeinträchtigung des selbständigen Lebens sowie eine Beeinträchtigung der allgemeinen Lebens- und Gestaltungsfähigkeit in erheblichem Ausmaß beschrieben. Diagnostisch ist Dr. L. auf psychiatrischem Fachgebiet zu einer rezidivierend depressiven Störung mittelschwerer bis schwergradiger Ausprägung mit Angst sowie einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F.61) gekommen. Er hat sich der Auffassung von Dr. H. zur Chronifizierung und Fixierung der seelischen Störung ausdrücklich angeschlossen, wobei sich die Dysthymie inzwischen zu einer manifesten Depression entwickelt habe. Wie auch Dr. H. ist der Sachverständige Dr. L. von einer iatrogenen Fixierung der Situation bei fragwürdigen therapeutischen Maßnahmen ausgegangen. Dr. L. hat vor dem Hintergrund der von ihm beschriebenen ausgeprägt auffälligen Depressivität und Angst und den damit verbundenen Begleiterscheinungen (psychosomatische Beschwerden) die Klägerin - wie schon Dr. H. - für nicht mehr in der Lage gehalten, Arbeiten von wirtschaftlichem Wert zu verrichten, und ihr Leistungsvermögen auf unter drei Stunden täglich gesunken beurteilt. Auch er hat die Prognose in Anbetracht der wenig flexiblen und eher einfach strukturierten Primärpersönlichkeit und der inzwischen erfolgten und zunehmenden Einengung der Klägerin auf ein umweltmedizinisch-somatisches Krankheitsgeschehen aus seiner Sicht als extrem ungünstig gewertet. Auf die Einwendungen des Dr. N. (sozialmedizinische Stellungnahme vom 1. Juli 2016) hat der Sachverständige Dr. L. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2016 nochmals betont, er sehe wie Dr. H. Auffälligkeiten über die komplette Lebensgeschichte der Klägerin, die teilweise als persönlichkeitsassoziiert, als persönlichkeitsbedingt einzuordnen seien, teilweise auch vor dem Hintergrund der rezidivierenden depressiven Störung mit ausgeprägter Neigung zur Somatisierung. Eine Dysthymie sei nicht zu diagnostizieren; das Ausmaß der psychiatrischen Auffälligkeiten gehe vielmehr darüber hinaus. Die Lebensgeschichte und der klinische Befund bestätigten eine schwere Störung, die Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr für möglich erscheinen ließen.
Ungeachtet der oben dargestellten Meinungsverschiedenheiten der die Klägerin begutachtenden Ärzte über die genaue diagnostische Einordnung des bei ihr auf psychiatrischem Gebiet vorhandenen pathologischen Befundes ergibt sich aus ihren Ausführungen zur Überzeugung des Senats ein sich chronifizierender Verlauf des Krankheitsbildes mit einer sich über die Jahre progredient entwickelnden psychischen Symptomatik, die schließlich zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen geführt hat. Zutreffend hat Dr. L. darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit das Ausmaß der psychischen Störung sowie die Konsequenzen dieser Störung im Alltag entscheidend sind und es auf die diagnostische Einordnung der Beschwerden nicht ankommt (vgl. auch Senatsurteile vom 12. Mai 2016 - L 7 R 2061/14 - und 22. September 2016 - L 7 R 1330/16 - (beide www.sozialgerichtsbarkeit.de)). Beide Sachverständigen - Dr. H. und Dr. L. - haben das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter drei Stunden täglich beurteilt. Dem folgt der Senat angesichts der langjährigen Chronifizierung des Leidens der Klägerin bei iatrogen verstärkter Fixierung auf ein umweltmedizinisch-somatisches Krankheitskonzept; das aufgehobene Leistungsvermögen der Klägerin haben beide Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar begründet. Den Einwendungen der Prüfärzte der Beklagten vermag der Senat sich deshalb nicht anzuschließen. Der Sachverständige Dr. H. hat in Anbetracht des erheblichen Ausmaßes der Fixierung und Chronifizierung der seelischen Störung die bei der Klägerin vorhandenen Einschränkungen überzeugend als solche von Dauercharakter beschrieben und eine Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit für unwahrscheinlich gehalten. Auch der Sachverständige Dr. L. hat die Prognose bei der Klägerin angesichts ihrer Primärpersönlichkeit und der inzwischen erfolgten und zunehmenden Einengung auf ein umweltmedizinisch-somatisches Krankheitsgeschehen als äußerst ungünstig gewertet. Dr. L. hat darauf hingewiesen, dass sich der nunmehr festgestellte Gesundheitszustand spätestens ab 2012/2013 entwickelt habe. Dr. H. hat unter Berücksichtigung der Vorgutachten mit kontinuierlicher Verschlechterung der Symptomatik eine Eingrenzung etwa mit dem 1. Juli 2014 vorgenommen. Dem Sachverständigen Dr. H. folgend grenzt der Senat den Eintritt der vollen Erwerbsminderung auf den 1. Juli 2014 ein, d.h. auf einen Zeitpunkt, zu dem auch die vierte stationäre Behandlung der Klägerin in der Spezialklinik N. ohne jeden messbaren Erfolg geblieben war. Eine frühere Leistungsminderung vor dem genannten Zeitpunkt lässt sich dagegen nicht mit der für die richterliche Überzeugungsbildung gebotenen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Bei Dr. B. hat sich die Klägerin erst am 13. August 2014 vorgestellt.
Ausgehend vom Eintritt der vollen Erwerbsminderung am 1. Juli 2014 sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) und die allgemeine Wartezeit ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 19. Dezember 2016 erfüllt.
Die Rente wird nach der Grundregel des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI von dem Monat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei einem Versicherungsfall vom 1. Juli 2014 ist der Rentenbeginn demnach auf den 1. August 2014 festzulegen. Eine Befristung (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI) war nicht vorzunehmen, denn vorliegend greift der Ausnahmefall des § 102 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 1 SGB VI ein; danach werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage - wie hier - besteht, unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. "Unwahrscheinlich" ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt (BSGE 96, 147 = SozR 4-2600 § 102 Nr. 2 (jeweils Rdnr. 21)). Ein derartiger Fall ist vorliegend unter Würdigung der Ausführungen der Sachverständigen Dr. H. und Dr. L. gegeben; die Klägerin ist nicht mehr in der Lage sei, mit zumutbarer Willensanstrengung ihre seelische Störung zu überwinden, und zwar auch nicht mit ärztlicher oder intensivierter psychotherapeutischer Hilfe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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