Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 51 VG 48/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 VG 72/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.08.2016 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Ermittlung und Entscheidung an das Sozialgericht Duisburg zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht Duisburg vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nach einem Grad der Schädigung (GdS) von mindestens 50.
Der Kläger wurde Opfer eines rechtswidrigen schädigenden Angriffs. Am 07.04.2012 wurde der Kläger von seinem psychisch kranken Nachbarn angegriffen. Als der Kläger die Tür öffnete, wurde er von dem Nachbarn mit ca. 30 %iger Salzsäure überschüttet.
Der Angreifer ist dafür strafrechtlich verurteilt worden. Er wurde als schuldunfähig angesehen und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Der Schädigungsfall als solcher ist anerkannt und zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Zur Feststellung der Folgen des Angriffs ließ der Beklagte den Kläger psychiatrisch-psychotraumatologisch begutachten.
Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass das Ereignis beim Kläger zu einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt habe. Aufgrund der Therapie sei der Kläger stabilisiert. Bei Begutachtung waren noch Reste der posttraumatischen Belastungsstörung feststellbar. Die Einschränkung im sozialen Leben wurde mit "leicht" eingeschätzt und der GdS auf 10 vorgeschlagen.
Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten vom 19.10.2014 verwiesen (153 V - Zahlen in Klammer sind Blattzahlen der Akte; das "V" weist auf die Verwaltungsakte des Beklagten hin).
Der Beklagte informierte sich über den Angriff durch Beiziehung der Strafakten. Das Landgerichts-Urteil gegen den Schädiger wurde zur Akte genommen (27 V).
Außerdem wurden eine Reihe von Befundunterlagen bezüglich der Behandlung des Klägers ausgewertet und zur Akte genommen.
Darüber hinaus holte der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von dem Sozialmediziner Dr. H ein. Nach seiner Einschätzung ist das psychiatrische Gutachten nicht zu beanstanden und die Einschätzung des GdS korrekt (199 V).
Mit Bescheid vom 25.02.2015 erkannte der Beklagte eine psychoreaktive Störung als Schädigungsfolge an. Eine Rentenzahlung wurde abgelehnt (168 V).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück (207 V).
Hiergegen hat der Kläger am 17.10.2015 Klage erhoben und die Auffassung vertreten, seine psychische Erkrankung sei aufgrund des Angriffes sei mindestens mit einem GdS von 50 zu bewerten.
Das Sozialgericht (SG) hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes des behandelnden Psychiaters Dr. G.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.08.2016 als unbegründet abgewiesen und dazu ausgeführt:
"Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente gegen den Beklagten. Ein Rentenanspruch setzt voraus, dass die Schädigungsfolgen mindestens einen GdS von 25 bedingen. Diese Voraussetzung liegt nicht vor.
Dies ergibt sich aus einer Auswertung der Verwaltungsakten und aus der gerichtlichen Beweisaufnahme.
Aus den Befundunterlagen ergibt sich, dass beim Kläger keine erhebliche Sehstörung verblieben ist. Ein GdS aufgrund einer Sehstörung liegt nicht vor.
Der Kläger ist durch den Säureangriff nicht entstellt worden. Dies wird ebenfalls durch die umfangreichen Arztberichte bestätigt. Hiervon konnte sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung auch persönlich überzeugen.
Die Erkrankung, die den Kläger belastet, ist die krankhafte psychische Reaktion auf den Angriff.
Allerdings erreicht der GdS für diese Erkrankung nicht die Rentenschwelle von 25.
Dies folgt aus dem Sachverständigengutachten des Dr. L.
Das Gericht hat dieses Sachverständigengutachten im Wege des Urkundenbeweises ausgewertet, denn es erfüllt die Anforderungen an ein wissenschaftlich-medizinisches Gutachten.
Der Gutachter hat den Kläger eingehend untersucht und die Aktenunterlagen ausgewertet. Als Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie ist der Gutachter besonders geeignet, um psychische Reaktionen beurteilen zu können.
Es handelt sich um einen unbefangenen Gutachter, denn der Ausgang des Verfahrens ist für ihn ohne Bedeutung.
Das Gutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend. Die Bewertung des GdS muss mit den objektiv feststellbaren Einschränkungen korrelieren. Ein höherer GdS als 10 ließ sich nicht rechtfertigen, denn es fanden sich nur leichte Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit.
Die Richtigkeit der Einschätzung wird durch die versorgungsärztliche sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. H noch gestützt.
Die gerichtliche Beweisaufnahme hat das Ergebnis aus dem Verwaltungsverfahren in vollem Umfang bestätigt.
Der behandelnde Psychiater des Klägers hat sich der Einschätzung von Dr. L in vollem Umfang angeschlossen. Er schreibt wörtlich: " stimme ich mit den Feststellungen des ausführlichen psychiatrischen Gutachtens von Herrn Nervenarzt Dr. med. L - Institut für Medizinische Begutachtungen - überein." Diese Einschätzung ist von besonderer Bedeutung, denn der Kläger beruft sich bei seiner Klage gerade auf den Behandler Dr. G.
Zusammengefasst ergibt sich das Bild, dass alle Fachleute, die sich mit dem GdS befasst haben, zum selben Ergebnis kommen. Auch objektiv gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Kläger schwerwiegender eingeschränkt wäre. Bei Erstellung des Befundberichts für das Gericht hatte der Kläger den behandelnden Arzt schon fast ein halbes Jahr nicht mehr aufgesucht. Dies ist ein weiteres schwerwiegendes Indiz dafür, dass gerade kein erheblicher Leidensdruck vorliegt."
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens in vollem Umfang aufrecht hält.
Er trägt vor die Stellungnahme des Dr. G sei unergiebig. Zudem stehe die Stellungnahme in Widerspruch zu den vorangegangenen Attesten des Dr. G vom 04.02.2013 und vom 08.01.2015. Das Sozialgericht habe es versäumt, ein unabhängiges fachpsychiatrisches Gutachten einzuholen und sich stattdessen einseitig auf die Feststellungen des von dem Beklagten im Widerspruchsverfahren beauftragten Gutachters Dr. L bezogen.
Auch der Beklagte ist der Auffassung, dass ein weiteres ärztliches Gutachten erforderlich gewesen wäre.
Beide Beteiligte sind auf die Absicht des erkennenden Gerichts, das Urteil aufzuheben und die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen angehört worden.
Sie haben einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung, über die der Berichterstatter gemäß §§ 155 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) im Einverständnis der Beteiligten als Einzelrichter entscheiden konnte, ist im Sinne einer Zurückverweisung gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht (LSG) die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an die erste Instanz zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und wenn das LSG wegen aufwändiger Ermittlungen an einer Entscheidung in der Sache gehindert ist. Die angefochtene Entscheidung des SG beruht hier auf solchen wesentlichen Verfahrensfehlern (hierzu unter I.). Die Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG ist sachgerecht, denn der erkennende Senat kann ohne die Erhebung weiterer Erkenntnisse in der Sache nicht selbst entscheiden. Eine Durchführung der erforderlichen aufwändigen Beweisaufnahme in der ersten Instanz ist unter Würdigung der Schutzinteressen der Beteiligten zweckmäßig und angemessen (hierzu unter II).
I.
Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 159 Abs. 2 Nr. 2 SGG, ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift oder aber ein Mangel der Entscheidung selbst (zu den Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 SGG siehe Urteile des Landessozialgerichts (LSG) NRW vom 20.02.2002 - L 10 SB 141/01 -, vom 22.01.2003 - L 10 SB 111/02 -, vom 19.03.2008 - L 8 R 264/07 - sowie vom 27.11.2008 - L 2 KN 165/08 -). Hier liegen mehrere solcher wesentlicher Entscheidungsmängel vor: Das SG hat den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und damit seiner Amtsermittlungspflicht gemäß §§ 103 und 106 SGG nicht genügt.
Das angefochtene Urteil verstößt gegen die zwingende Verfahrensvorschrift des § 103 SGG, weil das SG sich - auch ausgehend von seiner eigenen Rechtsauffassung - zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Der in § 103 SGG normierte Untersuchungsgrundsatz ist verletzt, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen unterlässt, die es von seiner Rechtsauffassung ausgehend hätte anstellen müssen. Hierbei ist von sämtlichen Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen.
Das SG konnte hier angesichts der in Frage stehenden psychischen und sonstigen Erkrankungen des Klägers nicht ohne eigene medizinische Ermittlungen entscheiden. Das im Wege des Urkundenbeweises herangezogene Gutachten des Beklagten ist zum einen nicht mehr aktuell und zum anderen hinsichtlich des Befunds - anders als vom SG dargelegt - nicht in vollem Umfang vom behandelnden Arzt bestätigt. Denn die Aussage von Dr. G, das vom Beklagten eingeholte Gutachten von Dr. L sei "nicht fehlerhaft", ist unzureichend, da nicht bekannt ist, in welchem Umfang dem behandelnden Arzt die Grundsätze einer versorgungsrechtlichen Kausalitätsbewertung und GdS-Einschätzung vertraut sind. Bei einer solchen Sachlage bedarf es einer Klärung durch ein eigenes gerichtliches Gutachten - so wie es die Beteiligten hier auch beantragen.
II.
Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind wesentlich. Denn ohne aufwändige Ermittlungen könnte nicht in der Sache entschieden werden. Das erkennende Gericht könnte nämlich gegenwärtig nicht selbst ohne weitere Beweiserhebung in Form von (zumindest einem) weiteren Sachverständigengutachten abschließend über den geltend gemachten Anspruch entscheiden. Hierbei handelt es sich um umfangreiche Ermittlungen, die entsprechend dem auch für die Auslegung des § 159 SGG heranzuziehenden Rechtsgedanken des § 130 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie als auch des Erhalts beider Tatsacheninstanzen die Aufhebung und Zurückverweisung an das SG gebieten (so auch LSG NRW im Urteil L 8 R 264/07 a. a. O.). Andernfalls bestünde nicht zuletzt auch die Gefahr, dass die Sozialgerichte zu schlichten Durchlaufstationen degradiert werden.
III.
Das erkennende Gericht macht von dem ihm in § 159 SGG eingeräumten Ermessen unter Abwägung der Interessen der Beteiligten an einer baldigen Sachentscheidung und dem o. g. Grundsatz der Prozessökonomie einerseits sowie dem Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits im entschiedenen Sinne Gebrauch. Es überwiegen vorliegend die Schutzinteressen der (mit der Zurückverweisung einverstandenen) Beteiligten an einem ordnungsgemäßen Verfahren.
Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger verlangt eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nach einem Grad der Schädigung (GdS) von mindestens 50.
Der Kläger wurde Opfer eines rechtswidrigen schädigenden Angriffs. Am 07.04.2012 wurde der Kläger von seinem psychisch kranken Nachbarn angegriffen. Als der Kläger die Tür öffnete, wurde er von dem Nachbarn mit ca. 30 %iger Salzsäure überschüttet.
Der Angreifer ist dafür strafrechtlich verurteilt worden. Er wurde als schuldunfähig angesehen und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Der Schädigungsfall als solcher ist anerkannt und zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Zur Feststellung der Folgen des Angriffs ließ der Beklagte den Kläger psychiatrisch-psychotraumatologisch begutachten.
Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass das Ereignis beim Kläger zu einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt habe. Aufgrund der Therapie sei der Kläger stabilisiert. Bei Begutachtung waren noch Reste der posttraumatischen Belastungsstörung feststellbar. Die Einschränkung im sozialen Leben wurde mit "leicht" eingeschätzt und der GdS auf 10 vorgeschlagen.
Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten vom 19.10.2014 verwiesen (153 V - Zahlen in Klammer sind Blattzahlen der Akte; das "V" weist auf die Verwaltungsakte des Beklagten hin).
Der Beklagte informierte sich über den Angriff durch Beiziehung der Strafakten. Das Landgerichts-Urteil gegen den Schädiger wurde zur Akte genommen (27 V).
Außerdem wurden eine Reihe von Befundunterlagen bezüglich der Behandlung des Klägers ausgewertet und zur Akte genommen.
Darüber hinaus holte der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme von dem Sozialmediziner Dr. H ein. Nach seiner Einschätzung ist das psychiatrische Gutachten nicht zu beanstanden und die Einschätzung des GdS korrekt (199 V).
Mit Bescheid vom 25.02.2015 erkannte der Beklagte eine psychoreaktive Störung als Schädigungsfolge an. Eine Rentenzahlung wurde abgelehnt (168 V).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück (207 V).
Hiergegen hat der Kläger am 17.10.2015 Klage erhoben und die Auffassung vertreten, seine psychische Erkrankung sei aufgrund des Angriffes sei mindestens mit einem GdS von 50 zu bewerten.
Das Sozialgericht (SG) hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes des behandelnden Psychiaters Dr. G.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.08.2016 als unbegründet abgewiesen und dazu ausgeführt:
"Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente gegen den Beklagten. Ein Rentenanspruch setzt voraus, dass die Schädigungsfolgen mindestens einen GdS von 25 bedingen. Diese Voraussetzung liegt nicht vor.
Dies ergibt sich aus einer Auswertung der Verwaltungsakten und aus der gerichtlichen Beweisaufnahme.
Aus den Befundunterlagen ergibt sich, dass beim Kläger keine erhebliche Sehstörung verblieben ist. Ein GdS aufgrund einer Sehstörung liegt nicht vor.
Der Kläger ist durch den Säureangriff nicht entstellt worden. Dies wird ebenfalls durch die umfangreichen Arztberichte bestätigt. Hiervon konnte sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung auch persönlich überzeugen.
Die Erkrankung, die den Kläger belastet, ist die krankhafte psychische Reaktion auf den Angriff.
Allerdings erreicht der GdS für diese Erkrankung nicht die Rentenschwelle von 25.
Dies folgt aus dem Sachverständigengutachten des Dr. L.
Das Gericht hat dieses Sachverständigengutachten im Wege des Urkundenbeweises ausgewertet, denn es erfüllt die Anforderungen an ein wissenschaftlich-medizinisches Gutachten.
Der Gutachter hat den Kläger eingehend untersucht und die Aktenunterlagen ausgewertet. Als Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie ist der Gutachter besonders geeignet, um psychische Reaktionen beurteilen zu können.
Es handelt sich um einen unbefangenen Gutachter, denn der Ausgang des Verfahrens ist für ihn ohne Bedeutung.
Das Gutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend. Die Bewertung des GdS muss mit den objektiv feststellbaren Einschränkungen korrelieren. Ein höherer GdS als 10 ließ sich nicht rechtfertigen, denn es fanden sich nur leichte Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit.
Die Richtigkeit der Einschätzung wird durch die versorgungsärztliche sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. H noch gestützt.
Die gerichtliche Beweisaufnahme hat das Ergebnis aus dem Verwaltungsverfahren in vollem Umfang bestätigt.
Der behandelnde Psychiater des Klägers hat sich der Einschätzung von Dr. L in vollem Umfang angeschlossen. Er schreibt wörtlich: " stimme ich mit den Feststellungen des ausführlichen psychiatrischen Gutachtens von Herrn Nervenarzt Dr. med. L - Institut für Medizinische Begutachtungen - überein." Diese Einschätzung ist von besonderer Bedeutung, denn der Kläger beruft sich bei seiner Klage gerade auf den Behandler Dr. G.
Zusammengefasst ergibt sich das Bild, dass alle Fachleute, die sich mit dem GdS befasst haben, zum selben Ergebnis kommen. Auch objektiv gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Kläger schwerwiegender eingeschränkt wäre. Bei Erstellung des Befundberichts für das Gericht hatte der Kläger den behandelnden Arzt schon fast ein halbes Jahr nicht mehr aufgesucht. Dies ist ein weiteres schwerwiegendes Indiz dafür, dass gerade kein erheblicher Leidensdruck vorliegt."
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Begehren unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens in vollem Umfang aufrecht hält.
Er trägt vor die Stellungnahme des Dr. G sei unergiebig. Zudem stehe die Stellungnahme in Widerspruch zu den vorangegangenen Attesten des Dr. G vom 04.02.2013 und vom 08.01.2015. Das Sozialgericht habe es versäumt, ein unabhängiges fachpsychiatrisches Gutachten einzuholen und sich stattdessen einseitig auf die Feststellungen des von dem Beklagten im Widerspruchsverfahren beauftragten Gutachters Dr. L bezogen.
Auch der Beklagte ist der Auffassung, dass ein weiteres ärztliches Gutachten erforderlich gewesen wäre.
Beide Beteiligte sind auf die Absicht des erkennenden Gerichts, das Urteil aufzuheben und die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen angehört worden.
Sie haben einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung, über die der Berichterstatter gemäß §§ 155 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) im Einverständnis der Beteiligten als Einzelrichter entscheiden konnte, ist im Sinne einer Zurückverweisung gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht (LSG) die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an die erste Instanz zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und wenn das LSG wegen aufwändiger Ermittlungen an einer Entscheidung in der Sache gehindert ist. Die angefochtene Entscheidung des SG beruht hier auf solchen wesentlichen Verfahrensfehlern (hierzu unter I.). Die Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG ist sachgerecht, denn der erkennende Senat kann ohne die Erhebung weiterer Erkenntnisse in der Sache nicht selbst entscheiden. Eine Durchführung der erforderlichen aufwändigen Beweisaufnahme in der ersten Instanz ist unter Würdigung der Schutzinteressen der Beteiligten zweckmäßig und angemessen (hierzu unter II).
I.
Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 159 Abs. 2 Nr. 2 SGG, ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift oder aber ein Mangel der Entscheidung selbst (zu den Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 SGG siehe Urteile des Landessozialgerichts (LSG) NRW vom 20.02.2002 - L 10 SB 141/01 -, vom 22.01.2003 - L 10 SB 111/02 -, vom 19.03.2008 - L 8 R 264/07 - sowie vom 27.11.2008 - L 2 KN 165/08 -). Hier liegen mehrere solcher wesentlicher Entscheidungsmängel vor: Das SG hat den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und damit seiner Amtsermittlungspflicht gemäß §§ 103 und 106 SGG nicht genügt.
Das angefochtene Urteil verstößt gegen die zwingende Verfahrensvorschrift des § 103 SGG, weil das SG sich - auch ausgehend von seiner eigenen Rechtsauffassung - zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen. Der in § 103 SGG normierte Untersuchungsgrundsatz ist verletzt, wenn das Tatsachengericht Ermittlungen unterlässt, die es von seiner Rechtsauffassung ausgehend hätte anstellen müssen. Hierbei ist von sämtlichen Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen.
Das SG konnte hier angesichts der in Frage stehenden psychischen und sonstigen Erkrankungen des Klägers nicht ohne eigene medizinische Ermittlungen entscheiden. Das im Wege des Urkundenbeweises herangezogene Gutachten des Beklagten ist zum einen nicht mehr aktuell und zum anderen hinsichtlich des Befunds - anders als vom SG dargelegt - nicht in vollem Umfang vom behandelnden Arzt bestätigt. Denn die Aussage von Dr. G, das vom Beklagten eingeholte Gutachten von Dr. L sei "nicht fehlerhaft", ist unzureichend, da nicht bekannt ist, in welchem Umfang dem behandelnden Arzt die Grundsätze einer versorgungsrechtlichen Kausalitätsbewertung und GdS-Einschätzung vertraut sind. Bei einer solchen Sachlage bedarf es einer Klärung durch ein eigenes gerichtliches Gutachten - so wie es die Beteiligten hier auch beantragen.
II.
Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind wesentlich. Denn ohne aufwändige Ermittlungen könnte nicht in der Sache entschieden werden. Das erkennende Gericht könnte nämlich gegenwärtig nicht selbst ohne weitere Beweiserhebung in Form von (zumindest einem) weiteren Sachverständigengutachten abschließend über den geltend gemachten Anspruch entscheiden. Hierbei handelt es sich um umfangreiche Ermittlungen, die entsprechend dem auch für die Auslegung des § 159 SGG heranzuziehenden Rechtsgedanken des § 130 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowohl unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie als auch des Erhalts beider Tatsacheninstanzen die Aufhebung und Zurückverweisung an das SG gebieten (so auch LSG NRW im Urteil L 8 R 264/07 a. a. O.). Andernfalls bestünde nicht zuletzt auch die Gefahr, dass die Sozialgerichte zu schlichten Durchlaufstationen degradiert werden.
III.
Das erkennende Gericht macht von dem ihm in § 159 SGG eingeräumten Ermessen unter Abwägung der Interessen der Beteiligten an einer baldigen Sachentscheidung und dem o. g. Grundsatz der Prozessökonomie einerseits sowie dem Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits im entschiedenen Sinne Gebrauch. Es überwiegen vorliegend die Schutzinteressen der (mit der Zurückverweisung einverstandenen) Beteiligten an einem ordnungsgemäßen Verfahren.
Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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