L 7 AY 1191/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AY 2989/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 1191/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Januar 2013 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger begehren im Rahmen eines Zugunstenverfahrens die rückwirkende Bewilligung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), insbesondere sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG, für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. August 2006.

Der 1973 geborene Kläger zu 1), ehemals jugoslawischer - zwischenzeitlich serbischer (früher: Serbien und Montenegro) - Staatsangehöriger hielt sich erstmals von Januar 1989 bis Februar 1992 als Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland auf. Am 10. März 1999 reiste er erneut ein. Am 4. Juni 1999 folgte ihm die 1974 geborene Klägerin zu 2) mit den gemeinsamen Kindern R.(geboren 1993) und K. (geboren 1997) nach, alle ebenfalls serbische (früher: Serbien und Montenegro) Staatsangehörige. 2000 wurde das weitere gemeinsame Kind A. geboren. Die Kläger und ihre drei Kinder hielten sich zunächst aufgrund von Duldungen (Aussetzung der Abschiebung) im Bundesgebiet auf. Die Wohnsitznahme war nur in der Stadt F. gestattet. Darüber hinaus wurde die Klägerin zu 2) 2006 Mutter eines in Deutschland geborenen, in der Folge bei ihr lebenden Kindes deutscher Staatsangehörigkeit (C.), weshalb ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erteilt wurde.

Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erhielten der Kläger zu 1) ab dem 12. März 1999, die Klägerin zu 2) und die gemeinsamen Kinder ab dem 4. Juni 1999 (bzw. ab Geburt), wegen zwischenzeitlicher Trennung der Kläger ab Oktober 2005 erfolgte eine getrennte Leistungsgewährung. Die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG an die Klägerin zu 2) endete nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum 31. August 2006. Dem Kläger zu 1) und den bei ihm lebenden Kindern R, und K, wurden wegen Wegfall der Bedürftigkeit aufgrund übersteigenden Einkommens im April und Juli 2006 sowie ab dem 1. September 2006 keine Leistungen nach dem AsylbLG mehr gewährt, nachdem der Kläger zu 1) eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hatte. Ein neuer Antrag auf Leistungen nach dem AsylbLG für den Kläger und die beiden älteren Kinder vom 5. Februar 2007 wurde mit Bescheid vom 12. März 2007 wegen übersteigenden Einkommens abgelehnt. Das Kind A. erhielt ab dem 1. November 2008 wegen übersteigenden Einkommens keine Leistungen nach dem AsylbLG mehr.

Kindergeld für die drei gemeinsamen Kinder erhielt bis November 2006 die Klägerin zu 2), ab Dezember 2006 für die beiden älteren Kinder der Kläger zu 1). Die Klägerin zu 2) bezog ab dem 28. August 2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), jedenfalls ab dem 1. September 2009 auch die Kinder A. und C. (Bescheid der ARGE (jetzt Jobcenter) F. vom 27. Juni 2009). Ab 1. September 2010 lebten die Kläger nach Eheschließung mit den vier Kindern in Bedarfsgemeinschaft und bezogen bis 31. August 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheid vom 6. Oktober 2009 u.a.). Am 31. August 2010 erwarben die Kläger eine Eigentumswohnung. Vom 1. September 2010 an lebten sie nach eigener Angabe von Erwerbseinkommen, nachdem der Kläger zu 1) eine Anstellung gefunden hatte. Ab 21. Januar 2011 bezogen sie sodann wieder - mit Unterbrechung in der Zeit vom 1. August 2012 bis 31. Oktober 2013 - SGB II-Leistungen.

Bereits unter dem 6. Juli 2009 (Schreiben vom 3. Juli 2009) hatten die Kläger unter Verweis auf die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die rückwirkende Gewährung erhöhter Leistungen nach § 2 AsylbLG unter teilweiser Rücknahme bestandskräftiger Entscheidungen nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) für den Zeitraum ab dem 3. Juli 2005 beantragt. Eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer liege nicht vor. Der Nachgewährungsanspruch sei gemäß § 44 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) zu verzinsen. Mit Schreiben vom 9. Juli 2009 bestätigte die Ausländerbehörde der Beklagten, dass der Kläger zu 1) keine Tatbestände der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer erfüllt habe, wohl aber die Klägerin zu 2), weil sie über ihre Identität getäuscht habe.

Mit Bescheid vom 27. August 2010 lehnte die Beklagte die rückwirkende Erbringung höherer Leistungen an die Kläger unter teilweiser Rücknahme entgegenstehender Bescheide für die Zeit vom 6. Juli 2005 bis 31. August 2006 ab. Die Beklagte sei nicht mehr die für die Rücknahme nach § 44 Abs. 3 SGB X zuständige Behörde, sondern - nach Erteilung der Aufenthaltstitel - die ARGE F ... Auf den dagegen erhobenen Widerspruch vom 30. September 2010, mit dem nunmehr ein Leistungszeitraum ab dem 1. Januar 2005 geltend gemacht wurde, erließ die Beklagte den Bescheid vom 16. Februar 2011, mit dem sie die rückwirkende Erbringung höherer Leistungen an die Kläger unter teilweiser Rücknahme entgegenstehender Bescheide für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2008 ablehnte. Nach der Rechtsprechung des BSG seien im Rahmen des § 44 SGB X Leistungen rückwirkend nicht mehr zu erbringen, wenn der ursprüngliche Bedarf zwischenzeitlich gedeckt worden oder die aktuelle Hilfebedürftigkeit inzwischen temporär oder auf Dauer entfallen sei. Nachdem die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zum 31. August 2010 eingestellt worden seien, da die Kläger ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen selbst decken könnten, bestehe die ursprüngliche Hilfebedürftigkeit nicht mehr. Der Widerspruch vom 30. September 2010 sei im Übrigen erledigt. Der dagegen wiederum eingelegte Widerspruch vom 21. März 2011 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2012 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen haben die Kläger unter dem 15. Juni 2012 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben, die das SG mit Urteil vom 22. Januar 2013 abgewiesen hat. Eine Verpflichtung der Beklagten zur rückwirkenden Erbringung höherer Leistungen nach dem AsylbLG unter Korrektur entgegenstehender, bestandskräftiger Entscheidungen setze nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die Hilfebedürftigkeit der Kläger nicht temporär oder auf Dauer unterbrochen worden sei. Dies sei indes unstreitig gerade nicht der Fall.

Gegen dieses Urteil, welches dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 8. Februar 2013 zugestellt worden ist, richten sich die am 7. März 2013 beim SG eingelegten Berufungen, die beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg unter dem 18. März 2013 eingegangen sind. Zur Begründung vertritt die Klägerseite im Wesentlichen die Rechtsauffassung, eine Einschränkung des Geltungsbereichs des § 44 SGB X dahingehend, dass rückwirkend Leistungen nur zu erbringen seien, wenn eine durchgehende Bedürftigkeit (bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz) vorliege, sei unter rechtssystematischen und grundrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich. Es sei willkürlich, wenn die nachträgliche Gewährung im Falle des laufenden Leistungsbezugs zulässig sei, im Falle der erfolgreichen wirtschaftlichen Integration jedoch wieder abgesprochen werde. Für eine solche Ungleichbehandlung gebe es keinen sachlichen Grund. Dies würde zudem dem Grundsatz des Forderns und Förderns widersprechen, indem hierdurch bewusst Anreize gesetzt würden, sich statt durch eigene Leistung weiterhin durch staatliche Mittel zu ernähren.

Die Kläger beantragen (teilweise) sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Januar 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2012 zu verurteilen, ihnen unter teilweiser Rücknahme entgegenstehender früherer Verwaltungsakte für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. August 2006 höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu zahlen und den Nachzahlungsbetrag zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend, hat auf ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen und macht geltend, dass eine abschließende Prüfung durchgehender Hilfebedürftigkeit auf Grundlage der von den Klägern vorgelegten Unterlagen nicht möglich sei, insbesondere hinsichtlich des Zeitraums vom 1. August 2012 bis 31. Oktober 2013. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Aktenvermerk der Bediensteten V. vom 12. Mai 2014 (Blatt 50 der Senatsakte) verwiesen.

Nach Beiziehung der Verwaltungsakten des Jobcenters F. ist den Klägern mit Verfügung des Berichterstatters vom 19. Mai 2014 aufgegeben worden, sich zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen im Zeitraum vom 1. August 2012 bis 31. Oktober 2013 zu erklären und diese im Einzelnen zu belegen. Daraufhin hat die Klägerseite diverse Unterlagen vorgelegt (Blatt 53 bis 100 der Senatsakte) und zugleich erklärt, dass Lohnnachweise für den Monat August 2013 nicht auffindbar seien. Die Beklagte hat dazu mit Schriftsatz vom 27. November 2014 (Blatt 111 bis 116 der Senatsakte) Stellung genommen und u.a. darauf hingewiesen, dass diverse Lohnabrechnungen beider Kläger nicht vorlägen, dass über etwaiges Vermögen keine Angaben gemacht worden seien, dass Nachweise über das Einkommen der Tochter Ramiza und über den Kindergeldbezug fehlten sowie Nachweise hinsichtlich der Kreditzinsen. Bereits auf Basis der vorhandenen Dokumente habe jedenfalls im Oktober 2012 und in den Monaten Januar 2013 bis Mai 2013 keine Hilfebedürftigkeit bestanden. Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2015 (Blatt 117 und 118 der Senatsakte) hat die Klägerseite mitgeteilt, nicht in der Lage zu sein, weitere Unterlagen vorzulegen. Darauf komme es aber aufgrund des fünfmonatigen Wegfalls der Bedürftigkeit gar nicht an. Entscheidend sei, dass im Falle von Pauschalleistungen einer Anwendung des § 44 SGB X der Aktualitätsgrundsatz nicht entgegengehalten werden könne.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats einschließlich des Beihefts (Ablichtungen aus den Verwaltungsakten des Jobcenters F.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Sie haben jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Mai 2012 (§ 95 SGG), mit dem es die Beklagte zugunsten der Kläger - die Kinder sind nicht Beteiligte des Rechtsstreits - abgelehnt hat, diesen rückwirkend höhere Leistungen unter teilweiser Rücknahme entgegenstehender Bescheide für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. August 2006 zu erbringen. Die Kläger haben ihr Begehren ausdrücklich auf diesen Zeitraum beschränkt (Sitzungsniederschrift des SG vom 22. Januar 2013, Berufungsschrift vom 5. März 2013). Nicht streitgegenständlich ist im Übrigen der Bescheid vom 27. August 2010, denn diesen hat die Beklagte (konkludent) mit dem Bescheid vom 16. Februar 2011 zurückgenommen (§ 39 Abs. 2 SGB X).

Für die Entscheidung über den Antrag nach § 44 SGB X ist die Beklagte sachlich und örtlich zuständig und damit richtiger Klagegegner. Über die Rücknahme entscheidet - nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts - die zuständige Behörde (§ 44 Abs. 3 SGB X), wobei die allgemeinen Regelungen gelten (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - (juris Rdnr. 10)). Sachlich zuständig für die Durchführung des AsylbLG und damit auch für die in diesem Zusammenhang zu treffenden Entscheidungen nach § 44 SGB X ist nach § 10 AsylbLG i.V.m. § 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes des Landes Baden-Württemberg (FlüAG) vom 11. März 2004 (GBl. S. 99) sowie § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Landesverwaltungsgesetzes Baden-Württemberg (in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Verwaltungsstruktur in der Form vom 14. Oktober 2008 erhalten hat (GBl. S. 313)) die jeweilige untere Verwaltungsbehörde des Landes als untere Aufnahmebehörde (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 3/12 R - (juris Rdnr. 12)). Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich aus der Zuweisungsentscheidung (§ 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG).

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis nicht zu beanstanden; die Kläger haben für die streitbefangene Zeit keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem AsylbLG, die sie im Zugunstenverfahren in erster Linie über § 2 AsylbLG erstreben. Im hier maßgeblichen Zeitraum unterfielen die Kläger zwar als nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes (AufentG) geduldete Ausländer dem AsylbLG (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG). Dennoch kommt eine teilweise Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Bewilligungsentscheidungen über die Bestimmung des § 44 SGB X, die gemäß § 9 Abs. 3 AsylblG auch im Asylbewerberleistungsrecht Anwendung findet (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 5/07 R - (juris Rdnrn. 12 ff.), st. Rspr.), vorliegend nicht in Betracht. Zwar ist die den § 44 Abs. 4 SGB X modifizierende Regelung in § 9 Abs. 4 Satz 2 AsylbLG (i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722)) ebenso wenig heranziehbar wie § 116a SGB XII (in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453)), weil die Kläger ihren Überprüfungsantrag bereits am 6. Juli 2009 gestellt haben (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 8 SO 24/14 R - (juris Rdnr. 13); ferner BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 3/12 R - (juris Rdnr. 15)). Indessen sind in jedem Fall die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG für den Bereich des Asylbewerberleistungsrechts aufgestellten Kriterien für die Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsakte nach § 44 SGB X, denen der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. nur Senatsurteile vom 25. Februar 2016 - L 7 AY 731/15 - (n.v.) und 21. Juli 2011 - L 7 AY 879/11 - (juris Rdnrn. 17 ff.)), nicht erfüllt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 3/12 R - (juris Rdnr.13); Urteil vom 20. Dezember 2012 - B 7 AY 4/11 R - (juris Rdnr. 14); Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - (juris Rdnr. 14); für den Bereich des Sozialhilferechts nach dem SGB XII ferner BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 8 SO 24/14 R - (juris Rdnr. 13); Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R - (juris Rdnrn. 12 ff.)) ist für einen Anspruch auf rückwirkende Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens allein die Rechtswidrigkeit bestandskräftig gewordener Leistungsbewilligungen (oder Leistungsablehnungen) nicht ausreichend. Vielmehr ist unter Beachtung des § 44 Abs. 4 SGB X ("nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs", hier zu lesen: des AsylbLG) den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung zu tragen und zu berücksichtigen, dass die Leistungen nach dem AsylbLG ebenso wie die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienen und deshalb für zurückliegende Zeiten lediglich dann zu erbringen sind, wenn die Leistungen ihren Zweck noch erfüllen können. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Bedürftigkeit fortbesteht, also nicht temporär oder auf Dauer entfallen ist, wobei - bei zu erbringenden Monatsleistungen (wie nach dem SGB II, dem SGB XII oder dem AsylbLG) - ein Entfallen für einen Monat genügt. An dieser Rechtsprechung hat das BSG auch in den auf die Senatsurteile vom 27. Februar, 30. April und 6. November 2014 sowie 26. Februar und 23. April 2015 ergangenen Nichtzulassungsbeschwerdeentscheidungen festgehalten (vgl. etwa die die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in den Senatsurteilen vom 27. Februar 2014 - L 7 AY 3418/12 -, vom 6. November 2014 - L 7 AY 3517/12 - und vom 23. April 2015 - L 7 AY 2403/12 - als unzulässig verwerfenden Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - B 7 AY 5/14 B -, 23. März 2015 - B 7 AY 17/14 B - und 27. Oktober 2015 - B 7 AY 3/15 B -).

Das vorstehend aufgezeigte Normverständnis des BSG ist im Übrigen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht beanstandet worden (vgl. Nichtannahmebeschluss vom 7. Februar 2012 - 1 BvR 1263/11 - (juris Rdnrn. 15 ff.)). Auch sonst sind Verfassungsverstöße nicht zu besorgen; insbesondere ist Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht verletzt (vgl. nur BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - B 7 AY 4/11 R - (juris Rdnr. 15)). Ebenso wenig kann der Auffassung, eine rückwirkende Korrektur müsse jedenfalls aufgrund der verfassungswidrig zu niedrig bestimmten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erfolgen, gefolgt werden. Insbesondere kann dies nicht aus dem Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 (- 1 BvL 10/10 u.a. - (juris Rdnr. 113)) abgeleitet werden; auch darauf hat das BSG bereits hingewiesen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - B 7 AY 4/11 R - (juris Rdnr. 16)). Im genannten Urteil hat das BVerfG sogar ausdrücklich eine Rückwirkung der von ihm selbst geschaffenen Übergangsregelung für höhere Geldleistungen in Form von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auf Leistungszeiträume ab dem 1. Januar 2011 begrenzt; die von den Klägern begehrte Leistung betrifft jedoch ausschließlich den davor liegenden Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. August 2006. Zudem hat das BVerfG ausdrücklich klargestellt, dass eine Anwendung des § 44 SGB X in Bezug auf die Unvereinbarkeit der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe der Grundleistungen mit dem GG bis Ende Juli 2012 ausgeschlossen und damit verfassungsrechtlich nicht geboten ist. Die von den Klägern vorrangig geltend gemachten Analogleistungen, die nach den Vorschriften des SGB XII erbracht werden und regelmäßig höher sind als die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, werden von der Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2012 ohnehin nicht berührt. Vorliegend lässt sich eine durchgehende Bedürftigkeit der Kläger, die im Übrigen die objektive Beweislast für diese Tatsache tragen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 6/08 R - (juris Rdnr. 19)), was erst Recht im Verfahren nach § 44 SGB X gilt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10. Dezember 1985 - 10 RKg 14/85 - (juris Rdnr. 23)), nicht feststellen. Die anwaltlich vertretenen Kläger haben selbst eingeräumt, dass sie vom 1. September 2010 bis zum 20. Januar 2011 ihren Lebensunterhalt aus eigenem Erwerbseinkommen bestreiten konnten (Berufungsbegründung vom 11. Juli 2013, Blatt 10 der Senatsakte). Bereits im Verwaltungsverfahren wurde dies entsprechend bekundet (Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 15. Oktober 2009, Blatt 879 der Verwaltungsakten). Darüber hinaus lässt sich eine Hilfebedürftigkeit auch insbesondere im Zeitraum von Januar bis Mai 2013 nicht feststellen. Die Klägerseite räumt vielmehr im Gegenteil auch insoweit ein, dass "der Anspruch bereits auf Grund des fünf-monatigen Wegfalls der Bedürftigkeit entfallen ist" (Schriftsatz vom 13. Januar 2015, Blatt 117 der Senatsakte). Da darüber hinaus die von den Klägern vorgelegten Unterlagen unvollständig und lückenhaft sind - was diese auch ausdrücklich einräumen - und nicht der Verfügung vom 19. Mai 2014 genügen, vermochte sich der Senat nach alledem nicht davon zu überzeugen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG), dass die Kläger jedenfalls seit September 2010 durchgehend bedürftig waren.

Sonach sind von Seiten der Beklagten Leistungen rückwirkend nicht zu erbringen; damit besteht kein Anspruch auf teilweise Rücknahme bestandskräftig gewordener Verwaltungsakte nach § 44 Abs. 1 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R - (juris Rdnr. 22)) und zwar selbst dann nicht, wenn diese - wie von den Klägern behauptet - jedenfalls teilweise rechtswidrig gewesen sein sollten.

Mangels Vorliegens eines Nachzahlungsanspruchs bedarf es keines weiteren Eingehens auf den auf § 44 SGB I gestützten Zinsanspruch (vgl. hierzu im Übrigen BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 7 AY 2/12 R - (juris Rdnr. 31)).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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