L 9 U 2724/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 U 4883/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2724/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten sind die Feststellung von Unfallfolgen und die Gewährung einer höheren Unfallrente streitig.

Der 1967 geborene Kläger zog sich am 07.05.2004 im Rahmen seiner abhängigen Beschäftigung für die Firma E. GmbH Garten- und Landschaftsbau, S., als Gartenbauhelfer beim Anpassen von Betonpflastersteinen mit einem Winkelschleifer eine tiefe Schnittverletzung am Wadenbein zu.

Im Durchgangsarztbericht vom 07.05.2004 (K.hospital S., Prof. Dr. H.) wurde als Diagnose eine Flexverletzung links distaler medialer Unterschenkel mit Durchtrennung der Achillessehne ohne Knochenmitbeteiligung gestellt. Der Kläger wurde im K.hospital S. vom 07.05. bis 21.07.2004 stationär behandelt. Noch am Unfalltag erfolgte eine operative Versorgung (Wunddebridement und Achillessehnennaht). Aufgrund einer Infektion erfolgte am 13.05.2004 ein Debridement, eine Nekrektomie und Vacosil-Einlage. Am 17.05.2004 wurde die Transplantation eines fasziokutanen Lappens erforderlich. Am 19.05.2004 musste eine Revision der Gefäßanastomose bei Durchblutungsstörungen und am 20.05.2004 wegen sich nicht bessernder Verhältnisse der Perfusion eine erneute Revision des Lappens durchgeführt werden. Am 22.05.2004 wurde das freie Transplantat entfernt. Es erfolgte ein erneutes Debridement und eine temporäre Weichteil- bzw. Hautdeckung durch ein allogenes Hauttransplantat des Unterschenkels. Schließlich wurde am 14.06.2004 eine Spalthautdeckung am linken Unterschenkel umgesetzt. Es schloss sich ein stationäres Heilverfahren in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BGU) vom 21.07. bis 15.09.2004 an, aus der der Kläger mit der Empfehlung, die berufliche Wiedereingliederung anzustreben, entlassen wurde. Nach ambulanter und stationärer Behandlung (im K.hospital S. vom 03.11. bis 30.11.2004) war ein erneutes stationäres Heilverfahren in der BGU erforderlich, um einen Verharrungszustand zu vermeiden. Eine sich anschießende bzw. fortgesetzte Belastungserprobung scheiterte, die medizinische Behandlung wurde bei einem Verharrungszustand am 05.04.2005 abgeschlossen. Dem Kläger wurde Verletztengeld bis zum Ablauf der 78. Kalenderwoche (05.11.2005) gezahlt. Unter Berücksichtigung eines Ersten Rentengutachtens von Prof. Dr. W. und Dr. A. vom 14.11.2005 (Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] 20 v. H. seit 04.11.2005) und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Prof. Dr. S. vom 12.01.2006 (der psychiatrische Befund habe eine gewisse Verbitterung über den unbefriedigenden Heilverlauf und die derzeitig schwierige soziale Situation [arbeitslos, allein lebend] ergeben, eine depressive Störung oder Anpassungsstörung liege jedoch nicht vor; neurologische MdE 10 v. H., welche von der unfallchirurgischen MdE bereits erfasst werde) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 07.03.2006 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v. H. ab 04.11.2005 fest.

Im von der Beklagten in Auftrag gegebenen Zweiten Rentengutachten von Prof. Dr. W., Dr. V. und Dr. A. vom 12.12.2006 wurde die MdE weiterhin mit 20 v. H. eingeschätzt. Prof. Dr. S. führte in seinem ebenfalls von der Beklagten veranlassten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 07.03.2007 aus, dass unverändert eine Verbitterung des Klägers über seine soziale Situation bestehe. Insbesondere habe dieser bekundet, unter der Arbeitslosigkeit zu leiden. Die auf neurologischem Fachgebiet bestehende MdE betrage 10 v. H., gehe aber in der unfallchirurgischerseits festgestellten MdE auf. Mit Bescheid vom 04.04.2007 stellte die Beklagte eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v. H. fest. Diese MdE berücksichtige eine Funktionseinschränkung des linken oberen und unteren Sprunggelenkes nach operativ behandelter Verletzung im Bereich der Achillessehne, eine Muskelverschmächtigung des linken Beines, eine Teilschädigung des linken N. saphenus und eine Teilschädigung des linken N. tibialis. Diese Entscheidung ist bestandskräftig geworden, nachdem der Kläger diese nicht mit Rechtsmitteln angegriffen hat.

Am 10.04.2008 teilte der Bruder des Klägers telefonisch mit, dass sich die Beschwerden des Versicherten verschlimmert hätten. Unter dem 23.04.2008 gab der Kläger an, dass Rückenschmerzen, Skoliose, Bandscheiben- mit Druckschmerzen und auch Depressionen seit der letzten Feststellung neu aufgetreten seien, sich das linke Bein und der linke Arm verschlimmert hätten. Die Beklagte zog hierauf Befundberichte behandelnder Ärzte bei und lehnte den Antrag unter Berücksichtigung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen Dr. K. mit Bescheid vom 25.09.2008 und Widerspruchsbescheid vom 03.02.2009 ab. Dagegen erhob der Kläger am 19.02.2009 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Das SG hörte den Neurologen und Psychiater Dr. D. als sachverständigen Zeugen, der angab, dass beim Kläger eine schwere Unfallverarbeitungsstörung in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung vorliege, die durch einen Arbeitsunfall ausgelöst worden sei. Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hörte das SG den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. F. als Sachverständigen. Dieser führte in seinem Gutachten vom 06.05.2010 aus, dass sich die anerkannten körperlichen Folgen des Arbeitsunfalles nicht wesentlich geändert, insbesondere nicht verschlimmert hätten. Ferner liege eine "unfallbedingte posttraumatische Belastungsstörung" nicht vor. Hierauf nahm der Kläger die Klage mit Schreiben vom 25.05.2010 zurück.

Am 07.11.2011 beantragte der Kläger erneut, die Verschlimmerung der Unfallfolgen festzustellen. Insoweit machte er unter anderem geltend, unter Schmerzen an den oberen Sprunggelenken beidseits wegen Fehlhaltung und Beinverkürzung zu leiden. Außerdem bestünden ein chronisches Schmerzsyndrom, ein Beckenschiefstand, Kraftlosigkeit und Schmerzen im linken Handgelenk nach Haut-/Muskeltransplantation vom linken Unterarm 2004 sowie Bewegungs- und Spontanschmerzen, ferner leide er vermehrt unter Depressionen und unter Schlafstörungen, auch aufgrund Schlafapnoe. Unter Berücksichtigung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. T., der die Auffassung vertrat, dass die mitgeteilten weiteren Gesundheitsstörungen unfallfremd seien, denn an der Lendenwirbelsäule handele es sich um eine schicksalshafte skoliotische Verbiegung, einen Überlastungsschaden der gegenseitigen Extremität gebe es gemäß seit Jahrzehnten bekannter wissenschaftlicher Untersuchungen nicht und eine Meniskusläsion am rechten Kniegelenk habe mit dem Unfall nichts zu tun, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 23.11.2011 ab. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch legte der Kläger einen Bericht der Fachärzte für diagnostische Radiologie, S., vom 25.05.2012 über eine MRT der Achillessehne und einen Bericht der Hausärzte Dres. F. und L. vom 14.05.2012 vor. In einer weiteren von der Beklagten veranlassten beratungsärztlichen Stellungnahme vertrat Dr. T. die Auffassung, dass in der MRT nur die bekannten narbigen Veränderungen mit entsprechender Beeinträchtigung der unmittelbar umgebenden Weichteile dokumentiert würden. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Entscheidend seien die objektiv nachweisbaren Funktionseinschränkungen. Die Rentengewährung könne sich nicht auf subjektive Beschwerden stützen. Bei der Einschätzung seien die für die Verletzungsfolgen üblichen Schmerzen mitberücksichtigt. Hiergegen richtet sich die am 04.09.2012 zum SG erhobene Klage, mit der der Kläger daran festgehalten hat, dass sich die Unfallfolgen verschlimmert hätten und eine Unfallrente nach einer MdE von jedenfalls 50 v. H. zu zahlen sei. Insoweit hat er auf das im Rentenverfahren eingeholte Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. verwiesen.

In dem vom SG beigezogenen Gutachten vom 18.12.2012 diagnostizierte diese eine auf dem Boden einer akzentuierten zwanghaft narzisstischen Persönlichkeit vorliegende chronifizierte Anpassungsstörung. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass diese chronifizierte Anpassungsstörung ihre Ursache in dem hier fraglichen Arbeitsunfall habe.

Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. vorgelegt, der die Auffassung vertreten hat, dass selbst dann, wenn eine depressive Symptomatik auf dem Boden einer zwanghaften narzisstischen Persönlichkeitsstruktur entstanden sein sollte, diese psychische Symptomatik als Folge der Auseinandersetzung mit den gerichtlichen und verwaltungstechnischen Fragen zu werten sei und somit dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen und nicht als Unfallfolge einzuschätzen sei.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG den Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. A., S., als Sachverständigen gehört. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.09.2013 die Diagnosen emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typus (F60.30G), eine rezidivierende depressive Störung, atypisch rezidivierender Typ (F33.8G), eine somatoforme Schmerzverarbeitungsstörung (F45.4G) und eine Folgestörung einer posttraumatischen Belastungsstörung (F33.1G) sowie eine Persönlichkeitsänderung (F62.0G) festgestellt. Er hat ausgeführt, dass bei dem Probanden ein gemischtes psychiatrisches Krankheitsbild bestehe, weshalb es schwierig erscheine, zu differenzieren, welcher Anteil des psychischen Zustandsbildes unfallunabhängig und welcher dem Unfallereignis selbst kausal zuzuordnen sei. Es lasse sich angesichts der jetzigen eingehenden psychiatrischen Untersuchung dokumentieren, dass die Aspekte einer Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typus wie auch die Aspekte einer atypisch rezidivierenden depressiven Störung dem Unfallereignis nicht zuzuordnen seien, ebenso die Entwicklung einer somatoformen Schmerzverarbeitungsstörung. Die in der jetzigen Untersuchungssituation eindeutig dokumentierte und festgestellte posttraumatische Belastungsstörung mit der daraus entwickelten Persönlichkeitsänderung sei allerdings dem Unfallereignis kausal mit höchster Wahrscheinlichkeit zuordnungsfähig. Insbesondere der Umstand, dass diesbezüglich früher trotz teilweise erlebter Gewalt und auch eines erlebten sexuellen Missbrauchs in der Kindheit keine Beschwerden einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgetreten seien, lasse mit einem hohen Maß an Sicherheit die nach dem Unfall entwickelten Beschwerden einer posttraumatischen Belastungsstörung kausal dem Unfallereignis zuordnen. Das Unfallereignis selbst sei ausreichend geeignet, eine posttraumatische Belastungsstörung auslösen zu können. Diesbezüglich bestehe eine MdE seit dem Unfallereignis nach einer MdE um 30 v. H. Seit dem Unfallereignis bis zum heutigen Zeitpunkt sei daher eine MdE i. H. v. 30 v. H. festzustellen.

Die Beklagte hat hierauf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 30.12.2013 vorgelegt, der unter anderem ausgeführt hat, dass die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht plausibel und nicht nachvollziehbar sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass als Folge des Arbeitsunfalles vom 07.05.2004 auch eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine chronifizierte Anpassungsstörung vorliege. Ferner begehrte er, die Unfallrente aus einer MdE von jedenfalls 30 v. H. zu bezahlen.

Mit Urteil vom 21.05.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass auf psychiatrischem Fachgebiet keine Unfallfolgen nachgewiesen seien. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des 6. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 26.09.2013 (L 6 U 3246/12) zur Anwendung der Diagnosesysteme ICD-10 und DSM-IV-TR hat es ausgeführt, dass keine posttraumatische Belastungsstörung vorliege. Problematisch sei bereits, dass der für die Kausalentwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung erforderliche seelische Gesundheitserstschaden beim Kläger nicht zeitnah dokumentiert sei. Eine "Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde" bzw. eine "Reaktion der Person auf das Ereignis" in Form von "intensiver Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen" lägen beim Kläger nach den medizinischen Ermittlungen nicht vor. Im Durchgangsarztbericht und Bericht der erstbehandelnden Klinik fänden sich keine psychiatrischen Auffälligkeiten des Klägers. Der Kläger sei offenbar zunächst nur körperlich beeinträchtigt gewesen. Etwas anderes habe er selbst auch nie gegenüber den zahlreichen Gutachtern angegeben. Gegenüber Prof. Dr. S. habe er im Januar 2006 und damit fast zwei Jahre nach dem Unfall erstmals angegeben, er sei "psychisch zerrüttet", dies aber bezeichnenderweise nicht auf den Arbeitsunfall selbst, sondern die daraufhin erfolgten Krankenbehandlungen, Operationen und Begutachtungen zurückgeführt. Auch gegenüber Dr. F. habe der Kläger angegeben, nach dem Unfall sei sein "Seelenzustand recht gut gewesen, da er davon ausgegangen sei, dass alles nur besser werde". Die weitere Entwicklung habe ihn dann zunehmend verbittert. Gegenüber Dr. A. habe der Kläger angegeben, er "sei der Auffassung, wenn es zu einem normalen Heilungsverlauf gekommen wäre, wäre er auch mit den in der Unfallsituation aufgetretenen psychischen Beschwerden vermutlich zurechtgekommen". Vor diesem Hintergrund könne die Kammer nicht nachvollziehen, inwiefern Dr. A. und Dr. D. davon ausgingen, dass beim Kläger der für die posttraumatische Belastungsstörung erforderliche, dem seelischen Traumaprozess vorliegende Gesundheitserstschaden vorliege. Lediglich ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass auch die weiteren Kriterien der posttraumatischen Belastungsstörung im Gutachten von Dr. A. nicht nachvollziehbar geprüft und dargelegt worden seien. Die anamnestisch erhobenen Angaben des Klägers passten größtenteils nicht zu den Kriterien der posttraumatischen Belastungsstörung nach ICD-10 oder DSM-IV. Auch eine chronifizierte Anpassungsstörung des Klägers, die wesentlich auf den Unfall vom 07.05.2004 zurückgehe, liege zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Eine Gesundheitsstörung, die als Unfallfolge festzustellen sei, müsse im Vollbeweis gesichert sein. Auch angesichts dessen, dass die weiteren Gutachter im hiesigen Verfahren eine Anpassungsstörung nicht bejaht hätten, bestünden Zweifel an dieser Diagnose. Als zeitlich nächste Einschätzung – die Dr. R. bei ihrer Begutachtung nicht vorgelegen habe – habe Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 12.01.2006 eine depressive Störung oder Anpassungsstörung des Klägers ausdrücklich verneint. Er sei nur von einer gewissen Verbitterung angesichts des unbefriedigenden Heilverlaufs und der derzeit schwierigen sozialen Situation ausgegangen. Diese Einschätzung habe Dr. F. in der Folge ausdrücklich bestätigt. Ferner erscheine es schon problematisch, eine psychiatrische Beeinträchtigung, die mittlerweile zehn Jahre nach dem Unfall noch immer vorliege, als Anpassungsstörung zu qualifizieren und diese Diagnose erstmals acht Jahre nach dem Unfall zu stellen, weil dies der Definition einer Anpassungsstörung nach dem ICD 10 widerspreche. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass nach Überzeugung der Kammer eine Anpassungsstörung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch den Unfall verursacht wäre. Dr. R. habe keine Aussage zur Kausalität getroffen. Sie habe die Anpassungsstörung wohl auf den Unfall zurückgeführt, ohne aber eine Einordnung in Relation zu anderen möglichen Ursachen nach der Theorie der wesentlichen Bedingung vorzunehmen. Sie schreibe in ihrem Gutachten vielmehr: "Diagnostisch konnte ich auf der Persönlichkeitsebene eine Akzentuierung einer narzisstisch-zwanghaften Persönlichkeit mit bereits durch diese Persönlichkeitsmerkmale chronifizierten Anpassungsstörung feststellen". Dies spreche nach Ansicht der Kammer dafür, dass nicht der Unfall oder mittelbar danach die Heilbehandlungskomplikationen wesentliche Ursache für eine spätere psychiatrische Störung des Klägers gewesen seien, sondern die konkurrierende Ursache einer bereits unfallunabhängig vorhandenen Persönlichkeitsstörung überragende Bedeutung habe. Ohne diese Persönlichkeitsstörung sei eine Anpassungsstörung nach Ansicht der Kammer wohl nicht chronifiziert und damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht mehr vorhanden gewesen. Diese Schlussfolgerung lasse sich auch mit den übrigen gutachterlichen Äußerungen in Einklang bringen. Dr. A. habe ebenfalls eine unfallunabhängige Persönlichkeitsstörung diagnostiziert und zutreffend habe auch Dr. S. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30.12.2013 darauf hingewiesen, dass die anamnestischen Angaben des Klägers (seit der Jugend rezidivierende Suizidideen, ein Suizidversuch 1992, Neigung zu impulsiven und unkontrollierten Handlungen, Alkohol- und Cannabismissbrauch) auf eine bereits vor dem Unfallereignis vorliegende Persönlichkeitsstörung hindeuteten. Schließlich könne auch keine höhere MdE aufgrund einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse festgestellt werden. Die von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. S. vorgeschlagene Gesamt-MdE von 20 v. H. für Beeinträchtigungen auf orthopädischem und auf neurologischem Fachgebiet sei nicht zu beanstanden. Angesichts der von Prof. Dr. W. festgehaltenen, nur mäßigen Funktionsbeeinträchtigungen habe die Kammer keine Einwendungen gegen die Einschätzung der MdE mit 20 v. H. Die neurologischen Folgen bezögen sich ebenfalls auf die Achillessehnenruptur und bedingten keine weitere Funktionsbehinderung des Klägers. Wegen dieser Überlagerung sei auch die Gesamt-MdE mit 20 v. H. nicht zu beanstanden.

Gegen das am 27.05.2014 zugestellte Urteil haben die Bevollmächtigten des Klägers am 27.06.2014 Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass als Folge des Arbeitsunfalles vom 07.05.2004 eine posttraumatische Belastungsstörung, eine chronifizierte Anpassungsstörung, Kraftlosigkeit und Schmerzen des linken Handgelenkes mit Bewegungs- und Spontanschmerzen im linken Unterarm vorliegen und der Kläger deswegen Anspruch auf die Gewährung einer Unfallrente nach einer MdE von mindestens 30 v. H. habe. Er macht geltend, dass eine posttraumatische Belastungsstörung bereits kurz nach dem Unfall bestanden habe. Er sei aber von den untersuchenden Medizinern nicht auf eine mögliche posttraumatische Belastungsstörung untersucht worden. Aufgrund der Sprachbarriere sei es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass der Kläger von sich aus den Dres. S., F. oder R. unaufgefordert weitere Hinweise auf mögliche Erkrankungen hätte geben können. Beweisrechtlich sei zu berücksichtigen, dass ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nicht vorliege, nicht vorhanden seien. Darüber hinaus sei die Diagnose der Anpassungsstörung, die von Dr. R. gestellt worden sei, als Unfallfolge zu berücksichtigen. Gleiches gelte für Funktionseinschränkungen der linken Hand bzw. des linken Unterschenkels. Das SG hätte insoweit auf einen sachdienlichen Antrag hinwirken müssen, weshalb der Kläger mit seinem diesbezüglichen Antrag nicht ausgeschlossen sei. Mit Schriftsatz vom 30.04.2015 hat der Kläger seine Rechtsauffassung in Bezug auf die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung nach einem Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes mit dem Berichterstatter (vgl. Niederschrift vom 17.03.2015) untermauert. Er regt an (Schriftsatz vom 30.04.2015), ein Gutachten zur Klärung einer posttraumatischen Belastungsstörung einzuholen.

Unaufgefordert ist beim Senat ein Bericht des Dr. D. für das SG (zu einem Schwerbehindertenverfahren des Klägers - S 7 SB 6507/13 -) eingegangen (vgl. Bl. 58 f. Senatsakten).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Mai 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2012 aufzuheben und festzustellen, dass als Folge des Arbeitsunfalles vom 7. Mai 2004 auch eine posttraumatische Belastungsstörung und eine chronifizierte Anpassungsstörung sowie eine Kraftlosigkeit und Schmerzen des linken Handgelenkes mit Bewegungs- und Spontanschmerzen im linken Unterarm vorliegen, ferner, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 30 v. H. zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Berufung entgegengetreten und ist der Auffassung, dass weder eine Verschlimmerung des Unfallfolgezustandes eingetreten sei, noch weitere Unfallfolgen zu berücksichtigen seien. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht geboten.

Die Beteiligten wurden auf die Absicht des Senats, durch Beschluss zu entscheiden, mit den Verfügungen vom 25.09.2015 bzw. 07.10.2015 hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist beim SG form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide der Beklagten verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten, weil er keinen Anspruch auf die Gewährung einer höheren als der bislang zugestandenen Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 07.05.2004 hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 25.09.2015 bzw. 07.10.2015 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Antrag des Klägers vom 07.11.2011, ein Rentenneufeststellungsverfahren wegen einer eingetretenen Verschlimmerung durchzuführen. Hierzu hatte der Kläger Schmerzen in den oberen Sprunggelenken bds. wegen Fehlhaltung und Beinverkürzung, ein chronisches Schmerzsyndrom, einen Beckenschiefstand, eine Kraftlosigkeit und Schmerzen im linken Handgelenk, vermehrte Depressionen und Schlafstörungen, auch aufgrund von Schlafapnoe, geltend gemacht. Hierfür ist die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage die statthafte Klageart (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG).

Die Berufung ist insoweit bereits mangels Zulässigkeit der Anfechtungs- und Feststellungsklage unbegründet. Denn die im Klage- und Berufungsverfahren gestellten Feststellungsanträge in der Form einer Anfechtungs- und Feststellungsklage sind unzulässig (ebenso bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, vgl. zum Wahlrecht: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R –, BSGE 108, 274-289, SozR 4-2700 § 11 Nr. 1). Ein Antrag auf Feststellung von Unfallfolgen (auch oder gerade wenn geltend gemachte Beschwerden die Anerkennung einer höheren MdE nicht rechtfertigen) kann den Einlassungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren nicht entnommen werden, da dieses Verfahren allein auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente gerichtet war. Dementsprechend war mit der Klage vom 04.09.2012 auch keine Anfechtungs- und Feststellungsklage (mit dem Ziel, bislang nicht festgestellte Unfallfolgen feststellen zu lassen) erhoben worden, sondern "nur" eine Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente ("jedenfalls 30 v. H."). Eine Klageänderung im Sinne der Erweiterung um die Feststellung von Unfallfolgen im erstinstanzlichen Verfahren ist ungeachtet der Zulässigkeit einer Klageänderung nach § 99 SGG (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 05.07.2016 – B 2 U 4/15 R –, juris) schon deshalb unzulässig, weil das für die Anfechtungsklage erforderliche Vorverfahren (§ 78 SGG) nicht durchgeführt worden war; die Beklagte es also nicht geprüft und abgelehnt hatte, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine chronische Anpassungsstörung als Unfallfolge anzuerkennen. Dies gilt umso mehr als diese Gesundheitsstörungen mit dem zur Prüfung gestellten (Verschlimmerungs-)Antrag vom Kläger gar nicht geltend gemacht worden sind. Prozessual gilt im Ergebnis nichts anderes für die im Berufungsverfahren verfolgte Anerkennung einer Kraftlosigkeit und Schmerzen des linken Handgelenkes mit Bewegungs- und Spontanschmerzen im linken Unterarm. Insoweit begehrt der Kläger zudem nicht die Anerkennung von Gesundheitsstörungen, die sich in Form einer Diagnose fassen lassen, und damit schon die Beurteilung eines Ursachenzusammenhangs mit dem Unfallgeschehen ermöglichen, sondern vielmehr von Auswirkungen tatsächlich oder vermeintlich bestehender Gesundheitsschädigungen. Sie ähneln mehr Beschwerdeschilderungen als Diagnosen und sind daher, weil sie subjektiver Beurteilung und Schwankungen (Schmerzen, Kraftminderung) unterliegen, so schon nicht festzustellen. Die Beklagte hat darüber hinaus (bislang) keinen Verwaltungsakt zu Folgen des Arbeitsunfalles erlassen, sondern hat (und insoweit entgegen der Annahme des SG) lediglich zur Begründung der Bewilligung der Verletztenrente mit den Bescheiden vom 07.03.2006 und 04.04.2007 angegeben, welche Folgen des Arbeitsunfalles sie der Bemessung der MdE zugrunde gelegt hat. Der Kläger ist daher insoweit durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert, so dass ihm auch die Klagebefugnis für eine Anfechtung dieser Verwaltungsakte fehlt. Die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage zieht diejenige der mit ihr kombinierten Feststellungsklage nach sich.

Soweit der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um nunmehr wenigstens 30 v. H. begehrt, ist der Senat mit dem SG der Überzeugung, dass weder eine Verschlimmerung bereits berücksichtigter Gesundheitsschäden vorliegt noch andere, neue Gesundheitsschäden zu berücksichtigen sind, die rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden können.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Erhöhung der Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles (§ 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X], § 73 Abs. 3 und § 56 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII] – hierzu unter III. der Entscheidungsgründe – sowie die Beweisgrundsätze für die Berücksichtigung von Gesundheitsschäden aufgrund von Einwirkungen aus einer versicherten Tätigkeit – hierzu unter I. der Entscheidungsgründe –) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein solcher Anspruch deshalb nicht besteht, weil eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine chronifizierte Anpassungsstörung nicht vorliegen und eine Verschlimmerung bereits berücksichtigter Gesundheitsschäden nicht festzustellen war. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend zu den Einlassungen im Berufungsverfahren ist auf Folgendes hinzuweisen:

Das SG hat den Sachverhalt unter Bezugnahme auf Vergleichswerte in der Rentenliteratur zur Beurteilung der MdE bei einem Achillessehnenriss zutreffend dahingehend gewürdigt, dass diese MdE bei nur mäßigen Funktionsbeeinträchtigungen und bei sich nicht zusätzlich auswirkenden neurologischen Einschränkungen (Gutachten von Prof. Dr. W. und Prof. Dr. S. vom 12.12.2006 bzw. 07.03.2007) mit 20 v. H. angemessen und zutreffend bewertet worden ist. Der Bewertung der MdE lagen nach dem Gutachten Dr. W. eine geringgradige Bewegungseinschränkung im Seitenvergleich (15-0-30 rechts und 5-0-25 links nach der Neutralnullmethode), eine leichtgradige Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk sowie eine leichtgradige Muskelminderung von 2 cm bei einer Restschwellneigung von 1 cm Umfangzunahme im Seitenvergleich zugrunde. Ferner wurden dauernde Schmerzen im linken Fuß, immer wieder auftretende Schmerzen in der linken Hand beschrieben, ohne dass funktionelle Einschränkungen im Bereich des Armes oder der Hand, abgesehen von einer Berührungsempfindlichkeit (ebenso im Narbengebiet am linken Unterschenkel und den körperfern davon liegenden Hautabschnitten), vorgelegen haben. Der Kläger hat bei Antragstellung nur angegeben, unter Schmerzen an den Sprunggelenken beidseits wegen Fehlhaltung und Beinverkürzung zu leiden. Zusätzliche Funktionseinschränkungen hat er nicht geltend gemacht und sind auch aus den vorgelegten Berichten nicht zu entnehmen, was der Senat der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. T. entnimmt, die er als qualifiziertes Parteivorbringen verwertet. Dieser hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine durch narbige Veränderungen mit entsprechender Beeinträchtigung der unmittelbar umgebenden Weichteile bedingte leichte Blutumlaufstörung von der bisherigen MdE umfasst ist. Funktionseinschränkungen an der linken Hand waren in den zur Rentengewährung führenden Gutachten bis auf immer wieder auftretende Schmerzen und eine gelegentliche Schwellneigung auch verneint worden. Dementsprechende Einschränkungen hat der Kläger auch sechs Jahre nach dem Unfall gegenüber Dr. F. in dessen Gutachten angegeben, sodass eine wesentliche Änderung diesbezüglich nicht festgestellt werden kann. Im Gutachten von Dr. R. (Bl. 27 ff. der SG-Akten) sind Einschränkungen von Seiten der linken Hand nicht dokumentiert. Eine wesentliche Veränderung lässt sich auch nicht aus den vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen belegen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger im Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes vor dem Berichterstatter angegeben hat, dass die Beschwerden mit der Aufnahme eines Ein-Euro-Jobs schlimmer geworden seien und er im April 2013 nach Kraftübungen wegen einer distalen Bizepsruptur links in stationärer Behandlung der Kreiskliniken E. (vgl. Bl. 108 SG-Akten: Refixation der Bizepssehne am 18.04.2013) gewesen ist. Danach ist schon nicht erkennbar, dass eventuell über bislang berücksichtigte Funktionseinschränkungen hinausgehende Beschwerden noch in einer wesentlichen Beziehung zu dem Arbeitsunfall stehen, in dessen Folge es im Bereich des linken Armes (nur) zu einer Transplantatentnahme gekommen war und eine weitergehende Verletzung der Knochen, Muskeln oder Sehnen nicht dokumentiert ist, was durch die vorliegenden neurologischen Gutachten belegt ist. Weitergehende funktionelle Einschränkungen auf orthopädischem, chirurgischem oder neurologischem Fachgebiet, insbesondere eine Zunahme der Beweglichkeitseinschränkung oder eine Verschlimmerung des neurologischen Zustandes, sind damit nicht nachgewiesen, weshalb auch die hierfür zu berücksichtigende MdE um 20 v. H. weiterhin Bestand hat.

Eine höhere MdE ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht unter Mitberücksichtigung der geltend gemachten psychischen Unfallfolgen. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund solcher Einschränkungen ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern. Der Gesundheitsschaden muss darüber hinaus nicht nur sicher feststehen, er muss auch durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -, juris, Rz. 18).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn auch der Senat vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert werden kann. Das SG hat unter Bezugnahme auf die im Wortlaut wiedergegebene Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 26.09.2013 (L 6 U 3246/12), der auch der Senat folgt, die Voraussetzungen für die Anerkennung eines posttraumatischen Belastungssyndrom dargestellt und überzeugend dargelegt, dass diese Voraussetzungen für die Anerkennung und Berücksichtigung einer solchen Erkrankung sowohl nach den Vorgaben des ICD-10 als auch nach dem DSM-IV deshalb nicht vorliegen, weil ein erforderlicher Gesundheitserstschaden, der eine subjektive Beeindruckung des Klägers im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall und damit ein Beleg dafür ist, dass das Unfallereignis eine Wirkursache für eine eingetretene oder sich später manifestierende Erkrankung war und ist, nicht feststellen ließ. Es ist daher ein traumatisches Ereignis von besonderer Qualität mit einem extremen Belastungsfaktor zu verlangen, welches zunächst intensive Angst, Schrecken oder Hilflosigkeit auslöst. Charakteristische Merkmale sind dabei das ungewollte Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Träumen und Gedanken (Nachhallerinnerungen), das Vermeiden von Situationen, die an das Ereignis erinnern, Ängste oder Phobien, Einschränkung der emotionalen Reagibilität sowie anhaltende Symptome erhöhten Erregungsniveaus, wie Schlafstörungen, Reizbarkeit oder Schreckreaktionen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 153 ff.). Mit Dr. S. in dessen beratungsärztlicher Stellungnahme vom 30.12.2013, die der Senat aufgrund dessen Qualifikation als Neurologe und Psychiater als qualifizierten Sachvortrag verwertet, fehlt es an solchen Brückensymptomen zumindest bis zum nervenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. S. (12.01.2006), wobei dort allerdings ebenfalls nur psychisch unspezifische Symptome im Kontext der Arbeitslosigkeit beschrieben sind. Dass der Unfall eine Wirkursache im Sinne oben genannter Beeinträchtigungen gewesen sein könnte, ergibt sich auch nicht aus den zahlreichen anderen Befund- und Behandlungsberichten im Zusammenhang mit der langwierigen Behandlung der chirurgisch-orthopädischen Unfallfolgen und ist damit schon nicht nachgewiesen. Auch ein Vermeidungsverhalten lässt sich insoweit nicht begründen, da der Kläger in seinem alten Betrieb im Rahmen der Wiedereingliederung beschäftigt wurde und der jeweilige Abbruch der Wiedereingliederung den Unfallfolgen am Bein (Abbruch wegen Beschwerden an der Wunde am 10.11.2004 und 19.05.2005, Bl. 226 bzw. 402 der Akten der Beklagten) geschuldet war. Damit liegt auch das C-Kriterium (vgl. insoweit die Ausführungen des SG und die dort zitierte Rechtsprechung) nicht vor, welches eine anhaltende Vermeidung von Stimuli verlangt, die mit dem traumatischen Ereignis assoziiert sind, die hier offensichtlich nicht vorliegt.

Soweit Dr. A. darauf hinweist, dass weder Dr. R. noch Dr. F. den Kläger bzgl. den Beschwerdekomplexen exploriert hätten, ist dem entgegenzuhalten, dass beide Sachverständige in ihren Gutachten keinen Hinweis darauf gesehen haben, dass eine posttraumatische Belastungsstörung zu diesem Zeitpunkt und zeitlich davor tatsächlich eingetreten war. Beiden Gutachtern lag die Einschätzung von Dr. D. vor und beide haben sich mit dieser auseinandergesetzt. Dr. R. hat sich dahingehend eingelassen, dass die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung im Nachhinein aufgrund der anamnestischen Angaben des Klägers nicht habe gestellt werden können. Dr. F. hatte offensichtlich ebenfalls keinen Anhalt für eine posttraumatische Belastungsstörung gesehen, zumal er nur eine leichte Depressivität feststellen konnte. Er hielt es dann auch für evident, dass eine solche Diagnose auf den Probanden nicht zutrifft, und begründete dies nicht nur mit der Art und Weise, wie sich der Kläger ihm gegenüber zum Unfallereignis geäußert habe, sondern eben auch mit dem Umstand, dass zu den Leitlinien dieser Diagnose gehöre, dass die Symptomatik innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis auftreten müsse. Dr. A. kann selbst nicht auf Befunde zurückgreifen, die vor seiner Untersuchung erhoben und dokumentiert worden sind. Für den Verlauf der Erkrankung lassen sich aussagekräftige, für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sprechende Befunde nicht feststellen. Der behandelnde Arzt Dr. D. berichtete im Juli 2008 lediglich von einer "schweren Unfallverarbeitungsstörung" ohne anzugeben, welche psychiatrisch kodierte Erkrankung er damit beschreiben wollte und welche Befunde er hierfür erhoben hatte. Sein Bericht im Juli 2009 spricht dann zwar von einer posttraumatischen Belastungsstörung; Befunde hierfür teilte er aber wiederum nicht mit. Nachdem der Kläger im Termin vor dem Berichterstatter angegeben hat, dass Dr. D. nur wenige Worte italienisch spricht und die Therapie im Wesentlichen in der Verordnung von Medikamenten bestand, vermag der Senat den Einlassungen von Dr. D. angesichts von zwei nachfolgenden Gutachten (Dr. F. und Dr. R., welchen die Diagnose des Dr. D. bekannt gewesen ist) mehr Bedeutung einzuräumen als diesen Gutachten. Dies gilt umso mehr als auch in der von Dr. D. ohne Aufforderung durch den Senat vorgelegten Bescheinigung vom 08.04.2015 keine Auseinandersetzung mit den diskutierten Diagnosen stattfindet, er auf eine Unfallverarbeitungsstörung (nicht: posttraumatisches Belastungssyndrom) verweist und in diesem Zusammenhang eine narzisstische Kränkung mit entsprechender Empörung des Klägers nach der erfolgten Herabsetzung des Grades der Behinderung beschreibt. Ferner beschreibt er eine Behandlung wegen schwerer Schlaflosigkeit und anhaltendem paranoidem Erleben. Einen Zusammenhang mit dem Unfall stellt er dabei nicht schlüssig her und verweist sogar darauf, dass er über das Ausmaß der vor dem Unfall bestehenden Beschwerden nicht berichten könne, weil die entsprechenden Unterlagen vernichtet seien.

Schließlich ist – ergänzend zu den Ausführungen des SG – darauf hinzuweisen, dass bereits von Dr. D. weitere Diagnosen auf psychiatrischem Fachgebiet genannt werden, welche auch vom auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers gehörten Sachverständigen Dr. A. befundet und nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall gesehen wurden. Hierzu gehören neben einer rezidivierenden depressiven Störung eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typus und eine Schmerzverarbeitungsstörung. Unabhängig davon, dass das Gutachten sich nicht mit den diagnostischen Voraussetzungen der Diagnose posttraumatische Belastungsstörung im Einzelnen auseinandersetzt (vgl. hierzu die Ausführungen in dem im Wortlaut zitierten Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 26.09.2013, a. a. O.), beantwortet er auch die Beweisfrage 2 nicht hinreichend danach, welche Umstände (bei unterstelltem Vollbeweis des Vorliegens der Erkrankung) für eine Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung sprechen. Hierfür bestand aber zudem Veranlassung schon deshalb, weil der Kläger von einem Suizidversuch 1992, welcher eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich machte, von familiären Konflikten, von fortbestehenden Suizidideen, von in der Familie gehäuft auftretenden Suizidhandlungen, von einem sexuellen Missbrauch in der Kindheit und Drogenmissbrauch berichtet hat. Die biografischen Angaben sind von Dr. A. nicht im Kontext einer Verursachung gewürdigt worden. Insoweit beschränkt sich der Sachverständige auf die Wiedergabe der Angaben des Klägers, insbesondere auch zum Beginn der psychischen Beschwerden, die dieser mit weniger als sechs Monate angegeben hat (vgl. testpsychologische Untersuchung), ohne diese zu hinterfragen. Angesichts der weiteren von Dr. A. gestellten Diagnosen, einer unfallunabhängigen Persönlichkeitsstörung, einer unfallunabhängigen Schmerzverarbeitungsstörung und einer ebenso unfallunabhängigen rezidivierenden depressiven Störung ist das Gutachten von Dr. A., der allein aufgrund des erstmals 10 Jahre nach dem Unfallereignis ihm gegenüber geschilderten flashbackartigen Wiedererlebens (ohne allerdings im Einzelnen zu beschreiben, welche konkreten Erinnerungen der Kläger hierzu geschildert hat) und den Befunden Schreckhaftigkeit, Unruhe, Nervosität, leichte Reizbarkeit, weitreichender Rückzug und Verlust an sozialen Interessen und Aktivitäten, sowie Unvermögen, diesbezügliche Beschwerdeerlebnisweisen vermeiden zu können, schon nicht schlüssig. Es fehlt insoweit an einer Differenzierung der Beschwerdekomplexe nach den gestellten Diagnosen sowie an einer nachvollziehbaren Herleitung der Diagnose posttraumatische Belastungsstörung nach den gängigen Diagnoseschlüsseln.

Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 30.04.2015 bemängelt, der Beurteilung werde ein überholter, strenger Traumabegriff des DSM III zugrunde gelegt, überzeugt dies nicht. Denn insoweit ist nach den beiden Klassifikationen zu unterscheiden. Nach dem ICD-10 (F43.1) ist die posttraumatische Belastungsstörung definiert als verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenähnlichen Ausmaßes, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Nach dem ICD-10 ist damit ein objektiv schweres Ereignis Voraussetzung für die Annahme des sogenannten A-Kriteriums (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 25.08.2015 – L 3 U 239/10 –, juris). Diese Voraussetzungen sind nach Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. S. nicht erfüllt. Der Traumabegriff im DSM-IV und in dem nunmehr auch in deutscher Sprache vorliegenden DSM-5 setzt auch weiterhin das Erleben einer Situation voraus, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat. Soweit im DSM-5 nunmehr auf das sogenannte A-2 Kriterium verzichtet wird, ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes, weil die nach dem DSM-5 weitgehend unverändert fortbestehenden Kriterien B-F ebenfalls nicht vollständig erfüllt sind, was das SG zutreffend erkannt hat und durch die Einlassungen von Dr. S. gestützt wird. Im Übrigen bedeutet das Fehlen des A-2 Kriteriums nicht, dass nunmehr alle später auftretenden Symptome, bei denen Intrusionen etc. geltend gemacht werden, zwingend zur Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung führen oder dass auf eine zeitnah zum Ereignis vorliegende psychische Reaktion juristisch verzichtet werden kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.01.2015 – L 6 U 5221/12 –, m. w. N.).

Soweit der Kläger seinen Anspruch auf die Gewährung einer höheren Verletztenrente auf die Berücksichtigung einer chronischen Anpassungsstörung stützt, bleibt auch dieses Begehren ohne Erfolg. Dies folgt schon daraus, dass Dr. R., auf die sich der Kläger hierbei stützt, diese Anpassungsstörung auf eine Akzentuierung einer beim Kläger bestehenden narzisstisch-zwanghaften Persönlichkeit zurückführt und damit ganz offensichtlich nicht in einem Unfallzusammenhang sieht. Bei der von Dr. R. diskutierten Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im Allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Nach den hierzu einschlägigen Diagnosekriterien müssen zur Diagnosestellung folgende Kriterien erfüllt sein (vgl. Dilling/Freyberger, Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, 7. Aufl. 2014, S. 173 f.):

A. Identifizierbare psychosoziale Belastung, von einem nicht außergewöhnlichen oder katastrophalem Ausmaß; Beginn der Symptome innerhalb eines Monats. B. Symptome und Verhaltensstörungen, wie sie bei affektiven Störungen (F3) (außer Wahngedanken und Halluzinationen), bei Störungen des Kapitels F4 (neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen) und bei den Störungen des Sozialverhaltens (F91) vorkommen. Die Kriterien einer einzelnen Störung werden aber nicht erfüllt. Die Symptome können in Art und Schwere variieren. C. Die Symptome dauern nicht länger als sechs Monate nach Ende der Belastung oder ihrer Folgen an, außer bei der längeren depressiven Reaktion (F43.21). Bis zu einer Dauer von sechs Monaten kann die Diagnose einer Anpassungsstörung gestellt werden. Unabhängig von der fehlenden kausalen Verknüpfung gilt auch hier, dass die diagnostischen Voraussetzungen des ICD-10 F43.2 schon deshalb nicht erfüllt sind, weil es am Nachweis eines Beginns der Symptomatik innerhalb eines Monats (vgl. A) nach der dort geforderten identifizierbaren psychosozialen Belastung (im Übrigen von einem "nicht außergewöhnlichen oder katastrophalen Ausmaß") und auch an der zeitlichen Einschränkung der Vorgaben unter C. fehlt. Auch bei einer längeren depressiven Reaktion (F43.21) besteht eine zeitliche Grenze von zwei Jahren (vgl. Dilling/Freyberger, a. a. O.).

Veranlassung zur Durchführung weiterer Ermittlungen von Amts wegen durch Einholung eines weiteren psychiatrischen Gutachtens, wie vom Klägerbevollmächtigten schriftsätzlich angeregt, hat der Senat aus den bereits dargelegten Gründen nicht. Das Gutachten von Dr. A. offenbart in der Untersuchung und Diagnosestellung erhebliche Mängel, die auch vom Bevollmächtigten eingeräumt wurden. Dieses Gutachten wurde auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers erhoben, nachdem dieser in dem vorangegangenen Gerichtsverfahren die Klage nach einem ebenfalls psychiatrischen Gutachten von Dr. F., der auf den Unfall zurückzuführende psychiatrische Erkrankungen nicht feststellen konnte, zurückgenommen hatte. Ein anderer Sachverhalt liegt, nachdem der Kläger seinen Verschlimmerungsantrag vornehmlich mit chirurgisch-orthopädischen Unfallfolgen begründet hatte, nicht vor. Allein aufgrund der letztlich nicht nachvollziehbaren und unsubstantiiert gebliebenen Annahme, es läge eine posttraumatische Belastungsstörung vor, besteht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände keine Veranlassung für weitere Ermittlungen von Amts wegen. Insoweit sieht der Senat die Einlassungen von Dr. A. aufgrund der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S. und dem Gutachten von Dr. F. als widerlegt an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers auch im Berufungsverfahren.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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