S 12 KA 209/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 209/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Setzt die Leistungslegende für die vollständige Erbringung einer Leistung voraus, dass eine Begründung abgegeben wird (hier: Nr. 11321 und 11322 EBM), dann kann die Angabe nicht außerhalb der Abrechnungsfristen oder gar im Klageverfahren nachgeholt werden.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung bei Festsetzung des Honorars für das Quartal III/13 und hierbei noch um die Absetzung von 111 Leistungen der Nr. 11321 und 116 Leistungen der 11322 EBM in den drei Behandlungsfällen P1 (64 /64-mal), P2 (18-/23-mal) und P3 (29-/29-mal) im Wert von insgesamt 10.603,39 EUR.

Die Klägerin betreibt ein Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums A-Stadt.

Die Beklagte informierte die Klägerin mit Schreiben vom 21.10.2013 über die vorgesehenen Korrekturen zur Abrechnung.

Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 28.12.2013 das Honorar des Instituts für das Quartal III/13 auf 9.597,16 EUR fest.

Hiergegen legte die Klägerin am 27.02.2014 Widerspruch ein. Sie trug vor, die von der Abrechnungsproduktion mit Schreiben vom 21.10.2013 abgesetzten Fälle/Leistungen seien fristgerecht am 29.10.2013 bearbeitet und zurückgemeldet worden. Sie habe darum gebeten, die Feldkennung 5009 in die Feldkennung 5002 zu ändern, da ihr dies aufgrund einer Software-Einspielung nicht möglich sei.

Die Beklagte setzte nach Abschluss ihrer Honorarverhandlungen mit Honorarbescheid vom 07.01.2015 das Honorar des Instituts für das Quartal III/13 auf 9.582,47 EUR neu fest.

Die Beklagte half dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2015 insoweit ab, als die für den Patienten P4 angegebene Begründung auch für den Behandlungstag 04.09.2013 in die Feldkennungen 5002 und 5009 übertragen werde, so dass die Ziffern 11321 und 11322 EBM zugesetzt und unter Beachtung des Regelwerks nachberechnet würden. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe innerhalb der Sechs-Wochen-Frist für eine Abrechnungskorrektur keinen Antrag auf Korrektur gestellt, auf den Arztinfobrief vom 21.10.2013 habe sie nicht innerhalb der Zehntagesfrist reagiert. Mit dem Arztinfobrief vom 21.10.2013 habe sie die Klägerin darüber informiert, dass die Ziffer 11321 EBM 127 mal und die Ziffer 11322 EBM 132-mal abgesetzt werde, da die Leistungen die Begründung, die die Art der Erkrankung enthalte sowie die Angabe der Art der Untersuchung, voraussetze. Dies sei in Feldkennung 5002 und 5009 anzugeben (Regel 11321.95B bzw. 11322.95B). Nach der Rückmeldung seitens der Klägerin sei die Abrechnung neu erstellt worden. Bei dem Patienten P5 und den Patientinnen P6 sowie P7 seien die Ziffern wieder zugesetzt worden, für den Patienten P4 lediglich für die am 16.08.2013 erbrachten Leistungen, was nunmehr ergänzt worden sei. In den Fällen P1, P2 und P3 sei die erforderliche Begründung nicht angegeben worden, weshalb eine Übertragung der Feldkennung 5002 und 5009 nicht möglich gewesen sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 15.05.2015 die Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie habe die Leistungen ordnungsgemäß abgerechnet. Lediglich aufgrund von technischem Versagen hätten die Begründungstexte nicht in die entsprechende Feldkennung 5002 eingetragen werden können. Dies habe sie der Beklagten auch mitgeteilt, weshalb die fehlende Eintragung nicht zu ihren Lasten gehen könne. Die Feldkennung 5002 laute für P1 "G80.0-spastische tetraphlegische Zerebralparese", "G40.2-Symptomatische Epolepsie", für P2 "G12.2-Motoneuron-Erkrankung" und für P3 "G71.2-häriditare motorisch-sensorische Neuropathie". Ein Nachweis der Leistungen könne noch im Gerichtsverfahren erbracht werden. Die klein gedruckte Schrift auf den von der Beklagten übermittelten Ausdrucken könne sie nicht lesen. Es erschließe sich ihr auch nicht, welche Felderkennung zu erkennen sein solle. Die gewünschten Angaben seien an anderer Stelle zu finden gewesen, worauf sie mit der Bitte um Korrektur hingewiesen habe. Bei ihren Screenshots handele es sich um eine Maske von ORBIS. Die dort angezeigten Daten seien der KV übermittelt worden. Sie selbst nehme keine Veränderungen an der Software vor. Bei den von ihr nunmehr vorgelegten drei Screenshots handele es sich um die Maske von Orbis. Die dort angezeigten Daten seien auch der Beklagten angezeigt worden. Die Software pflege ausschließlich der Softwareanbieter. Die von der Beklagten vorgelegten Ausdrucke seien als Nachweis für das Fehlen Feldkennung nicht geeignet.

Die Klägerin beantragt,
den Honorarbescheid der Beklagten vom 12.02.2014 für das Quartal III/13 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 insoweit aufzuheben, als die Ziffern 11321 und 11322 EBM in den Behandlungsfällen P1, P2 und P3 abgesetzt wurden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, das Fehlen der Begründung bestreite die Klägerin nicht. Die Klägerin habe durch den Arztinfobrief vom 21.10.2013 und nach Zugang des Honorarbescheids Gelegenheit gehabt, die Angaben nachzuliefern, was sie nicht getan habe. Die Berichtigung sei daher rechtmäßig. Im Gerichtsverfahren sei eine Nachholung der Angaben nicht mehr möglich. Jedenfalls aber wären dann der Klägerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Sie verweise auf die Ausdrucke der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen. Diese zeigten, dass es an den geforderten Angaben fehle. Sie bestreite, dass die von der Klägerin vorgelegten drei Screenshots die bei ihr eingereichte Abrechnung zeigten. Möglicherweise zeige sie eine Maske einer Software, die die Klägerin selbst intern in das Programm ORBIS eingepflegt habe, die aber nicht kompatibel programmiert sei. Im Übrigen sei sie zu einer Umwandlung von Leistungen nicht verpflichtet. Ein Ausdruck der bei ihr eingegangenen Abrechnung der drei strittigen Behandlungsfälle zeige, dass es an den geforderten Angaben fehle. Auf einer zum Vergleich eingereichten Abrechnung für eine andere Patientin werde dagegen die Begründung angegeben, wenn auch wegen verwechselter Felderkennung falschherum. Sie bestreite daher, dass die nunmehr vorgelegten drei Screenshots die von der Klägerin eingereichte Abrechnung zeigten

Die Kammer hat mit den Beteiligten am 02.12.2015 eine mündliche Verhandlung abgehalten. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Honorarbescheid der Beklagten vom 12.02.2014 für das Quartal III/13 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 ist, soweit er angefochten wurde, rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben.

Die Beklagte hat zu Recht die Ziffern 11321 und 11322 EBM in den Behandlungsfällen P1, P2 und P3 abgesetzt.

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen. Dies wird nunmehr durch den ab 01.01.2004 geltenden § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V klargestellt, wonach die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte feststellt. Die Beklagte kann die sachlich-rechnerische Richtigstellung wie vorliegend sogleich im Zusammenhang mit der Erteilung des Quartalshonorarbescheids vornehmen.

In den hier strittigen drei Behandlungsfällen hat die Beklagte die Leistungen nach Nr. 11321 und 31322 EBM abgesetzt, weil die Beklagte mit der Abrechnung keine Begründung abgegeben hat, was aber von der Leistungslegende als Leistungsvoraussetzung verlangt wird.

Nr. 11321 EBM lautet:
Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden genomischen Mutation mittels Amplifikation menschlicher DNA mittels Polymerase-Kettenreaktion

Obligater Leistungsinhalt
– Amplifikation menschlicher DNA mittels Polymerase-Kettenreaktion,
Fakultativer Leistungsinhalt
– Extraktion menschlicher DNA aus Zellen oder Gewebeproben,
– Spaltung menschlicher DNA mittels eines Restriktionsenzyms,
– Elektrophoretische Auftrennung und qualitative Auswertung,
– Auswertung der erhobenen Befunde,
– Elektrophoretische Auftrennung und qualitative Auswertung,
je unterschiedlicher Zielsequenz (Primerpaar), 22.28 EUR, 630 Punkte.
Die Berechnung setzt die Begründung, die die Art der Erkrankung enthält, und die Angabe der Art der Untersuchung (Gennummer, Genname nach OMIM) und den Multiplikator (Anzahl der unterschiedlichen Zielsequenzen) voraus. Zum Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten genomischen Mutation ist diese Leistung nicht als Screening-Leistung, sondern nur im begründeten Einzelfall berechnungsfähig. Die Gebührenordnungsposition 11321 ist im Behandlungsfall nicht neben der Gebührenordnungsposition 08571 berechnungsfähig. Die Gebührenordnungsposition 11321 ist im Krankheitsfall nicht neben den Gebührenordnungspositionen 01791, 01793, 01836 und 11231 berechnungsfähig.

Nr. 31322 EBM lautet:
Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden genomischen Mutation mittels Sequenzierung menschlicher DNA
Obligater Leistungsinhalt
– Einzelstrangsequenzierung menschlicher DNA zum Nachweis von Punktmutationen,
Fakultativer Leistungsinhalt
– Doppelstrangsequenzierung
– Extraktion menschlicher DNA aus Zellen oder Gewebeproben,
– Spaltung menschlicher DNA mittels eines Restriktionsenzyms,
– Auswertung der erhobenen Befunde,
je Ansatz , 99.90 EUR, 2.825 Punkte
Die Berechnung setzt die Begründung, die die Art der Erkrankung enthält, und die Angabe der Art der Untersuchung (Gennummer, Genname nach OMIM) und den Multiplikator (Anzahl der Sequenzierungen) voraus. Die Sequenzierung ist nur in einer Richtung berechnungsfähig, die Sequenzierung des komplementären Stranges ist nicht gesondert berechnungsfähig. Zum Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten genomischen Mutation ist diese Leistung nicht als Screening-Leistung, sondern nur im begründeten Einzelfall berechnungsfähig. Die Gebührenordnungsposition 11322 ist im Behandlungsfall nicht neben der Gebührenordnungsposition 08571 berechnungsfähig. Die Gebührenordnungsposition 11322 ist im Krankheitsfall nicht neben den Gebührenordnungspositionen 01791, 01793, 01 836 und 11231 berechnungsfähig.

Es fehlt an einem Nachweis dafür, dass die Klägerin die geforderten Begründungen innerhalb der eingeräumten Abrechnungsfristen, die im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitig sind, eingereicht hat. Mit dem Arztinfobrief vom 21.10.2013 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass die Ziffer 11321 EBM 127-mal und die Ziffer 11322 EBM 132-mal abgesetzt werde, da die Leistungen die Begründung voraussetze. Daraufhin nahm die Klägerin eine Korrektur vor und bat, die Feldkennung 5009 in die Feldkennung 5002 zu ändern, da ihr dies aufgrund einer Software-Einspielung nicht möglich sei. Dies setzte aber voraus, dass bereits zuvor eine Feldkennung angegeben worden war, d. h., dass die Angaben überhaupt gemacht worden waren, wenn auch an falscher Stelle. Für die hier strittigen drei Behandlungsfälle fehlt es aber an einem Nachweis hierfür. Mit dem Fehlen der Feldkennung 5002 auf der Abrechnung, die in den Behandlungsfällen inhaltlich unterschiedlich ist, konnte diese auch nicht eingesetzt bzw. ausgetauscht werden.

Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Angaben der Beklagten fehlerhaft sein sollen, es habe an den Angaben der Feldkennung in den hier noch strittigen drei Behandlungsfällen gefehlt. So weist sie darauf hin, dass sie im Behandlungsfall P4 entsprechend der Vorgabe der Beklagten habe verfahren können. In gleicher Weise wäre die Beklagte verfahren, wenn die entsprechenden Angaben überhaupt für die strittigen drei Behandlungsfälle vorgelegen hätten. Es ist deshalb auszuschließen, dass die Angaben seinerzeit bei der Beklagten vorgelegen haben. Bei den von der Klägerin nunmehr vorgelegten drei Screenshots handelt es sich nach ihren eigenen Angaben um die Maske von Orbis. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass die dort angezeigten Daten auch der Beklagten angezeigt worden sind. Im Übrigen gibt die Klägerin selbst an, seinerzeit an einer ordnungsgemäßen Einspielung der Feldkennung wegen einer unzureichenden bzw. fehlerhaften Software gehindert gewesen zu sein.

Die Klägerin kann die Angabe auch nicht außerhalb der Abrechnungsfristen oder gar im Klageverfahren nachholen. Bei der fehlenden Begründung handelt es sich um eine zwingende Leistungsvoraussetzung. Die Leistung ist daher erst vollständig mit der Abgabe der Begründung erfüllt. Eine Nachrechnung außerhalb der Abrechnungsfristen scheidet damit aus.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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