Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 3216/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1342/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.02.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Kläger trägt die Kosten des auf seinen Antrag gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. H. vom 21.12.2015 sowie seine baren Auslagen endgültig selbst.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob in den nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) festgestellten gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eine derartige wesentliche Änderung eingetreten ist, dass ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festzustellen ist.
Bei dem 1958 geborenen Kläger stellte das Landratsamt K. – Amt für Versorgung und Rehabilitation (LRA) mit Bescheid vom 10.02.2009 wegen einer Schwerhörigkeit beidseitig mit Ohrgeräuschen, einem Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 20), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen sowie einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 20) einen Gesamt-GdB von 30 seit dem 03.12.2009 (Bl. 30 der Verwaltungsakte) fest.
Am 11.01.2012 stellte der Kläger beim LRA einen Antrag auf Erhöhung des Grades der Behinderung wegen Verschlimmerung der bisher berücksichtigten bzw. neu aufgetretenen Gesundheitsstörungen und teilte unter Vorlage eines Attestes des Prof. Dr. He. vom 05.12.2011 mit, dass er bei diesem in Behandlung sei (Bl. 68/69 der Verwaltungsakte).
Entsprechend der versorgungsärztlichen Empfehlung des Dr. B. vom 02.02.2012 lehnte das LRA den Antrag des Klägers auf Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 06.02.2012 ab. Die Prüfung der aktuellen medizinischen Unterlagen habe zu dem Ergebnis geführt, dass eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers und der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht eingetreten sei. Die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung "Zustand nach Nasenfraktur" bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung.
Hiergegen erhob der Kläger am 10.02.2012 Widerspruch und bat um Mitteilung, ob bei der Entscheidung Behandlungsunterlagen und ärztliche Befunde des Prof. Dr. He. von der Hals-Nasen- und Ohrenklinik berücksichtigt worden seien (Bl. 76 der Verwaltungsakte). Er, der Kläger, leide unter einem schweren Tinnitus. Die neurologische Behandlung der Erkrankung erfolge durch Prof. Dr. E ...
Das LRA zog daraufhin einen Befundschein des Prof. Dr. E. vom 09.05.2012 (Bl. 88 der Verwaltungsakte) bei. Dieser gab an, der Kläger leide unter einem erheblichen Tinnitus, die die Verständigung mit ihm teils erheblich erschwere. Es bestehe eine mittelgradige pantonale Schwerhörigkeit rechts sowie ein chronischer Tinnitus rechts. Darüber hinaus leide der Kläger unter Erschöpfung, Interessenverlust und einer Antriebsminderung. Es bestehe eine mittelgradige depressive Episode. Der GdB betrage mehr als 50.
Entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. B. vom 22.05.2012 stellte das LRA mit Teil-Abhilfebescheid vom 23.05.2012 (Bl. 93 der Verwaltungsakte) wegen einer Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen, einem Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 30), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen sowie einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 20) einen Gesamt-GdB von 40 seit dem 11.01.2012 fest.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2012 wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt den Widerspruch zurück, soweit darüber hinaus ein GdB von mindestens 50 begehrt wurde (Bl. 103 der Verwaltungsakte). Die mit Bescheid vom 23.05.2012 vorgenommene Erhöhung des GdB auf 40 gebe das Ausmaß der tatsächlichen eingetretenen Änderungen des Gesundheitszustandes wieder, eine weitere Erhöhung des GdB lasse sich nicht begründen.
Am 04.09.2012 erhob der Kläger hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung führte er an, dass er aufgrund eines im Jahr 2005 unverschuldet erlittenen Verkehrsunfalls mit zunehmender Tendenz unter einem hochgradigen Tinnitus leide, der ihn sowohl körperlich als auch psychisch in seiner beruflichen und privaten Lebensführung erheblich beeinträchtige. Der Direktor der Hals-Nasen-Ohrenklinik des S. Klinikums K. Prof. Dr. He. habe bei ihm eine mittelgradige, kombinierte pantonale Schwerhörigkeit und einen chronischen Tinnitus festgestellt, der zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensführung führe. Eine entsprechende Bescheinigung habe bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegen. In neurologischer und psychischer Hinsicht sei festgestellt worden, dass sich bei ihm auf allen Skalen erhöhte Belastungswerte ergäben, wobei der höchste Wert auf der Skala Somatisierung festgestellt worden sei.
Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG Beweis durch Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Prof. Dr. He. gab an (Auskunft vom 16.11.2012 – Bl. 33ff. der SG-Akte), der Kläger leide unter einer geringgradigen Schwerhörigkeit links, einer hochgradigen Schwerhörigkeit rechts sowie einem Tinnitus beidseits. Anhand der vorhandenen Unterlagen werde der GdB auf 30 geschätzt. Zur weiteren Beurteilung werde jedoch ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten empfohlen. Dipl.-Psychologin H. teilte mit (Auskunft vom 29.11.2012 – Bl. 43 ff. der SG-Akte), bei dem Kläger bestehe eine mittelgradige depressive Symptomatik mit gedrückter Stimmung, herabgestimmtem Affekt, Freudlosigkeit, Gedankenkreisen und Grübeln, Konzentrationsschwierigkeiten, starker Erschöpfung, Antriebsschwäche und Einschlafstörungen. Sie gehe von einem GdB von 40 und mehr aus. Prof. Dr. E. gab an (Auskunft vom 08.04.2013 – Bl. 57f. der SG-Akte), der Kläger sei fünf Mal in seiner Behandlung gewesen, dabei habe eine depressive Symptomatik im Vordergrund gestanden. Er schätze den GdB auf mehr als 50.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG das fachneurologisch-psychiatrische Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O. vom 16.09.2013, die den Kläger am 25.06.2013 persönlich untersuchte (Bl. 72 ff. der SG-Akte). Bei dem Kläger bestünden eine Dysthymie, eine rechtsbetonte Hörminderung und ein Tinnitus. Die bisherige Einschätzung des Beklagten sei aufrechtzuerhalten.
Der Kläger reichte die ärztliche Bescheinigung des Prof. Dr. E. vom 07.11.2013 zu den Akten (Bl. 106 f. der SG-Akten). Danach bestünden bei dem Kläger folgende Diagnosen: Wiederkehrende depressive Störung, Tinnitus aurium und Schwerhörigkeit. Die Situation habe sich nach Einleitung einer Pharmakotherapie weiter zugespitzt. Der Kläger sei kaum noch belastbar. Es sei daher eine längere Krankschreibung erforderlich geworden.
Mit Urteil vom 19.02.2014 wies das SG die Klage ab. Ein höherer GdB als 40 ergebe sich nicht. Die hochgradige Schwerhörigkeit rechts und die annähernd geringgradige Schwerhörigkeit links bedingten einen Teil-GdB von 10. Auf psychiatrischem Fachgebiet leide der Kläger unter einer Dysthymia sowie einem beidseitigen Tinnitus, die mit einem GdB von 30 zu bewerten seien. Die Beschwerden des Klägers an der Wirbelsäule seien mit einem Einzel-GdB von 20 ausreichend berücksichtigt. Der Gesamt-GdB betrage 50.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 26.02.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.03.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, das SG habe seine Entscheidung fehlerhaft auf die Ausführungen der Gutachterin O. gestützt. Diese verfüge im Gegensatz zu Prof. Dr. E. und Prof. Dr. He. ersichtlich nicht über einen Professorentitel. Prof. Dr. E. und Prof. Dr. He. verfügten hingegen aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung und Erfahrung über Forschungsmittel und Erkenntnisse, die derjenigen der Gutachterin überlegen seien. Hinzu komme, dass die Gutachterin ihr Gutachten lediglich aufgrund einer einmaligen ambulanten Untersuchung erstattet habe. Keineswegs hingenommen werden könne schließlich auch der Umstand, dass das SG bei seiner Entscheidungsfindung die vorgelegte fachärztliche Bescheinigung von Prof. Dr. E. vollkommen ignoriert und in keiner Weise berücksichtig habe. Wenn sich das erstinstanzliche Gericht auf seine "freie Beweiswürdigung" und "richterliche Erfahrung" berufe, werde es damit kaum zum Ausdruck bringen wollen, dass diese der Fachkenntnis von Chefärzten und Professoren überlegen seien. Dass die mit einem Tinnitus verbundene Schwerhörigkeit lediglich mit einem Einzel-GdB 10 verbunden sein solle, erscheine geradezu abwegig. Dasselbe gelte für die Ansicht des Gerichts, ein Einzel-GdB von 10 führe "in der Regel" nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigungen. Bei dem Kläger bestünden schwerwiegende Erkrankungen sowohl auf dem HNO-Gebiet als auch auf dem psychiatrischen Fachgebiet und schließlich auch an der Wirbelsäule.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.02.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06.02.2012 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 23.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.08.2012 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 seit dem 11.01.2012 festzustellen, hilfsweise werden die Beweisanträge in den Schriftsätzen vom 18.05.2016 und 29.11.2016 gestellt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines HNO-ärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. L. vom 12.12.2014, der den Kläger am 02.09.2014 persönlich untersucht hat (Bl. 23 ff. der Senats-Akte). Bei dem Kläger bestehe in der apparativen Hördiagnostik ein Hörverlust von 70 % rechts und 30 % auf der linken Seite, mithin handele es sich um eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts und einer geringgradigen Schwerhörigkeit links. Darüber hinaus bestehe ein psychisch dekompensierter Tinnitus aurium rechts. Unter Einbeziehung des Teil-GdB für Wirbelsäulen- und Kniebeschwerden von 20, der Schwerhörigkeit mit einem Teil-GdB 20 und des Tinnitus mit Kopfschmerzsymptomatik und Depression mit einem Teil-GdB von 30 ergebe sich ein Gesamt-GdB von 40. Die geringe Zunahme der Hörminderung rechtfertige nicht den Zustand der Schwerbehinderung.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des HNO-ärztlichen Gutachtens des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten Dr. H. vom 21.12.2015 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der den Kläger am 11.08.2015 untersucht hat (Bl. 79 ff. der Senatsakte). Bei dem Kläger liege rechts eine hochgradige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vor, links bestehe eine geringgradige Schwerhörigkeit. Hierfür ergebe sich ein GdB von 20 bis 30. Der Kläger leide zudem an einem Tinnitus, der zu einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit führe und mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten sei. Unter Berücksichtigung der übrigen Gesundheitsstörungen betrage der Gesamt-GdB 50.
Mit Schreiben vom 18.05.2016 hat der Kläger beantragt, die versorgungsmedizinische Stellungnahme des Arztes D. vom 28.04.2016 (Stellungnahme des Beklagten vom 02.05.2016 - Bl. 98 ff. der Senatsakte) dem Gutachter Dr. H. zur ergänzenden Stellungnahme zu übersenden sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Prof. Dr. Be. nach § 109 SGG einzuholen.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 12.09.2016, der den Kläger am 07.09.2016 persönlich untersucht hat (Bl. 111 ff. der Senatsakte). Bei dem Kläger bestünden aktuell ein leicht- bis mittelgradiges depressives Syndrom auf dem Boden chronischer depressiver Verstimmungen, aktuell exazerbiert bei sozialen Belastungen und körperlichen Erkrankungen und bei belastender beruflicher Situation und bekanntem Tinnitusleiden, akzentuierte Persönlichkeitszüge, Hinweise für eine blande bzw. gering ausgeprägte Polyneuropathie unklarer Ursache ohne manifeste Einschränkung der Sensibilitätsstörungen und Motorik sowie anamnestisch ein Migräneleiden, niederfrequent. Auf seinem Fachgebiet betrage der GdB 30. Dies entspreche schon einer durchgehenden Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen. Die Symptomatik sei nicht so gravierend ausgeprägt, dass hierdurch ein GdB von 40 gerechtfertigt werde. Der Gesamt-GdB liege bei 40.
Im Rahmen der Untersuchung legte der Kläger weitere Befundbericht vor, darunter insbesondere den Befundbericht des Prof. Dr. Be. vom 29.06.2016 (Bl. 168 der Senatsakte), wonach es bei dem Kläger aufgrund des unerwarteten Todes der Mutter zu einer erheblichen Zunahme der depressiven Symptomatik gekommen sei.
Mit Schreiben vom 24.10.2016 hat der Senat das vom Kläger beantragte Gutachten nach § 109 SGG bei Prof. Dr. Be. in Auftrag gegeben, welcher mit Schreiben vom 08.11.2016 mitgeteilt hat, dass er das Gutachten aus Gründen der Befangenheit nicht annehmen könne, nachdem der Kläger in seiner ambulanten Behandlung stehe.
Mit Schreiben vom 29.11.2016 hat der Kläger mitgeteilt, dass er einstweilen keinen anderen Gutachter benennen wolle. Dr. S. sei jedoch mündlich zu seinem Gutachten zu hören. Die Feststellungen des Prof. Dr. Be. in seinem Befundbericht vom 29.06.2016, welchen er zugleich zu den Akten reichte, seien nicht mit denen des Dr. S. in Einklang zu bringen. Es stelle sich zudem die Frage, inwieweit sich der Sachverständige bei der gutachterlichen Bewertung an der AWMF-Leitlinie 051/029 orientiert habe und inwieweit von ihm diese besonders wichtige längsschnittliche/biographische Entwicklung des Klägers, insbesondere hinsichtlich der krankheitsverarbeitenden Maßnahmen bewertet worden seien. Darüber hinaus müssten nach Statement 5 der Leitlinie Beschwerden mit unterschiedlichen zur Verfügung stehenden geeigneten Methoden validiert werden. Entsprechende Tests seien dem Gutachten jedoch nicht zu entnehmen, weshalb Dr. S. um Mitteilung gebeten werden solle, welche Tests er herangezogen habe und wie diese ausgewertet worden seien. Darüber hinaus weiche Dr. S. teilweise von der AWMF-Leitlinie ab, diese Abweichungen möge er begründen. Insgesamt könne die Bewertung des Gutachters nicht nachvollzogen werden. Zudem sei nicht ersichtlich, weshalb es zwischen dem Befundbericht des Prof. Dr. Be. vom 29.06.2016 und der gutachterlichen Untersuchung zu einer Verbesserung gekommen sei.
Der Senat hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 13.01.2017 (Bl. 195 ff. der Senatsakte) eingeholt. Die vom Kläger angeführten Punkte seien in dem Gutachten berücksichtigt. Da sich kein Anhalt für eine Aggravation, Simulation oder Dissimulation der Beschwerden gefunden habe, habe er nicht annähernd die Notwendigkeit einer Beschwerdevalidierung gesehen. An seiner Einschätzung ergebe sich auch nach erneuter kritischer Durchsicht keine Änderung.
Mit Schreiben vom 28.02.2017 teilte der Kläger mit, dass er an seinen Beweisanträgen festhalte.
Der Senat hat die Verwaltungsakten und die Akte des SG beigezogen und zum Verfahrensgegenstand gemacht. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des LRA vom 06.02.2012 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 23.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.08.2012, mit welchem bei dem Kläger ein GdB von 40 festgestellt und eine höhere Feststellung abgelehnt worden war, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 seit dem 11.01.2012. Das Urteil des SG vom 19.02.2014 ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Einzel-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Hiervon ausgehend steht für den Senat fest, dass beim Kläger eine wesentliche Änderung seines im letzten Feststellungsbescheid vom 10.02.2009 mit einem GdB von 30 berücksichtigten Behinderungszustandes insoweit eingetreten ist, dass die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen nunmehr einen GdB von 40 bedingen, wie der Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2012 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 23.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.08.2012 zutreffend festgestellt hat. Eine Änderung dahingehend, dass nunmehr ein Gesamt-GdB von 50 festzustellen wäre, liegt zur Überzeugung des Senats hingegen nicht vor.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat für die depressive Störung einen Einzel-GdB von 30 feststellen.
Der Kläger leidet zunächst unter einem leicht- bis mittelgradigem depressiven Syndrom auf dem Boden chronisch depressiver Verstimmungen, aktuell exazerbiert bei sozialen Belastungen (Tod der Mutter 06/2016), körperlichen Erkrankungen (Erstdiagnose rheumatoide Arthritis 08/2016), belastender beruflicher Situation und bekanntem Tinnitusleiden. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 12.09.2016. Nach Teil B Nr. 3.7 VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) bedingen einen GdB von 30 bis 40. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sind mit einem GdB von 50 bis 70 zu bewerten. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt bei dem Kläger eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, die einen GdB von 30 rechtfertigt. Befunde, die einen höheren GdB bedingen bzw. für eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sprechen, hat Dr. S. im Rahmen seines Gutachtens vom 12.09.2016, dem der Senat folgt, nicht erhoben. Bei der Untersuchung durch Dr. S. am 07.09.2016 lagen bei dem Kläger keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung und der Auffassung vor. Intermittierend ließen sich leichte Konzentrationsstörungen erheben. Einige Dinge waren dem Kläger auch spontan nicht gut erinnerlich. Im Antrieb war der Kläger im Wesentlichen angemessen, eine psychomotorische Hemmung lag nicht vor. In der Grundstimmung war er niedergeschlagen, deprimiert, belastet. Er war innerlich vermehrt unruhig. Die affektive Resonanzfähigkeit war zum negativen Pol hin verschoben, aber nicht aufgehoben. Der Kläger konnte durchaus spontan und authentisch lächeln. Das formale Denken war nicht verlangsamt, es war folgerichtig. Inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen bestanden nicht. Unter Zugrundelegung der oben dargestellten Maßstäbe ist die depressive Störungen daher mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Dies entspricht einer durchgehenden Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen. Ein höherer Teil-GdB kommt hingegen nicht in Betracht. Der Kläger ist in der Lage, seinen Alltag und sein Sozialleben zu gestalten und daran auch emotional und geistig teilzuhaben. Es liegen keine psychischen Anpassungsschwierigkeiten vor. Der Kläger ist auch nicht auf Dauer arbeitsunfähig, sondern in der Lage, seiner vollzeitig ausgeübten Beschäftigung nachzugehen. Die familiäre Situation ist nicht wesentlich beeinträchtigt. Krankheitsbedingte wesentliche Eheprobleme wurden nicht geschildert. Die Ehe sei intakt. Das Verhältnis zur Tochter sei gut, ebenso das Verhältnis zu den Geschwistern. Am Wochenende gehe er mit der Ehefrau spazieren. Man nehme familiäre Kontakte wahr. Ein stärkerer sozialer Rückzug ist mithin nicht erkennbar. Nach alledem sind die Funktionsbeeinträchtigungen bei dem Kläger nicht derart ausgeprägt, dass für das seelische Leiden in der Längsschnittbetrachtung ein Teil-GdB von mehr als 30 anzunehmen wäre.
An dieser Beurteilung ändert auch der Befundbericht des Prof. Dr. Be. vom 29.06.2016 nichts. Prof. Dr. Be. hat eine akute Verschlechterung der seelischen Symptomatik nach dem Tod der Mutter am 19.06.2016 angeführt, so dass – wie von Dr. S. überzeugend darlegt wird – unter Berücksichtigung des sehr schwierigen und belastenden Krankheitsverlaufs der Mutter mit wiederholten Operationen im Rahmen einer Untersuchung 10 Tage nach dem Ereignis noch von einer akuten Trauerreaktion auszugehen war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Teil A Nr. 2 lit. 3 VG Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist. Dies bedeutet: Wenn bei einem Leiden der Verlauf durch sich wiederholende Besserungen und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes geprägt ist, können die zeitweiligen Verschlechterungen – aufgrund der anhaltenden Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung – nicht als vorübergehende Gesundheitsstörungen betrachtet werden. Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der GdB-Beurteilung von dem "durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden. Daher ist – wie oben ausgeführt – vorliegend in der Längsschnittbetrachtung von einem Teil-GdB von 30 auszugehen. Dr. S. hat sich außerdem in seinem Gutachten mit dem Befundbericht vom 29.06.2016 auseinandergesetzt und für den Senat schlüssig und überzeugend gleichwohl einen deutlich gebesserten seelischen Befund festgestellt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der zeugenschaftlichen Auskunft des Prof. Dr. E. vom 08.04.2013. Soweit er den GdB auf psychiatrischen Fachgebiet mit mehr als 50 beziffert, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar stellte Prof. Dr. E. eine depressive Symptomatik im Sinne einer mittelgradigen depressiven Störung fest. Entscheidend für die GdB-Bewertung sind nicht die Diagnosen, sondern die vorliegenden Funktionseinbußen sowie die konkreten Einschränkungen in der Alltagsgestaltung. Angaben hierzu finden sich in dem Befundbericht des Prof. Dr. E. jedoch nicht. Insbesondere lassen sich auch aus den Angaben des Prof. Dr. E. keine Anhaltspunkte für eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen ableiten, die Voraussetzung für eine Bewertung mit einem GdB von mehr als 50 wären. Gleiches gilt für die zeugenschaftliche Auskunft der Dipl.-Psych. H. vom 29.11.2012.
Die Einschätzung mit einem GdB von 30 wird auch gestützt durch das Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O. vom 16.09.2013, die den Kläger am 25.06.2013 persönlich untersucht hat. Bei der Untersuchung zeigte der Kläger keine hirnorganischen Einschränkungen, keine kognitiven Defizite und auch keine krankheitswertige psychomotorische Hemmung. Die Integrität der psychischen Situation war intakt, ebenso die Struktur des Tagesablaufs. Das Zeitmanagement war erhalten. Alltagskompetenzen lagen vor.
Soweit der Kläger im Funktionssystem Gehirn einschließlich der Psyche zudem unter einer Migräne leidet, bedingt diese keinen Teil-GdB. Nach Teil B Nr. 2.3 VG ist bei Vorliegen einer echten Migräne der GdB in Abhängigkeit von Häufigkeit und Dauer der Anfälle sowie Ausprägung der Begleiterscheinungen zu bewerten. Eine leichte Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) bedingt einen GdB von 0 bis 10. Ein GdB von 20 bis 40 ist erst bei der mittelgradigen Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) vorgesehen. Der Kläger hat das Bestehen von Spannungskopfschmerzen und Migräne angegeben, wobei er die Migräne alle acht bis zwölf Wochen habe. Daraus lässt sich allenfalls eine leichte Verlaufsform einer Migräne herleiten ohne Tendenz zu einer mittelgradigen Verlaufsform. Diese bedingt daher noch keinen Teil-GdB von 10. Für die ebenfalls angegeben Spannungskopfschmerzen ist aufgrund der geringeren Schmerzintensität eine Analogie zur echten Migräne nicht zu ziehen.
Soweit der Kläger darüber hinaus an einer gering ausgeprägten Polyneuropathie leidet, bedingt diese ebenfalls keinen GdB. Nach Teil B Nr. 3.11 VG ergeben sich bei den Polyneuropathien die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund motorischer Ausfälle (mit Muskelatrophien), sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden. Der GdB motorischer Ausfälle ist in Analogie zu den peripheren Nervenschäden einzuschätzen. Manifeste Ausfälle der Sensibilität oder Kraft liegen bei dem Kläger jedoch nicht vor.
Der Senat war auch nicht gehalten, dem Antrag des Klägers nachzukommen, den Gutachter Dr. S. in die mündliche Verhandlung am 24.03.2017 zu laden. Zwar hat der Verfahrensbeteiligte grundsätzlich – zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs – ein Recht auf Befragung eines Sachverständigen, der ein (schriftliches) Gutachten erstattet hat (§§ 116 Satz 2, 118 Abs. 1 SGG iVm. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 Zivilprozessordnung [ZPO]; § 62 SGG, vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 03.03.1999 – B 9 VJ 1/98 B, beck-online). Dieses Recht hat der Senat dem Kläger indes bereits durch Übersendung des Schriftsatzes vom 29.11.2016 an den Gutachter Dr. S. verbunden mit der Aufforderung zur Stellungnahme eingeräumt. Ob das Gericht das Fragerecht des Klägers mündlich oder schriftlich ermöglicht, liegt in seinem Ermessen (Hintz in: BeckOK SozR, 43. Ed. 01.12.2016, SGG § 118 Rdnr. 11). Da Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung enthält, besteht auch kein verfassungsrechtlicher Anspruch, das einfachrechtlich geregelte Fragerecht gegenüber Sachverständigen und Zeugen in jedem Fall mündlich auszuüben (BVerfG Beschl. v. 29.05.2013 – 1 BvR 1522/12, beck-online). Soweit der Prozessbevollmächtigte weiterhin an einer Ladung des Dr. S. in die mündliche Verhandlung festhält, hätte er aufzeigen müssen, warum eine erneute Befragung erforderlich und damit weiterhin objektiv sachdienlich gewesen wäre, obwohl sich der Sachverständige mit Schreiben vom 13.01.2017 im Einzelnen mit dem Schriftsatz auseinandergesetzt hat (vgl BSG, Beschluss vom 09.07.2015 - B 9 SB 19/15 B, juris). Eine diesbezügliche Auseinandersetzung mit der eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen erfolgte jedoch nicht.
Insgesamt ist daher im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche ein Einzel-GdB von 30 festzustellen.
Im Funktionssystem der Ohren konnte der Senat unter Berücksichtigung der Schwerhörigkeit einen Einzel-GdB von 20 feststellen. Die psychischen Auswirkungen des ebenfalls vorliegenden Tinnitus wurden bereits im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche berücksichtigt. Eine mehrfache Berücksichtigung derselben Teilhabebeeinträchtigungen in mehreren Funktionssystemen ist unzulässig (LSG Sachsen-Anhalt 24.09.2015 - L 7 SB 72/14, juris).
Nach Teil B Nr. 5 VG ist für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist, maßgebend. Der Beurteilung ist die von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie empfohlene Tabelle (siehe Teil B Nr. 5.2.4, Tabelle D) zugrunde zu legen. Nach Durchführung eines Ton- und Sprachaudiogramms ist der Prozentsatz des Hörverlustes aus den entsprechenden Tabellen abzuleiten.
Bei dem Kläger besteht rechts eine hochgradige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und links eine geringgradige Schwerhörigkeit. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten Dr. H. vom 21.12.2015. Aus dem von ihm vorgelegten Sprachaudiogramm vom 11.08.2015 (Bl. 85 der Senatsakte) ergibt sich nach Teil B Nr. 5.2.1 - Tabelle A VG rechts bei einem Hörverlust für Zahlwörter zwischen 55 und 60 dB und einem einfachen Gesamtwortverstehen von 60 (Summe der Verständnisquote für Einsilber bei 60 dB, 80 dB und 100 dB) ein prozentualer Hörverlust von 80 %. Das gewichtete Gesamtwortverstehen wurde zur höheren Bewertung der bis zu geringgradigen Schwerhörigkeit entwickelt und soll daher nur bei prozentualen Hörverlusten bis zu einem Wert von 40 % angewendet werden, nicht aber bei der mittelgradigen oder hochgradigen Schwerhörigkeit (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 31), so dass eine Anwendung vorliegend für das rechte Ohr nicht zu erfolgen hat. Ein prozentualer Hörverlust von 80 % entspricht nach Teil B Nr. 5.2.4 - Tabelle D VG einer hochgradigen bis an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Für das linke Ohr ergibt sich nach dem von Dr. H. vorgelegten Sprachaudiogramm vom 11.08.2015 bei einem Hörverlust für Zahlwörter zwischen 30 und 35 dB und einem gewichteten Gesamtwortverständnis von 175 (3 x Verständnisquote bei 60 dB [= 90] + 2 x Verständnisquote bei 80 dB [= 180] + 1 x Verständnisquote bei 100 dB [= 80]: 2) ein prozentualer Hörverlust von 30 %. Dies entspricht nach Teil B Nr. 5.2.4 - Tabelle D VG einer geringgradigen Schwerhörigkeit.
Die Ergebnisse des Sprachaudiogramms sind auch mit den Ergebnissen des Tonaudiogramms in Einklang zu bringen. Der Senat folgt insoweit nicht den Ausführungen des Beklagten mit Schriftsatz vom 02.05.2015. Bei einer Plausibilitätsprüfung sollte der Hörverlust für Zahlwörter im Sprachaudiogramm mit dem mittleren Hörverlust im Tonaudiogramm für die Frequenz 250, 500 und 1000 Hz korrelieren. Der durchschnittliche Hörverlust im Tonaudiogramm darf nicht mehr als 5 dB abweichen (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 361 f.). Nach dem Tonaudiogramm vom 11.08.2015 (Bl. 84 der Senatsakte) liegt der durchschnittliche Hörverlust rechts bei 63 dB. Im Vergleich hierzu liegt der Hörverlust für Zahlwörter im Sprachaudiogramm bei ca. 57/58 dB und damit noch im Toleranzrahmen. Links liegt der durchschnittliche Hörverlust nach dem Tonaudiogramm bei ca. 33 dB und entspricht damit dem Hörverlust für Zahlwörter nach dem Sprachaudiogramm, welcher ebenfalls bei ca. 33 dB lag. Zudem hielt auch der Gutachter Prof. Dr. L. eine weitere Progredienz der Hörminderung für wahrscheinlich.
Bei Zugrundelegung der von Dr. H. ermittelten Hörverluste ergibt sich nach Teil B Nr. 5.2.4 Tabelle D VG bei einer hochgradigen bis an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit rechts sowie einer geringgradigen Schwerhörigkeit links ein Teil-GdB von 20. Der Senat geht dabei davon aus, dass die bei dem Kläger vorliegende Hörstörung rechts mit einem prozentualen Hörverlust von 80 % in der genannten Tabelle noch in die Zeile "hochgradige Schwerhörigkeit" fällt. Zwischenwerte sieht die Tabelle an dieser Stelle gerade nicht vor. Eine Bewertung in Fünfergraden, so dass vorliegend ein Teil-GdB von 25 anzunehmen wäre, kommt nicht in Betracht. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind nur Zehnerwerte anzugeben. Die sehr wenigen in der GdB-Tabelle noch (ausdrücklich) enthaltenen Fünfergrade sind alle auf ganz eng beschriebene Gesundheitsstörungen bezogen (vgl. Teil A Nr. 2 lit. e VG). Für die Einordnung spricht auch die Tabelle von Brusis/Mehrtens (vgl. Königsteiner Empfehlungen, S. 35), welche einen Hörverlust von 80 % einem Schwerhörigkeitsgrad der hochgradigen Schwerhörigkeit bis an Taubheit grenzend zuordnet. Auch nach dieser Terminologie liegt noch eine hochgradige Schwerhörigkeit vor. Der Einzel-GdB 20 ergibt sich auch aus einer Gesamtbetrachtung. Der Hörverlust von 30 % ist der Mittelwert der geringgradigen Schwerhörigkeit (Hörverluste von 20-40 %), so dass der grenzwertige Hörverlust auf dem anderen Ohr von 80 % es bei wertender Betrachtung nicht rechtfertigt, für die kombinierte Hörstörung die nächst höhere Bewertungsstufe mit einem GdB 30 zugrundezulegen. Im Vergleich käme dies einer kombinierten Hörstörung aus mittelgradiger und hochgradiger Schwerhörigkeit gleich, die höhere Hörverluste bedingt.
Im Vergleich zu den Ergebnissen bei der Untersuchung durch Prof. Dr. L. am 02.09.2014 (Gutachten vom 12.12.2014), der unter Zugrundelegung des Sprachaudiogramms zu einem prozentualen Hörverlust rechts von 70 % und links von 30 % kam, zeigte sich bei Dr. H. eine Verschlechterung im Bereich des rechten Ohrs. Im Hinblick auf die Bewertung des Teil-GdB ergibt sich nach Teil B Nr. 5.2.4 - Tabelle D VG auch nach den Ergebnissen des Prof. Dr. L. ein Teil-GdB von 20.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der zeugenschaftlichen Auskunft des Prof. Dr. He. vom 16.11.2012. Da aufgrund der Unbehaglichkeitsschwelle kein komplettes Sprachaudiogramm durchgeführt werden konnte, ist zur Ermittlung des Hörverlustes das Tonaudiogramm zu Grunde zu legen. Nach Teil B Nr. 5.2.2 - Tabelle C VG ergibt sich daraus ein Hörverlust von 64 % rechts und 27 % links. Dies rechtfertigt nach Teil B Nr. 5.2.4 - Tabelle D VG die Feststellung eines Teil-GdB von 20, welchen auch Prof. Dr. He. angenommen hat. In der Zwischenzeit ist es entsprechend der obigen Ausführungen zu einer Verschlechterung der Hörstörungen gekommen, welche jedoch ohne Auswirkungen auf die Feststellung des Teil-GdB bleiben.
Im Funktionssystem der Ohren leidet der Kläger weiterhin unter einem Tinnitus rechts. Nach Teil B Nr. 5.3 VG bedingen Ohrgeräusche (Tinnitus) ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen einen GdB von 0 bis 10, solche mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen einen GdB von 20. Ohrgeräusche mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit rechtfertigen einen GdB von 30 bis 40. Die psychischen Auswirkungen des Tinnitus sind allerdings – wie oben dargestellt – bereits im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche berücksichtigt. Soweit der Tinnitus zudem Auswirkungen im Bereich der Hörminderung hat – Prof. Dr. L. und Dr. H. haben die Tinnituslautstärke mit 86 bzw. 85 dB bestimmt, wodurch eine deutliche Einschränkung des rechtsseitigen Hörempfindens vorliegt – sind diese bereits im Teil-GdB für die Hörminderung abgebildet. Eine Erhöhung des Einzel-GdB für das Funktionssystem der Ohren ergibt sich demnach nicht.
Auch auf den Antrag des Klägers vom 18.05.2016 (Bl. 103 der Senatsakte, wiederholt mit Schreiben vom 29.09.2016 [Bl. 169 der Senatsakte] und Schreiben vom 29.11.2016 [Bl. 184 der Senatsakte] sowie zuletzt aufrecht erhalten mit Schreiben vom 28.02.2017 [Bl. 203 der Senatsakte]) musste sich der Senat nicht veranlasst sehen, eine ergänzende Stellungnahme einzuholen. Der Kläger hat insoweit lediglich beantragt, die versorgungsmedizinische Stellungnahme des Arztes D. vom 28.04.2016 dem Gutachter Dr. H. zuzuleiten und diesem die Gelegenheit zu geben, sich mit den Einwendungen gegen seine Expertise auseinander zu setzen, insbesondere mit dem Einwand des Versorgungsarztes D. , das von Dr. H. erhobene Tonaudiogramm belege nicht den Hörverlust. Damit hat der Kläger aber bereits keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt. Hierzu muss der Antrag aufzeigen, über welche im Einzelnen zu bezeichnenden Punkte Beweis erhoben werden soll. Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Dafür ist die behauptete Tatsache möglichst präzise und bestimmt zu behaupten und zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte (BSG, Urteil vom 09.07.2015 - B 9 SB 19/15 B, juris). Diesen Voraussetzungen entspricht der Antrag des Klägers nicht. Er bezeichnet schon keine Tatsachen, sondern verweist lediglich allgemein auf die Einwendungen des Arztes D ... Soweit der Kläger auf die Ausführungen des Arztes D. Bezug nimmt, wonach die Ton-Audiogramme den vom Gutachter Dr. H. festgestellten Hörverlust am rechten Ohr nicht belegen würden, handelt es sich zwar um eine fachmedizinische Tatsachenfrage, die aber keiner weiteren Aufklärung bedarf. Die sinngemäß vom Kläger unter Beweis gestellte Tatsache – Verwertbarkeit des erhobenen Tonaudiogramms – ist nicht entscheidungserheblich. Der Senat hat die von Dr. H. ermittelten Hörverluste seine Entscheidung zugrundegelegt. Darüber hinaus ergab sich kein weiterer medizinischer Ermittlungsbedarf. Hinsichtlich der Bemessung des GdB kommt ebenfalls keine Befragung in Betracht. Diese ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe der Rechtsanwendung. Lediglich auf der ersten Stufe hat das Gericht zur Feststellung der einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen ärztliches Fachwissen heranzuziehen (BSG, Beschluss vom 09.12.2010 - B 9 SB 35/10 B, juris). Dies ist vorliegend geschehen.
Der Senat sah sich auch nicht veranlasst, eine ergänzende Stellungnahme des Dr. H. auf der Grundlage von § 109 SGG einzuholen, nachdem bereits das Gutachten des Dr. H. auf der Grundlage von § 109 SGG eingeholt worden war. Einem wiederholenden Antrag nach § 109 SGG muss nur unter besonderen Umständen gefolgt werden (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, Rdnr. 10b). Dies kann dann der Fall sein, wenn sich nach Fertigstellung des Gutachtens gemäß § 109 SGG neue Tatsachen und Gesichtspunkte ergeben, die in dem auf Antrag des Berechtigten eingeholten Gutachten nicht gewürdigt werden konnten (BSG, Urteil vom 24.03.1961 - 10 RV 1139/59, juris). Voraussetzung ist dabei, dass es sich um eine entscheidungserhebliche neue Tatsache handelt (BSG, Urteil vom 14.03.1956 - 9 RV 226/54, juris), wobei sich die Frage der Entscheidungserheblichkeit nach der materiellen Rechtsauffassung der Tatsacheninstanz bemisst (BSG, Urteil vom 20.04.2010 - B 1/3 KR 22/08 R, juris). Nachdem der Senat der Bewertung des GdB die Untersuchungsergebnisse des Dr. H. zu Grunde gelegt hat, ist bereits aus diesem Grund die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme nicht erforderlich. Wie oben bereits dargelegt hat der Kläger zudem auch keine konkreten Tatsachen benannt, zu denen sich der Gutachter Dr. H. bislang noch nicht hätte äußern können. Die Regelung vermittelt dem Kläger nicht den Anspruch, dass dem von ihm gewählten Gutachter "das letzte Wort" verbleibt (Bayerisches LSG, Urteil vom 14.02.2012 - L 15 VJ 3/08, juris).
Im Funktionssystem Rumpf bedingt die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule allenfalls einen GdB von 10. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris, sozialgerichtsbarkeit.de).
Im Funktionssystem des Rumpfes bestand bei dem Kläger 2008 eine intraforaminale Bandscheibenprotrusion L5/S1 mit Einengung des linken Neuroforamens und einer Nervenwurzelreizkompression. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht des Dipl. med. K. vom 02.04.2008 (Bl. 8 der Verwaltungsakte). Zudem bestehen degenerative Veränderungen der mittleren HWS und geringe Veränderungen im Bereich L5/S1. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht der Dr. Scha. vom 08.08.2016 (Bl. 167 der Senatsakte). Nach Teil B Nr. 18.1 VG kommt jedoch allein dem Vorliegen degenerativer Veränderungen der Haltungs- und Bewegungsorgane für die Bewertung des Teil-GdB nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu, sondern der dadurch hervorgerufenen Funktionsbehinderung. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z.B. degenerativer Art) rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Dass weiterhin Einschränkungen resultierten, die die Schwelle der mittelgradigen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt i.S.d. Teil B Nr. 18.9 VG erreichen würden, kann der Senat nicht feststellen. Eine erweiterte orthopädische oder schmerztherapeutische Behandlung wird nicht in Anspruch genommen. Bei der Untersuchung durch Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O. am 25.06.2013 fanden sich keine neurologischen Ausfälle. Auch bei der Untersuchung durch Dr. S. am 07.09.2016 fanden sich keine Nervenwurzelreizerscheinungen. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit war leicht eingeschränkt mit einem Fingerkuppen-Boden-Abstand von etwa 25 cm. Ein höherer Teil-GdB als 10 ist damit nicht festzustellen. Hieran ändert auch der Befundbericht des Orthopäden Dr. B. vom 10.06.2011 (Bl. 53/54 der Verwaltungsakte) nichts. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die darin beschriebenen Trapeziusmyogelosen sowie die Blockade im Bereich des 7. HWK mehr als nur vorübergehende Gesundheitsstörungen darstellen. Im Befundbericht wurde eine Besserung nach Behandlung beschrieben. Eine weitere Vorstellung bei Dr. B. zwischen dem 21.10.2010 und dem 10.06.2011 wurde nicht angegeben.
Für die entzündlich-rheumatische Erkrankung, die sowohl das Funktionssystem der Arme als auch das Funktionssystem der Beine betrifft, konnte der Senat einen Einzel-GdB von 10 feststellen. Der Kläger leidet insoweit an einer rheumatoiden Arthritis, die erstmals im August 2016 diagnostiziert wurde. Hierdurch bedingt liegen floride Entzündungen im Bereich beider Schultergelenke, der Handwurzel rechts und des Metacarpophalangealgelenks II rechts (Fingergrundgelenk), der Kniegelenke sowie der oberen und unteren Sprunggelenke und der Hüfte vor. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht der Dr. Scha. vom 08.08.2016. Nach Teil B Nr. 18.2.1 VG bedingen entzündlich rheumatische Krankheiten ohne wesentliche Funktionseinschränkungen mit leichten Beschwerden einen GdB von 10, solche mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität) einen GdB von 20 bis 40. Bei der Untersuchung durch Dr. S. am 07.09.2016 waren alle Gelenke der oberen und unteren Extremitäten aktiv beweglich. Lediglich bei endgradigen Bewegungen der Schultergelenke beidseits wurden Beschwerden angeführt. Es lagen keine wesentlichen Einschränkungen bei der Fingerfeinmotorik vor. Es bestand beidseits die Fähigkeit, rasche Wechselbewegungen geordnet auszuführen. Es zeigte sich ein physiologisches Gangbild mit ausreichender Mitbewegung der oberen Extremitäten sowie ein physiologisches Abrollen der Fußsohlen. Bei dem Kläger besteht demnach zwar eine Krankheitsaktivität, funktionelle Beeinträchtigungen die die Schwelle einer leichtgradigen Funktionseinbuße i.S.d. Teil B Nr. 18.2.1 VG erreichen würden, konnte der Senat jedoch nicht feststellen.
Ein höherer Einzel-GdB als 10 ist daher nicht anzunehmen.
Im Funktionssystem der Beine leidet der Kläger zudem unter einer Gonarthrose. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht des Dr. B. vom 10.06.2011. Eine hieraus resultierende Funktionsbeeinträchtigung wurde jedoch auch von Dr. B. ausdrücklich verneint. Wie bereits dargelegt, kommt nach den VG (Teil B 18.1) allein dem Vorliegen degenerativer Veränderungen der Haltungs- und Bewegungsorgane für die Bewertung des Teil-GdB nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu, sondern der dadurch hervorgerufenen Funktionsbehinderung. Nachdem eine solche hier nicht festzustellen ist, bedingt die Gonarthrose keinen GdB.
Weitere GdB-relevante Gesundheitsstörungen konnte der Senat ebenfalls nicht feststellen. Dies gilt insbesondere auch für das Funktionssystem der Atmung. Der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. Sch. hat insoweit gute Lungenfunktionsdaten beschrieben (Befundbericht vom 12.04.2016 - Bl. 151 der Senatsakte). Sowohl die statischen als auch die dynamischen Funktionsparameter liegen über der altersentsprechenden Norm. Auch ein Schlaf-Apnoe-Syndrom ist nicht nachgewiesen. Dr. Sch. hat eine Rhonchopathie diagnostiziert, jedoch hinsichtlich einer schlafbezogenen respiratorischen Störung (OSAS) nur eine Verdachtsdiagnose gestellt und bei fehlender klinischer Besserung eine Schlafscreening-Untersuchung und Therapie-Einleitung empfohlen. Dass eine solche fachmedizinische Abklärung oder Betreuung seit April 2016 vorgenommen worden ist, hat der anwaltlich vertretene Kläger nicht vorgetragen. Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat daher nicht veranlasst. Soweit bei dem Kläger im Funktionssystem Herz-Kreislauf eine Koronarsklerose über der Altersnorm ohne signifikante Engstellen besteht (Befundbericht des Kardiologen Dr. Ha. vom 14.04.2016 - Bl. 156 der Senatsakte), ergeben sich hieraus ebenfalls keine Funktionsbeeinträchtigungen, die die Feststellung eines GdB rechtfertigen.
Weitere Gesundheitsstörungen sind weder vorgetragen noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist mithin vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Damit ist bei dem Kläger ein höherer Gesamt-GdB als 40 nicht festzustellen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt – entgegen der Auffassung des Klägers – in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB – nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder ein anderer Wert – fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind - z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von
• 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche, • 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Ohren, • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes, • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme und der Beine bedingt durch die entzündlich-rheumatische Erkrankung,
wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken (Teil A Nr. 3 lit. d, ee VG). Die Feststellung eines höheren GdB als 40 kommt derzeit nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die im Funktionssystem der Ohren zu Grunde gelegte Schwerhörigkeit gerade noch mit einem GdB von 20 zu bewerten ist.
Vorliegend spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach vergleichender Betrachtung so schwer beeinträchtigt wie etwa eine hochgradige Schwerhörigkeit beidseits (bei dem Kläger besteht eine hochgradige Schwerhörigkeit bis an Taubheit grenzend rechts sowie eine geringgradige Schwerhörigkeit links), schwere Störungen (z.B. Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (bei dem Kläger bestehen stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit) oder eine entzündlich-rheumatische Erkrankung mit dauernd erheblichen Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität (bei dem Kläger besteht eine rheumatoide Arthritis ohne wesentliche Funktionseinschränkungen). Auch in ihrer Zusammenschau liegen beim Kläger derartig schwere Funktionsstörungen nicht vor, weshalb ein GdB von 50 vorliegend nicht gerechtfertigt ist. Eine rechtlich wesentliche Änderung ist damit nicht eingetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. H. sowie die baren Auslagen des Klägers, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 – L 1 U 3854/06 KO-B, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 – L 8 U 3868/11, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Der Kläger hat diese daher endgültig selbst zu tragen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 Rn. 11).
Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Dr. H. auf die Staatskasse zu übernehmen. Zwar hat Dr. H. im Vergleich zum Prof. Dr. L. eine leichte Verschlechterung der Schwerhörigkeit rechts festgestellt, im Hinblick auf das Klageziel des Klägers hat sich hieraus jedoch keine Änderung ergeben.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Kläger trägt die Kosten des auf seinen Antrag gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. H. vom 21.12.2015 sowie seine baren Auslagen endgültig selbst.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob in den nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) festgestellten gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eine derartige wesentliche Änderung eingetreten ist, dass ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festzustellen ist.
Bei dem 1958 geborenen Kläger stellte das Landratsamt K. – Amt für Versorgung und Rehabilitation (LRA) mit Bescheid vom 10.02.2009 wegen einer Schwerhörigkeit beidseitig mit Ohrgeräuschen, einem Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 20), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen sowie einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 20) einen Gesamt-GdB von 30 seit dem 03.12.2009 (Bl. 30 der Verwaltungsakte) fest.
Am 11.01.2012 stellte der Kläger beim LRA einen Antrag auf Erhöhung des Grades der Behinderung wegen Verschlimmerung der bisher berücksichtigten bzw. neu aufgetretenen Gesundheitsstörungen und teilte unter Vorlage eines Attestes des Prof. Dr. He. vom 05.12.2011 mit, dass er bei diesem in Behandlung sei (Bl. 68/69 der Verwaltungsakte).
Entsprechend der versorgungsärztlichen Empfehlung des Dr. B. vom 02.02.2012 lehnte das LRA den Antrag des Klägers auf Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 06.02.2012 ab. Die Prüfung der aktuellen medizinischen Unterlagen habe zu dem Ergebnis geführt, dass eine wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers und der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht eingetreten sei. Die vom Kläger geltend gemachte Gesundheitsstörung "Zustand nach Nasenfraktur" bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung.
Hiergegen erhob der Kläger am 10.02.2012 Widerspruch und bat um Mitteilung, ob bei der Entscheidung Behandlungsunterlagen und ärztliche Befunde des Prof. Dr. He. von der Hals-Nasen- und Ohrenklinik berücksichtigt worden seien (Bl. 76 der Verwaltungsakte). Er, der Kläger, leide unter einem schweren Tinnitus. Die neurologische Behandlung der Erkrankung erfolge durch Prof. Dr. E ...
Das LRA zog daraufhin einen Befundschein des Prof. Dr. E. vom 09.05.2012 (Bl. 88 der Verwaltungsakte) bei. Dieser gab an, der Kläger leide unter einem erheblichen Tinnitus, die die Verständigung mit ihm teils erheblich erschwere. Es bestehe eine mittelgradige pantonale Schwerhörigkeit rechts sowie ein chronischer Tinnitus rechts. Darüber hinaus leide der Kläger unter Erschöpfung, Interessenverlust und einer Antriebsminderung. Es bestehe eine mittelgradige depressive Episode. Der GdB betrage mehr als 50.
Entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. B. vom 22.05.2012 stellte das LRA mit Teil-Abhilfebescheid vom 23.05.2012 (Bl. 93 der Verwaltungsakte) wegen einer Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen, einem Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 30), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen sowie einer Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB 20) einen Gesamt-GdB von 40 seit dem 11.01.2012 fest.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2012 wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt den Widerspruch zurück, soweit darüber hinaus ein GdB von mindestens 50 begehrt wurde (Bl. 103 der Verwaltungsakte). Die mit Bescheid vom 23.05.2012 vorgenommene Erhöhung des GdB auf 40 gebe das Ausmaß der tatsächlichen eingetretenen Änderungen des Gesundheitszustandes wieder, eine weitere Erhöhung des GdB lasse sich nicht begründen.
Am 04.09.2012 erhob der Kläger hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung führte er an, dass er aufgrund eines im Jahr 2005 unverschuldet erlittenen Verkehrsunfalls mit zunehmender Tendenz unter einem hochgradigen Tinnitus leide, der ihn sowohl körperlich als auch psychisch in seiner beruflichen und privaten Lebensführung erheblich beeinträchtige. Der Direktor der Hals-Nasen-Ohrenklinik des S. Klinikums K. Prof. Dr. He. habe bei ihm eine mittelgradige, kombinierte pantonale Schwerhörigkeit und einen chronischen Tinnitus festgestellt, der zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensführung führe. Eine entsprechende Bescheinigung habe bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegen. In neurologischer und psychischer Hinsicht sei festgestellt worden, dass sich bei ihm auf allen Skalen erhöhte Belastungswerte ergäben, wobei der höchste Wert auf der Skala Somatisierung festgestellt worden sei.
Zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG Beweis durch Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Prof. Dr. He. gab an (Auskunft vom 16.11.2012 – Bl. 33ff. der SG-Akte), der Kläger leide unter einer geringgradigen Schwerhörigkeit links, einer hochgradigen Schwerhörigkeit rechts sowie einem Tinnitus beidseits. Anhand der vorhandenen Unterlagen werde der GdB auf 30 geschätzt. Zur weiteren Beurteilung werde jedoch ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten empfohlen. Dipl.-Psychologin H. teilte mit (Auskunft vom 29.11.2012 – Bl. 43 ff. der SG-Akte), bei dem Kläger bestehe eine mittelgradige depressive Symptomatik mit gedrückter Stimmung, herabgestimmtem Affekt, Freudlosigkeit, Gedankenkreisen und Grübeln, Konzentrationsschwierigkeiten, starker Erschöpfung, Antriebsschwäche und Einschlafstörungen. Sie gehe von einem GdB von 40 und mehr aus. Prof. Dr. E. gab an (Auskunft vom 08.04.2013 – Bl. 57f. der SG-Akte), der Kläger sei fünf Mal in seiner Behandlung gewesen, dabei habe eine depressive Symptomatik im Vordergrund gestanden. Er schätze den GdB auf mehr als 50.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG das fachneurologisch-psychiatrische Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O. vom 16.09.2013, die den Kläger am 25.06.2013 persönlich untersuchte (Bl. 72 ff. der SG-Akte). Bei dem Kläger bestünden eine Dysthymie, eine rechtsbetonte Hörminderung und ein Tinnitus. Die bisherige Einschätzung des Beklagten sei aufrechtzuerhalten.
Der Kläger reichte die ärztliche Bescheinigung des Prof. Dr. E. vom 07.11.2013 zu den Akten (Bl. 106 f. der SG-Akten). Danach bestünden bei dem Kläger folgende Diagnosen: Wiederkehrende depressive Störung, Tinnitus aurium und Schwerhörigkeit. Die Situation habe sich nach Einleitung einer Pharmakotherapie weiter zugespitzt. Der Kläger sei kaum noch belastbar. Es sei daher eine längere Krankschreibung erforderlich geworden.
Mit Urteil vom 19.02.2014 wies das SG die Klage ab. Ein höherer GdB als 40 ergebe sich nicht. Die hochgradige Schwerhörigkeit rechts und die annähernd geringgradige Schwerhörigkeit links bedingten einen Teil-GdB von 10. Auf psychiatrischem Fachgebiet leide der Kläger unter einer Dysthymia sowie einem beidseitigen Tinnitus, die mit einem GdB von 30 zu bewerten seien. Die Beschwerden des Klägers an der Wirbelsäule seien mit einem Einzel-GdB von 20 ausreichend berücksichtigt. Der Gesamt-GdB betrage 50.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 26.02.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.03.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, das SG habe seine Entscheidung fehlerhaft auf die Ausführungen der Gutachterin O. gestützt. Diese verfüge im Gegensatz zu Prof. Dr. E. und Prof. Dr. He. ersichtlich nicht über einen Professorentitel. Prof. Dr. E. und Prof. Dr. He. verfügten hingegen aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung und Erfahrung über Forschungsmittel und Erkenntnisse, die derjenigen der Gutachterin überlegen seien. Hinzu komme, dass die Gutachterin ihr Gutachten lediglich aufgrund einer einmaligen ambulanten Untersuchung erstattet habe. Keineswegs hingenommen werden könne schließlich auch der Umstand, dass das SG bei seiner Entscheidungsfindung die vorgelegte fachärztliche Bescheinigung von Prof. Dr. E. vollkommen ignoriert und in keiner Weise berücksichtig habe. Wenn sich das erstinstanzliche Gericht auf seine "freie Beweiswürdigung" und "richterliche Erfahrung" berufe, werde es damit kaum zum Ausdruck bringen wollen, dass diese der Fachkenntnis von Chefärzten und Professoren überlegen seien. Dass die mit einem Tinnitus verbundene Schwerhörigkeit lediglich mit einem Einzel-GdB 10 verbunden sein solle, erscheine geradezu abwegig. Dasselbe gelte für die Ansicht des Gerichts, ein Einzel-GdB von 10 führe "in der Regel" nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigungen. Bei dem Kläger bestünden schwerwiegende Erkrankungen sowohl auf dem HNO-Gebiet als auch auf dem psychiatrischen Fachgebiet und schließlich auch an der Wirbelsäule.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19.02.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 06.02.2012 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 23.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.08.2012 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 seit dem 11.01.2012 festzustellen, hilfsweise werden die Beweisanträge in den Schriftsätzen vom 18.05.2016 und 29.11.2016 gestellt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines HNO-ärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. L. vom 12.12.2014, der den Kläger am 02.09.2014 persönlich untersucht hat (Bl. 23 ff. der Senats-Akte). Bei dem Kläger bestehe in der apparativen Hördiagnostik ein Hörverlust von 70 % rechts und 30 % auf der linken Seite, mithin handele es sich um eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts und einer geringgradigen Schwerhörigkeit links. Darüber hinaus bestehe ein psychisch dekompensierter Tinnitus aurium rechts. Unter Einbeziehung des Teil-GdB für Wirbelsäulen- und Kniebeschwerden von 20, der Schwerhörigkeit mit einem Teil-GdB 20 und des Tinnitus mit Kopfschmerzsymptomatik und Depression mit einem Teil-GdB von 30 ergebe sich ein Gesamt-GdB von 40. Die geringe Zunahme der Hörminderung rechtfertige nicht den Zustand der Schwerbehinderung.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des HNO-ärztlichen Gutachtens des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten Dr. H. vom 21.12.2015 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der den Kläger am 11.08.2015 untersucht hat (Bl. 79 ff. der Senatsakte). Bei dem Kläger liege rechts eine hochgradige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vor, links bestehe eine geringgradige Schwerhörigkeit. Hierfür ergebe sich ein GdB von 20 bis 30. Der Kläger leide zudem an einem Tinnitus, der zu einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit führe und mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten sei. Unter Berücksichtigung der übrigen Gesundheitsstörungen betrage der Gesamt-GdB 50.
Mit Schreiben vom 18.05.2016 hat der Kläger beantragt, die versorgungsmedizinische Stellungnahme des Arztes D. vom 28.04.2016 (Stellungnahme des Beklagten vom 02.05.2016 - Bl. 98 ff. der Senatsakte) dem Gutachter Dr. H. zur ergänzenden Stellungnahme zu übersenden sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Prof. Dr. Be. nach § 109 SGG einzuholen.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 12.09.2016, der den Kläger am 07.09.2016 persönlich untersucht hat (Bl. 111 ff. der Senatsakte). Bei dem Kläger bestünden aktuell ein leicht- bis mittelgradiges depressives Syndrom auf dem Boden chronischer depressiver Verstimmungen, aktuell exazerbiert bei sozialen Belastungen und körperlichen Erkrankungen und bei belastender beruflicher Situation und bekanntem Tinnitusleiden, akzentuierte Persönlichkeitszüge, Hinweise für eine blande bzw. gering ausgeprägte Polyneuropathie unklarer Ursache ohne manifeste Einschränkung der Sensibilitätsstörungen und Motorik sowie anamnestisch ein Migräneleiden, niederfrequent. Auf seinem Fachgebiet betrage der GdB 30. Dies entspreche schon einer durchgehenden Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen. Die Symptomatik sei nicht so gravierend ausgeprägt, dass hierdurch ein GdB von 40 gerechtfertigt werde. Der Gesamt-GdB liege bei 40.
Im Rahmen der Untersuchung legte der Kläger weitere Befundbericht vor, darunter insbesondere den Befundbericht des Prof. Dr. Be. vom 29.06.2016 (Bl. 168 der Senatsakte), wonach es bei dem Kläger aufgrund des unerwarteten Todes der Mutter zu einer erheblichen Zunahme der depressiven Symptomatik gekommen sei.
Mit Schreiben vom 24.10.2016 hat der Senat das vom Kläger beantragte Gutachten nach § 109 SGG bei Prof. Dr. Be. in Auftrag gegeben, welcher mit Schreiben vom 08.11.2016 mitgeteilt hat, dass er das Gutachten aus Gründen der Befangenheit nicht annehmen könne, nachdem der Kläger in seiner ambulanten Behandlung stehe.
Mit Schreiben vom 29.11.2016 hat der Kläger mitgeteilt, dass er einstweilen keinen anderen Gutachter benennen wolle. Dr. S. sei jedoch mündlich zu seinem Gutachten zu hören. Die Feststellungen des Prof. Dr. Be. in seinem Befundbericht vom 29.06.2016, welchen er zugleich zu den Akten reichte, seien nicht mit denen des Dr. S. in Einklang zu bringen. Es stelle sich zudem die Frage, inwieweit sich der Sachverständige bei der gutachterlichen Bewertung an der AWMF-Leitlinie 051/029 orientiert habe und inwieweit von ihm diese besonders wichtige längsschnittliche/biographische Entwicklung des Klägers, insbesondere hinsichtlich der krankheitsverarbeitenden Maßnahmen bewertet worden seien. Darüber hinaus müssten nach Statement 5 der Leitlinie Beschwerden mit unterschiedlichen zur Verfügung stehenden geeigneten Methoden validiert werden. Entsprechende Tests seien dem Gutachten jedoch nicht zu entnehmen, weshalb Dr. S. um Mitteilung gebeten werden solle, welche Tests er herangezogen habe und wie diese ausgewertet worden seien. Darüber hinaus weiche Dr. S. teilweise von der AWMF-Leitlinie ab, diese Abweichungen möge er begründen. Insgesamt könne die Bewertung des Gutachters nicht nachvollzogen werden. Zudem sei nicht ersichtlich, weshalb es zwischen dem Befundbericht des Prof. Dr. Be. vom 29.06.2016 und der gutachterlichen Untersuchung zu einer Verbesserung gekommen sei.
Der Senat hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 13.01.2017 (Bl. 195 ff. der Senatsakte) eingeholt. Die vom Kläger angeführten Punkte seien in dem Gutachten berücksichtigt. Da sich kein Anhalt für eine Aggravation, Simulation oder Dissimulation der Beschwerden gefunden habe, habe er nicht annähernd die Notwendigkeit einer Beschwerdevalidierung gesehen. An seiner Einschätzung ergebe sich auch nach erneuter kritischer Durchsicht keine Änderung.
Mit Schreiben vom 28.02.2017 teilte der Kläger mit, dass er an seinen Beweisanträgen festhalte.
Der Senat hat die Verwaltungsakten und die Akte des SG beigezogen und zum Verfahrensgegenstand gemacht. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des LRA vom 06.02.2012 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 23.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.08.2012, mit welchem bei dem Kläger ein GdB von 40 festgestellt und eine höhere Feststellung abgelehnt worden war, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 seit dem 11.01.2012. Das Urteil des SG vom 19.02.2014 ist nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören, zugrunde gelegten Einzel-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Hiervon ausgehend steht für den Senat fest, dass beim Kläger eine wesentliche Änderung seines im letzten Feststellungsbescheid vom 10.02.2009 mit einem GdB von 30 berücksichtigten Behinderungszustandes insoweit eingetreten ist, dass die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen nunmehr einen GdB von 40 bedingen, wie der Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2012 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 23.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.08.2012 zutreffend festgestellt hat. Eine Änderung dahingehend, dass nunmehr ein Gesamt-GdB von 50 festzustellen wäre, liegt zur Überzeugung des Senats hingegen nicht vor.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat für die depressive Störung einen Einzel-GdB von 30 feststellen.
Der Kläger leidet zunächst unter einem leicht- bis mittelgradigem depressiven Syndrom auf dem Boden chronisch depressiver Verstimmungen, aktuell exazerbiert bei sozialen Belastungen (Tod der Mutter 06/2016), körperlichen Erkrankungen (Erstdiagnose rheumatoide Arthritis 08/2016), belastender beruflicher Situation und bekanntem Tinnitusleiden. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 12.09.2016. Nach Teil B Nr. 3.7 VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten. Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) bedingen einen GdB von 30 bis 40. Schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sind mit einem GdB von 50 bis 70 zu bewerten. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt bei dem Kläger eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor, die einen GdB von 30 rechtfertigt. Befunde, die einen höheren GdB bedingen bzw. für eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten sprechen, hat Dr. S. im Rahmen seines Gutachtens vom 12.09.2016, dem der Senat folgt, nicht erhoben. Bei der Untersuchung durch Dr. S. am 07.09.2016 lagen bei dem Kläger keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung und der Auffassung vor. Intermittierend ließen sich leichte Konzentrationsstörungen erheben. Einige Dinge waren dem Kläger auch spontan nicht gut erinnerlich. Im Antrieb war der Kläger im Wesentlichen angemessen, eine psychomotorische Hemmung lag nicht vor. In der Grundstimmung war er niedergeschlagen, deprimiert, belastet. Er war innerlich vermehrt unruhig. Die affektive Resonanzfähigkeit war zum negativen Pol hin verschoben, aber nicht aufgehoben. Der Kläger konnte durchaus spontan und authentisch lächeln. Das formale Denken war nicht verlangsamt, es war folgerichtig. Inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen bestanden nicht. Unter Zugrundelegung der oben dargestellten Maßstäbe ist die depressive Störungen daher mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Dies entspricht einer durchgehenden Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen. Ein höherer Teil-GdB kommt hingegen nicht in Betracht. Der Kläger ist in der Lage, seinen Alltag und sein Sozialleben zu gestalten und daran auch emotional und geistig teilzuhaben. Es liegen keine psychischen Anpassungsschwierigkeiten vor. Der Kläger ist auch nicht auf Dauer arbeitsunfähig, sondern in der Lage, seiner vollzeitig ausgeübten Beschäftigung nachzugehen. Die familiäre Situation ist nicht wesentlich beeinträchtigt. Krankheitsbedingte wesentliche Eheprobleme wurden nicht geschildert. Die Ehe sei intakt. Das Verhältnis zur Tochter sei gut, ebenso das Verhältnis zu den Geschwistern. Am Wochenende gehe er mit der Ehefrau spazieren. Man nehme familiäre Kontakte wahr. Ein stärkerer sozialer Rückzug ist mithin nicht erkennbar. Nach alledem sind die Funktionsbeeinträchtigungen bei dem Kläger nicht derart ausgeprägt, dass für das seelische Leiden in der Längsschnittbetrachtung ein Teil-GdB von mehr als 30 anzunehmen wäre.
An dieser Beurteilung ändert auch der Befundbericht des Prof. Dr. Be. vom 29.06.2016 nichts. Prof. Dr. Be. hat eine akute Verschlechterung der seelischen Symptomatik nach dem Tod der Mutter am 19.06.2016 angeführt, so dass – wie von Dr. S. überzeugend darlegt wird – unter Berücksichtigung des sehr schwierigen und belastenden Krankheitsverlaufs der Mutter mit wiederholten Operationen im Rahmen einer Untersuchung 10 Tage nach dem Ereignis noch von einer akuten Trauerreaktion auszugehen war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Teil A Nr. 2 lit. 3 VG Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist. Dies bedeutet: Wenn bei einem Leiden der Verlauf durch sich wiederholende Besserungen und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes geprägt ist, können die zeitweiligen Verschlechterungen – aufgrund der anhaltenden Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung – nicht als vorübergehende Gesundheitsstörungen betrachtet werden. Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der GdB-Beurteilung von dem "durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden. Daher ist – wie oben ausgeführt – vorliegend in der Längsschnittbetrachtung von einem Teil-GdB von 30 auszugehen. Dr. S. hat sich außerdem in seinem Gutachten mit dem Befundbericht vom 29.06.2016 auseinandergesetzt und für den Senat schlüssig und überzeugend gleichwohl einen deutlich gebesserten seelischen Befund festgestellt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der zeugenschaftlichen Auskunft des Prof. Dr. E. vom 08.04.2013. Soweit er den GdB auf psychiatrischen Fachgebiet mit mehr als 50 beziffert, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar stellte Prof. Dr. E. eine depressive Symptomatik im Sinne einer mittelgradigen depressiven Störung fest. Entscheidend für die GdB-Bewertung sind nicht die Diagnosen, sondern die vorliegenden Funktionseinbußen sowie die konkreten Einschränkungen in der Alltagsgestaltung. Angaben hierzu finden sich in dem Befundbericht des Prof. Dr. E. jedoch nicht. Insbesondere lassen sich auch aus den Angaben des Prof. Dr. E. keine Anhaltspunkte für eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsstörungen ableiten, die Voraussetzung für eine Bewertung mit einem GdB von mehr als 50 wären. Gleiches gilt für die zeugenschaftliche Auskunft der Dipl.-Psych. H. vom 29.11.2012.
Die Einschätzung mit einem GdB von 30 wird auch gestützt durch das Gutachten der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O. vom 16.09.2013, die den Kläger am 25.06.2013 persönlich untersucht hat. Bei der Untersuchung zeigte der Kläger keine hirnorganischen Einschränkungen, keine kognitiven Defizite und auch keine krankheitswertige psychomotorische Hemmung. Die Integrität der psychischen Situation war intakt, ebenso die Struktur des Tagesablaufs. Das Zeitmanagement war erhalten. Alltagskompetenzen lagen vor.
Soweit der Kläger im Funktionssystem Gehirn einschließlich der Psyche zudem unter einer Migräne leidet, bedingt diese keinen Teil-GdB. Nach Teil B Nr. 2.3 VG ist bei Vorliegen einer echten Migräne der GdB in Abhängigkeit von Häufigkeit und Dauer der Anfälle sowie Ausprägung der Begleiterscheinungen zu bewerten. Eine leichte Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) bedingt einen GdB von 0 bis 10. Ein GdB von 20 bis 40 ist erst bei der mittelgradigen Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) vorgesehen. Der Kläger hat das Bestehen von Spannungskopfschmerzen und Migräne angegeben, wobei er die Migräne alle acht bis zwölf Wochen habe. Daraus lässt sich allenfalls eine leichte Verlaufsform einer Migräne herleiten ohne Tendenz zu einer mittelgradigen Verlaufsform. Diese bedingt daher noch keinen Teil-GdB von 10. Für die ebenfalls angegeben Spannungskopfschmerzen ist aufgrund der geringeren Schmerzintensität eine Analogie zur echten Migräne nicht zu ziehen.
Soweit der Kläger darüber hinaus an einer gering ausgeprägten Polyneuropathie leidet, bedingt diese ebenfalls keinen GdB. Nach Teil B Nr. 3.11 VG ergeben sich bei den Polyneuropathien die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund motorischer Ausfälle (mit Muskelatrophien), sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden. Der GdB motorischer Ausfälle ist in Analogie zu den peripheren Nervenschäden einzuschätzen. Manifeste Ausfälle der Sensibilität oder Kraft liegen bei dem Kläger jedoch nicht vor.
Der Senat war auch nicht gehalten, dem Antrag des Klägers nachzukommen, den Gutachter Dr. S. in die mündliche Verhandlung am 24.03.2017 zu laden. Zwar hat der Verfahrensbeteiligte grundsätzlich – zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs – ein Recht auf Befragung eines Sachverständigen, der ein (schriftliches) Gutachten erstattet hat (§§ 116 Satz 2, 118 Abs. 1 SGG iVm. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 Zivilprozessordnung [ZPO]; § 62 SGG, vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 03.03.1999 – B 9 VJ 1/98 B, beck-online). Dieses Recht hat der Senat dem Kläger indes bereits durch Übersendung des Schriftsatzes vom 29.11.2016 an den Gutachter Dr. S. verbunden mit der Aufforderung zur Stellungnahme eingeräumt. Ob das Gericht das Fragerecht des Klägers mündlich oder schriftlich ermöglicht, liegt in seinem Ermessen (Hintz in: BeckOK SozR, 43. Ed. 01.12.2016, SGG § 118 Rdnr. 11). Da Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung enthält, besteht auch kein verfassungsrechtlicher Anspruch, das einfachrechtlich geregelte Fragerecht gegenüber Sachverständigen und Zeugen in jedem Fall mündlich auszuüben (BVerfG Beschl. v. 29.05.2013 – 1 BvR 1522/12, beck-online). Soweit der Prozessbevollmächtigte weiterhin an einer Ladung des Dr. S. in die mündliche Verhandlung festhält, hätte er aufzeigen müssen, warum eine erneute Befragung erforderlich und damit weiterhin objektiv sachdienlich gewesen wäre, obwohl sich der Sachverständige mit Schreiben vom 13.01.2017 im Einzelnen mit dem Schriftsatz auseinandergesetzt hat (vgl BSG, Beschluss vom 09.07.2015 - B 9 SB 19/15 B, juris). Eine diesbezügliche Auseinandersetzung mit der eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen erfolgte jedoch nicht.
Insgesamt ist daher im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche ein Einzel-GdB von 30 festzustellen.
Im Funktionssystem der Ohren konnte der Senat unter Berücksichtigung der Schwerhörigkeit einen Einzel-GdB von 20 feststellen. Die psychischen Auswirkungen des ebenfalls vorliegenden Tinnitus wurden bereits im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche berücksichtigt. Eine mehrfache Berücksichtigung derselben Teilhabebeeinträchtigungen in mehreren Funktionssystemen ist unzulässig (LSG Sachsen-Anhalt 24.09.2015 - L 7 SB 72/14, juris).
Nach Teil B Nr. 5 VG ist für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist, maßgebend. Der Beurteilung ist die von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie empfohlene Tabelle (siehe Teil B Nr. 5.2.4, Tabelle D) zugrunde zu legen. Nach Durchführung eines Ton- und Sprachaudiogramms ist der Prozentsatz des Hörverlustes aus den entsprechenden Tabellen abzuleiten.
Bei dem Kläger besteht rechts eine hochgradige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und links eine geringgradige Schwerhörigkeit. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten Dr. H. vom 21.12.2015. Aus dem von ihm vorgelegten Sprachaudiogramm vom 11.08.2015 (Bl. 85 der Senatsakte) ergibt sich nach Teil B Nr. 5.2.1 - Tabelle A VG rechts bei einem Hörverlust für Zahlwörter zwischen 55 und 60 dB und einem einfachen Gesamtwortverstehen von 60 (Summe der Verständnisquote für Einsilber bei 60 dB, 80 dB und 100 dB) ein prozentualer Hörverlust von 80 %. Das gewichtete Gesamtwortverstehen wurde zur höheren Bewertung der bis zu geringgradigen Schwerhörigkeit entwickelt und soll daher nur bei prozentualen Hörverlusten bis zu einem Wert von 40 % angewendet werden, nicht aber bei der mittelgradigen oder hochgradigen Schwerhörigkeit (vgl. Königsteiner Empfehlung, S. 31), so dass eine Anwendung vorliegend für das rechte Ohr nicht zu erfolgen hat. Ein prozentualer Hörverlust von 80 % entspricht nach Teil B Nr. 5.2.4 - Tabelle D VG einer hochgradigen bis an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Für das linke Ohr ergibt sich nach dem von Dr. H. vorgelegten Sprachaudiogramm vom 11.08.2015 bei einem Hörverlust für Zahlwörter zwischen 30 und 35 dB und einem gewichteten Gesamtwortverständnis von 175 (3 x Verständnisquote bei 60 dB [= 90] + 2 x Verständnisquote bei 80 dB [= 180] + 1 x Verständnisquote bei 100 dB [= 80]: 2) ein prozentualer Hörverlust von 30 %. Dies entspricht nach Teil B Nr. 5.2.4 - Tabelle D VG einer geringgradigen Schwerhörigkeit.
Die Ergebnisse des Sprachaudiogramms sind auch mit den Ergebnissen des Tonaudiogramms in Einklang zu bringen. Der Senat folgt insoweit nicht den Ausführungen des Beklagten mit Schriftsatz vom 02.05.2015. Bei einer Plausibilitätsprüfung sollte der Hörverlust für Zahlwörter im Sprachaudiogramm mit dem mittleren Hörverlust im Tonaudiogramm für die Frequenz 250, 500 und 1000 Hz korrelieren. Der durchschnittliche Hörverlust im Tonaudiogramm darf nicht mehr als 5 dB abweichen (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 361 f.). Nach dem Tonaudiogramm vom 11.08.2015 (Bl. 84 der Senatsakte) liegt der durchschnittliche Hörverlust rechts bei 63 dB. Im Vergleich hierzu liegt der Hörverlust für Zahlwörter im Sprachaudiogramm bei ca. 57/58 dB und damit noch im Toleranzrahmen. Links liegt der durchschnittliche Hörverlust nach dem Tonaudiogramm bei ca. 33 dB und entspricht damit dem Hörverlust für Zahlwörter nach dem Sprachaudiogramm, welcher ebenfalls bei ca. 33 dB lag. Zudem hielt auch der Gutachter Prof. Dr. L. eine weitere Progredienz der Hörminderung für wahrscheinlich.
Bei Zugrundelegung der von Dr. H. ermittelten Hörverluste ergibt sich nach Teil B Nr. 5.2.4 Tabelle D VG bei einer hochgradigen bis an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit rechts sowie einer geringgradigen Schwerhörigkeit links ein Teil-GdB von 20. Der Senat geht dabei davon aus, dass die bei dem Kläger vorliegende Hörstörung rechts mit einem prozentualen Hörverlust von 80 % in der genannten Tabelle noch in die Zeile "hochgradige Schwerhörigkeit" fällt. Zwischenwerte sieht die Tabelle an dieser Stelle gerade nicht vor. Eine Bewertung in Fünfergraden, so dass vorliegend ein Teil-GdB von 25 anzunehmen wäre, kommt nicht in Betracht. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind nur Zehnerwerte anzugeben. Die sehr wenigen in der GdB-Tabelle noch (ausdrücklich) enthaltenen Fünfergrade sind alle auf ganz eng beschriebene Gesundheitsstörungen bezogen (vgl. Teil A Nr. 2 lit. e VG). Für die Einordnung spricht auch die Tabelle von Brusis/Mehrtens (vgl. Königsteiner Empfehlungen, S. 35), welche einen Hörverlust von 80 % einem Schwerhörigkeitsgrad der hochgradigen Schwerhörigkeit bis an Taubheit grenzend zuordnet. Auch nach dieser Terminologie liegt noch eine hochgradige Schwerhörigkeit vor. Der Einzel-GdB 20 ergibt sich auch aus einer Gesamtbetrachtung. Der Hörverlust von 30 % ist der Mittelwert der geringgradigen Schwerhörigkeit (Hörverluste von 20-40 %), so dass der grenzwertige Hörverlust auf dem anderen Ohr von 80 % es bei wertender Betrachtung nicht rechtfertigt, für die kombinierte Hörstörung die nächst höhere Bewertungsstufe mit einem GdB 30 zugrundezulegen. Im Vergleich käme dies einer kombinierten Hörstörung aus mittelgradiger und hochgradiger Schwerhörigkeit gleich, die höhere Hörverluste bedingt.
Im Vergleich zu den Ergebnissen bei der Untersuchung durch Prof. Dr. L. am 02.09.2014 (Gutachten vom 12.12.2014), der unter Zugrundelegung des Sprachaudiogramms zu einem prozentualen Hörverlust rechts von 70 % und links von 30 % kam, zeigte sich bei Dr. H. eine Verschlechterung im Bereich des rechten Ohrs. Im Hinblick auf die Bewertung des Teil-GdB ergibt sich nach Teil B Nr. 5.2.4 - Tabelle D VG auch nach den Ergebnissen des Prof. Dr. L. ein Teil-GdB von 20.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der zeugenschaftlichen Auskunft des Prof. Dr. He. vom 16.11.2012. Da aufgrund der Unbehaglichkeitsschwelle kein komplettes Sprachaudiogramm durchgeführt werden konnte, ist zur Ermittlung des Hörverlustes das Tonaudiogramm zu Grunde zu legen. Nach Teil B Nr. 5.2.2 - Tabelle C VG ergibt sich daraus ein Hörverlust von 64 % rechts und 27 % links. Dies rechtfertigt nach Teil B Nr. 5.2.4 - Tabelle D VG die Feststellung eines Teil-GdB von 20, welchen auch Prof. Dr. He. angenommen hat. In der Zwischenzeit ist es entsprechend der obigen Ausführungen zu einer Verschlechterung der Hörstörungen gekommen, welche jedoch ohne Auswirkungen auf die Feststellung des Teil-GdB bleiben.
Im Funktionssystem der Ohren leidet der Kläger weiterhin unter einem Tinnitus rechts. Nach Teil B Nr. 5.3 VG bedingen Ohrgeräusche (Tinnitus) ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen einen GdB von 0 bis 10, solche mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen einen GdB von 20. Ohrgeräusche mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit rechtfertigen einen GdB von 30 bis 40. Die psychischen Auswirkungen des Tinnitus sind allerdings – wie oben dargestellt – bereits im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche berücksichtigt. Soweit der Tinnitus zudem Auswirkungen im Bereich der Hörminderung hat – Prof. Dr. L. und Dr. H. haben die Tinnituslautstärke mit 86 bzw. 85 dB bestimmt, wodurch eine deutliche Einschränkung des rechtsseitigen Hörempfindens vorliegt – sind diese bereits im Teil-GdB für die Hörminderung abgebildet. Eine Erhöhung des Einzel-GdB für das Funktionssystem der Ohren ergibt sich demnach nicht.
Auch auf den Antrag des Klägers vom 18.05.2016 (Bl. 103 der Senatsakte, wiederholt mit Schreiben vom 29.09.2016 [Bl. 169 der Senatsakte] und Schreiben vom 29.11.2016 [Bl. 184 der Senatsakte] sowie zuletzt aufrecht erhalten mit Schreiben vom 28.02.2017 [Bl. 203 der Senatsakte]) musste sich der Senat nicht veranlasst sehen, eine ergänzende Stellungnahme einzuholen. Der Kläger hat insoweit lediglich beantragt, die versorgungsmedizinische Stellungnahme des Arztes D. vom 28.04.2016 dem Gutachter Dr. H. zuzuleiten und diesem die Gelegenheit zu geben, sich mit den Einwendungen gegen seine Expertise auseinander zu setzen, insbesondere mit dem Einwand des Versorgungsarztes D. , das von Dr. H. erhobene Tonaudiogramm belege nicht den Hörverlust. Damit hat der Kläger aber bereits keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt. Hierzu muss der Antrag aufzeigen, über welche im Einzelnen zu bezeichnenden Punkte Beweis erhoben werden soll. Merkmal eines substantiierten Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache. Dafür ist die behauptete Tatsache möglichst präzise und bestimmt zu behaupten und zumindest hypothetisch zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte (BSG, Urteil vom 09.07.2015 - B 9 SB 19/15 B, juris). Diesen Voraussetzungen entspricht der Antrag des Klägers nicht. Er bezeichnet schon keine Tatsachen, sondern verweist lediglich allgemein auf die Einwendungen des Arztes D ... Soweit der Kläger auf die Ausführungen des Arztes D. Bezug nimmt, wonach die Ton-Audiogramme den vom Gutachter Dr. H. festgestellten Hörverlust am rechten Ohr nicht belegen würden, handelt es sich zwar um eine fachmedizinische Tatsachenfrage, die aber keiner weiteren Aufklärung bedarf. Die sinngemäß vom Kläger unter Beweis gestellte Tatsache – Verwertbarkeit des erhobenen Tonaudiogramms – ist nicht entscheidungserheblich. Der Senat hat die von Dr. H. ermittelten Hörverluste seine Entscheidung zugrundegelegt. Darüber hinaus ergab sich kein weiterer medizinischer Ermittlungsbedarf. Hinsichtlich der Bemessung des GdB kommt ebenfalls keine Befragung in Betracht. Diese ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe der Rechtsanwendung. Lediglich auf der ersten Stufe hat das Gericht zur Feststellung der einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen ärztliches Fachwissen heranzuziehen (BSG, Beschluss vom 09.12.2010 - B 9 SB 35/10 B, juris). Dies ist vorliegend geschehen.
Der Senat sah sich auch nicht veranlasst, eine ergänzende Stellungnahme des Dr. H. auf der Grundlage von § 109 SGG einzuholen, nachdem bereits das Gutachten des Dr. H. auf der Grundlage von § 109 SGG eingeholt worden war. Einem wiederholenden Antrag nach § 109 SGG muss nur unter besonderen Umständen gefolgt werden (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, Rdnr. 10b). Dies kann dann der Fall sein, wenn sich nach Fertigstellung des Gutachtens gemäß § 109 SGG neue Tatsachen und Gesichtspunkte ergeben, die in dem auf Antrag des Berechtigten eingeholten Gutachten nicht gewürdigt werden konnten (BSG, Urteil vom 24.03.1961 - 10 RV 1139/59, juris). Voraussetzung ist dabei, dass es sich um eine entscheidungserhebliche neue Tatsache handelt (BSG, Urteil vom 14.03.1956 - 9 RV 226/54, juris), wobei sich die Frage der Entscheidungserheblichkeit nach der materiellen Rechtsauffassung der Tatsacheninstanz bemisst (BSG, Urteil vom 20.04.2010 - B 1/3 KR 22/08 R, juris). Nachdem der Senat der Bewertung des GdB die Untersuchungsergebnisse des Dr. H. zu Grunde gelegt hat, ist bereits aus diesem Grund die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme nicht erforderlich. Wie oben bereits dargelegt hat der Kläger zudem auch keine konkreten Tatsachen benannt, zu denen sich der Gutachter Dr. H. bislang noch nicht hätte äußern können. Die Regelung vermittelt dem Kläger nicht den Anspruch, dass dem von ihm gewählten Gutachter "das letzte Wort" verbleibt (Bayerisches LSG, Urteil vom 14.02.2012 - L 15 VJ 3/08, juris).
Im Funktionssystem Rumpf bedingt die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule allenfalls einen GdB von 10. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris, sozialgerichtsbarkeit.de).
Im Funktionssystem des Rumpfes bestand bei dem Kläger 2008 eine intraforaminale Bandscheibenprotrusion L5/S1 mit Einengung des linken Neuroforamens und einer Nervenwurzelreizkompression. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht des Dipl. med. K. vom 02.04.2008 (Bl. 8 der Verwaltungsakte). Zudem bestehen degenerative Veränderungen der mittleren HWS und geringe Veränderungen im Bereich L5/S1. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht der Dr. Scha. vom 08.08.2016 (Bl. 167 der Senatsakte). Nach Teil B Nr. 18.1 VG kommt jedoch allein dem Vorliegen degenerativer Veränderungen der Haltungs- und Bewegungsorgane für die Bewertung des Teil-GdB nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu, sondern der dadurch hervorgerufenen Funktionsbehinderung. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z.B. degenerativer Art) rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Dass weiterhin Einschränkungen resultierten, die die Schwelle der mittelgradigen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt i.S.d. Teil B Nr. 18.9 VG erreichen würden, kann der Senat nicht feststellen. Eine erweiterte orthopädische oder schmerztherapeutische Behandlung wird nicht in Anspruch genommen. Bei der Untersuchung durch Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O. am 25.06.2013 fanden sich keine neurologischen Ausfälle. Auch bei der Untersuchung durch Dr. S. am 07.09.2016 fanden sich keine Nervenwurzelreizerscheinungen. Die Wirbelsäulenbeweglichkeit war leicht eingeschränkt mit einem Fingerkuppen-Boden-Abstand von etwa 25 cm. Ein höherer Teil-GdB als 10 ist damit nicht festzustellen. Hieran ändert auch der Befundbericht des Orthopäden Dr. B. vom 10.06.2011 (Bl. 53/54 der Verwaltungsakte) nichts. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die darin beschriebenen Trapeziusmyogelosen sowie die Blockade im Bereich des 7. HWK mehr als nur vorübergehende Gesundheitsstörungen darstellen. Im Befundbericht wurde eine Besserung nach Behandlung beschrieben. Eine weitere Vorstellung bei Dr. B. zwischen dem 21.10.2010 und dem 10.06.2011 wurde nicht angegeben.
Für die entzündlich-rheumatische Erkrankung, die sowohl das Funktionssystem der Arme als auch das Funktionssystem der Beine betrifft, konnte der Senat einen Einzel-GdB von 10 feststellen. Der Kläger leidet insoweit an einer rheumatoiden Arthritis, die erstmals im August 2016 diagnostiziert wurde. Hierdurch bedingt liegen floride Entzündungen im Bereich beider Schultergelenke, der Handwurzel rechts und des Metacarpophalangealgelenks II rechts (Fingergrundgelenk), der Kniegelenke sowie der oberen und unteren Sprunggelenke und der Hüfte vor. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht der Dr. Scha. vom 08.08.2016. Nach Teil B Nr. 18.2.1 VG bedingen entzündlich rheumatische Krankheiten ohne wesentliche Funktionseinschränkungen mit leichten Beschwerden einen GdB von 10, solche mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität) einen GdB von 20 bis 40. Bei der Untersuchung durch Dr. S. am 07.09.2016 waren alle Gelenke der oberen und unteren Extremitäten aktiv beweglich. Lediglich bei endgradigen Bewegungen der Schultergelenke beidseits wurden Beschwerden angeführt. Es lagen keine wesentlichen Einschränkungen bei der Fingerfeinmotorik vor. Es bestand beidseits die Fähigkeit, rasche Wechselbewegungen geordnet auszuführen. Es zeigte sich ein physiologisches Gangbild mit ausreichender Mitbewegung der oberen Extremitäten sowie ein physiologisches Abrollen der Fußsohlen. Bei dem Kläger besteht demnach zwar eine Krankheitsaktivität, funktionelle Beeinträchtigungen die die Schwelle einer leichtgradigen Funktionseinbuße i.S.d. Teil B Nr. 18.2.1 VG erreichen würden, konnte der Senat jedoch nicht feststellen.
Ein höherer Einzel-GdB als 10 ist daher nicht anzunehmen.
Im Funktionssystem der Beine leidet der Kläger zudem unter einer Gonarthrose. Dies entnimmt der Senat dem Befundbericht des Dr. B. vom 10.06.2011. Eine hieraus resultierende Funktionsbeeinträchtigung wurde jedoch auch von Dr. B. ausdrücklich verneint. Wie bereits dargelegt, kommt nach den VG (Teil B 18.1) allein dem Vorliegen degenerativer Veränderungen der Haltungs- und Bewegungsorgane für die Bewertung des Teil-GdB nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu, sondern der dadurch hervorgerufenen Funktionsbehinderung. Nachdem eine solche hier nicht festzustellen ist, bedingt die Gonarthrose keinen GdB.
Weitere GdB-relevante Gesundheitsstörungen konnte der Senat ebenfalls nicht feststellen. Dies gilt insbesondere auch für das Funktionssystem der Atmung. Der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. Sch. hat insoweit gute Lungenfunktionsdaten beschrieben (Befundbericht vom 12.04.2016 - Bl. 151 der Senatsakte). Sowohl die statischen als auch die dynamischen Funktionsparameter liegen über der altersentsprechenden Norm. Auch ein Schlaf-Apnoe-Syndrom ist nicht nachgewiesen. Dr. Sch. hat eine Rhonchopathie diagnostiziert, jedoch hinsichtlich einer schlafbezogenen respiratorischen Störung (OSAS) nur eine Verdachtsdiagnose gestellt und bei fehlender klinischer Besserung eine Schlafscreening-Untersuchung und Therapie-Einleitung empfohlen. Dass eine solche fachmedizinische Abklärung oder Betreuung seit April 2016 vorgenommen worden ist, hat der anwaltlich vertretene Kläger nicht vorgetragen. Zu weiteren Ermittlungen sah sich der Senat daher nicht veranlasst. Soweit bei dem Kläger im Funktionssystem Herz-Kreislauf eine Koronarsklerose über der Altersnorm ohne signifikante Engstellen besteht (Befundbericht des Kardiologen Dr. Ha. vom 14.04.2016 - Bl. 156 der Senatsakte), ergeben sich hieraus ebenfalls keine Funktionsbeeinträchtigungen, die die Feststellung eines GdB rechtfertigen.
Weitere Gesundheitsstörungen sind weder vorgetragen noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist mithin vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Damit ist bei dem Kläger ein höherer Gesamt-GdB als 40 nicht festzustellen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt – entgegen der Auffassung des Klägers – in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB – nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder ein anderer Wert – fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind - z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von
• 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche, • 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Ohren, • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes, • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme und der Beine bedingt durch die entzündlich-rheumatische Erkrankung,
wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken (Teil A Nr. 3 lit. d, ee VG). Die Feststellung eines höheren GdB als 40 kommt derzeit nach Auffassung des Senats nicht in Betracht. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die im Funktionssystem der Ohren zu Grunde gelegte Schwerhörigkeit gerade noch mit einem GdB von 20 zu bewerten ist.
Vorliegend spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach vergleichender Betrachtung so schwer beeinträchtigt wie etwa eine hochgradige Schwerhörigkeit beidseits (bei dem Kläger besteht eine hochgradige Schwerhörigkeit bis an Taubheit grenzend rechts sowie eine geringgradige Schwerhörigkeit links), schwere Störungen (z.B. Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (bei dem Kläger bestehen stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit) oder eine entzündlich-rheumatische Erkrankung mit dauernd erheblichen Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität (bei dem Kläger besteht eine rheumatoide Arthritis ohne wesentliche Funktionseinschränkungen). Auch in ihrer Zusammenschau liegen beim Kläger derartig schwere Funktionsstörungen nicht vor, weshalb ein GdB von 50 vorliegend nicht gerechtfertigt ist. Eine rechtlich wesentliche Änderung ist damit nicht eingetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. H. sowie die baren Auslagen des Klägers, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2006 – L 1 U 3854/06 KO-B, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 – L 8 U 3868/11, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Der Kläger hat diese daher endgültig selbst zu tragen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sachverhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 Rn. 11).
Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Dr. H. auf die Staatskasse zu übernehmen. Zwar hat Dr. H. im Vergleich zum Prof. Dr. L. eine leichte Verschlechterung der Schwerhörigkeit rechts festgestellt, im Hinblick auf das Klageziel des Klägers hat sich hieraus jedoch keine Änderung ergeben.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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