L 11 KR 3687/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2135/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3687/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Eingang eines Kostenvoranschlages bei einer Krankenkasse kann als (fiktionsfähiger) Antrag auf Gewährung einer Sachleistung (hier: Versorgung mit Implantaten) zu werten sein. Die Versorgung mit Implantaten betrifft eine Leistung, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt. Ein solcher Antrag kann telefonisch abgelehnt werden. Ein durch das Tragen einer Zahnprothese ausgelöster Würgereiz begründet keine Indikation für eine Versorgung mit Implantaten.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des SG Mannheims vom 26.09.2016 (S 9 KR 2135/15) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Anspruch auf Durchführung einer zahnärztlichen Implantatversorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung geltend.

Der 1967 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger leidet unter einer Kieferatrophie. Am 31.01.2014 erhielt er wegen seiner Zahnlosigkeit Totalprothesen für Ober- und Unterkiefer. Aufgrund eines starken Würgereizes kann er die Prothesen nicht tragen. Im Rahmen einer Begutachtung der ausgeführten prothetischen Leistung durch Dr. R. Z. am 28.02.2014 wurden ein starker Würgereiz festgestellt und Vorschläge zu einer Veränderung der Prothese gemacht; sollte der Würgereiz eine Versorgung des Oberkiefers unmöglich machen, so könne dem Patienten nur durch die Insertion von Implantaten geholfen werden. Auf Vorschlag der Zahnärztin Dr. H. G., die die Prothesen eingegliedert hatte, ließ sich der Kläger im Universitätsklinikum H. hinsichtlich einer Implantatversorgung beraten. Das Universitätsklinikum erstellte am 06.05.2014 einen Behandlungs- und Therapieplan sowie einen Kostenvoranschlag, wonach für die direkt implantatbezogenen Leistungen Gesamtkosten in Höhe von voraussichtlich 9.710,80 Euro entstünden. In dem Kostenvoranschlag hieß es, dass die morphologischen, internistischen, parodontologischen, mundhygienischen und sonstigen Voraussetzungen für eine Implantation mit dem Implantationstyp "Asrtra-Implantate 2012" vorlägen. Weiter hieß es, Implantatversorgungen "sind aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen keine Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen und müssen vom Patienten selbst bezahlt werden. Bitte klären Sie Ihre Erstattungsansprüche gegenüber Ihrer Versicherung, Beihilfestelle oder Krankenkasse ab". Der Kostenvoranschlag ging bei der Beklagten am 12.05.2014 ein.

Mit Schreiben vom 14.05.2014 beauftragte die Beklagte die KZV Baden-Württemberg, Gutachterstelle, um Begutachtung der vorgesehenen implantologischen Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion mit dem Ziel festzustellen, ob eine Ausnahmeindikation gem. § 28 Abs. 9 SGB V und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege. Dem Kläger teilte sie unter dem 14.05.2014 mit, dass Zahnimplantate grundsätzlich keine Leistungen der Krankenversicherung seien, dennoch werde geprüft, ob sie sich an den Kosten beteiligen könne; dazu sei über die Kassenzahnärztliche Vereinigung ein Gutachter um eine Stellungnahme gebeten worden.

Auf einem bei der Beklagten am 27.05.2014 eingegangenen Schreiben des Universitätsklinikums, in dem über die Untersuchung des Klägers am 02.05.2014 berichtet wurde, findet sich der handschriftliche Vermerk: "Vers. telef. über Ablehnung informiert. 17.06.14 G. E." (Verwaltungsakte Bl. 16). Das Gutachten in Schriftform von Dr. S. Gr. über die Untersuchung am 16.06.2014 ging mit einem auf den 16.06.2014 datierten Begleitschreiben am 24.06.2014 bei der Beklagten ein. Der Gutachter kommt dabei zu der Gesamtbeurteilung, dass eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate möglich sei; eine Befürwortung des Behandlungsplanes wird verneint. In einem Schreiben der Beklagten vom 25.06.2014 ohne Rechtsmittelbelehrung an den Kläger heißt es dann, dass "wie Ihnen bereits telefonisch mitgeteilt liegt uns das Gutachten über die Implantatversorgung jetzt vor. Leider können wir uns an den Kosten für Ihre Implantate nicht beteiligen, da keine Ausnahmeindikation vorliegt". Der Kläger legte mit einem bei der Beklagten am 10.09.2014 eingegangenen Schreiben Widerspruch gegen das Gutachten vom 16.06.2014 ein.

Mit Schreiben vom 15.09.2014 beauftragte die Beklagte die KZV Baden-Württemberg, Gutachterstelle, die vorgesehene Implantatversorgung zu begutachten, mit dem Ziel festzustellen, ob eine Ausnahmeindikation nach § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V und den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege. Unter dem gleichen Datum teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Zahnimplantate grundsätzlich keine Leistungen der Krankenversicherung seien, dennoch in seinem Fall geprüft würde, ob eine Kostenbeteiligung möglich sei, wozu ein Gutachter um eine Stellungnahme gebeten worden sei. Das Gutachten von Dr. B. Br. vom 20.10.2014 gelangte zu dem Ergebnis, dass eine implantologische Versorgung eine sinnvolle Therapieoption darstelle, allerdings lasse sich der vorliegende Fall keiner Ausnahmeindikation zuordnen; der Behandlungsplan werde im Ergebnis nicht befürwortet. Mit Schreiben vom 05.11.2014 teilte die Beklagte dem Kläger ohne Rechtsmittelbelehrung mit, dass nach dem Gutachten eine Ausnahmeindikation nicht bestätigt werden konnte, so dass eine Beteiligung an den Kosten für die Implantate nicht möglich sei. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, der bei der Beklagten am 12.11.2014 einging, und fügte einen Befundbericht des Arztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. K. H. Ge. bei, wonach einzelne Verankerungspunkte z.B. mittels Implantate notwendig erscheinen.

Unter dem 27.11.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie zur Überprüfung des Sachverhaltes ein Gutachten beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung beantragt habe. Der Medizinische Dienst wurde am 27.11.2014 und nochmals mit Schreiben vom 13.04.2015 beauftragt, zu begutachten, ob eventuell eine Ausnahmeindikation für eine Versorgung mit Implantaten vorliege. Das am 24.04.2015 erstellte Gutachten gelangt nach Auswertung der vorgelegten Unterlagen, wobei mehrmals angeforderte Röntgenbilder der Begutachtung nicht zugrunde lagen, zu dem Ergebnis, dass keine Ausnahmeindikation für implantologische Leistungen nach § 28 SGB V vorliege. Die vorgelegte Behandlungsplanung sei zwar medizinisch nachvollziehbar, sozialmedizinisch aber nicht zu befürworten. Mit Bescheid vom 07.05.2015 lehnte die Beklagte eine Beteiligung an den Kosten für Implantate mangels Ausnahmeindikation ab; der Bescheid enthielt nunmehr eine Rechtsmittelbelehrung. Am 22.05.2015 legte der Kläger Widerspruch ein. Es sei keine konventionelle Versorgung möglich, insbesondere sei wegen der Kieferatrophie und der offenbar hierauf beruhenden Würgereize und Schluckbeschwerden beim Tragen einer Vollprothese eine derartige Versorgung nicht möglich, weshalb lediglich die Implantatlösung verbleibe. Es liege ein Ausnahmefall vor, der im Wege einer Analogie zu den vorgesehen Bewilligungstatbeständen der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu regeln sei.

Der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 23.06.2015 zurückgewiesen. Die Beklagte habe ein Gutachten bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung eingeholt und Dr. S. Gr. habe der Beklagten am 16.06.2014 mitgeteilt, dass eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate möglich sei und der Behandlungsplan nicht befürwortet werden könne. Darauf gestützt habe die Beklagte dem Kläger am 25.06.2014 mitgeteilt, dass sie die Kosten für die beantragten Implantate nicht übernehmen könne. Nach § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V gehörten implantologische Leistungen nicht zur zahnärztlichen Behandlung, es sei denn, es lägen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor; die Diagnose der Kieferatrophie und der Würgereiz seien nicht als Ausnahmeindikation anerkannt.

Am 21.07.2015 legte der Kläger beim SG Mannheim Klage ein. Es liege ausweislich der ärztlichen Gutachten nicht nur eine ausgeprägte Kieferatrophie vor, sondern es bestehe zusätzlich eine Prothesenunverträglichkeit, die sich durch starken Würgereiz und Schluckbeschwerden äußere. Es handele sich hierbei um eine willentlich nicht beeinflussbare muskuläre Fehlfunktion im Mund- und Gaumenbereich, weshalb eine Ausnahmeindikation durchaus gegeben sei, zumindest sei im Wege der Analogie der vorliegende Fall zu den ausdrücklich geregelten zu rechnen. Im Schreiben vom 23.10.2015 weist der Kläger, nachdem das SG die Fristproblematik des § 13 Abs. 3a SGB V thematisiert und die Beklagte im Schreiben vom 25.09.2015 ausgeführt hatte, dass die gutachterliche Untersuchung am 16.06.2014 stattgefunden habe und sie die zahnmedizinische Beurteilung unmittelbar nach der Untersuchung telefonisch erfahren habe, sowie dass es ihrer gängigen Praxis entspreche, Versicherte vorab über das Ergebnis eines Leistungsantrags telefonisch zu informieren, was dann ausweislich des Vermerks (Blatt 16 der Verwaltungsakte) auch erfolgt sei, darauf hin, dass von einer telefonischen Vorabmitteilung des Ergebnisses des Gutachtens von Dr. S. Gr. im Widerspruch keine Rede gewesen sei. Diese werde auch bestritten, zumal sich der Kläger daran nicht erinnern könne. Es mute zudem merkwürdig an, dass sich der Vermerk über ein angebliches Telefongespräch an einer vorherigen und nicht zur Begutachtung gehörenden Stelle befinde, nämlich einer Mitteilung des Universitätsklinikums H. vom 21.05.2014. Bezeichnend sei weiterhin, dass sich die Telefonverbindungen des Klägers erst auf dem Blatt mit der schriftlichen Ablehnung vom 25.06.2014 befänden. Es werde in Abrede gestellt, dass telefonisch in einer verwaltungsaktmäßigen Form eine Leistungsablehnung erklärt worden sei, was auch durch den weiteren Verlauf des Verfahrens, bei dem Gutachten eingeholt wurden und letztlich erst mit Bescheid vom 05.11.2104 erstmals in verwaltungsaktmäßiger Form, nämlich mit Rechtsmittelbelehrung am 07.05.2015, die Kostenübernahme abgelehnt wurde; die 6-Wochen-Frist sei nicht eingehalten worden.

Das SG vernahm schriftlich als sachverständige Zeugen über die im Laufe der Behandlung des Klägers getroffenen Feststellungen den Zahnarzt T. N. und den Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. K ... H. Ge ... Zahnarzt T. N. berichtete darüber, dass er am 10.12.2013 die Anfertigung einer Ober- und Unterkiefer Totalprothese oder alternativ Ober- und Unterkieferimplantat getragenen Zahnersatz vorgeschlagen habe. Nach Ansicht von Dr. K. H. Ge., der den Kläger am 11.11.2014 untersuchte, liegt eine Ausnahmeindikation zur Versorgung mit Implantaten vor, weil es zu einer Atrophie der Zahnleisten im Ober- und Unterkiefer gekommen sei und die Verhältnisse der atrophierten Zahnleisten keine stabilen, funktionalen Passverhältnisse einer ausschließlichen Ober- und Unterkieferprothese zuließen. Das SG beauftragte weiterhin den Direktor der Zahnmedizinischen Abteilung des Klinikums der Stadt L. Prof. Dr. Dr. R. A. M. als gerichtlichen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens. In dem Gutachten führten Dr. Bo. Me. und Prof. Dr. Dr. R. A. M. aus, dass, wenn eine implantatgetragene prothetische Versorgung angestrebt werde, eine vorherige Operation mit dreidimensionalem Knochenaufbau notwendig sei, um ein ausreichendes Implantatlager zu schaffen. Allerdings hätte keine Ausnahmeindikation gemäß der Richtlinien diagnostiziert werden können; inwieweit der vom Kläger angegebene und bei der Untersuchung vom 04.02.2016 aufgetretene Würgereiz sowie die angegebene Prothesenunverträglichkeit unter die Richtlinie fallen könnte, sei Rechtsauslegung.

Durch Urteil vom 26.09.2016 wurde der Klage stattgegeben. Die Klage sei zulässig und begründet. Die sechswöchige Frist zur Entscheidung im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V hätte aufgrund der Vorlage des Behandlungs- und Therapieplanes der Universitätsklinik H. am 13.05.2014 begonnen und am 23.06.2014 geendet. Auch wenn der Kläger das Telefongespräch bestreite, könne unterstellt werden, dass die Beklagte den entsprechenden Leistungsantrag am 17.06.2014 fristwahrend abgelehnt habe, sodass eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nicht anzunehmen sei; die telefonische Mitteilung vom 17.06.2014 erfülle die Kriterien eines formfrei erteilten wirksam gewordenen Verwaltungsakts. Unabhängig davon, habe der Kläger schon aus gewöhnlichen materiellen Erwägungen heraus einen Anspruch auf Durchführung einer Implantatversorgung.

§ 28 Abs. 2 S. 9 SGB V sehe sinngemäß vor, dass implantologische Leistungen grundsätzlich nicht zur kassenärztlichen Versorgung rechnen. Etwas anderes gelte nur, wenn eine seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in einer Richtlinie festgelegte Ausnahmeindikation für einen besonders schweren Fall erfüllt sei. Die zahnärztliche Behandlungsrichtlinie sehe hierzu (Abschnitt VII.) sinngemäß zusammengefasst vor, dass ein besonders schwerer Fall, der eine Ausnahmeindikation darstellt, in allgemeiner Hinsicht nur dann vorliegen könne, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich sei. Die abschließende Aufzählung der besonders schweren Fälle enthalte sodann (Gliederungspunkt d.) die Indikation einer willentlich nicht beeinflussbaren muskulären Fehlfunktion im Mund- und Gesichtsbereich und führe als Beispiel hierfür Spastiken an. Ob eine Prothesenunverträglichkeit mit Würgereiz als muskuläre Fehlfunktion im Mundbereich zu werten sei, sei in der Rechtsprechung umstritten und werde zum Teil bejaht, zum Teil verneint. Die Befürworter führten zur Begründung aus, dass § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V i.V.m. der zahnärztlichen Behandlungsrichtlinie den verfassungsrechtlich verbürgten Behandlungsanspruch der Versicherten schon in recht starker Weise einschränke, sodass bei Auslegung der vom Gemeinsamen Bundesausschuss definierten Ausnahmeindikationen eine weitere Einengung zu vermeiden sei. Somit könne dem Umstand, dass der Würgereiz bei strenger anatomischer Betrachtung nicht im Gesicht bzw. Mund, sondern im Bereich des Gaumens zu verorten sei und letztlich nicht auf einer muskulären, sondern auf einer reflexartigen, nervalen Fehlfunktion beruhe, keine wesentliche Bedeutung haben. Denn auch der Gaumen sei (im weiteren Sinne) Bestandteil des Mundes. Darüber hinaus scheide eine Auslegung aus, die die angeführte Ausnahmeindikation ausschließlich "Spastikern" vorbehalten möchte, denn insoweit handele es sich nur um einen Beispielsfall.

Dem schließe sich die Kammer an: Entscheidend hierfür sei, dass auch die durch den Würgereiz reflexartig ausgelöste Fehlfunktion des Gaumens zu muskulären Fehlfunktionen im Mund führe (Herauswürgen der Prothese) und mit den betreffenden Begleiterscheinungen – der Kläger führe hierzu glaubhaft und nachvollziehbar Zustände des Erbrechens und der Atemnot an – dazu führe, dass der Kläger nicht in der Lage sei, eine herkömmliche Zahnprothese zu tragen. Vor diesem Hintergrund bestehe, was sowohl von den behandelnden Zahnärzten, als auch von den Gutachtern des MDK und von Dr. Ma. und Dr. M. bestätigt werde, für den Kläger letztlich keine Möglichkeit, seine Zahnlosigkeit mit den gewöhnlichen Mitteln der kassenzahnärztlichen Versorgung zu kompensieren. Da der Würgereiz bei einer nicht alleine am Wortlaut haftenden Auslegung, vor allem unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der dargestellten Ausnahmeindikation bei grundrechtsorientiertem Verständnis, durchaus als willentlich nicht beeinflussbare muskuläre Fehlfunktion im Mund gedeutet werden könne, sei die Beklagte zu verurteilen, eine Implantatversorgung durchzuführen.

Gegen das am 29.09.2016 zugestellte Urteil legte die Beklage am 05.10.2016 Berufung ein. Zur Begründung führe sie aus, dass keine Ausnahmeindikation vorläge. Bei einer Spastik handele es sich um eine Fehlfunktion, die auf eine Schädigung des Gehirns oder Rückenmarks zurück zu führen sei. Der Würgereiz sei dagegen keine Fehlfunktion. Vielmehr sei er ein Schutzmechanismus, der ein Eindringen von Fremdkörpern in den Rachenraum verhindern solle. Daraus werde deutlich, dass keine Ausnahmeindikation vorliegen könne; eine Spastik sei nicht mit einem Würgereiz vergleichbar. Im Übrigen werde Bezug genommen auf eine Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 22.02.2011 – L 9 KR 34/11 B ER, in der der Senat bestätigt habe, dass ein extremer Würgereiz keinen Anspruch auf implantatgestützten Zahnersatz begründe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Mannheims vom 26.09.2016 (S 9 KR 2135/15) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist der Kläger auf das erstinstanzliche Urteil. Zudem wird bestritten, dass es am 17.06.2014 einen telefonischen Bescheid der Beklagten gab, wonach die Durchführung einer Implantatversorgung abgelehnt wurde, zumal im Anschluss hieran das Prüfungsverfahren fortgesetzt und weitere Begutachtung eingeholt wurden. Hingewiesen wird schließlich darauf, dass es aus finanziellen Gründen nicht möglich sei, die Kosten für Implantate selbst zu tragen, und der Kläger nunmehr seit zwei Jahren ohne Zähne und mit den damit verbundenen Nachteilen leben müsse.

Der Senat vernahm in der mündlichen Verhandlung am 28.03.2017 die frühere Leiterin des Kompetenzzentrums Zahngesundheit der Beklagten, G. E., als Zeugin; hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Nach der Zeugenvernehmung räumte der Kläger ein, dass es ein Telefongespräch gegeben habe, in dem ihm mitgeteilt worden sei , dass die Leistung abgelehnt werde.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 17.06.2014, vom 05.11.2014 und vom 07.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragten implantologischen Leistungen.

Ein Anspruch auf die beantragten implantologischen Leistungen ergibt sich nicht aufgrund einer fingierten Genehmigung nach der durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.03.2013 (BGBl. I, S. 277) mit Wirkung vom 26.02.2013 eingefügten Vorschrift des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Danach gilt eine Leistung nach Ablauf einer in den vorherigen Sätzen des § 13 Abs. 3a SGB V näher bestimmten Frist als genehmigt, wenn keine schriftliche Mittelung eines hinreichenden Grundes für die Nichteinhaltung der Frist oder eine Ablehnung erfolgte. Nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragsstellung oder in den Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (§ 13 Abs. 3a Satz 3 SGB V). Wird, wie vorliegend, ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren (§ 2a Abs. 1e BMV-Z) durchgeführt, hat nach § 13 Abs. 3a Satz 4 SGB V die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden. Kann die Krankenkasse die Frist nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V oder § 13 Abs. 3a Satz 4 SGB V nicht einhalten, teilt sie dies gem. § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit; erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung als genehmigt.

Der von der Universität H. erstellte Kostenvoranschlag sowie Heil- und Kostenplan ist am 12.05.2014 bei der Beklagten eingegangen. Dieser ist, obschon sich in der Verwaltungsakte kein ausdrücklicher Antrag des Klägers in einem Schreiben findet oder kein mündlicher Antrag als solcher vermerkt ist, als Antrag auf Gewährung implantologischer Leistungen zu verstehen und wurde auch so von der Beklagten, wie sich aus deren Schreiben an den Kläger vom 14.05.2014 ergibt, verstanden. Aus dem Eingang des Kostenvoranschlags bei der Beklagten und dem vom Kläger im gesamten Verfahren verfolgten Ziel der Versorgung mit Implantaten folgt, dass der bei der Beklagten eingegangene Kostenvoranschlag als ein Antrag des Klägers anzusehen ist. Es handelt sich um einen fiktionsfähigen Antrag, da er so bestimmt gestellt ist, dass die auf der Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (zu den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit BSG, Urt. v. 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Rn. 23 – juris).

Der Antrag betraf weiterhin eine Leistung, die der Kläger für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung lag (zu diesem Erfordernis BSG, Urt. v. 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Rn. 24 – juris). Die Regelung des § 13 Abs. 3a SGB V soll nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (BSG, Urt. v. 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, Rn. 25 – juris). Zwar ist die Versorgung mit Implantaten nur in eng begrenzten Ausnahmefällen nach § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V iVm. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses möglich, jedoch ist sie nicht völlig ausgeschlossen, und es finden sich zudem Entscheidungen, die bei Würgereiz einen Anspruch auf Implantatversorgung zubilligen (SG Mainz, Urt. v. 24.09.2013, S 17 KR 177/12 – juris; SG Speyer, Urt. v. 18.09.2015, S 19 KR 219/14 – juris). Der Antrag ist auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil das Universitätsklinikum in dem am 12.05.2014 bei der Beklagten eingegangenen Kostenvoranschlag darauf hinwies, dass Implantatversorgungen keine Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen seien und vom Patienten selbst bezahlt werden müssten, denn zum einen ist die Versorgung mit Implantaten nicht völlig ausgeschlossen, zum anderen wird im dem Kostenvoranschlag dazu aufgefordert, Erstattungsansprüche gegenüber der Versicherung, Beihilfestelle oder Krankenkasse abzuklären.

Die Sechs-Wochenfrist nach § 13 Abs. 3a Satz 4 SGB V begann aufgrund des am 12.05.2014 gestellten Antrags am Dienstag, dem 13.05.2014, und endete am Montag, dem 23.06.2014. Gründe für ein Überschreiten der Frist im Sinne des § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V wurden von der Beklagten zwar nicht mitgeteilt, jedoch lehnte die Beklagte am 17.06.2014 gegenüber dem Kläger den Antrag ab. Dass die Ablehnung telefonisch erfolgte, steht der Wirksamkeit der Ablehnung nicht entgegen. Ein Verwaltungsakt kann auch mündlich bekannt gegeben werden (§ 33 Abs. 2 SGB X). Anders als für die Mitteilung von hinreichenden Gründen für die Nichteinhaltung der Frist, die nach § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V schriftlich erfolgen muss, sieht das Gesetz für die Ablehnung keine Schriftform vor.

Zur Überzeugung des Senats steht auch nach der Aussage der als Zeugin vernommenen Mitarbeiterin der Beklagten, Frau G. E. fest, dass ein Telefongespräch am 17.06.2014 mit dem Kläger erfolgte, indem der Antrag auf Implantatversorgung abgelehnt wurde. In der Verwaltungsakte der Beklagten findet sich ein Vermerk von Frau G. E., dass der Versicherte telefonisch über die Ablehnung informiert wurde, der mit dem 17.06.2014 datiert ist. Zwar lag zu diesem Zeitpunkt das Gutachten noch nicht schriftlich vor, da dieses mit Begleitschreiben vom 16.06.2014 erst am 24.06.2014 bei der Beklagten einging, jedoch konnte aufgrund der erfolgten Untersuchung am 16.06.2014 und der telefonischen Mitteilung des Ergebnisses durch den Gutachter an die Beklagte am 16.06.2014 eine Mitteilung an den Kläger am 17.06.2014 erfolgen. In dem Ablehnungsschreiben der Beklagten an den Kläger vom 25.06.2014 heißt es denn auch, dass "wie Ihnen bereits telefonisch mitgeteilt" das Gutachten über die Implantatversorgung jetzt vorliege. Erst im sozialgerichtlichen Verfahren nachdem das SG auf § 13 Abs. 3a SGB V mit Schreiben vom 09.09.2015 hinwies, wurde seitens des Klägers die telefonische Übermittlung der Ablehnung bestritten. Dass sich der Vermerk auf einem bei der Beklagten am 27.05.2014 eingegangenen Schreiben des Universitätsklinikums H. in der Verwaltungsakte befindet, spricht ebenso wenig zwingend gegen das Stattfinden des Telefongesprächs, wie, dass auf dem Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 25.06.2014 die Telefonnummern des Klägers handschriftlich vermerkt sind, unabhängig davon, dass nach dem Schreiben der Beklagten vom 30.05.2014 schon in Bezug auf den Gutachtenstermin Versuche der Beklagten zu einer telefonischen Kontaktaufnahme erfolgt sind. Im Übrigen bestätigte der Kläger im Anschluss an die Vernehmung der Zeugin E., dass ein Telefongespräch geführt wurde, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass die Leistung abgelehnt wird. Der Senat hat aufgrund des Aktenvermerks und der Aussage der Zeugin E. kein Zweifel, dass dieses Telefongespräch am 17.06.2014 stattfand.

Ein Anspruch auf Versorgung mit Implantaten ergibt sich auch nicht aus § 28 Abs. 2 S. 9 SGB iVm. der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) vom 04.07.2003/24.09.2003, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2003, Seite 24 966, in Kraft getreten am 01.01.2004, zuletzt geändert am 01.03.2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006, Seite 4466, in Kraft getreten am 18.06.2006.

Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit, wenn die Behandlung notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die zahnärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V) und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB V). Die zahnärztliche Behandlung ihrerseits umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden (§ 28 Abs. 2 S. 1 SGB V). § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V schließt implantologische Leistungen von der zahnärztlichen Behandlung grundsätzlich aus. Versicherte haben nach dieser Vorschrift gleichwohl in seltenen, vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinie nach § 92 Abs. 1 SGB V festzulegenden Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle Anspruch auf implantologische Leistungen, wenn sie einschließlich der Suprakonstruktion im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung als Sachleistung zu erbringen sind.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in Nummer VII Ziffer 1-4 der Behandlungsrichtlinie die Ausnahmeindikationen festgelegt. Gemäß Nummer VII Ziffer 2 der Behandlungsrichtlinie liegen Ausnahmeindikationen für Implantate und Suprakonstruktionen im Sinne von § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V in den in Satz 4 aufgeführten besonders schweren Fällen vor. Bei Vorliegen dieser Ausnahmeindikationen besteht Anspruch auf Implantate zur Abstützung von Zahnersatz als Sachleistung nur dann, wenn eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich ist. In den Fällen von Satz 4 Buchstaben a) bis c) gilt dies nur dann, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar ist. Nach Satz 4 liegen besonders schwere Fälle vor a) bei größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekten, die ihre Ursache - in Tumoroperationen, - in Entzündungen des Kiefers, - in Operationen infolge von großen Zysten (z.B. große follikuläre Zysten oder Keratozysten), - in Operationen infolge von Osteopathien, sofern keine Kontraindikation für eine Implantat-Versorgung vorliegt, - in angeborenen Fehlbildungen des Kiefers (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten, ektodermale Dysplasien) oder - in Unfällen haben, b) bei dauerhaft bestehender extremer Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung c) bei generalisierter genetischer Nichtanlage von Zähnen, d) bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (z.B. Spastiken).

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden Ausnahmetatbestandes "d) bei nicht willentlich beeinflussbaren muskulären Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (z.B. Spastiken)" nicht. Denn der Würgereiz ist als vegetativ oder psychomotorisch bedingte Störung der Rachenmuskulatur einzuordnen, die nicht zu dem in der Ausnahmeindikation genannten Mund- und Gesichtsbereich gehört (vgl. dazu und zum Folgenden LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.07.2014, L 5 KR 26/14). Ein Würgereiz oder Rachenreflex des Menschen ist primär ein normaler Abwehrmechanismus, der das Eindringen von Fremdkörpern in den Rachen (Pharynx), den Kehlkopf (Larynx) oder die Luftröhre (Trachea) verhindern kann und der durch ein taktiles Stimulieren des weichen Gaumens, der Zunge und von Teilen des Rachens ausgelöst wird. Dieser physiologische Reflex wird durch den Parasympathikus des vegetativen Nervensystems kontrolliert und ist dem Nervus glossopharyngeus und dem Nervus vagus zugeordnet. Über diese beiden Nerven werden intraorale Reize in die Medulla oblongata (Hirnstamm) geleitet und das Brechzentrum gereizt. Dies führt zu einem reflektorischen Anheben der Zunge und einer Kontraktion der Rachenmuskulatur. Folglich ist der Rachen betroffen und eben nicht der Mund- und Gesichtsbereich, wie es z.B. bei Spastiken der Fall ist; vom Würgereiz ist nicht der Mund- und Gesichtsbereich, sondern der Schlundbereich, also der Halsbereich betroffen (vgl. auch LSG Hessen, Urt. v. 02.07.2009, L 1 KR 197/07 – juris; LSG Nordrhein-Westfalen, B. v. 16.02.2010, L 16 B 44/09 KR – juris; LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 22.02.2011, L 9 KR 34/11 B ER – juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.07.2014, L 5 KR 26/14 unter Aufhebung des Urteils des SG Mainz v. 24.09.2013 (S 17 KR 177/12)).

Die in den Richtlinien festgelegten Ausnahmeindikationen sind eng zu interpretieren und lassen eine Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht zu; eine erweiternde Auslegung der in den Behandlungsrichtlinien genannten Ausnahmeindikationen kommt nicht in Betracht (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 18.06.2013, L 11 KR 4956/11 mwN. – juris). Schon der Gesetzgeber selbst hat die Leistungspflicht in § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V in mehrfacher Sicht beschränkt, nämlich auf "seltene Ausnahmeindikationen", "besonders schwere Fälle" und die Notwendigkeit der Einbindung in eine "medizinische Gesamtbehandlung", wobei insoweit nicht schon die Wiederherstellung der Kaufunktion im Rahmen eines zahnärztlichen Gesamtkonzepts genügt, die vorliegend das Ziel der Versorgung der Implantatversorgung ist, sondern es muss ein darüber hinausgehendes medizinisches Gesamtziel der Behandlung ihr Gepräge geben (BSG, Urt. v. 04.03.2014, B 1 KR 6/13 R – juris unter Verweis auf BSG, Urt. v. 07.05.2013, B 1 KR 19/12 R – juris; siehe dazu auch LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.07.2014, L 5 KR 26/14)). Implantologische Leistungen sind nicht schon bei jeder zahnmedizinischen Notwendigkeit der in Rede stehenden Behandlungsmaßnahme zu Lasten einer Krankenkasse zu gewähren, sondern ihre Gewährung setzt eine darüber hinausgehende Ausnahmesituation voraus (BSG, Urt. v. 13.07.2004, B 1 KR 37/02 R – juris). Der Anspruch besteht nicht bereits, wenn Implantate zahnmedizinisch geboten sind (BSG, Urt. v. 04.03.2014, B 1 KR 6/13 R – juris).

Die Ablehnung einer Implantatversorgung verletzt den Kläger schließlich nicht in seinen Grundrechten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. v. 13.07.2004, B 1 KR 37/02 R – juris; BSG, B v. 23.05.2007, B 1 KR 27/07 B – juris; siehe auch BSG, Urt. v. 02.09.2014, B 1 KR 12/13 R – juris), welcher der Senat folgt, verstoßen die gesetzliche Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V und die darauf beruhende Behandlungsrichtlinie mit den dort geregelten Ausnahmeindikationen selbst dann nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben, wenn Implantate als einzig medizinisch sinnvolle Leistung in Betracht kommen. Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten zugeordnet werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen (BSG, Urt. v. 02.09.2014, B 1 KR 12/13 R – juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungskatalogs bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheiten (BVerfG, B v. 10.11.2015, 1 BvR 2056/12 – juris), da Zahnlosigkeit insoweit keine durch das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage darstellt; der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch ist auf extreme Situationen einer krankheitsbedingten Lebensgefahr beschränkt (BVerfG, B. v. 10.11.2015, 1 BvR 2056/12 – juris). Soweit § 2 Abs. 1a SGB V neben lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich Erkrankungen einen – verfassungsrechtlich nicht gebotenen (BVerfG, B v. 10.11.2015, 1 BvR 2056/12 – juris) – Anspruch bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auch bei wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen gewährt, erreicht selbst drohende Zahnlosigkeit keinen vergleichbaren Schweregrad (BSG, Urt. v. 02.09.2014, B 1 KR 12/13 R – juris; siehe auch BSG, Urt. v. 04.03.2014, B 1 KR 6/13 R – juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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