L 17 U 347/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 U 403/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 347/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 21/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.05.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente; außerdem wendet er sich gegen die Rückforderung von Verletztengeld.

Der 1963 geborene Kläger machte 1983 Abitur und studierte anschließend bis 1992 Wirtschaftswissenschaften. Einen Abschluss machte er nicht. Seit 1992 ist er als Taxi- und Mietwagenunternehmer tätig. Von 2005-2007 betrieb er eine Sport- und Pferdewettannahmestelle, die 2007 durch die Stadt M geschlossen wurde. Ab 2008 betrieb er die Wettannahmestelle als Franchisenehmer weiter.

Der Kläger war als Taxifahrer bei der Beklagten unfallversichert. Am 12.02.2012 (Freitag nach Weiberfastnacht) wurde er bei Antritt einer Fahrt, bei der er lernbehinderte Kinder und Jugendliche (6 bis 14 Jahre) von der Schule nach Hause fahren sollte, noch auf dem Schulgelände von einem Schüler mit einer Pistole aus Plastik bedroht. Der Schüler setzte die Waffe an die Schläfe des Klägers. Der Kläger konnte im ersten Moment nicht sehen, dass es sich um eine Attrappe handelte. Er nahm dem Schüler die Pistole ab und führte die Rückfahrt der Schüler von der Schule nach Hause durch. Einen Arzt suchte der Kläger anschließend nicht auf. Dementsprechend wurde auch keine Arbeitsunfähigkeit attestiert. Auch eine Strafanzeige gegen den Schüler erstattete er nicht. Am 16.02.2010 (Karnevalsdienstag) wurde er bei der Schuldirektorin einbestellt, die Auskunft über das Ereignis am 12.02.2010 haben wollte. Bei dem Gespräch erlitt er einen Zusammenbruch und wurde per Krankentransport in die kardiologische Abteilung des St. K-Hospitals in C gebracht. Anschließend wurde er in der LWL-Universitätsklinik C, Abteilung Psychiatrie Psychotherapie Psychosomatik, aufgenommen. Dort wurde er bis zum 09.04.2010 zu Lasten der Beklagten stationär behandelt. Anschließend erfolgte, ebenfalls zu Lasten der Beklagten, eine psychotherapeutische Behandlung durch die Diplom-Psychologin L und die Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie B. Für die Zeit ab dem 16.02.2010 erhielt der Kläger Vorschüsse auf Verletztengeld.

Der Kläger gab an, er habe die Rückfahrt von der Schule nur unter größter Anstrengung und mit mehrfachen Unterbrechungen durchführen können. Anschließend sei er bis zum 16.02.2010 außerstande gewesen, das Wochenende allein in seiner Wohnung zu verbringen. Deshalb sei er von seinen Eltern betreut worden. Die erneute Konfrontation mit dem Ereignis in Gegenwart der Schulleiterin und der Schulsekretärin habe zu einem völligen Zusammenbruch geführt, sodass diese den Notarzt verständigt hätten.

Den Gesprächsnotizen der Schulsekretärin und der Sonderschuldirektorin vom 16.02.2010 ist Folgendes zu entnehmen: Der Kläger habe bei dem Gespräch am 16.02.2010 berichtet, dass ihm plötzlich von einem Schüler seitlich eine Pistole an die Stirn gedrückt worden sei. Er habe sich sehr erschreckt, vor allem weil das seine große Angst sei, im Taxi überfallen und mit einer Pistole bedroht zu werden bzw. eine Stahlschlinge um den Hals zu bekommen. Erst dann habe er gemerkt, dass es ein Schüler gewesen sei und es sich nur um einen Attrappe gehandelt habe. Er habe vor Aufregung geweint und habe zunächst nicht losfahren können. Später habe er auf der Autobahn anhalten müssen. Er habe Kopfschmerzen gehabt, ihm sei schwindelig gewesen und er habe wieder weinen müssen. Das ganze Wochenende habe er im Bett gelegen und es sei ihm sehr schlecht gegangen. Während des Gesprächs habe sich der Zustand des Klägers verschlechtert. Er habe nicht mehr antworten können und habe teilnahmslos auf den Stuhl gesessen, so dass sie einen Krankenwagen gerufen hätten.

Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bei und holte Befund- und Behandlungsunterlagen von den den Kläger behandelnden Ärzten/Psychologen ein.

Die Diplom-Psychologin L berichtete am 24.03.2010 und am 12.05.2010, dass der Kläger noch während der stationären Therapie an der LWL- Universitätsklinik C bei ihr zum Erstgespräch gewesen sei. Beim diesem liege eine schwere Depression verbunden mit einer Somatisierungstendenz und einer damit verbundenen Antriebsstörung vor. Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sei nicht zu erkennen. Auslöser für die akute Verschlimmerung der Depression sei sicherlich die Schrecksituation mit dem Schüler, der ihm eine Spielzeugpistole an den Kopf gehalten habe. Der Kläger habe erklärt, dass er recht schnell in Sekunden erkannt habe, dass es keine echte Waffe war, dass er aber anschließend nervlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, Auto zu fahren. In der Vorgeschichte habe ihn immer wieder die latente Gewaltsituation am Arbeitsplatz als Taxifahrer belastet. So sei er mehrfach wegen Konkurrenzstreitigkeiten tätlich von Kollegen angegriffen worden, auch Fahrgäste seien übergriffig geworden. Er habe mehrfach Anzeige erstattet, jedoch habe er nicht ausreichend Recht bekommen. Er habe auch vor der konkreten Situation beim Schülertransport immer wieder Angst gehabt, seinen Beruf auszuüben, allerdings keine Alternativen gefunden. Erschwerend komme hinzu, dass er nach Streitigkeiten mit seinem Vermieter die Wohnung gekündigt habe und nach der Entlassung aus der Klinik zwangsweise vorübergehend bei den Eltern unterkommen müsse, was ihn ebenfalls sehr belaste. Das St. K-Hospital des Klinikums der Ruhruniversität C, Klinik für Kardiologie, berichtete am 07.04.2010, dass der Kläger am 16.02.2010 gegen 14:30 Uhr seitens des Rettungsdienstes in der Notaufnahme vorgestellt worden sei. Dort habe er angegeben, er habe eine "Scheinexekution" durchgemacht. Mit der Diagnose einer akuten Belastungsreaktion mit psychotischem Zustand sei er nach Hause entlassen worden. Das LWL-Universitätsklinikum C berichtete am 20.04.2010 über die stationäre Behandlung des Klägers in der Zeit vom 16.02.2010 bis zum 09.04.2010. Diagnostiziert wurden eine akute Belastungsreaktion, eine paranoide Persönlichkeitsstörung und eine Dysthymia. Bei der Aufnahme habe der Kläger berichtet, er habe schon häufiger Erfahrungen mit Gewalt gemacht. Als Taxifahrer warte man quasi darauf, dass von hinten eine Schlinge komme. Er habe seit Jahren schon das Gefühl, das Leben spiele ihm übel mit. Seit ca. vier bis fünf Jahren beschäftigten ihn diese Gedanken über die Ungerechtigkeit des Lebens sehr. Von Tiefschlägen könne er sich immer schlechter erholen. Er habe mehrere Episoden von Tagen bis Wochen depressiven Erlebens durchgemacht. Nach Einschätzung der Klinik hatte sich das psychische Zustandsbild des Klägers während der Behandlung stabilisiert; es sei lediglich eine leichte Restsymptomatik bestehen geblieben, die wohl mehr psychotherapeutischer als psychiatrischer Zuwendung bedürfe. Die Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie B führte am 27.04.2010 aus, dass sich der Kläger am 13.04.2010, also vier Tage nach der Entlassung aus der stationären Behandlung in der Psychiatrie, bei ihr vorgestellt habe. Ausgehend von der in der LWL-Universitätsklinik C diagnostizierten Persönlichkeitsstörung, die sicherlich als schwere Prädisposition für eine solche Reaktion auf die Ereignisse vom 12.02.2010 zu sehen sei, seien Auslöser des jetzigen Zustandes doch wohl die Ereignisse am 12.02.2010.

Die Beklagte holte ein Gutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C ein. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 01.09.2010 aufgrund einer Untersuchung des Klägers vom 31.05.2010 und unter Berücksichtigung der aktenkundigen Unterlagen zu dem Ergebnis, dass keine Anhaltspunkte für eine PTBS vorhanden seien. Es lägen keine Träume und keine Flashbacks vor. Eine unfallbedingte Erkrankung habe nach dem Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik nicht mehr bestanden. Es habe sich um eine unfallunabhängige Erkrankung, eine chronische Form einer depressiven Verstimmung, gehandelt.

Nach Kenntnisnahme des Gutachtens von Dr. C stellte die Beklagte die therapeutische Behandlung bei der Diplom-Psychologin L und der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie B zu ihren Lasten ein.

Mit Bescheid vom 16.09.2010 nahm die Beklagte die Endabrechnung des Verletztengeldes vor. Sie führte aus, das Unfallereignis am 12.02.2010 habe zu einer akuten Belastungsreaktion geführt. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit seien festgestellt worden für den Zeitraum vom 16.02.2010 bis 09.04.2010. Die weitere Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über dieses Datum hinaus seien auf eine vorbestehende Erkrankung (Dysthymie) zurückzuführen, die mit dem Unfallereignis in keinem ur-sächlichen Zusammenhang stehe. Hierfür sei die Entschädigungspflicht der Berufsgenossenschaft nicht gegeben. Hinsichtlich der Überzahlung i.H.v. 13.729,12 EUR erhalte er gesonderte Nachricht.

Mit Bescheid vom 24.09.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.02.2012 mit der Begründung ab, dass die Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls hinaus nicht in messbarem Grad gemindert sei. Hierbei stützte sie sich auf das Gutachten des Dr. C.

Gegen beide Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein. Es bestehe weiter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit. Er überreichte medizinische Unterlagen (Atteste der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie B vom 18.12.2010 und 23.12.2010, Arztbericht des St. N-Hospitals F, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik vom 30.11.2010, Attest des Allgemeinmediziners Dr. L vom 23.11.2010, Attest der Diplom-Psychologin L vom 24.11.2010), die seiner Meinung nach bestätigten, dass er vor dem Vorfall in psychischer Hinsicht nicht auffällig geworden sei und bei ihm eine PTBS vorliege. Die Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie B attestierte, der Kläger sei weiterhin wegen einer PTBS in ihrer ambulanten Behandlung. Bei dem Kläger liege eine deutliche Angststörung, eventuell auch eine ängstlich vermeidende Persönlichkeitsakzentuierung vor. Sicher sei die Persönlichkeit des Klägers verantwortlich für die Reaktion auf das Trauma, das er erlebt habe; die traumatische Erfahrung habe die Symptome aber verschlimmert. Die Klassifizierung einer paranoiden Persönlichkeitsstörung halte sie für deutlich überzogen. In dem Bericht des St. N-Hospitals F, wo der Kläger in der Zeit vom 06.09.2010 bis zum 19.11.2010 in tagesklinischer Behandlung war, wurden eine PTBS und eine depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode ohne psychotische Symptome, diagnostiziert. In dieser Klinik hatte der Kläger bei der Aufnahme über das Ereignis vom 12.02.2010 berichtet und zu dem Gespräch mit der Schulleitung vom 16.02.2010 mitgeteilt, man habe ihn bezichtigt, er fahre unter Alkoholeinfluss und sein Fahrzeug sei nicht verkehrssicher; den Beförderungsvertrag habe er verloren. Dr. L teilte mit, der Kläger sei seit Juni 2009 bei ihm in regelmäßiger ärztlicher Betreuung gewesen; in diesem Zeitraum bis Januar 2010 seien keine psychischen Auffälligkeiten dokumentiert noch erinnerlich. Die Diplom-Psychologin L erklärte, dass der Kläger aufgrund ausgeprägter Depression, Sozialphobie und akuter Belastungsreaktionen nach dem Überfall durch einen Schüler bei ihren Behandlung sei. Eine paranoide Persönlichkeitsstörung werde ausdrücklich ausgeschlossen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2011 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers aus den Gründen der angefochtenen Bescheide zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 25.05.2011 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund (SG) erhoben. Zur Begründung hat er seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 16.09.2010 und des Bescheides vom 24.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2011 die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen des Unfalls vom 12.02.2010 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Bescheide für rechtmäßig gehalten. Nach dem angeschuldigten Ereignis sei zwar eine Depression aufgetreten. Im Rahmen der anschließenden Behandlung habe der Kläger aber selbst stets angegeben, depressive Phasen seien auch vorher schon aufgetreten. Zudem habe er geschildert, dass er während der Ausübung seiner Taxifahrertätigkeit immer wieder unter Ängsten gelitten habe. Es zeige sich insgesamt das Bild eines seit Jahren unter Persönlichkeitsstörungen leidenden Mannes.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1. Diese ist in ihrem Gutachten vom 07.11.2011 aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 05.10.2011 und unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Befunde sowie von Krankenhausberichten, die der Kläger zur Untersuchung mitgebracht hatte, zu dem Ergebnis gelangt, dass durch das Ereignis vom 12.02.2010 bei dem Kläger keine Gesundheitsstörungen hervorgerufen, wesentlich mit verursacht oder auch nur ausgelöst oder vorübergehend verschlimmert worden seien. Die Arbeitsunfähigkeit ab Februar 2010 sei zu keinem Zeitpunkt durch Folgen des als Unfall festgestellten Ereignisses vom 12.02.2010 bedingt gewesen. Die Auffassung des Dr. C, dass die Krankheit bis zum Ende der zweimonatigen psychiatrischen Krankenhausbehandlung unfallbedingt gewesen sei, sei medizinisch-inhaltlich nicht nachvollziehbar oder begründbar. Der Kläger leide, wie bereits das LWL-Universitätsklinikum C diagnostiziert habe, auf nervenärztlichen Fachgebiet an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (ICD 10, F60.0). Die Bezeichnung sei unglücklich, es handele sich um ein übersetzungsbedingtes Problem des Diagnoseschlüssels ICD 10. Die Störung habe mit der sonst im deutschen Sprachraum zutreffenden Bedeutung des Fachwortes paranoid, nämlich wahnhaft, nicht wirklich etwas zu tun. Personen mit dieser Störung neigten in erheblichem Umfang dazu, hinter jedem Misserfolg und widrigen Ereignis in ihrem Leben eine von anderen gegen sich gerichtete Handlung zu vermuten, aber nicht in der Qualität einer Wahnerkrankung. Die Störung sei Folge einer in Anlage und frühkindlicher Prägung bedingten Veränderung von Wahrnehmung, Selbstwahrnehmung und Denken, die dann auch entsprechende Verhaltensweisen generierte. Dies müsse längst nicht immer zu Nervenarztkontakten führen, jedenfalls solange nicht, wie von den störenden Auswirkungen vornehmlich andere betroffen seien. Die Störung führe erst zum Nervenarzt und psychiatrischen Krankheitsdiagnosen, wenn subjektives Leiden auftrete, der Betroffene z.B. mit seinen Bedürfnissen, mit der Diskrepanz zwischen Realität und Selbstbild etwa, völlig in die Enge getrieben sei und emotional, erschöpft, verzweifelt reagiere, etwa mit einer reaktiven depressiven Verstimmung. Dies sei bei dem Kläger 2010 der Fall gewesen. Er habe sich nach Schließung seines Wettbüros und Kündigung seiner Wohnung, seinen Lebensunterhalt als Fahrer beim Behindertentransport verdienend, bereits in einer schwierigen Lage befunden, die seinem erwünschten Selbstbild in keiner Weise entsprochen habe. Er sei vermehrt reizbar und zum Beispiel nicht mehr zu Scherzen aufgelegt gewesen. Anders sei eine auch nur ärgerliche Reaktion, wenn eines der Kinder, die man täglich transportiere, an Karneval einen auch üblen Scherz mit einer Plastikpistole mache, schon nicht zu erklären. Dekompensiert sei er dann aber erst wirklich bei den Vorhaltungen, die ihm dann Tage später deswegen gemacht worden seien. Dies habe in seine krankhaft veränderte Kognition gepasst, da er dann andere für seinen Zustand verantwortlich machen konnte. Beim Kläger liege sicher keine PTBS vor, da ein auch nur halbwegs adäquates auslösendes Ereignis fehle und eine auf eine PTBS besonders hinweisende, nicht auch in vielen anderen Krankheitsbildern vorkommende Symptomatik, erst nach dem Auftauchen dieser aktuellen Modediagnose in Attesten dann auch von Therapeuten beschrieben worden sei. Dies gelte auch unter Berücksichtigung dessen, dass er bei ihrer Untersuchung nun auch vorgetragen habe, er habe bei dem Ereignis einen kurz zuvor stattgefundenen Mord an einem Taxifahrer im Kopf gehabt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Gutachten der Dr. L1 verwiesen.

Anschließend hat das Gericht auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. X eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 15.07.2012, gestützt auf die Aktenlage und eine neurologisch psychiatrische Exploration und Untersuchung des Klägers vom 18.04.2012, bei diesem eine abnorme Erlebnisreaktion nach Extrembelastung (ICD 10, F 62.0) diagnostiziert. Der Kläger habe als Auslöser für die lange Behandlungszeit in der Psychiatrie und die nachfolgende Arbeitsunfähigkeit drei Dinge angegeben: die persönlich-emotionale Reaktion auf den kurz vor dem angeschuldigten Ereignis erfolgten Taximord in Hamburg, die für ihn bedrohliche Konfrontation mit der Spielzeugpistole und die Reaktion der Rektorin vier Tage später, ohne jede Sensibilität, nur in Vorwurfshaltung und mit dem Versuch, ihm seine be-rufliche Existenz zu nehmen. Unbestreitbar hätten die Vorfälle vom 12.02.2010 und 16.02.2010 bei dem Kläger zu einer akuten Krankheitssituation geführt, die die sechswöchige stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik nach sich gezogen habe. Der Kläger habe ihm den Taximord fast vier Wochen vorher als nachvollziehbares angstauslösendes Ereignis geschildert. Wenn man dann knapp vier Wochen später eine Spielzeugpistole an den Kopf gehalten bekomme, dürfte dies wohl keine "Lappalie" darstellen. Krankheitsauslösend sei jedoch die Situation am Faschingsdienstag mit dieser höchst unsensibel reagierenden Rektorin gewesen. Die nachfolgende Behandlung in der Psychiatrie habe für den Kläger eine zusätzliche emotionale Niederlage bedeutet. Ob eine abnorme Erlebnisreaktion nur kurze Zeit andauere, sei von der Kumulierung psychischer Belastungen und der aktuellen Vorgeschichte abhängig. Er sehe die Kumulation extremer psychischer Belastungen anders und länger andauernd als die Vorgutachter. Nach seiner Einschätzung bestehe für den stationären Krankenhausaufenthalt eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. Über den Verlauf des Jahres 2010 schätze er die unfallbedingte MdE mit 30 v.H. ein. Ab 01.01.2011 sei eine unfallbedingte MdE nicht mehr anzunehmen. Eine paranoide Persönlichkeitsstörung liege beim Kläger nicht vor, auch keine seit der Jugend bestehende chronische psychiatrische Diagnose. Hierfür habe Dr. L1 keine Beweise. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Gutachten des Prof. Dr. X verwiesen.

Schließlich hat das SG von Amts wegen ein weiteres Gutachten eingeholt, und zwar von dem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. U vom B Krankenhaus in N. Dieser ist in Übereinstimmung mit Dr. L1 in dem von ihm verantworteten und unterschriebenen Gutachten vom 16.11.2012, an dem die Assistenzärztin Dr. H mitgewirkt hat, aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers vom 18.10.2012 und unter Berücksichtigung der aktenkundigen Unterlagen zu dem Ergebnis gelangt, dass durch das Ereignis vom 12.02.2010 keine Gesundheitsstörungen hervorgerufen oder verschlimmert worden seien. Bei dem Kläger liege eine ausgeprägte neurotische, regressiv-depressive Entwicklung mit Vermeidungs- und Schonverhalten mit mangelndem psychischen Krankheitsverständnis sowie fehlender Veränderungsmotivation vor. Außerdem bestehe eine Konversionssymptomatik mit Aggravationstendenzen. Als psychiatrische Diagnose bestehe eine passiv-aggressive Persönlichkeitsakzentuierung. Diese Art von Störung bestehe ein Leben lang und fange nicht plötzlich im Laufe des Lebens an. Durch stabilisierend wirkende Faktoren könne eine bereits früher mögliche, gänzliche Dekompensation allerdings lange hinausgezögert werden. Bei dem Kläger habe nach dem Ereignis vom 12.02.2010 eine akute Belastungsreaktion vorgelegen, für die er keine geeignete Bewältigungsstrategie besessen habe. Eine akute Belastungsreaktion setze üblicherweise mit dem Erleben der belastenden Situation ein und dauere Stunden bis Tage, in seltenen Fällen Wochen. Im Gegensatz zu einer PTBS handele es sich hierbei um Belastungen, die nicht von einem außergewöhnlichen oder katastrophalen Ausmaß seien. Der Kläger habe die Kontrolle über die Geschehnisse schnell wieder gewonnen und der Situation entsprechend angepasst gehandelt. Er sei sofort wieder Herr der Lage geworden, indem er dem Schüler die Spielzeugpistole direkt aus der Hand genommen habe. Ein schweres traumatisches Ereignis habe demzufolge zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Eine PTBS sei damit ausgeschlossen. Er teile die Auffassung von Dr. C, dass bei dem Kläger bereits vor dem Ereignis eine Dysthymie bestanden habe. Er stimme auch zum überwiegenden Teil mit den Ausführungen von Dr. L1 überein, insbesondere mit der von ihr ausführlich beschriebenen Diagnose einer Persönlichkeitsstörung. Die Empfindlichkeit und Kränkbarkeit bei der Wahrnehmung des Klägers erscheine auch ihm offenkundig. Das Ereignis vom 12.02.2010 sei als Teil der sich im Laufe seines Lebens aneinanderreihenden "negativen" Ereignisse, voran das "bodenlose" Studium, die zahlreichen als Erniedrigung empfundenen Erfahrungen als "Taxifahrer", die bis heute fehlende Partnerschaft, die Kündigung der Wohnung, die Rückkehr zu den Eltern usw. anzusehen, welches lediglich das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Erst durch die reale Bedrohung seiner Existenz (Verlust des Arbeitsplatzes) sei der Leidensdruck des Klägers offenkundig geworden. Die depressive Symptomatik sei inzwischen vollständig abgeklungen und nicht mehr behandlungsbedürftig. Die bei der Untersuchung demonstrativ vorgetragenen depressiven Symptome seien nicht besonders glaubwürdig und nachvollziehbar. Leidensdruck sei in keinster Weise deutlich geworden. Mit den Ausführungen von Prof. Dr. X stimme er insoweit nicht überein, als hier das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung vollkommen ausgeschlossen werde. Bei dem Kläger habe infolge des Ereignisses vom 12.02.2010 zu keiner Zeit, auch nicht direkt nach dem Unfall, eine MdE vorgelegen. Direkt im Anschluss an das Ereignis vom 12.02.2010 sei der Kläger maximal sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Gutachten des Dr. U Bezug genommen.

Im Anschluss an das Gutachten von Dr. U hat der Kläger eine weitere Bescheinigung der Diplom-Psychologin L vom 09.01.2013 vorgelegt. Diese hat ausgeführt, dass sich der Kläger weiterhin in ihrer Psychotherapie befinde. Die zu Behandlungsbeginn vorliegende schwere Depression habe sich inzwischen gebessert. Es bestehe jedoch noch eine Teilsymptomatik der PTBS. Eine paranoide Persönlichkeitsstörung könne ausgeschlossen werden.

Mit Urteil vom 07.05.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Ereignis vom 12.02.2010 sei zwar grundsätzlich geeignet gewesen, eine psychische Reaktion hervorzurufen. Bei dem Kläger liege aber keine Gesundheitsstörung vor, die auf dieses Ereignis zurückzuführen sei. Hierbei hat sich das SG auf die Gutachten von Dres. L1 und U gestützt. Dem Gutachten von Prof. Dr. X könne nicht gefolgt werden, weil dieser die beiden Vorfälle vom 12.02.2010 und 16.02.2010 vermischt habe.

Bei dem Gespräch mit der Direktorin am 16.02.2010 habe es sich jedoch nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 27.05.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.06.2013 Berufung eingelegt. Er hält die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen für erforderlich. Das SG habe nicht in Erwägung gezogen, dass das streitgegenständliche Ereignis die nach den Feststellungen der Gutachter bestehende psychische Erkrankung verschlimmert habe. Im Übrigen sei abzuklären, ob nun eine Persönlichkeitsstörung oder nur eine Persönlichkeitsakzentuierung vorliege. Er leide an einer Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung und einer Depression und nicht an einer Persönlichkeitsstörung. Zum Beleg hierfür legt er Berichte der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universitätsklinik B vom 14.08.2014, des LWL-Universitätsklinikums C vom 24.03.2014 und des Gemeinschaftskrankenhauses I vom 24.03.2014 vor, in denen übereinstimmend eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert wurde. Er trägt vor, das SG habe sich nicht ausreichend mit dem Gutachten des Prof. Dr. X auseinandergesetzt. Die Gutachten von Dres. L1 und U seien nicht valide und nicht verwertbar. Das Gutachten von Dr. U gehe von einem falschen Sachverhalt aus und sei nicht objektiv, da ihm in verschiedenen Bereichen der Anamnese begründungslose und verfehlte Unwahrheiten unterstellt worden seien. So sei er nach der Untersuchung im St. K Hospital nicht nach Hause entlassen, sondern im Rahmen der Krisenintervention sofort in die LWL-Universitätsklinik verlegt worden. Die Darstellungen im psychopathologischen Befund seien geprägt von subjektiven Wahrnehmungen, Unterstellungen und Spekulationen. Im Übrigen sei die Begutachtung überwiegend durch die Assistenzärztin und nicht durch Dr. U erfolgt. An dem Gutachten von Dr. L1 beanstande er, dass diese eine Persönlichkeitsstörung unterstelle, ohne hierfür belastbare Befunde oder andere Erkenntnisse vorzulegen. Um die bei ihm diagnostizierte Persönlichkeitsstörung, zu diagnostizieren bzw. auszuschließen sei ein strukturiertes Interview (SKID II) erforderlich. Ein derartiges Interview sei bei seinem ersten Aufenthalt in der LWL-Klinik nicht durchgeführt worden. Am 17.06.2013 habe sich ein weiterer Vorfall ereignet. Während seiner Arbeit sei er beleidigt worden. Im anschließenden Schiedsverfahren sei er auf den Täter getroffen, der unvermittelt zugeschlagen habe. Dies habe bei ihm zum erneuten Ausbrechen seiner Probleme geführt. Er habe sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg der Besserung befunden. Wegen des oben genannten Vorfalls sei eine PTBS eingetreten, welche in einer Akutklinik behandelt worden sei. Diese Reaktion sei ausschließlich auf den Vorfall vom 12.02.2010 zurückzuführen. Vor dem Vorfall am 12.02.2010 habe er nicht unter Depressionen gelitten. Er beantrage auch die Prüfung, ob weitere Gesundheitsstörungen (Lärmempfindlichkeit, Lichtempfindlichkeit, Schreckhaftigkeit, verminderte Reaktionsfähigkeit) im Zusammenhang stehen mit den Ereignissen vom 12.02.2010, 16.02.2010 und späteren Ereignissen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragt der Kläger,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.05.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.09.2010 und des Bescheides vom 24.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2011 zu verurteilen, wegen der Folgen des Unfalls vom 12.02.2010 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass die Sachverständigen Dres. L1 und U nicht festgestellt haben, dass das Ereignis vom 12.02.2010 eine vorbestehende psychische Erkrankung des Klägers verschlimmert habe. Im Übrigen könne eine Verschlimmerung nur dann vorliegen, wenn die zu beurteilende Gesundheitsstörung vor dem Unfallereignis bereits als klinisch manifester, mit objektivierbaren Veränderungen vorhandener Krankheitszustand nachweisbar vorhanden gewesen wäre.

Der Senat hat Befundberichte eingeholt von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. T, bei der der Kläger im August und November 2014 vorstellig geworden war, Prof. Dr. Dr. T1, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Universitätsklinikums B und vom LWL-Universitätsklinikum C. In ihrem Bericht vom 08.12.2014 diagnostizierte Dr. T eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, und eine unsichere Persönlichkeitsstörung. Zu der Frage einer paranoiden Persönlichkeitsstörung oder einer passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung könne sie keine Beurteilung abgeben. Auch Prof. Dr. Dr. T1 diagnostizierte in seinem Bericht vom 02.01.2015 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit selbstunsichervermeidenden, passiv-aggressiven und querulatorischen Anteilen. In dem Bericht des LWL-Universitätsklinikums C vom 08.01.2015 wurde ausgeführt, dass im Zuge der ersten stationären Behandlung vom 16.02.2010 bis zum 09.04.2010 die Diagnosen einer akuten Belastungsreaktion, einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer Dysthymie gestellt worden seien. Im Zuge eines ambulanten Kurzkontaktes am 10.01.2014 aufgrund eines kurz zuvor stattgefundenen Vorfalls, bei dem der Kläger bei einer Gerichtsverhandlung geohrfeigt worden sei und daraufhin heftige psychische Reaktionen gezeigt habe, habe das Bild einer PTBS imponiert. Die Behandlung vom 21.03.2014 bis zum 24.03.2014 sei dann unter der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, erfolgt.

Dem Antrag des Klägers auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat nicht entsprochen, da das Antragsrecht des Klägers bereits durch die Einholung des Gutachtens von Prof. Dr. X im sozialgerichtlichen Verfahren verbraucht war.

Nach der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger noch einen Befangenheitsantrag gegen Dr. U und zahlreiche "Beweisanträge" gestellt, die er aber im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wiederholt hat. Insbesondere hat er beantragt, die ihn behandelnden Ärzte und Psychologen sowie die bisher im Verwaltungs- und Streitverfahren beauftragten Sachverständigen zu den von ihm noch als offen angesehenen Fragen im Termin zur mündlichen Verhandlung zu befragen und/oder ein weiteres Gutachten nach § 106 SGG oder § 109 SGG einzuholen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 14.10.2016, 17.10.2016 und 21.10.2016 Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Ihre Inhalte sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger ist durch die Bescheide vom 16.09.2010 und 24.09.2010 nicht beschwert, da diese nicht rechtswidrig sind (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente; auch die Verletztengeldabrechnung ist rechtmäßig, da der Kläger über den 09.04.2010 hinaus keinen Anspruch auf Verletztengeld hat.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier: eines Arbeitsunfalls (§ 8 Abs. 1 SGB VII) - über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. oder bei Vorliegen eines Stützrententatbestandes um 10 v.H. gemindert ist. Für die Gewährung von Rente ist erforderlich, dass länger andauernde Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens entstanden sind (haftungsausfüllende Kausalität) und hierdurch der rentenberechtigende Grad der MdE bedingt wird. Dabei müssen Art und das Ausmaß des Unfallereignisses, der Gesundheitserstschaden und die hierdurch verursachten länger andauernden Unfallfolgen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen sind, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden.

Diese Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rente sind nicht erfüllt. Der Vorfall vom 12.02.2010 war zwar geeignet, eine psychische Reaktion hervorzurufen. Hierbei kann der Senat offen lassen, ob der Kläger hierdurch tatsächlich einen Erstschaden erlitten hat, was aufgrund der Gutachten der Dres. L1 und U zumindest zweifelhaft ist. Denn die Erwerbsfähigkeit des Klägers war infolge des Ereignisses vom 12.02.2010 nicht über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert.

Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den übereinstimmenden Gutachten der Dres. C, L1 und U. Diese sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass das Ereignis vom 12.02.2010 allenfalls zu einer vorübergehenden Belastungsreaktion geführt hat (Dr. L1 hat nicht einmal diese Unfallfolge gesehen) und die beim Kläger nach dem 09.04.2010 auf psychiatrischem Fachgebiet noch vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht mehr dem Ereignis vom 12.02.2010 zugerechnet werden können. An dieser Kausalbeurteilung hat der Senat keine Zweifel. Die genannten Gutachter haben die Persönlichkeit des Klägers unter Berücksichtigung seiner sozialen Anamnese sorgfältig herausgearbeitet, weitgehend übereinstimmend beschrieben und schlüssig und nachvollziehbar begründet, warum die verbliebenen Gesundheitsstörungen durch die Persönlichkeit des Klägers und nicht durch das Ereignis vom 12.02.2010 bedingt sind. Auch für einen medizinischen Laien ist aufgrund der Begleitumstände des angeschuldigten Ereignisses (der Täter war erst 14 Jahre alt und dem Kläger bekannt, der 12.02.2010 war Weiberfastnacht, der Kläger hat innerhalb kurzer Zeit erkannt, dass er mit einer Spielzeugpistole bedroht wurde und situationsangemessen gehandelt) ohne Weiteres nachvollziehbar, dass dieses Ereignis allenfalls zu einer vorübergehenden Belastungssituation geführt haben kann. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Gutachten des Dr. U auch verwertbar, obwohl eine Assistenzärztin daran mitgewirkt hat. Die Mitwirkung von Hilfskräften ist nämlich zulässig. Dr. U hat das Gutachten auch persönlich verantwortet und unterzeichnet (siehe Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 118 Rn.11g). Auch der Befangenheitsantrag des Klägers gegen Dr. U, über den nur das SG entscheiden kann, macht dessen Gutachten nicht unverwertbar, da dieser unzulässig ist. Abgesehen davon, dass der Antrag nicht rechtzeitig gestellt wurde, war er nur bis zur Beendigung der 1. Instanz zulässig (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., 11. Auflage, § 60 Rn.11).

Die gutachtliche Einschätzung, dass durch dieses Ereignis allenfalls eine vorübergehende Belastungsreaktion hervorgerufen wurde, steht auch in Einklang mit den Berichten der LWL-Universitätsklinik C über die stationäre Behandlung vom 12.02.2010 bis zum 09.04.2010 vom 20.04.2010 und der Diplom-Psychologin L vom 24.03.2010. Weder die LWL-Universitätsklinik noch die Diplom-Psychologin haben bei der zeitnahen Behandlung Symptome einer PTBS erkennen können. Diagnostiziert wurden auch hier vielmehr eine akute Belastungsreaktion, eine paranoide Persönlichkeitsstörung und eine Dysthymia (LWL-Universitätsklinikum) sowie eine schwere Depression (Diplom-Psychologin L). Wenig überzeugend ist, dass die Diplom-Psychologin L dann im Januar 2013 - entgegen ihren eindeutigen Angaben, die sie zeitnah nach dem Ereignis gemacht hatte - eine Teilsymptomatik der PTBS diagnostiziert hat. Da in keinem ärztlichen Befund, weder in den eingeholten Sachverständigengutachten, noch in den übrigen aktenkundigen medizinischen Berichten, objektive Anhaltspunkte/Symptome für eine PTBS dokumentiert sind, sind die entsprechenden Diagnosen der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie B und des St. N-Hospitals F nicht nachvollziehbar.

Aus den im Berufungsverfahren eingeholten Berichten der Universitätsklinik B, des Gemeinschaftskrankenhauses I, der Dr. T und des Prof. Dr. Dr. T1 ergibt sich nichts anderes. Auch diese Berichte enthalten die Diagnosen einer Depression und einer selbstunsicher vermeidenden Persönlichkeitsstörung, jedoch keinerlei Anhaltspunkte für einen ursächlichen Zusammenhang dieser Erkrankungen mit dem Ereignis vom 12.02.2010. Soweit das LWL-Universitätsklinikum C ausgeführt hat, im Zuge eines ambulanten Kurzkontakts am 10.01.2014 habe das Bild einer PTBS imponiert, bezieht sich dies nicht auf die Folgen des Ereignisses vom 12.02.2010, sondern auf den vom Kläger beschriebenen Vorfall vom 17.06.2013, bei dem er im Rahmen eines Schiedsgerichtsverfahrens geohrfeigt worden war.

Das gemäß § 109 SGG auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten des Prof. Dr. X rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Im Gegenteil: Auch dieser Sachverständige hat die von ihm diagnostizierten Gesundheitsstörungen nicht auf das Ereignis vom 12.02.2010, sondern auf das Ereignis vom 16.02.2010 (Vorsprache bei der Direktorin) zurückgeführt. Das Ereignis vom 16.02.2010 ist vorliegend aber - wie sich aus dem Antrag des Klägers ergibt - nicht Streitgegenstand. Im Übrigen ist das Gutachten von Prof. Dr. X nicht überzeugend. Die Diagnose einer abnormen Erlebnisreaktion nach Extrembelastung ist nicht nachvollziehbar, da es sich weder bei dem Ereignis vom 12.02.2010 noch bei dem Ereignis vom 16.02.2010 um eine Extrembelastung gehandelt hat (Beispiele für den von Prof. Dr. X angewandten Diagnoseschlüssel ICD 10, F 62: andauerndes Ausgesetztsein lebensbedrohlicher Situationen als Opfer von Terrorismus, andauernde Gefangenschaft mit unmittelbarer Todesgefahr, Folter, Konzentrationslagererfahrungen). Zudem enthält das Gutachten keinerlei Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Kausalzusammenhang.

Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger genannten Gesundheitsstörungen "Lärmempfindlichkeit, Lichtempfindlichkeit, Schreckhaftigkeit, verminderte Reaktionsfähigkeit" ursächlich auf das Ereignis vom 12.02.2010 zurückzuführen sind, sind nicht ersichtlich. Ob die weiteren Vorfälle, die der Kläger für seine Gesundheitsstörungen verantwortlich macht, tatsächlich ursächlich für diese sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da nur der Vorfall vom 12.02.2010 Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

Auch der Bescheid der Beklagten vom 16.09.2010 über die Abrechnung des Verletztengeldes ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird Verletztengeld erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind. Bei dem Kläger lag aber über den 09.04.2010 hinaus keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr vor. Insoweit wird zur Begründung gemäß § 153 Abs. 2 SGG nBezug genommen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Diese macht sich der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen. Nach der unfallversicherungsmedizinischen Fachliteratur klingt eine Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung in der Regel innerhalb von Tagen, längstens nach vier Wochen ab (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 143, 5.1.1). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Senat aufgrund der Gutachten von Dres. L1 und U auch erhebliche Zweifel daran hat, dass der Kläger aufgrund des Ereignisses vom 12.02.2010 überhaupt arbeitsunfähig war.

Die vom Kläger beantragten weiteren Ermittlungen von Amts wegen sind auf Grund der eindeutigen Beweislage nicht erforderlich. Insbesondere besteht kein Anlass zu ermitteln, ob die von den Sachverständigen festgestellten Diagnosen zutreffend sind. Die Beantwortung dieser Frage ist unerheblich, da aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme feststeht, dass das Ereignis vom 10.02.2010 keine dieser Erkrankungen verursacht hat.

Die beantragten Ermittlungen nach § 109 SGG kommen ebenfalls nicht in Betracht. Das Antragsrecht des Klägers war durch die Einholung des Gutachtens von Prof. Dr. X im sozialgerichtlichen Verfahren verbraucht. Soweit der Kläger erklärt hat, er sei von seinem Rechtsanwalt im sozialgerichtlichen Verfahren nicht darüber informiert worden, dass ein Gutachten nach § 109 SGG in der Regel nur in einer Instanz beantragt werden könne, ändert dies nichts. Das Prozessverhalten seines Bevollmächtigten muss er sich zurechnen lassen. Im Übrigen hat der Kläger seinen Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG auch im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten (siehe hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 18a).

Schließlich ist der Senat auch nicht aufgrund von § 118 SGG in Verbindung mit § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung verpflichtet, die Sachverständigen Dres. C, L1, U und Prof. Dr. X im Termin zur mündlichen Verhandlung zu hören. Abgesehen davon, dass das Fragerecht nur hinsichtlich Gutachten besteht, die in derselben Instanz erstattet worden sind, hat der Kläger diese Anträge auch im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt (siehe Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 118 Rn. 12e und 12g).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht
Rechtskraft
Aus
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