Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 68/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der am 00.00.0000 geborene Antragsteller leidet an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose des schizophrenen Formenkreises. Zu keinem Zeitpunkt ist bei ihm eine Pflegebedürftigkeit im Umfang zumindest der Pflegestufe 1 ("erheblich pflegebedürftig") gem. §§ 14, 15 des Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung festgestellt worden. Er erhielt von der Antragsgegnerin seit 1997 Hilfe zur Pflege als Leistung der Sozialhilfe durch Übernahme der Kosten eines ambulanten Pflegedienstes (monatlich ca. 250 bis 300 EUR). Desweiteren erhält er Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Nach Einholung eines Pflegegutachtens des MDK Nordrhein vom 07.02.2017, in dem festgestellt wurde, dass beim Antragsteller kein Pflegegrad besteht, und Anhörung des Antragstellers hob die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 07.04.2017 ihren Bescheid vom 31.10.1997 bezüglich der Übernahme der Kosten eines ambulanten Pflegedienstes mit Wirkung ab 01.05.2017 auf und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an. Am 26.04.2017 hat der Antragsteller beim Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Am 05.05.2017 hat er gegen den Bescheid vom 07.04.2017 Widerspruch eingelegt. Er trägt vor, er sei nun, da nach 20 Jahren die Kosten für notwendige Leistungen zur Pflege vom Amt nicht mehr übernommen werden, ungleich schlechter gestellt als je zuvor. Er sei nach wie vor nicht in der Lage, für seine hauswirtschaftlichen Tätigkeiten und seine Hygiene zu sorgen, und deshalb auf Sozialhilfeleistungen angewiesen.
II. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (des Widerspruchs vom 05.05.2017 gegen den Bescheid vom 07.04.2017) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Statthafter Rechtsbehelf ist § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Rücknahme einer Leistungsbewilligung nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung, da es sich bei der Rücknahme der Bewilligung von Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII nicht um Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG handelt (Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 11 Aufl. 2014, § 86a Rdnr. 16c m.w.N.). Die Antragsgegnerin hat jedoch im Bescheid vom 07.04.2017 die sofortige Vollziehung dieses Verwaltungsaktes angeordnet, wodurch nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die aufschiebende Wirkung des dagegen erhobenen Widerspruchs vom 05.05.2017 entfällt. Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag hat Erfolg, wenn die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch die Behörde in formeller Hinsicht fehlerhaft ist oder im Rahmen der materiellen Prüfung die Abwägung das Interesse des Antragstellers am Suspensiveffekt seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin ist formell rechtmäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung bedarf nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG der schriftlichen Begründung. Die schriftliche Begründung muss sämtliche Gesichtspunkte enthalten, die die Behörde in ihre Entscheidung einbezogen hat. Sie muss außerdem erkennen lassen, warum in diesem konkreten Einzelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Betroffenen überwiegt (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29.12.2008 – L 7 SO 62/08 B ER m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist die Begründung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.04.2017 nicht zu beanstanden, weil sie auf den Einzelfall bezogen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit verdeutlicht hat. Im Übrigen hält die vorgenommene Abwägung der Interessen der Antragstellerin mit öffentlichen Interessen der gerichtlichen Überprüfung stand.
Prüfungsmaßstab für das Gericht ist bei der Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die Erfolgsaussicht der Antragstellerin in einem Hauptsacheverfahren gegen den Bescheid, dessen sofortige Vollziehung die Behörde angeordnet hat. Ist dieser Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene durch ihn in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird die Vollziehung ausgesetzt, weil dann ein öffentliches Interesse an ihr nicht erkennbar ist; die Prüfung einer besonderen Eilbedürftigkeit ist in diesem Fall dann nicht erforderlich (h.M., Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 11 Aufl. 2014, § 86b Rdnr. 12f m.w.N.). Ist der Widerspruch oder die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Ist die Erfolgsaussicht eines Hauptsachverfahrens dagegen nicht in dieser Weise abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei der Grad der Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden kann.
Der Antragsteller war bisher nach Maßgabe des bis 31.12.2016 geltenden Pflegerechtes und ist auch nach dem seit 01.01.2017 geltenden Pflegerecht durch das "Dritte Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften" (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3191) nicht als Pflegebedürftiger anerkannt. Er war nach dem bis 31.12.2016 geltenden Recht nicht wenigstens in die Pflegestufe 1 eingestuft; er ist auch aufgrund der Übergangsregelungen der § 140 SGB XI und § 137 SGB XII nicht in einen Pflegegrad überzuleiten; und er hat – nach dem Gutachten des MDK vom 07.02.2017 – auch keinen auf der Grundlage des ab 01.01.2017 geltenden Rechts ermittelten Pflegegrad.
Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung konnten auch Kranke und behinderte Menschen, die nicht zumindest erheblich pflegebedürftig waren und dementsprechend nur einen unterhalb der Pflegestufe 1 liegenden Bedarf hatten, Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII beanspruchen. Aufgrund dessen hatte der Antragsteller Sozialhilfeleistungen erhalten. Nach den nunmehr einschlägigen §§ 61, 63 SGB XII in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung haben nur Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 Anspruch auf Hilfe zur Pflege. Dazu gehört der Antragsteller nach den bisherigen Erkenntnissen nicht. Der angefochtene Bescheid vom 07.04.2017 ist daher nicht offensichtlich rechtswidrig, sondern im Gegenteil ersichtlich rechtmäßig. Dies gilt auch im Hinblick auf die Anwendung der Übergangsregelung des § 138 SGB XII in Verbindung mit der Verfahrensregelung des § 63a SGB XII.
Dem Gesetzgeber ist durchaus bewusst gewesen, dass sich im SGB XII durch das neue Pflegerecht eine Verschlechterung der Leistungen gegenüber dem alten Recht ergeben kann. So heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfes zum PSG III zu § 61a SGB XII (vgl. BT-Drucksache 18/9518, S. 84): "Absatz 1 ist mit Ausnahme der zeitlichen Untergrenze des SGB XI inhaltsgleich mit der entsprechenden Vorschrift für die gesetzliche Pflegeversicherung in § 14 Abs. 1 SGB XI. Gegenüber dem geltenden Recht werde damit die Voraussetzungen weiter aneinander angeglichen. Der geltende Pflegbedürftigkeitsbegriff des SGB XII ist insoweit umfassender als der geltende Pflegebedürftigkeitsbegriff des SGB XI, als auch Leistungen in den Fällen erbracht werden können, in denen voraussichtlich für weniger als sechs Monate die Voraussetzungen einer Pflegebedürftigkeit vorliegen. Darüber hinaus erhalten nach dem geltenden Recht auch die Personen Hilfe zur Pflege, die einen geringeren Hilfebedarf haben, als ihn die Pflegeversicherung voraussetzt, oder die Hilfe zur Pflege für andere als die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen bedürfen. Im Zuge der Umstellung von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade werden die Leistungssysteme von SGB XII und SGB XI angeglichen, als pflegebedürftig im Sinne der Hilfe zur Pflege nur solche Personen sind, die in einen Pflegegrad eingestuft werden. Personen, die im Begutachtungsverfahren weniger als 12,5 Gesamtpunkte erhalten und daher keinen Pflegegrad erreichen, werden künftig keine Leistungen der Hilfe zur Pflege erhalten. Ein pflegerischer Bedarf, der Leistungen der Hilfe zur Pflege auch unterhalb dieses Gesamtpunktwertes erfordert, kann pflegewissenschaftlich nicht begründet werden."
Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich im Hauptsacheverfahren (Widerspruchs- oder ggf. anschließendem Sozialgerichtsverfahren) durch weitere Beweiserhebungen herausstellt, dass der Antragsteller doch zumindest den Pflegegrad 2 hat. Dies rechtfertigt aber nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit der Folge der Weitergewährung der bisherigen Sozialhilfeleistungen über den 30.04.2017 hinaus. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Interessenabwägung daraufhin gewiesen, dass durch die mit Inkrafttreten des PSG III zum 01.01.2017 eingetretenen gravierenden Änderungen der Leistungsgewährung, die einer weiteren Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII entgegenstehen, das öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Folge der Einstellung der Leistungen ab 01.05.2017 höher wiegt als das Individualinteresse des Antragstellers an der Aufrechterhaltung der Leistung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im MDK-Gutachten kein Pflegegrad ermittelt worden ist, der Antragsteller aber zumindest den Pflegegrad 2 erreichen müsste, um Anspruch auf Hilfe zur Pflege zu haben. Dies erscheint bei summarischer Prüfung der Sachlage unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Antragstellers eher unwahrscheinlich.
In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der angefochtene Bescheid ausschließlich die Einstellung der Sozialhilfeleistung "Hilfe zur Pflege" und den sofortigen Vollzug der Leistungseinstellung zum Gegenstand hat. Die sozialhilferechtliche Verschärfung der Voraussetzungen für diese Leistung bedeutet nicht, dass die bisher bezogenen Leistungen nicht – so oder ähnlich – als andere Sozialhilfe beantragt und bezogen werden können. So heißt es in der Gesetzesbegründung des PSG III (BT-Drucksache 18/9518, S. 84) ausdrücklich: "Andere Leistungen der Sozialhilfe, wie etwa die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts, blieben möglich." Darüber hat die Kammer aber in diesem Eilverfahren nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I. Der am 00.00.0000 geborene Antragsteller leidet an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose des schizophrenen Formenkreises. Zu keinem Zeitpunkt ist bei ihm eine Pflegebedürftigkeit im Umfang zumindest der Pflegestufe 1 ("erheblich pflegebedürftig") gem. §§ 14, 15 des Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung festgestellt worden. Er erhielt von der Antragsgegnerin seit 1997 Hilfe zur Pflege als Leistung der Sozialhilfe durch Übernahme der Kosten eines ambulanten Pflegedienstes (monatlich ca. 250 bis 300 EUR). Desweiteren erhält er Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Nach Einholung eines Pflegegutachtens des MDK Nordrhein vom 07.02.2017, in dem festgestellt wurde, dass beim Antragsteller kein Pflegegrad besteht, und Anhörung des Antragstellers hob die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 07.04.2017 ihren Bescheid vom 31.10.1997 bezüglich der Übernahme der Kosten eines ambulanten Pflegedienstes mit Wirkung ab 01.05.2017 auf und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an. Am 26.04.2017 hat der Antragsteller beim Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Am 05.05.2017 hat er gegen den Bescheid vom 07.04.2017 Widerspruch eingelegt. Er trägt vor, er sei nun, da nach 20 Jahren die Kosten für notwendige Leistungen zur Pflege vom Amt nicht mehr übernommen werden, ungleich schlechter gestellt als je zuvor. Er sei nach wie vor nicht in der Lage, für seine hauswirtschaftlichen Tätigkeiten und seine Hygiene zu sorgen, und deshalb auf Sozialhilfeleistungen angewiesen.
II. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (des Widerspruchs vom 05.05.2017 gegen den Bescheid vom 07.04.2017) ist zulässig, jedoch nicht begründet. Statthafter Rechtsbehelf ist § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Rücknahme einer Leistungsbewilligung nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung, da es sich bei der Rücknahme der Bewilligung von Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII nicht um Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 86a Abs. 2 Nr. 3 SGG handelt (Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 11 Aufl. 2014, § 86a Rdnr. 16c m.w.N.). Die Antragsgegnerin hat jedoch im Bescheid vom 07.04.2017 die sofortige Vollziehung dieses Verwaltungsaktes angeordnet, wodurch nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die aufschiebende Wirkung des dagegen erhobenen Widerspruchs vom 05.05.2017 entfällt. Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag hat Erfolg, wenn die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch die Behörde in formeller Hinsicht fehlerhaft ist oder im Rahmen der materiellen Prüfung die Abwägung das Interesse des Antragstellers am Suspensiveffekt seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin ist formell rechtmäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung bedarf nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG der schriftlichen Begründung. Die schriftliche Begründung muss sämtliche Gesichtspunkte enthalten, die die Behörde in ihre Entscheidung einbezogen hat. Sie muss außerdem erkennen lassen, warum in diesem konkreten Einzelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Betroffenen überwiegt (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 29.12.2008 – L 7 SO 62/08 B ER m.w.N.). Nach diesem Maßstab ist die Begründung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.04.2017 nicht zu beanstanden, weil sie auf den Einzelfall bezogen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit verdeutlicht hat. Im Übrigen hält die vorgenommene Abwägung der Interessen der Antragstellerin mit öffentlichen Interessen der gerichtlichen Überprüfung stand.
Prüfungsmaßstab für das Gericht ist bei der Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG die Erfolgsaussicht der Antragstellerin in einem Hauptsacheverfahren gegen den Bescheid, dessen sofortige Vollziehung die Behörde angeordnet hat. Ist dieser Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene durch ihn in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird die Vollziehung ausgesetzt, weil dann ein öffentliches Interesse an ihr nicht erkennbar ist; die Prüfung einer besonderen Eilbedürftigkeit ist in diesem Fall dann nicht erforderlich (h.M., Meyer-Ladewig/Keller, SGG, 11 Aufl. 2014, § 86b Rdnr. 12f m.w.N.). Ist der Widerspruch oder die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Ist die Erfolgsaussicht eines Hauptsachverfahrens dagegen nicht in dieser Weise abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei der Grad der Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden kann.
Der Antragsteller war bisher nach Maßgabe des bis 31.12.2016 geltenden Pflegerechtes und ist auch nach dem seit 01.01.2017 geltenden Pflegerecht durch das "Dritte Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften" (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3191) nicht als Pflegebedürftiger anerkannt. Er war nach dem bis 31.12.2016 geltenden Recht nicht wenigstens in die Pflegestufe 1 eingestuft; er ist auch aufgrund der Übergangsregelungen der § 140 SGB XI und § 137 SGB XII nicht in einen Pflegegrad überzuleiten; und er hat – nach dem Gutachten des MDK vom 07.02.2017 – auch keinen auf der Grundlage des ab 01.01.2017 geltenden Rechts ermittelten Pflegegrad.
Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung konnten auch Kranke und behinderte Menschen, die nicht zumindest erheblich pflegebedürftig waren und dementsprechend nur einen unterhalb der Pflegestufe 1 liegenden Bedarf hatten, Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII beanspruchen. Aufgrund dessen hatte der Antragsteller Sozialhilfeleistungen erhalten. Nach den nunmehr einschlägigen §§ 61, 63 SGB XII in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung haben nur Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 Anspruch auf Hilfe zur Pflege. Dazu gehört der Antragsteller nach den bisherigen Erkenntnissen nicht. Der angefochtene Bescheid vom 07.04.2017 ist daher nicht offensichtlich rechtswidrig, sondern im Gegenteil ersichtlich rechtmäßig. Dies gilt auch im Hinblick auf die Anwendung der Übergangsregelung des § 138 SGB XII in Verbindung mit der Verfahrensregelung des § 63a SGB XII.
Dem Gesetzgeber ist durchaus bewusst gewesen, dass sich im SGB XII durch das neue Pflegerecht eine Verschlechterung der Leistungen gegenüber dem alten Recht ergeben kann. So heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfes zum PSG III zu § 61a SGB XII (vgl. BT-Drucksache 18/9518, S. 84): "Absatz 1 ist mit Ausnahme der zeitlichen Untergrenze des SGB XI inhaltsgleich mit der entsprechenden Vorschrift für die gesetzliche Pflegeversicherung in § 14 Abs. 1 SGB XI. Gegenüber dem geltenden Recht werde damit die Voraussetzungen weiter aneinander angeglichen. Der geltende Pflegbedürftigkeitsbegriff des SGB XII ist insoweit umfassender als der geltende Pflegebedürftigkeitsbegriff des SGB XI, als auch Leistungen in den Fällen erbracht werden können, in denen voraussichtlich für weniger als sechs Monate die Voraussetzungen einer Pflegebedürftigkeit vorliegen. Darüber hinaus erhalten nach dem geltenden Recht auch die Personen Hilfe zur Pflege, die einen geringeren Hilfebedarf haben, als ihn die Pflegeversicherung voraussetzt, oder die Hilfe zur Pflege für andere als die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen bedürfen. Im Zuge der Umstellung von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade werden die Leistungssysteme von SGB XII und SGB XI angeglichen, als pflegebedürftig im Sinne der Hilfe zur Pflege nur solche Personen sind, die in einen Pflegegrad eingestuft werden. Personen, die im Begutachtungsverfahren weniger als 12,5 Gesamtpunkte erhalten und daher keinen Pflegegrad erreichen, werden künftig keine Leistungen der Hilfe zur Pflege erhalten. Ein pflegerischer Bedarf, der Leistungen der Hilfe zur Pflege auch unterhalb dieses Gesamtpunktwertes erfordert, kann pflegewissenschaftlich nicht begründet werden."
Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich im Hauptsacheverfahren (Widerspruchs- oder ggf. anschließendem Sozialgerichtsverfahren) durch weitere Beweiserhebungen herausstellt, dass der Antragsteller doch zumindest den Pflegegrad 2 hat. Dies rechtfertigt aber nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs mit der Folge der Weitergewährung der bisherigen Sozialhilfeleistungen über den 30.04.2017 hinaus. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Interessenabwägung daraufhin gewiesen, dass durch die mit Inkrafttreten des PSG III zum 01.01.2017 eingetretenen gravierenden Änderungen der Leistungsgewährung, die einer weiteren Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII entgegenstehen, das öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Folge der Einstellung der Leistungen ab 01.05.2017 höher wiegt als das Individualinteresse des Antragstellers an der Aufrechterhaltung der Leistung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im MDK-Gutachten kein Pflegegrad ermittelt worden ist, der Antragsteller aber zumindest den Pflegegrad 2 erreichen müsste, um Anspruch auf Hilfe zur Pflege zu haben. Dies erscheint bei summarischer Prüfung der Sachlage unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Antragstellers eher unwahrscheinlich.
In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der angefochtene Bescheid ausschließlich die Einstellung der Sozialhilfeleistung "Hilfe zur Pflege" und den sofortigen Vollzug der Leistungseinstellung zum Gegenstand hat. Die sozialhilferechtliche Verschärfung der Voraussetzungen für diese Leistung bedeutet nicht, dass die bisher bezogenen Leistungen nicht – so oder ähnlich – als andere Sozialhilfe beantragt und bezogen werden können. So heißt es in der Gesetzesbegründung des PSG III (BT-Drucksache 18/9518, S. 84) ausdrücklich: "Andere Leistungen der Sozialhilfe, wie etwa die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts, blieben möglich." Darüber hat die Kammer aber in diesem Eilverfahren nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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