L 16 R 655/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 31 R 6357/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 655/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialge-richts Berlin vom 2. Juli 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1947 geborene französische Kläger beantragte am 30. Juli 2007 bei der Beklagten die Klärung seines Versicherungskontos. Dabei gab er an, vom 1. September 1968 bis 3. Mai 1973 als Geschäftsführer bei der J. G KG (JG) in Frankfurt am Main beschäftigt gewesen zu sein. Der Kläger war der persönlich haftende Gesellschafter (Komplementär) der J G; seine Mutter G G und sein 1970 verstorbener Vater J G waren als Kommanditisten an der J G beteiligt. Mit Schreiben vom 7. September 2007 legte er Bescheinigungen des Magistrats der Stadt Frankfurt a.M. vom 14. November 1969 bzw. 14. November 1974 über die Aufnahme bzw. Aufgabe eines Gewerbebetriebs vor, die ihn Komplementär der vom 1. September 1968 bis 31. Dezember 1973 mit "Großhandel mit Waren aller Art, auch Im- und Export; Handel bzw. Vermittlung von Wertpapieren" befassten JG auswiesen. Die AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen – verneinte unter dem 13. November 2007 die Frage der Beklagten nach einer Meldung des Klägers für die Zeit von September 1968 bis August 1973 bei ihr. Die Kartenverwahrstelle der Deutschen Rentenversicherung Hessen (DRV H) teilte unter dem 14. November 2007 der Beklagten mit, dass für den Kläger keine Versicherungskarten vorlägen. Mit Bescheid vom 28. Februar 2008 stellte die Beklagte gemäß § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) rentenrechtliche Zeiten Klägers, darunter eine Zeit der Hochschulausbildung vom 3. Mai 1973 bis 31. März 1976, fest. Zugleich wurde die Vormerkung der Zeit vom 1. September 1968 bis 31. Dezember 1973 als Beitragszeit abgelehnt, weil keine Versicherungs- oder Beitragspflicht in der Rentenversicherung bestanden habe.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 übersandte der Kläger der Beklagten u.a. eine Kopie eines Arbeitsvertrages zwischen ihm und J G vom 1. September 1969 sowie drei für die JG ausgestellte, die Buchungsmonate März bis Mai 1971 betreffenden Kontoauszüge der Allgemeinen Ortskrankenkasse Frankfurt a.M. und bat um Berücksichtigung der Unterlagen. Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 28. Februar 2008 hinsichtlich der Zeit vom 1. September 1968 bis 31. Dezember 1973 zurückzunehmen Sie führte u.a. aus, die eingesandten Kontoauszüge belegten keine Beitragszahlung zur Rentenversicherung. Gegen ein versicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis spreche auch die Gewerbean- und abmeldung. Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, aufgrund des Arbeitsvertrages habe Versicherungspflicht bestanden. Seine Stellung als Gesellschafter der JG beeinträchtige in keiner Weise die Wirksamkeit dieses Arbeitsvertrages. Der Kläger legte ferner eine Beschlussfassung vom 27. September 1969 gemäß § 8 des Gesellschaftsvertrags der J G über die Verteilung von Gewinnen und Verlusten für das Kalenderjahr 1969 vor, auf die Bezug genommen wird. Mit dem am 24. August 2011 bei dem Kläger eingegangenen Widerspruchsbescheid vom 18. August 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Der Kläger hat am 22 November 2011 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Berlin erhoben. Mit Rentenbescheid vom 13. März 2013 hat die Beklagte dem Kläger eine Regelaltersrente ab 1. Januar 2013 mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von (iHv) 25,69 EUR gewährt. Sie hat dabei darauf hingewiesen, dass die Rente unter Außerachtlassung der im hiesigen Klageverfahren geltend gemachten Ansprüche berechnet worden sei. Die Rente werde neu festgestellt, wenn und soweit dieses Verfahren zu Gunsten des Klägers beendet werde. Der Zahlungsausschluss des § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) finde dabei keine Anwendung. Auf Nachfrage des SG hat die AOK Hessen mit Schreiben vom 22. Juli und 1. August 2013 mitgeteilt, dass für die Zeit vom 1. September 1968 bis 31. Dezember 1973 keine Mitgliedschaft des Klägers festgestellt werden könne. In den vom Kläger eingereichten Beitragsnachweisen (Kontoauszüge der JG) seien die Beiträge aller bei der AOK gemeldeten Arbeitnehmer in einer Summe eingetragen worden. Sie könne daher nicht benennen, für wen die Beiträge abgeführt worden seien. Der Kläger hat mit Schreiben vom 3. Oktober 2013 mitgeteilt, dass er der einzige Beschäftigte der JG gewesen sei und mit Schreiben eine Beitragsnachweisung der AOK Frankfurt a.M. für November 1970 eingereicht. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 darauf hingewiesen, aus der Beitragsnachweisung für November 1970 errechne sich ein beitragspflichtiges Einkommen von 181,30 DM, was mit der im Arbeitsvertrag vom 1.Setember 1969 ausgewiesenen monatlichen Bruttovergütung von 500,- DM monatlich nicht in Einklang zu bringen sei. Der Kläger hat mit Schreiben vom 3. März 2014 vorgetragen, die Geschäftstätigkeit der JG habe sich nie als einfach gestaltet, sodass die vereinbarte Vergütung nicht regelmäßig in voller Höhe ausgezahlt worden sei.

Das SG hat die zuletzt auf Anerkennung der Zeit vom 1. September 1969 bis 31. Dezember 1973 als Beitragszeit gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. Juli 2015 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sei zulässig. Der Rentenbescheid vom 13. März 2013 sei nicht gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da er den streitgegenständlichen Überprüfungsbescheid vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2011 nicht ersetzt habe. Die Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Abänderung des Vormerkungsbescheides vom 28. Februar 2008. Die Beklagte habe bei Erlass dieses Bescheides weder das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, soweit sie in diesem Bescheid die Vormerkung des Zeitraums vom 1. September 1969 bis 31. Dezember 1973 als Beitragszeit abgelehnt habe. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI seien Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden seien. Der Kläger habe jedoch eine tatsächliche Beitragszahlung nicht nachweisen können. Eine Tatsache gelte dann als bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich sei, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet seien, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Gemessen an diesem Maßstab sei ein Nachweis der tatsächlichen Beitragszahlung nicht möglich gewesen. Weder die Beklagte als Nachfolgerin der ehemaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte noch die DRV H als Nachfolgerin der ehemaligen Landesversicherungsanstalt Hessen hätten in ihren Konten- und Kartenarchiven Versicherungskarten auffinden können, auf denen eine Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung dokumentiert wäre. Ein Beitragsnachweis ergebe sich auch nicht aus den Kontoauszügen der Monate März bis April 1971 sowie der Beitragsnachweisung für den November 1970, da diesen Dokumenten nicht eindeutig zu entnehmen sei, für wen die dort angegebenen Beiträge konkret entrichtet worden sein sollten. Die Beitragsnachweisung sei vom der J G selbst ausgestellt worden, was keinen Beweis darstelle. Die fehlende Versicherungskarte könne mangels Nachweises ihres Inhalts auch nicht gemäß § 286 Abs. 4 SGB VI ersetzt werden. Die streitbefangenen Zeiten seien auch nicht nach § 286 Abs. 5 bzw. § 286 Abs. 6 iVm § 203 Abs. 2 SGB VI noch nach § 203 Abs. 1 im Wege der Glaubhaftmachung als Beitragszeiten anzuerkennen. Als glaubhaft anzusehen sei eine Tatsache gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X dann, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich sei. Glaubhaftmachung bedeute insoweit mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Im Fall des Klägers bestehe allenfalls eine bloße Möglichkeit, dass für ein Beschäftigungsverhältnis im Zeitraum 1. September 1969 bis 31. Dezember 1973 tatsächlich Beiträge in einer bestimmten Höhe entrichtet worden seien. Der Kläger habe selbst eingeräumt, dass die die vereinbarte monatliche Vergütung von 500,- DM brutto nicht regelmäßig gezahlt worden sei. Soweit für einzelne Monate, etwa für März bis Mai 1971 Kontoauszüge der seinerzeitigen AOK Frankfurt a. M. vorgelegt worden seien, sei nicht ersichtlich, für welche Beschäftigung und für welche Person dort seinerzeit Beiträge entrichtet worden seien. Zwar habe der Kläger angegeben, er sei seinerzeit der einzige Angestellte der JG gewesen. Die aus den Kontoauszügen ersichtliche Beitragshöhe entspreche nicht der vereinbarten Vergütung. Die Beitragsnachweisung für November 1970 sei vom Arbeitgeber auszufüllen gewesen und stelle somit keinen Nachweis dar, zumal offenbar die JG als Arbeitgeberin und der Kläger als ihr Gesellschafter-Geschäftsführer gleichsam in einer Person zusammenfielen. Soweit – wie hier – eine tatsächliche Beitragszahlung trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung aller speziellen Umstände des Einzelfalles nicht glaubhaft gemacht werden könne, gehe dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers, der sich hier auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer für ihn günstigen Rechtsnorm berufe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger weiter. Er reicht eine "Steuer-Fälligkeits-Mitteilung" des Steuerberaters G vom 18. Februar 1971, zwei die Monate November 1970 und April 1971 betreffende Lohnabrechnungen der JG für "J. G" sowie eine ab 1.Jnauar 1970 gültige Beitragstabelle der AOK Frankfurt a.M. ein. Er trägt vor: Sein Vater sei der maßgebliche Gesellschafter der J G gewesen. Es seien (für November 1970 sowie März bis Mai 1971) nachweislich Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden. Dies ergebe sich aus den Kontoauszügen für März bis Mai 1971 iVm der Beitragsnachweisung für November 1970. Es werde bestritten, dass die AOK Frankfurt a.M. keine Angaben zur Beitragszahlung mehr machen könne, weil die Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren überschritten sei. Der offensichtliche Verlust der Beitragsnachweise bei der DRV H oder bei der AOK Frankfurt a.M. könne nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden. Für November 1970 sei ein Betrag von 65,56 bzw. 65,58 DM bezahlt worden. Aufgrund der eingereichten Lohnabrechnungen sowie der Fälligkeitsmitteilung sei für die Zeiten vor dem 1. Januar 1973 auch der Abzug des Beitragsanteils vom Arbeitsentgelt glaubhaft gemacht worden und mithin diese Zeiten nach § 286 Abs. 8 (gemeint: 6) iVm § 203 Abs. 2 SGB VI als Beitragszeiten anzuerkennen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juli 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2011 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, unter Änderung des Bescheides vom 28. Februar 2008, die Zeit vom 1. September 1969 bis 31. Dezember 1973 unter Berücksichtigung einer monatlichen Vergütung von 180,- DM als Pflichtbeitragszeit vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitete Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2016 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne weitere mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2, § 155 Abs. 3 und 4 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 28. Februar 2008 im Wege der teilweisen Rücknahme und Vormerkung einer Pflichtbeitragszeit für den Zeitraum vom 1. September 1969 bis 31. Dezember 1973 gemäß § 44 SGB X.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGX ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Bei Erlass des Vormerkungsbescheides vom 28. Februar 2008 hat die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat, soweit sie in diesem Bescheid die Vormerkung des Zeitraums vom 1. September 1969 bis 31. Dezember 1973 als Beitragszeit abgelehnt hatte. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf eine entsprechende Vormerkung.

Gemäß § 149 Abs.5 Satz 1 SGB VI stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Monate zurückliegen, durch Bescheid fest, wenn er das Versicherungskonto geklärt hat oder der Versicherte innerhalb von sechs Monaten nach Versendung des Versicherungsverlaufs seinem Inhalt nicht widersprochen hat. Der Kläger hat hier nach gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 1. September 1969 bis 31. Dezember 1973 als Beitragszeit. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass das Vorliegen einer Beitragszeit weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden ist.

Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. In Betracht kommen vorliegend nur Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) in der ab 1. Januar 1964 geltenden Fassung. Danach wurden in der Rentenversicherung der Angestellten alle Personen versichert, die als Angestellte gegen Entgelt oder die als Lehrling oder sonst zu ihrer Ausbildung für den Beruf eines Angestellten beschäftigt wurden. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 31. Juli 1974 – 12 RK 26/72 = BSGE, 38, 53 [57] mwN) ausgesprochen hat, setzt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Wirtschaftliche Abhängigkeit wird nicht gefordert. Persönlich abhängig ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb der Beschäftigte, der in den Betrieb eingegliedert ist und einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeitdauer und Ort der Arbeitsausführung umfasst. Dieses Weisungsrecht kann allerdings besonders bei Diensten höherer Art erheblich eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit ist das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfügen. Wenn eine Tätigkeit Merkmale aufweist, die auf Abhängigkeit und auf Unabhängigkeit hinweisen, ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen. Dabei sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen. Maßgebend ist zunächst die vertragliche Ausgestaltung des Verhältnisses. Weicht diese jedoch von den tatsächlichen Verhältnissen ab, so sind diese entscheidend. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinn gehört unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Oktober 2013 – L 1 KR 165/11 -, juris mwN).

Gemessen an diesen Grundsätzen kann nach Würdigung der Gesamtumstände nicht festgestellt werden, dass zwischen der JG und dem Kläger im streitbefangenen Zeitraum ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat. Ob ein Gesellschafter zugleich Arbeitnehmer der Gesellschaft, deren Gesellschafter er ist, sein kann, richtet sich nach der jeweiligen Art der Gesellschaft und den Umständen des Einzelfalles und insoweit nach dem Gesamtbild der zu bestimmenden Rechtsbeziehungen, insbesondere nach der Art und dem Umfang der Beteiligung und der Rechte als Gesellschafter. Der Kleinaktionär einer Aktiengesellschaft kann ebenso deren Arbeitnehmer sein wie der Minderheitsgesellschafter ohne besondere Rechte einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Während die Arbeitnehmereigenschaft bei einem Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft (KG) grundsätzlich möglich ist, kann der Komplementär einer KG nicht zugleich deren Arbeitnehmer sein (ebenso: HessLAG, Urteil vom 7. August 2001 -2 Sa 106/01 -, juris mwN, siehe ferner BSG SozR 2100 § 7 Nr. 7 zur allfälligen Arbeitnehmereigenschaft eines zuvor als Komplementär einer KG fungierenden Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH). Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Komplementär einer KG gemäß §§ 128 Satz 1, 161 Handelsgesetzbuch für die Verbindlichkeiten einer KG persönlich haftet und damit das Unternehmensrisiko nach außen in vollem Umfang trägt. Dementsprechend konnte der Kläger, der einziger persönlich haftender Gesellschafter der JG war, nicht abhängig Beschäftigter dieser KG und damit auch nicht versicherungspflichtig iS des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG sein. Selbst wenn man das anders sehen wollte und davon ausginge, dass ein Komplementär einer KG ungeachtet seiner im Außenverhältnis bestehenden persönlichen Haftung Arbeitnehmer dieser Gesellschaft sein kann, wenn er im Innenverhältnis zu seinen Mitgesellschaftern bestimmten Beschränkungen unterliegt, ergibt sich hier nichts anderes. Denn der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass er aufgrund interner Vereinbarungen der Gesellschafter persönlich von der JG abhängig war. Der Kläger konnte weder den die JG begründenden Gesellschaftsvertrag vorlegen noch ergeben sich aus anderen Unterlagen hinreichende Hinweise darauf, dass er ungeachtet seiner nach außen unbeschränkten Stellung als Komplementär und Geschäftsführer der JG nach innen iS einer persönlichen Abhängigkeit eingebunden war. Soweit der Kläger auf die Beschlussfassung vom 27. September 1969 verweist, die seinem Vater 80 % der Gewinne bzw. Verluste der JG zuerkannte, ergibt sich hieraus entgegen der Behauptung des Klägers nicht, dass der (bereits am 2. Dezember 1970 verstorbene) Vater des Klägers der "maßgebliche Gesellschafter" gewesen war. Gegen die Selbständigkeit des Klägers spricht nicht, dass er möglicherweise nur mit einer verhältnismäßig geringen Einlage und Stimmrecht an der KG beteiligt war und entsprechend wirtschaftlich nur gering von deren Tätigkeit profitierte bzw. intern nur in geringem Umfang dem Unternehmensrisiko ausgesetzt war. Denn die Selbständigkeit eines Gesellschafter–Geschäftsführers ist nicht davon abhängig, dass er gerade über seine Kapitalbeteiligung einen entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann (vgl. BSGE 38, 53 [58]). Maßgebliche Beschränkungen seines Einflusses oder eine Eingliederung in den Betrieb mit umfassenden Weisungsrechten ergeben sich auch nicht aus dem "Arbeitsvertrag" vom 1. September 1969. Soweit in dieser Vereinbarung Verpflichtungen des Klägers gegenüber der "Firma" aufgeführt bleiben, ist nicht ersichtlich, wem gegenüber der Kläger in dieser Familien-KG seine diversen Verpflichtungen erfüllen solle. Nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen spricht nichts dafür, dass der Kläger als einziger geschäftsführender Gesellschafter in der JG nicht schalten und walten konnte wie er wollte. Da im streitbefangenen Zeitraum bereits das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht festgestellt werden kann, kommt es nicht darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Beiträge gezahlt worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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