Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 143 KR 2122/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 246/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Familienversicherung des Klägers bis zum 8. Dezember 2012 zu verlängern. Für den Zeitraum vom 9. März 2012 bis 8. Dezember 2012 gezahlte Krankenkassenbeiträge sind zu erstatten. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist das Bestehen einer Familienversicherung.
Die Eltern des 1987 geborenen Klägers sind bei der Beklagten versichert. Im Juni 2006 legte der Kläger sein Abitur ab. Vom 1. Oktober 2006 bis zum 30. Juni 2007 leistete er Grundwehrdienst. Anschließend leistete er bis zum 30. September 2008 weiterhin Wehrdienst, zuletzt als Soldat auf Zeit. Zum 1. Oktober 2008 wurde der Kläger an der Technischen Universität B als Student für den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen eingeschrieben. Zum Wintersemester 2010/2011 immatrikulierte er sich an der B Hochschule für Technik B in dem Studiengang Elektronik und Kommunikationssysteme.
Durch Bescheid vom 29. Februar 2012 stellte die Beklagte fest, dass die Familienversicherung des Klägers mit Vollendung des 25. Lebensjahres zum 8. März 2012 ende. Eine Verlängerung um die Zeit einer gesetzlichen Dienstpflicht sei nur möglich, wenn die Schul- oder Berufsausbildung durch die Erfüllung der Dienstpflicht unterbrochen oder verzögert wurde. Die Aufnahme des Studiums sei aber nicht durch den Grundwehrdienst verzögert worden, da dieser von Oktober 2006 bis Juni 2007 geleistet und das Studium erst im Oktober 2008 aufgenommen worden sei.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Der Anspruch auf Verlängerung der Familienversicherung knüpfe allein daran an, dass eine Ausbildung über das 25. Lebensjahr hinausgehe und ihr Abschluss durch einen gesetzlichen Pflichtdienst verzögert worden sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 26. September 2012 zurück, der dem Kläger am 25. Oktober 2012 zugestellt wurde. Mit der Verpflichtung als Soldat auf Zeit habe der Kläger nicht die Absicht gehabt, seinen Ausbildungsweg direkt nach dem Abitur fortzusetzen. Somit fehle es an dem kausalen Zusammenhang zwischen dem Schulabschluss und der Verzögerung/Verlängerung der Ausbildung durch die Ableistung der gesetzlichen Dienstpflicht.
Dagegen richtet sich die am 23. November 2012 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit der die Verlängerung der Familienversicherung um den Zeitraum der Ableistung des Grundwehrdienstes begehrt worden ist. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. Mai 2015 abgewiesen. Der Kläger sei nicht mehr familienversichert. Der Zeitraum einer Familienversicherung werde nur durch eine laufende Ausbildung bis zum 25. Geburtstag verlängert. Grundsätzlich komme es nicht darauf an, bis wann ein Abschluss der Ausbildung zu erwarten sei. Eine Verlängerung der Familienversicherung über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus sei im Gesetz nur vorgesehen bei Verzögerung oder Unterbrechung der Ausbildung aufgrund einer gesetzlichen Dienstpflicht. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil v. 5. November 1974 – 4 RJ 37/73) komme es darauf an, ob die Ausbildung gerade durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen oder verzögert wurde. Eine auf einer freiwilligen Entscheidung beruhende Unterbrechung der Ausbildung reiche nicht, was eigentlich auch für die Fälle einer freiwilligen Verlängerung des Wehrdienstes gelte. Insoweit sei allerdings mit dem BSG zu differenzieren, dass eine lediglich kurzfristige Verlängerung des Wehrdienstes nicht als erhebliche freiwillige Unterbrechung der Ausbildung anzusehen sei. Denn ein kurzfristiges Wehrdienstverhältnis auf Zeit werde regelmäßig nur eingegangen, weil anderenfalls die Wehrpflicht nach dem Wehrpflichtgesetz zum Zuge komme. Die freiwillige Entscheidung für eine Unterbrechung rücke jedoch umso mehr in den Vordergrund, als die Dauer der Dienstverpflichtung über die des Grundwehrdienstes hinausgehe. Für die Gewährung einer Waisenrente habe das BSG entschieden, dass keine Schutzbedürftigkeit über das 25. Lebensjahr hinaus bestehe, wenn die Dauer der freiwilligen Verpflichtung mehr als drei Jahre betragen habe. Diese Frist sei keine absolute zeitliche Grenze, es komme immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Im Allgemeinen sei die Grenze abhängig von der Dauer des Grundwehrdienstes zu ziehen, sie werde überschritten, wenn die freiwillige Verpflichtung die doppelte Zeit des gesetzlichen Grundwehrdienstes erreiche. Dann ende die jeweilige Sozialleistung mit Vollendung des 25. Lebensjahres, es komme auch keine anteilige an der Dauer des gesetzlichen Grundwehrdienstes orientierte Verlängerung in Betracht. Zudem habe das BSG mit Beschluss vom 26. März 2013 – B 12 KR 33/12 B bestätigt, dass sich diese Wertungen auf die Voraussetzungen einer Verlängerung der Familienversicherung übertragen ließen.
Gegen das ihm am 3. Juni 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. Juli 2015 bei dem Sozialgericht Berlin und dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers. Das Sozialgericht habe fehlerhaft noch die Grundsätze des Urteils des BSG vom 5. November 1974 herangezogen. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen der gesetzlichen Krankenversicherung seien die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften geändert worden. Für alle seit dem 1. Juli 2011 zu entscheidenden Sachverhalte sei auch die Ableistung eines anerkannten Freiwilligendienstes als Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung zu berücksichtigen. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass schon nach früherer Rechtslage die Ableistung eines von vornherein zeitlich begrenzten freiwillig im Anschluss an den gesetzlichen Pflichtwehrdienst geleisteten Zusatzdienstes den Anspruch auf Verlängerung in der Familienversicherung unberührt gelassen habe. Zudem lasse sich ihnen entnehmen, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Ableistung des Freiwilligendienstes, sondern auf den der Entscheidung über die Verlängerung der Familienversicherung ankomme. Klargestellt habe der Gesetzgeber im Übrigen, dass die Interessen der Beitragszahler der Solidargemeinschaft Krankenversicherung bereits dadurch angemessen berücksichtigt seien, dass der Verlängerungszeitraum auf 12 Monate beschränkt sei. Auch könne es auf die Dauer des freiwilligen Dienstes im Vergleich zum Grundwehrdienst nicht mehr ankommen. Im Übrigen beträfe die Entscheidung des BSG vom 5. November 1974 einen Sachverhalt, in dem von Anfang an eine freiwillige Verpflichtung als Berufssoldat an die Stelle der Ableistung des Grundwehrdienstes getreten sei. Er – der Kläger – habe sich aber erst nach der Ableistung des Grundwehrdienstes zu einer befristeten Verlängerung entschlossen. Zumindest bestehe Anspruch auf Verlängerung der Familienversicherung für den Zeitraum des tatsächlich abgeleisteten Wehrpflichtdienstes von neun Monaten. Aus der Entscheidung des BSG v. 26. Juli 1977 – 8/12 RKg 2/77 ergebe sich nämlich, dass Zeiten der nicht abgeschlossenen Ausbildung vor oder nach dem Wehrdienst oder einem Soldatenverhältnis bis zur Fortsetzung der Ausbildung als zwangsläufige Übergangszeiten anzusehen seien. Selbst wenn der Pflichtwehrdienst nur um neun Monate bis zum 30. Juni 2008 verlängert worden wäre, hätte das Studium erst zum 1. Oktober 2008 aufgenommen werden können. Der Anspruch auf Verlängerung der Familienversicherung könne nicht dadurch entfallen, dass er – der Kläger – sich sachgerecht dafür entschieden habe, den freiwilligen Zusatzdienst zur Vorbereitung der Weltmeisterschaften im Wasserball zu verlängern. Statt der möglichen 14 Monate sei nur eine Verlängerung der Dienstzeit um 12 Monate gewählt worden, um die Aufnahme des Studiums zum 1. Oktober 2008 zu ermöglichen. Auch ohne die Ableistung des freiwilligen Zusatzdienstes sei allein schon wegen der Zeit des Grundwehrdienstes ausgeschlossen gewesen, das Studium vor Vollendung des 25. Lebensjahres zu beenden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Familienversicherung um den Zeitraum der Ableistung des Grundwehrdienstes zu verlängern und die für diesen Zeitraum gezahlten Krankenkassenbeiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V in der ab dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung komme es auf den Zeitpunkt an, zu dem der freiwillige Wehrdienst geleistet worden sei. Die Neuregelung betreffe nur Wehrdienst, der ab dem 1. Juli 2011 geleistet worden sei. Als Unterbrechungszeit gelte auch die Zeit zwischen dem Abitur und dem Beginn der gesetzlichen Dienstpflicht. Insgesamt liege eine Unterbrechung von 27 Monaten Dauer vor. Der maximal mögliche Unterbrechungszeitraum liege bei 18 Monaten, so dass die gesetzliche Dienstpflicht nicht ursächlich für die verzögerte Aufnahme des Studiums gewesen sei. Es liege eine freiwillige Verlängerung von insgesamt 15 Monaten vor. Auch daraus ergebe sich das Fehlen eines kausalen Zusammenhangs zwischen der Ableistung des Wehrdienstes und der verzögerten Aufnahme des Studiums. Der Kläger habe keinen freiwilligen Wehrdienst nach § 58b Soldatengesetz abgeleistet, worauf aber die rückwirkend zum 1. Juli 2011 in Kraft getretene Gesetzesänderung anknüpfe. Auch der Vortrag, dass die freiwillige Verlängerung die Aussichten auf einen Studienplatz in der gewünschten Fachrichtung erhöht hätten, zeige, dass der Kläger unabhängig von dem Wehrdienst keinen Studienplatz vor dem 1. Oktober 2008 erhalten hätte, so dass durch den geleisteten Wehrdienst keine Verzögerung eingetreten sei. Durch den Wechsel des Studiengangs zum Wintersemester 2010/2011 sei zudem zwangsläufig ausgeschlossen gewesen, dass Studienziel vor Vollendung des 25. Lebensjahres zu erreichen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte seine Familienversicherung über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus führt. Der Zeitraum ist um die neun Monate zu verlängern, in denen der Kläger Grundwehrdienst geleistet hat und endet demgemäß am 8. Dezember 2012.
Rechtsgrundlage ist § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V in der ab dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung. Danach sind Kinder versichert bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn sie sich in Schul- und Berufsausbildung befinden. Wird die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht des Kindes unterbrochen oder verzögert, besteht die Versicherung auch für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das 25. Lebensjahr hinaus. Dies gilt ab dem 1. Juli 2011 auch bei einer Unterbrechung oder Verzögerung durch den freiwilligen Wehrdienst nach § 58b des Soldatengesetzes, einen Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz, dem Jugendfreiwilligendienstgesetz oder einen vergleichbaren anerkannten Freiwilligendienst oder durch eine Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Abs. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes für die Dauer von höchstens 12 Monaten.
Der Kläger befand sich in der Zeit über den 8. März 2012 hinaus in einer Berufsausbildung. Denn er studierte an der Beuth Hochschule für Technik Berlin das Fach Elektronik und Kommunikationssysteme. Er hat zudem in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 30. Juni 2007 neun Monate Grundwehrdienst geleistet. Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der in den Verwaltungsakten der Beklagten befindlichen Wehrdienstzeitbescheinigung. Der Grundwehrdienst wurde in Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V geleistet.
Die Erfüllung der gesetzlichen Dienstpflicht hat zu einer Verzögerung der Berufsausbildung des Klägers geführt. Zuzugeben ist der Beklagten, dass die Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht nur dann als Verzögerung der Aufnahme einer Berufsausbildung angesehen werden kann, wenn die Erfüllung der Dienstpflicht kausal für die verspätete Aufnahme einer Ausbildung geworden ist. Die Beklagte überspannt aber die Anforderungen an das Kausalitätserfordernis. Ein ursächlicher Zusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Ableistung des Dienstes zumindest wesentliche Mitursache für die Verzögerung der Ausbildung ist. Es ist nicht erforderlich, dass der Dienst die alleinige Ursache der Verzögerung ist. Dementsprechend ist die Verursachung einer Verzögerung durch die Ableistung eines Dienstes regelmäßig zu unterstellen, wenn der Dienst in dem Zeitraum zwischen der Ablegung des Abiturs und der Aufnahme eines Studiums geleistet wird (Sächsisches LSG v. 26. August 2016 – L 1 KR 179/15 – juris Rn 37; LSG Rheinland-Pfalz v. 20. August 2015 – L 5 KR 149/15 juris Rn 20, vgl. auch BSG v. 26. Juli 1977 8/12 RKg 2/77 – juris Rn 14). Auch nach dem von der Beklagten vorgelegten Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 8. November 2005 ist bei der Feststellung des kausalen Zusammenhangs kein allzu strenger Maßstab anzulegen. Der Senat würde es demgemäß für verfehlt halten, eine Unterbrechung deswegen zu verneinen, weil der unter Berücksichtigung des Grundwehrdienstes tatsächlich gewählte Studiengang aller Voraussicht nach ohnehin erst nach einer Wartezeit hätte aufgenommen werden können oder die Fachrichtung nach Aufnahme des Studiums nochmals gewechselt wurde. Angemessen erscheint dem Senat allein eine typisierende Betrachtungsweise, nach der davon auszugehen ist, dass die Ableistung des Grundwehrdienstes nach Ablegung des Abiturs die Aufnahme einer Berufsausbildung regelmäßig verzögert.
Besondere Umstände, welche hier die Annahme des Gegenteils rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Der Kläger hat sein Studium im Wintersemester 2008 und damit noch im hinreichenden zeitlichen Anschluss an das von ihm im Juni 2006 abgelegte Abitur aufgenommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die allein schon durch den Grundwehrdienst eingetretene Verzögerung bis zum Juni 2007 herausgerechnet wird. Zutreffend weist der Kläger insoweit darauf hin, dass ihm die Aufnahme eines Studiums nach Ableistung des Grundwehrdienstes frühestens zum Wintersemester 2007 möglich gewesen wäre. Dass er dann noch ein weiteres Jahr bis zu dem tatsächlichen Studienbeginn hat verstreichen lassen, beseitigt die schon eingetretenen Verzögerungen nicht mehr.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten legt auch das Urteil des BSG vom 5. November 1974 – 4 RJ 37/73 kein anderes Ergebnis nahe. In dem dort entschiedenen Sachverhalt hat das BSG entscheidend darauf abgestellt, dass freiwilliger Wehrdienst über vier Jahre geleistet worden ist. Von dieser Zeitdauer ist der Kläger weit entfernt, ohne dass es dafür darauf ankommt, ob seine Gesamtdienstzeit oder nur die Zeit des freiwilligen Wehrdienstes betrachtet wird. Ob eine erhebliche Grenze, welche die Anrechnung der auf den Grundwehrdienst entfallenden Zeit ausschließt, auch schon überschritten ist, wenn der freiwillig geleistete Dienst den doppelten Zeitraum des Pflichtwehrdienstes erreicht hat, ist vom BSG in seiner genannten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen worden. Angesichts der Kürzung des gesetzlichen Wehrdienstes auf zuletzt sechs Monate erscheint dem Senat eine solche schematische Lösung indessen problematisch, weil dann schon bei der geringfügigen Überschreitung eines Dienstzeitraumes von einem Jahr keine auszugleichende Unterbrechung oder Verzögerung der Berufsausbildung mehr anzunehmen wäre, obwohl die Dauer der Unterbrechung als solche noch nicht erheblich genug erscheint, um den Schluss zu tragen, dass bereits eine berufliche Neuorientierung stattgefunden hat. Überdies erschien eine solche Rechtsauffassung mit dem ab dem 1. Januar 2012 geltenden Recht unvereinbar, wonach auch freiwilliger Wehrdienst als Unterbrechungstatbestand im Umfang von bis zu einem Jahr angesehen werden kann.
Der Senat lässt im Übrigen ausdrücklich dahingestellt sein, ob § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V in der ab dem 1. Januar 2012 geltende Fassung auch auf freiwillige Dienstzeiten anwendbar ist, die vor dem 1. Juli 2011 zurückgelegt worden sind (so jedenfalls LSG Rheinland-Pfalz v. 20. August 2015 – L 5 KR 149/15). Auf diese Frage kommt es hier nicht an, weil der Kläger in dem vorliegenden Verfahren nur die Verlängerung seiner Familienversicherung um die Monate seines Grundwehrdienstes geltend macht.
Der Kläger war danach von der Beklagten beitragsfrei bis zum 8. Dezember 2012 zu versichern. Bereits entrichtete Beiträge sind nach § 26 Abs. 2 SGB IV zu erstatten.
Nach alledem waren das Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Streitig ist das Bestehen einer Familienversicherung.
Die Eltern des 1987 geborenen Klägers sind bei der Beklagten versichert. Im Juni 2006 legte der Kläger sein Abitur ab. Vom 1. Oktober 2006 bis zum 30. Juni 2007 leistete er Grundwehrdienst. Anschließend leistete er bis zum 30. September 2008 weiterhin Wehrdienst, zuletzt als Soldat auf Zeit. Zum 1. Oktober 2008 wurde der Kläger an der Technischen Universität B als Student für den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen eingeschrieben. Zum Wintersemester 2010/2011 immatrikulierte er sich an der B Hochschule für Technik B in dem Studiengang Elektronik und Kommunikationssysteme.
Durch Bescheid vom 29. Februar 2012 stellte die Beklagte fest, dass die Familienversicherung des Klägers mit Vollendung des 25. Lebensjahres zum 8. März 2012 ende. Eine Verlängerung um die Zeit einer gesetzlichen Dienstpflicht sei nur möglich, wenn die Schul- oder Berufsausbildung durch die Erfüllung der Dienstpflicht unterbrochen oder verzögert wurde. Die Aufnahme des Studiums sei aber nicht durch den Grundwehrdienst verzögert worden, da dieser von Oktober 2006 bis Juni 2007 geleistet und das Studium erst im Oktober 2008 aufgenommen worden sei.
Der Kläger legte Widerspruch ein. Der Anspruch auf Verlängerung der Familienversicherung knüpfe allein daran an, dass eine Ausbildung über das 25. Lebensjahr hinausgehe und ihr Abschluss durch einen gesetzlichen Pflichtdienst verzögert worden sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 26. September 2012 zurück, der dem Kläger am 25. Oktober 2012 zugestellt wurde. Mit der Verpflichtung als Soldat auf Zeit habe der Kläger nicht die Absicht gehabt, seinen Ausbildungsweg direkt nach dem Abitur fortzusetzen. Somit fehle es an dem kausalen Zusammenhang zwischen dem Schulabschluss und der Verzögerung/Verlängerung der Ausbildung durch die Ableistung der gesetzlichen Dienstpflicht.
Dagegen richtet sich die am 23. November 2012 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit der die Verlängerung der Familienversicherung um den Zeitraum der Ableistung des Grundwehrdienstes begehrt worden ist. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. Mai 2015 abgewiesen. Der Kläger sei nicht mehr familienversichert. Der Zeitraum einer Familienversicherung werde nur durch eine laufende Ausbildung bis zum 25. Geburtstag verlängert. Grundsätzlich komme es nicht darauf an, bis wann ein Abschluss der Ausbildung zu erwarten sei. Eine Verlängerung der Familienversicherung über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus sei im Gesetz nur vorgesehen bei Verzögerung oder Unterbrechung der Ausbildung aufgrund einer gesetzlichen Dienstpflicht. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil v. 5. November 1974 – 4 RJ 37/73) komme es darauf an, ob die Ausbildung gerade durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen oder verzögert wurde. Eine auf einer freiwilligen Entscheidung beruhende Unterbrechung der Ausbildung reiche nicht, was eigentlich auch für die Fälle einer freiwilligen Verlängerung des Wehrdienstes gelte. Insoweit sei allerdings mit dem BSG zu differenzieren, dass eine lediglich kurzfristige Verlängerung des Wehrdienstes nicht als erhebliche freiwillige Unterbrechung der Ausbildung anzusehen sei. Denn ein kurzfristiges Wehrdienstverhältnis auf Zeit werde regelmäßig nur eingegangen, weil anderenfalls die Wehrpflicht nach dem Wehrpflichtgesetz zum Zuge komme. Die freiwillige Entscheidung für eine Unterbrechung rücke jedoch umso mehr in den Vordergrund, als die Dauer der Dienstverpflichtung über die des Grundwehrdienstes hinausgehe. Für die Gewährung einer Waisenrente habe das BSG entschieden, dass keine Schutzbedürftigkeit über das 25. Lebensjahr hinaus bestehe, wenn die Dauer der freiwilligen Verpflichtung mehr als drei Jahre betragen habe. Diese Frist sei keine absolute zeitliche Grenze, es komme immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Im Allgemeinen sei die Grenze abhängig von der Dauer des Grundwehrdienstes zu ziehen, sie werde überschritten, wenn die freiwillige Verpflichtung die doppelte Zeit des gesetzlichen Grundwehrdienstes erreiche. Dann ende die jeweilige Sozialleistung mit Vollendung des 25. Lebensjahres, es komme auch keine anteilige an der Dauer des gesetzlichen Grundwehrdienstes orientierte Verlängerung in Betracht. Zudem habe das BSG mit Beschluss vom 26. März 2013 – B 12 KR 33/12 B bestätigt, dass sich diese Wertungen auf die Voraussetzungen einer Verlängerung der Familienversicherung übertragen ließen.
Gegen das ihm am 3. Juni 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. Juli 2015 bei dem Sozialgericht Berlin und dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung des Klägers. Das Sozialgericht habe fehlerhaft noch die Grundsätze des Urteils des BSG vom 5. November 1974 herangezogen. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen der gesetzlichen Krankenversicherung seien die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften geändert worden. Für alle seit dem 1. Juli 2011 zu entscheidenden Sachverhalte sei auch die Ableistung eines anerkannten Freiwilligendienstes als Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung zu berücksichtigen. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass schon nach früherer Rechtslage die Ableistung eines von vornherein zeitlich begrenzten freiwillig im Anschluss an den gesetzlichen Pflichtwehrdienst geleisteten Zusatzdienstes den Anspruch auf Verlängerung in der Familienversicherung unberührt gelassen habe. Zudem lasse sich ihnen entnehmen, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Ableistung des Freiwilligendienstes, sondern auf den der Entscheidung über die Verlängerung der Familienversicherung ankomme. Klargestellt habe der Gesetzgeber im Übrigen, dass die Interessen der Beitragszahler der Solidargemeinschaft Krankenversicherung bereits dadurch angemessen berücksichtigt seien, dass der Verlängerungszeitraum auf 12 Monate beschränkt sei. Auch könne es auf die Dauer des freiwilligen Dienstes im Vergleich zum Grundwehrdienst nicht mehr ankommen. Im Übrigen beträfe die Entscheidung des BSG vom 5. November 1974 einen Sachverhalt, in dem von Anfang an eine freiwillige Verpflichtung als Berufssoldat an die Stelle der Ableistung des Grundwehrdienstes getreten sei. Er – der Kläger – habe sich aber erst nach der Ableistung des Grundwehrdienstes zu einer befristeten Verlängerung entschlossen. Zumindest bestehe Anspruch auf Verlängerung der Familienversicherung für den Zeitraum des tatsächlich abgeleisteten Wehrpflichtdienstes von neun Monaten. Aus der Entscheidung des BSG v. 26. Juli 1977 – 8/12 RKg 2/77 ergebe sich nämlich, dass Zeiten der nicht abgeschlossenen Ausbildung vor oder nach dem Wehrdienst oder einem Soldatenverhältnis bis zur Fortsetzung der Ausbildung als zwangsläufige Übergangszeiten anzusehen seien. Selbst wenn der Pflichtwehrdienst nur um neun Monate bis zum 30. Juni 2008 verlängert worden wäre, hätte das Studium erst zum 1. Oktober 2008 aufgenommen werden können. Der Anspruch auf Verlängerung der Familienversicherung könne nicht dadurch entfallen, dass er – der Kläger – sich sachgerecht dafür entschieden habe, den freiwilligen Zusatzdienst zur Vorbereitung der Weltmeisterschaften im Wasserball zu verlängern. Statt der möglichen 14 Monate sei nur eine Verlängerung der Dienstzeit um 12 Monate gewählt worden, um die Aufnahme des Studiums zum 1. Oktober 2008 zu ermöglichen. Auch ohne die Ableistung des freiwilligen Zusatzdienstes sei allein schon wegen der Zeit des Grundwehrdienstes ausgeschlossen gewesen, das Studium vor Vollendung des 25. Lebensjahres zu beenden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Familienversicherung um den Zeitraum der Ableistung des Grundwehrdienstes zu verlängern und die für diesen Zeitraum gezahlten Krankenkassenbeiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V in der ab dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung komme es auf den Zeitpunkt an, zu dem der freiwillige Wehrdienst geleistet worden sei. Die Neuregelung betreffe nur Wehrdienst, der ab dem 1. Juli 2011 geleistet worden sei. Als Unterbrechungszeit gelte auch die Zeit zwischen dem Abitur und dem Beginn der gesetzlichen Dienstpflicht. Insgesamt liege eine Unterbrechung von 27 Monaten Dauer vor. Der maximal mögliche Unterbrechungszeitraum liege bei 18 Monaten, so dass die gesetzliche Dienstpflicht nicht ursächlich für die verzögerte Aufnahme des Studiums gewesen sei. Es liege eine freiwillige Verlängerung von insgesamt 15 Monaten vor. Auch daraus ergebe sich das Fehlen eines kausalen Zusammenhangs zwischen der Ableistung des Wehrdienstes und der verzögerten Aufnahme des Studiums. Der Kläger habe keinen freiwilligen Wehrdienst nach § 58b Soldatengesetz abgeleistet, worauf aber die rückwirkend zum 1. Juli 2011 in Kraft getretene Gesetzesänderung anknüpfe. Auch der Vortrag, dass die freiwillige Verlängerung die Aussichten auf einen Studienplatz in der gewünschten Fachrichtung erhöht hätten, zeige, dass der Kläger unabhängig von dem Wehrdienst keinen Studienplatz vor dem 1. Oktober 2008 erhalten hätte, so dass durch den geleisteten Wehrdienst keine Verzögerung eingetreten sei. Durch den Wechsel des Studiengangs zum Wintersemester 2010/2011 sei zudem zwangsläufig ausgeschlossen gewesen, dass Studienziel vor Vollendung des 25. Lebensjahres zu erreichen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte seine Familienversicherung über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus führt. Der Zeitraum ist um die neun Monate zu verlängern, in denen der Kläger Grundwehrdienst geleistet hat und endet demgemäß am 8. Dezember 2012.
Rechtsgrundlage ist § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V in der ab dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung. Danach sind Kinder versichert bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn sie sich in Schul- und Berufsausbildung befinden. Wird die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht des Kindes unterbrochen oder verzögert, besteht die Versicherung auch für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das 25. Lebensjahr hinaus. Dies gilt ab dem 1. Juli 2011 auch bei einer Unterbrechung oder Verzögerung durch den freiwilligen Wehrdienst nach § 58b des Soldatengesetzes, einen Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz, dem Jugendfreiwilligendienstgesetz oder einen vergleichbaren anerkannten Freiwilligendienst oder durch eine Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Abs. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes für die Dauer von höchstens 12 Monaten.
Der Kläger befand sich in der Zeit über den 8. März 2012 hinaus in einer Berufsausbildung. Denn er studierte an der Beuth Hochschule für Technik Berlin das Fach Elektronik und Kommunikationssysteme. Er hat zudem in der Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 30. Juni 2007 neun Monate Grundwehrdienst geleistet. Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der in den Verwaltungsakten der Beklagten befindlichen Wehrdienstzeitbescheinigung. Der Grundwehrdienst wurde in Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V geleistet.
Die Erfüllung der gesetzlichen Dienstpflicht hat zu einer Verzögerung der Berufsausbildung des Klägers geführt. Zuzugeben ist der Beklagten, dass die Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht nur dann als Verzögerung der Aufnahme einer Berufsausbildung angesehen werden kann, wenn die Erfüllung der Dienstpflicht kausal für die verspätete Aufnahme einer Ausbildung geworden ist. Die Beklagte überspannt aber die Anforderungen an das Kausalitätserfordernis. Ein ursächlicher Zusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Ableistung des Dienstes zumindest wesentliche Mitursache für die Verzögerung der Ausbildung ist. Es ist nicht erforderlich, dass der Dienst die alleinige Ursache der Verzögerung ist. Dementsprechend ist die Verursachung einer Verzögerung durch die Ableistung eines Dienstes regelmäßig zu unterstellen, wenn der Dienst in dem Zeitraum zwischen der Ablegung des Abiturs und der Aufnahme eines Studiums geleistet wird (Sächsisches LSG v. 26. August 2016 – L 1 KR 179/15 – juris Rn 37; LSG Rheinland-Pfalz v. 20. August 2015 – L 5 KR 149/15 juris Rn 20, vgl. auch BSG v. 26. Juli 1977 8/12 RKg 2/77 – juris Rn 14). Auch nach dem von der Beklagten vorgelegten Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 8. November 2005 ist bei der Feststellung des kausalen Zusammenhangs kein allzu strenger Maßstab anzulegen. Der Senat würde es demgemäß für verfehlt halten, eine Unterbrechung deswegen zu verneinen, weil der unter Berücksichtigung des Grundwehrdienstes tatsächlich gewählte Studiengang aller Voraussicht nach ohnehin erst nach einer Wartezeit hätte aufgenommen werden können oder die Fachrichtung nach Aufnahme des Studiums nochmals gewechselt wurde. Angemessen erscheint dem Senat allein eine typisierende Betrachtungsweise, nach der davon auszugehen ist, dass die Ableistung des Grundwehrdienstes nach Ablegung des Abiturs die Aufnahme einer Berufsausbildung regelmäßig verzögert.
Besondere Umstände, welche hier die Annahme des Gegenteils rechtfertigen würden, liegen nicht vor. Der Kläger hat sein Studium im Wintersemester 2008 und damit noch im hinreichenden zeitlichen Anschluss an das von ihm im Juni 2006 abgelegte Abitur aufgenommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die allein schon durch den Grundwehrdienst eingetretene Verzögerung bis zum Juni 2007 herausgerechnet wird. Zutreffend weist der Kläger insoweit darauf hin, dass ihm die Aufnahme eines Studiums nach Ableistung des Grundwehrdienstes frühestens zum Wintersemester 2007 möglich gewesen wäre. Dass er dann noch ein weiteres Jahr bis zu dem tatsächlichen Studienbeginn hat verstreichen lassen, beseitigt die schon eingetretenen Verzögerungen nicht mehr.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten legt auch das Urteil des BSG vom 5. November 1974 – 4 RJ 37/73 kein anderes Ergebnis nahe. In dem dort entschiedenen Sachverhalt hat das BSG entscheidend darauf abgestellt, dass freiwilliger Wehrdienst über vier Jahre geleistet worden ist. Von dieser Zeitdauer ist der Kläger weit entfernt, ohne dass es dafür darauf ankommt, ob seine Gesamtdienstzeit oder nur die Zeit des freiwilligen Wehrdienstes betrachtet wird. Ob eine erhebliche Grenze, welche die Anrechnung der auf den Grundwehrdienst entfallenden Zeit ausschließt, auch schon überschritten ist, wenn der freiwillig geleistete Dienst den doppelten Zeitraum des Pflichtwehrdienstes erreicht hat, ist vom BSG in seiner genannten Entscheidung ausdrücklich offen gelassen worden. Angesichts der Kürzung des gesetzlichen Wehrdienstes auf zuletzt sechs Monate erscheint dem Senat eine solche schematische Lösung indessen problematisch, weil dann schon bei der geringfügigen Überschreitung eines Dienstzeitraumes von einem Jahr keine auszugleichende Unterbrechung oder Verzögerung der Berufsausbildung mehr anzunehmen wäre, obwohl die Dauer der Unterbrechung als solche noch nicht erheblich genug erscheint, um den Schluss zu tragen, dass bereits eine berufliche Neuorientierung stattgefunden hat. Überdies erschien eine solche Rechtsauffassung mit dem ab dem 1. Januar 2012 geltenden Recht unvereinbar, wonach auch freiwilliger Wehrdienst als Unterbrechungstatbestand im Umfang von bis zu einem Jahr angesehen werden kann.
Der Senat lässt im Übrigen ausdrücklich dahingestellt sein, ob § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V in der ab dem 1. Januar 2012 geltende Fassung auch auf freiwillige Dienstzeiten anwendbar ist, die vor dem 1. Juli 2011 zurückgelegt worden sind (so jedenfalls LSG Rheinland-Pfalz v. 20. August 2015 – L 5 KR 149/15). Auf diese Frage kommt es hier nicht an, weil der Kläger in dem vorliegenden Verfahren nur die Verlängerung seiner Familienversicherung um die Monate seines Grundwehrdienstes geltend macht.
Der Kläger war danach von der Beklagten beitragsfrei bis zum 8. Dezember 2012 zu versichern. Bereits entrichtete Beiträge sind nach § 26 Abs. 2 SGB IV zu erstatten.
Nach alledem waren das Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
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