Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 1568/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3090/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.07.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Grad der Behinderung (GdB) die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sind.
Die 1956 geborene Klägerin beantragte am 04.06.2014 beim Landratsamt Reutlingen - Versorgungsamt (LRA) wegen einer Polyarthritis, einer depressiven Episode, einer Spondylolisthesis sowie einer Osteochondrose erstmals die Feststellung eines GdB (Bl. 1/2 der Verwaltungsakte).
Das LRA zog daraufhin Befundunterlagen von dem Arzt für Allgemeinmedizin N. (Bl. 4 ff. der Verwaltungsakte) sowie dem Facharzt für Orthopädie Dr. H.(Bl. 28 ff. der Verwaltungsakte) bei und ließ diese versorgungsärztlich auswerten.
Entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. A.-F. vom 27.10.2014 (Bl. 37/38 der Verwaltungsakte) stellte das LRA mit Bescheid vom 18.11.2014 wegen einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung (GdB 20) sowie Wirbelgleiten und einer Kalksalzminderung des Knochens - Osteoporose - (GdB 20) einen Gesamt-GdB von 30 seit dem 04.06.2014 fest (Bl. 40 der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 01.12.2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch (Bl. 42 der Verwaltungsakte) und führte zur Begründung aus, die von ihr geltend gemachte Depression bestehe seit Ende Februar, seit April 2014 stehe sie in psychiatrischer Behandlung bei Dr. C ... Sie bitte, von diesem sowie von Dr. N. aktuelle Befundunterlagen einzuholen. Auch die orthopädischen Probleme seien mit teils heftigen Schmerzen verbunden und brächten ständige Beeinträchtigungen für ihren Alltag mit sich.
Das LRA holte daraufhin einen Befundschein des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. N. ein. Dr. C. teilte mit Schreiben vom 15.12.2014 mit (Bl. 46 der Verwaltungsakte), die Klägerin stehe seit April 2014 in fortlaufender fachärztlicher Behandlung. Aufgrund einer erheblichen depressiven Symptomatik sei die Einleitung einer ambulanten Psychotherapie und eine medikamentöse Behandlung erforderlich gewesen. Seit April 2014 bestehe fortlaufend Arbeitsunfähigkeit, mit Beginn 2015 sei eine langsame Wiedereingliederung vereinbart. Dr. N. teilte mit (Bl. 52/53 der Verwaltungsakte), bei der Klägerin bestünden ein Wirbelsäulenleiden, eine rheumatoide Arthritis und eine Depression. Sie sei polymorbide. Bei zunehmender Überforderung und nachlassender körperlicher Leistungsfähigkeit sei es zu einer schweren Depression gekommen, die sich nur zögerlich bessere.
Entsprechend der versorgungsmedizinischen Stellungnahme des Dr. G. vom 28.04.2015 half das LRA dem Widerspruch der Klägerin teilweise ab und stellte mit Teilabhilfebescheid vom 28.04.2015 einen GdB von 40 seit dem 04.06.2014 fest (Bl. 56/57 der Verwaltungsakte). Folgende Funktionsbeeinträchtigungen lägen vor: entzündlich-rheumatische Erkrankung (GdB 30), Wirbelgleiten, Kalksalzminderung des Knochens (GdB 20) sowie eine seelische Störung (GdB 10).
Soweit die Klägerin darüber hinaus an ihrem Widerspruch festhielt, wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt diesen mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2015 (Bl. 63/64 der Verwaltungsakte) zurück. Für die seelische Störung könne bei regelmäßiger psychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung ein GdB von 20 angesetzt werden. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen könne eine weitere Erhöhung des GdB derzeit jedoch nicht begründen.
Am 01.07.2015 erhob die Klägerin hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) und führte zur Begründung an, der medizinische Sachverhalt sei nicht vollständig aufgeklärt und die bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht ausreichend erfasst und bewertet. Sie bitte daher darum, aktuelle Befundunterlagen bei der behandelnden Rheumatologin Dr. H., dem behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. C. sowie dem behandelnden Orthopäden H. einzuholen.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG Beweis durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie H. gab an (Stellungnahme vom 17.09.2015 - Bl. 23 ff. der SG-Akte), bei der Klägerin bestünden folgende Diagnosen: Chronisches lumbales Wurzel- und Schmerzsyndrom, progrediente Spondylolisthese L4 9 mm, Osteochondrose L4-S1, Hyperlordose, chronische Cervico-Dorsalgie, schwere Osteochondrose C4-7, Retrolisthese C4, Scheuermann-Hyperkyphose, rheumatoide Arthritis (aktuell NSAR), Depression, Erschöpfungssyndrom, mittelgradige Valgus-/Retropatellararthrose beidseits, Spreizfuß-Metatarsalgie 2-4 beidseits, OSG-Arthrose mit Außenbandreiz beidseits, Verdacht auf Ritzarthrose rechts mehr als links und II.-gradige Varikose. Es bestünden mittel- bis hochgradige funktionelle Einschränkungen in drei Wirbelsäulenabschnitten. Hierfür sei ein GdB von 40 gerechtfertigt. Bezüglich der Situation im Bereich der Beine/Füße könne insgesamt ein GdB von 20 angenommen werden. Die Einschränkungen im Bereich der Hände bedingten ein GdB von 10. Es müsse von einem Gesamt-GdB von 60 ausgegangen werden. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. N. gab unter Vorlage weiterer Befundberichte an (Stellungnahme vom 28.09.2015 - Bl. 32 ff. der SG-Akte), die rheumatische Erkrankung sei bei geringer Krankheitsaktivität, allerdings mit deutlichen Beschwerden mit einem GdB von 30 zu bewerten. Im Bereich der Wirbelsäule fänden sich mittelgradige Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit häufigen Beschwerden und Wurzelreizsyndrom, die einen GdB von 20 bedingten. Die Depression sei mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die Klägerin sei in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, sei über längere Zeit arbeitsunfähig gewesen und zeige auch körperliche Symptome. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. teilte mit (Stellungnahme vom 28.09.2015 - Bl. 49 der SG-Akte), bei der Klägerin bestehe eine anhaltende depressive Störung mittelgradiger Ausprägung mit rascher Erschöpfbarkeit, geringer Belastbarkeit und Konzentrationsstörungen. Auf seinem Fachgebiet sei ein GdB von 30 anzunehmen. Die Rheumatologin Dr. H. gab an (Stellungnahme vom 26.10.2015 - Bl. 51 ff. der SG-Akte), derzeit bestehe auch ohne sog. Basistherapie ein stabiler Zustand. Auf Grund der beginnenden radiologischen Destruktion sei ein GdB von 30 angemessen. Insgesamt sei ein GdB von 50 anzunehmen, insbesondere da sowohl eine entzündlich rheumatische Erkrankung als auch eine chronisch psychiatrische Erkrankung vorlägen.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG das nervenfachärztliche Gutachten der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. vom 14.12.2015 (Bl. 77 ff. der SG-Akte), die die Klägerin am 30.11.2015 persönlich untersuchte. Bei der Klägerin bestehe eine leichte affektive Störung, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sei. Insgesamt bestehe ein GdB von 40.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG das chirurgische Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. A. vom 27.02.2016 (Bl. 97 ff. der SG-Akte), welcher die Klägerin am 10.02.2016 persönlich untersucht hat. Die Klägerin leide unter einem chronischem HWS-Syndrom, einem chronischem BWS-Syndrom und einem chronischen LWS-Syndrom. Es bestünden mittelgradige funktionelle Auswirkungen an zwei Wirbelsäulenabschnitten - BWS und LWS -, die einen GdB von 30 bedingten. Den Gesamt-GdB schätze er auf 50.
Mit Urteil vom 20.07.2016 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass bei ihr ab dem 04.06.2014 ein GdB von 50 festgestellt werde.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 26.07.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.08.2016 Berufung bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, ihre Einschränkungen insbesondere auf orthopädischem Fachgebiet seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Der Gutachter habe empfohlen, einen GdB von 30 anzunehmen. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehe unverändert ein Wirbelgleiten und damit eine Instabilität, so dass allein für die Funktionsbeeinträchtigungen der Lendenwirbelsäule ein GdB von 20 anzunehmen sei. Hinzu komme eine Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Brustwirbelsäule, die im Hinblick auf die eingeschränkte Entfaltbarkeit sowie die Verformungen und die dem Alter vorauseilenden Verschleißerscheinungen, ebenfalls einen GdB von 20 bedinge. Unter Berücksichtigung der orthopädischen Befunde sei daher ein Gesamt-GdB von 50 festzustellen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.07.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18.11.2014 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 28.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25.06.2015 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug. Eine höhere Bewertung der Leiden auf orthopädischem Fachgebiet komme nicht in Betracht. Nach den durch den Gutachter Dr. A. ermittelten Bewegungsmaßen bestünden allenfalls im Bereich der HWS, bei eingeschränkter Fähigkeit der Klägerin zum Seitneigen, mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten seien.
Mit Schreiben vom 28.11.2016 reichte die Klägerin einen Befundbericht des Facharztes für Radiologie vom 18.11.2016 (Bl. 24 der Senatsakte) sowie mit Schreiben vom 09.12.2016 ein ärztliches Attest des Hausarztes Dr. N. vom 10.11.2016 (Bl. 28 der Senatsakte) zu den Akten.
Am 09.03.2017 ist ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt worden. Auf die Niederschrift vom 09.03.2017 wird verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10.03.2017, Schreiben des Beklagten vom 03.04.2017).
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 18.11.2014 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 25.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40. Das Urteil des SG vom 20.07.2016 ist nicht zu beanstanden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) – auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht rechtfertigen.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat einen höheren Einzel-GdB als 20 nicht feststellen.
Die Klägerin leidet insoweit unter einer leichten affektiven Störung. Dies entnimmt der Senat dem nervenärztlichen Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. M. vom 14.12.2015.
Nach Teil B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist bei der Klägerin eine mehr als leichte psychische Störung nicht nachgewiesen. Bei der Untersuchung durch Dr. M. am 30.11.2015 gelang der Kontakt und die Kommunikation flüssig und zugewandt. Die Stimmung war überwiegend ausgeglichen, die affektive Resonanz normal. Der Antrieb war gut. Das Denken und Handeln war stringent, formale oder inhaltliche Denkstörungen waren nicht feststellbar. Die Angaben der Klägerin in der Untersuchungssituation, wonach Konzentrationsdefizite, Wortfindungsstörungen, Fallenlassen von Gegenständen, Problemen mit Multitasking bestünden, konnten nicht verifiziert werden. Die Konzentrationsfähigkeit war durchgängig erhalten. Die Leistungstests waren unauffällig. Es zeigte sich keine Verlangsamung. Auch die affektive Schwingungsfähigkeit war gut erhalten. Motorische Defizite zeigten sich nicht. Es bestand eine gute Beweglichkeit. Hinweise auf eine Reduktion der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, der Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit sowie der Gestaltungsfähigkeit fanden sich nicht.
Nach alledem ist die depressive Störung mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Ein höherer Teil-GdB kommt hingegen nicht in Betracht. Die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist privat und beruflich überwiegend erhalten. Störungen der Kommunikationsfähigkeit, der Mobilität sowie der täglichen Routine bestehen nicht. Die Klägerin ist in der Lage, ihren Alltag und ihr Sozialleben zu gestalten und daran auch emotional und geistig teilzuhaben. Die psychosoziale Situation ist geordnet. Nach ihren eigenen Angaben bei der Untersuchung durch Dr. M. kann die Klägerin ihre täglichen Arbeiten im Haushalt verrichten, auch Gartenarbeit ist möglich. Sie pflegt multiple Hobbys, auch körperlicher Art (Lesen, Wandern, Besuch von kulturellen Veranstaltungen, Musik). Ein stärkerer sozialer Rückzug ist mithin nicht erkennbar. Auch bei ihrer Anhörung im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 09.03.2017 haben sich keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Einschränkung privater und/oder beruflicher Lebensgestaltung ergeben. Sie kann häuslichen und beruflichen Verpflichtungen, auch bei größerem Zeitaufwand, nachkommen und verfolgt einen geordneten Tagesablauf bei regelmäßig wahrgenommenen Terminen wie Krankengymnastik, Fango, Massage sowie wöchentlichem Gerätesport. Nach alledem sind die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Klägerin nicht derart ausgeprägt, dass für das seelische Leiden in der Längsschnittbetrachtung ein Teil-GdB von 30 anzunehmen wäre.
Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch die (wenn auch fachfremden) Feststellung des Dr. A. bei dessen Begutachtung der Klägerin. Dr. A. fand bei der Untersuchung der Klägerin am 10.02.2016 keine depressive Verstimmung, die Klägerin war ausgeglichen, mitteilsam und kommunikativ.
An dieser Beurteilung ändert auch der Befundschein des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. vom 15.12.2014 sowie seine zeugenschaftliche Auskunft vom 28.09.2015 nichts. Soweit Dr. C. den GdB auf psychiatrischem Fachgebiet mit 30 bewertet, lässt sich den Auskünften mangels Darstellung der Alltagsbewältigung und des psychosozialen Umfelds nicht entnehmen, dass eine entsprechende Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bei der Klägerin vorliegt. Dies gilt auch für den Zeitraum von April 2014 bis Februar 2015, in welchem bei der Klägerin fortlaufend Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden war. Anderes ergibt sich auch nicht aus der zeugenschaftlichen Auskunft des Hausarztes Dr. N. vom 28.09.2015.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen.
Die Klägerin leidet insoweit unter einem chronischen HWS-Syndrom, einem chronischen BWS-Syndrom sowie einem chronischen LWS-Syndrom. Dies entnimmt der Senat dem chirurgischen Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. A. vom 27.02.2016.
Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris, sozialgerichtsbarkeit.de).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Bei der Untersuchung durch Dr. A. am 10.02.2016 zeigte sich ein symmetrisch gebauter und seitengleich beatmeter Brustkorb. Der Rücken war hohlrund, eine skoliotische Verkrümmung fand sich nicht. Ein Kompressionsschmerz der Wirbelsäule zeigte sich nicht, es bestand jedoch ein Klopfschmerz der BWS in der oberen Hälfte sowie ein Klopfschmerz der LWS im unteren Bereich. Im Bereich der HWS fand sich kein Druckschmerz über den Dornfortsätzen. Die paralumbale Muskulatur war verspannt. Der Kinnspitzen-Jugulum-Abstand gelang mit 2,5 cm nach vorne und 17 cm zurück. Im Bereich der HWS war die Seitneigung rechts/links mit 30-0-20° möglich. Das Drehen gelang mit 70-0-65°. Im Bereich der BWS und LWS gelang die Seitneigung rechts/links mit 30-0-30°. Die Drehung im Sitzen gelang mit 30-0-25°. Der Finger-Boden-Abstand betrug 21,5 cm. Das Ott’sche Zeichen betrug 30/31 cm, das Schober’sche Zeichen 10/13 cm. Röntgenologisch zeigte sich im Bereich der Lendenwirbelsäule eine deutliche Verschmälerung des Zwischenwirbelraums L4/L5 mit leichtem Wirbelgleiten nach ventral (um ca. 2- 3 mm).
Der Senat konnte damit im Bereich der HWS bei eingeschränkter Fähigkeit der Klägerin zur Seitneigung mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen feststellen, die einem GdB von 20 entsprechen. Mittelgradige Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten bestehen hingegen nicht. Die Bewegungsmaße im Bereich der BWS und LWS lagen bei der Untersuchung durch Dr. A. hinsichtlich der Seitneigung im Normbereich. Hinsichtlich der Drehung im Sitzen zeigte sich lediglich eine leichte Einschränkung (25° statt Normalwert 30-40°). Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ergaben sowohl das Zeichen nach Ott als auch das Zeichen nach Schober zwar eine eingeschränkte Entfaltungsstörung (30:31 cm bzw. 10/13 cm), eine mittelgradige Einschränkung lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Im Bereich der Lendenwirbelsäule fand sich zudem röntgenologisch lediglich ein leichtes Wirbelgleiten.
Angesichts der von Dr. A. festgestellten Bewegungsmaße lässt sich damit ein höherer GdB nicht rechtfertigen. Soweit Dr. A. dennoch von mittelgradigen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ausgeht und einen Teil-GdB von 30 annimmt, tragen dies die von ihm erhobenen Befunde nicht. Die Bemessung des GdB an sich ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zudem tatrichterliche Aufgabe, das Gericht muss nur bei der Feststellung der einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen ausschließlich ärztliches Fachwissen heranziehen (statt vieler BSG 09.12.2010 - B 9 SB 35/10 B, juris). Eine Bindung an die Empfehlung des Dr. A. besteht demnach nicht.
An der Beurteilung ändert auch die zeugenschaftliche Auskunft des Dr. H. vom 17.09.2015 nichts. Dr. H. teilt schon keine Befunde mit, die eine entsprechende Einschätzung rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für die zeugenschaftliche Auskunft des Hausarztes Dr. N. vom 28.09.2015.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Befundbericht des Radiologen Dr. B. vom 18.11.2016 (Bl. 24 der Senats-Akte). Funktionelle Bewegungsausmaße ergeben sich hieraus nicht. Nach Teil B Nr. 18.1 VG kommt jedoch allein dem Vorliegen degenerativer Veränderungen der Haltungs- und Bewegungsorgane für die Bewertung des Teil-GdB nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu, sondern der dadurch hervorgerufenen Funktionsbehinderung. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z.B. degenerativer Art) rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Zudem werden die Veränderungen auch lediglich als leicht progredient im Verlauf gegenüber 2007 bezeichnet.
Für die entzündlich-rheumatische Erkrankung, die sowohl das Funktionssystem der Arme als auch das Funktionssystem der Beine betrifft, konnte der Senat einen Einzel-GdB von 20 feststellen.
Die Klägerin leidet insoweit unter einer HLA-B 27 positiven Oligoarthritis. Dies entnimmt der Senat der zeugenschaftlichen Auskunft der Rheumatologin Dr. H. vom 26.10.2015 sowie der zeugenschaftlichen Auskunft des Hausarztes Dr. N. vom 28.09.2015.
Nach Teil B Nr. 18.2.1 VG bedingen entzündlich rheumatische Krankheiten ohne wesentliche Funktionseinschränkungen mit leichten Beschwerden einen GdB von 10, solche mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität) einen GdB von 20 bis 40. Bei der Untersuchung durch Dr. A. zeigte sich weder am rechten Handgelenk noch in den Fingergelenken eine Schwellung. Ein Druckschmerz ließ sich am Daumensattelgelenk auslösen, ferner am Grundgelenk des zweiten Fingers, alle anderen Finger waren nicht druckempfindlich. Der Faustschluss war komplett ebenso die Streckung der Langfinger. Der Daumen war frei beweglich. Die grobe Kraft der Hand war leicht herabgesetzt. Auch im Bereich der linken Hand befand sich keine Schwellung des Handgelenks oder von Fingergelenken. Ein Druckschmerz ließ sich nur im Bereich des Daumensattelgelenkes auslösen. Der Faustschluss war komplett, die Langfinger konnten vollständig gestreckt werden mit Ausnahme des Endgelenkes des 5. Fingers, wo nach länger zurückliegendem Abriss der Strecksehne ein Streckdefizit von 30° bestand. Der Daumen war frei beweglich. Weder in den Schultergelenken noch in den Ellenbogengelenken befanden sich Bewegungseinschränkungen. Im Bereich der Füße und Sprunggelenke zeigten sich keine Schwellungen der großen oder kleinen Gelenke. Die Beweglichkeit war frei, die Bänder stabil. Nach der zeugenschaftlichen Auskunft des Dr. N. zeigte sich bei der letzten Blutuntersuchung 9/2015 keine akut entzündliche Laborkonstellation. Auch die Rheumatologin Dr. Hartmann hat insoweit einen klinisch-stabilen Befund ohne Notwendigkeit einer Basis-Therapie angegeben.
Ein höherer Teil-GdB als 20 ist daher nicht festzustellen.
Soweit Dr. Hartmann einen GdB von 30 annimmt, ändert dies an der Beurteilung nichts, nachdem sie schon keine Befunde mitteilt, die diese Annahme rechtfertigen könnten.
Im Funktionssystem der Beine leidet die Klägerin zudem unter einem Senk-Spreizfuß beidseits, einem Hallux-Valgus links sowie einer Hammerzehendeformierung der 2. Zehe links. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. A ...
Nach Teil B Nr. 18.14 VG bedingen Fußdeformitäten ohne wesentliche statische Auswirkungen (z. B. Senk-Spreizfuß, Hohlfuß, Knickfuß, auch posttraumatisch) keinen GdB, solche mit statischer Auswirkung und einer Funktionsstörung geringen Grades einen solchen von 10. Ein höherer Teil-GdB als 10 ist insoweit nicht festzustellen.
Ein höherer Einzel-GdB für das Funktionssystem der Beine resultiert hieraus nicht.
Weitere Gesundheitsstörungen sind weder vorgetragen noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist mithin vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Damit ist bei der Klägerin ein höherer Gesamt-GdB als 40 nicht festzustellen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB – nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder ein anderer Wert – fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind - z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von
• 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche, • 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes, • 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme und der Beine bedingt durch die entzündlich-rheumatische Erkrankung,
wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken (Teil A Nr. 3 lit. d, ee VG). Die Feststellung eines höheren GdB als 40 kommt derzeit nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.
Vorliegend spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach vergleichender Betrachtung so schwer beeinträchtigt wie etwa schwere Störungen (z.B. Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (bei der Klägerin bestehen leichtere psychische Störungen), eine entzündlich-rheumatische Erkrankung mit dauernd erheblichen Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität (bei der Klägerin besteht eine rheumatoide Arthritis mit leichten Funktionseinschränkungen) oder die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule (bei der Klägerin bestehen mittelgradige Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt). Auch in ihrer Zusammenschau liegen bei der Klägerin derartig schwere Funktionsstörungen nicht vor, weshalb ein GdB von 50 vorliegend nicht gerechtfertigt ist.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Grad der Behinderung (GdB) die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sind.
Die 1956 geborene Klägerin beantragte am 04.06.2014 beim Landratsamt Reutlingen - Versorgungsamt (LRA) wegen einer Polyarthritis, einer depressiven Episode, einer Spondylolisthesis sowie einer Osteochondrose erstmals die Feststellung eines GdB (Bl. 1/2 der Verwaltungsakte).
Das LRA zog daraufhin Befundunterlagen von dem Arzt für Allgemeinmedizin N. (Bl. 4 ff. der Verwaltungsakte) sowie dem Facharzt für Orthopädie Dr. H.(Bl. 28 ff. der Verwaltungsakte) bei und ließ diese versorgungsärztlich auswerten.
Entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. A.-F. vom 27.10.2014 (Bl. 37/38 der Verwaltungsakte) stellte das LRA mit Bescheid vom 18.11.2014 wegen einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung (GdB 20) sowie Wirbelgleiten und einer Kalksalzminderung des Knochens - Osteoporose - (GdB 20) einen Gesamt-GdB von 30 seit dem 04.06.2014 fest (Bl. 40 der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 01.12.2014 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch (Bl. 42 der Verwaltungsakte) und führte zur Begründung aus, die von ihr geltend gemachte Depression bestehe seit Ende Februar, seit April 2014 stehe sie in psychiatrischer Behandlung bei Dr. C ... Sie bitte, von diesem sowie von Dr. N. aktuelle Befundunterlagen einzuholen. Auch die orthopädischen Probleme seien mit teils heftigen Schmerzen verbunden und brächten ständige Beeinträchtigungen für ihren Alltag mit sich.
Das LRA holte daraufhin einen Befundschein des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. N. ein. Dr. C. teilte mit Schreiben vom 15.12.2014 mit (Bl. 46 der Verwaltungsakte), die Klägerin stehe seit April 2014 in fortlaufender fachärztlicher Behandlung. Aufgrund einer erheblichen depressiven Symptomatik sei die Einleitung einer ambulanten Psychotherapie und eine medikamentöse Behandlung erforderlich gewesen. Seit April 2014 bestehe fortlaufend Arbeitsunfähigkeit, mit Beginn 2015 sei eine langsame Wiedereingliederung vereinbart. Dr. N. teilte mit (Bl. 52/53 der Verwaltungsakte), bei der Klägerin bestünden ein Wirbelsäulenleiden, eine rheumatoide Arthritis und eine Depression. Sie sei polymorbide. Bei zunehmender Überforderung und nachlassender körperlicher Leistungsfähigkeit sei es zu einer schweren Depression gekommen, die sich nur zögerlich bessere.
Entsprechend der versorgungsmedizinischen Stellungnahme des Dr. G. vom 28.04.2015 half das LRA dem Widerspruch der Klägerin teilweise ab und stellte mit Teilabhilfebescheid vom 28.04.2015 einen GdB von 40 seit dem 04.06.2014 fest (Bl. 56/57 der Verwaltungsakte). Folgende Funktionsbeeinträchtigungen lägen vor: entzündlich-rheumatische Erkrankung (GdB 30), Wirbelgleiten, Kalksalzminderung des Knochens (GdB 20) sowie eine seelische Störung (GdB 10).
Soweit die Klägerin darüber hinaus an ihrem Widerspruch festhielt, wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt diesen mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2015 (Bl. 63/64 der Verwaltungsakte) zurück. Für die seelische Störung könne bei regelmäßiger psychiatrischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung ein GdB von 20 angesetzt werden. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen könne eine weitere Erhöhung des GdB derzeit jedoch nicht begründen.
Am 01.07.2015 erhob die Klägerin hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) und führte zur Begründung an, der medizinische Sachverhalt sei nicht vollständig aufgeklärt und die bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht ausreichend erfasst und bewertet. Sie bitte daher darum, aktuelle Befundunterlagen bei der behandelnden Rheumatologin Dr. H., dem behandelnden Neurologen und Psychiater Dr. C. sowie dem behandelnden Orthopäden H. einzuholen.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG Beweis durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Orthopädie H. gab an (Stellungnahme vom 17.09.2015 - Bl. 23 ff. der SG-Akte), bei der Klägerin bestünden folgende Diagnosen: Chronisches lumbales Wurzel- und Schmerzsyndrom, progrediente Spondylolisthese L4 9 mm, Osteochondrose L4-S1, Hyperlordose, chronische Cervico-Dorsalgie, schwere Osteochondrose C4-7, Retrolisthese C4, Scheuermann-Hyperkyphose, rheumatoide Arthritis (aktuell NSAR), Depression, Erschöpfungssyndrom, mittelgradige Valgus-/Retropatellararthrose beidseits, Spreizfuß-Metatarsalgie 2-4 beidseits, OSG-Arthrose mit Außenbandreiz beidseits, Verdacht auf Ritzarthrose rechts mehr als links und II.-gradige Varikose. Es bestünden mittel- bis hochgradige funktionelle Einschränkungen in drei Wirbelsäulenabschnitten. Hierfür sei ein GdB von 40 gerechtfertigt. Bezüglich der Situation im Bereich der Beine/Füße könne insgesamt ein GdB von 20 angenommen werden. Die Einschränkungen im Bereich der Hände bedingten ein GdB von 10. Es müsse von einem Gesamt-GdB von 60 ausgegangen werden. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. N. gab unter Vorlage weiterer Befundberichte an (Stellungnahme vom 28.09.2015 - Bl. 32 ff. der SG-Akte), die rheumatische Erkrankung sei bei geringer Krankheitsaktivität, allerdings mit deutlichen Beschwerden mit einem GdB von 30 zu bewerten. Im Bereich der Wirbelsäule fänden sich mittelgradige Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit häufigen Beschwerden und Wurzelreizsyndrom, die einen GdB von 20 bedingten. Die Depression sei mit einem GdB von 30 zu bewerten. Die Klägerin sei in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, sei über längere Zeit arbeitsunfähig gewesen und zeige auch körperliche Symptome. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. teilte mit (Stellungnahme vom 28.09.2015 - Bl. 49 der SG-Akte), bei der Klägerin bestehe eine anhaltende depressive Störung mittelgradiger Ausprägung mit rascher Erschöpfbarkeit, geringer Belastbarkeit und Konzentrationsstörungen. Auf seinem Fachgebiet sei ein GdB von 30 anzunehmen. Die Rheumatologin Dr. H. gab an (Stellungnahme vom 26.10.2015 - Bl. 51 ff. der SG-Akte), derzeit bestehe auch ohne sog. Basistherapie ein stabiler Zustand. Auf Grund der beginnenden radiologischen Destruktion sei ein GdB von 30 angemessen. Insgesamt sei ein GdB von 50 anzunehmen, insbesondere da sowohl eine entzündlich rheumatische Erkrankung als auch eine chronisch psychiatrische Erkrankung vorlägen.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG das nervenfachärztliche Gutachten der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M. vom 14.12.2015 (Bl. 77 ff. der SG-Akte), die die Klägerin am 30.11.2015 persönlich untersuchte. Bei der Klägerin bestehe eine leichte affektive Störung, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sei. Insgesamt bestehe ein GdB von 40.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erhob das SG das chirurgische Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. A. vom 27.02.2016 (Bl. 97 ff. der SG-Akte), welcher die Klägerin am 10.02.2016 persönlich untersucht hat. Die Klägerin leide unter einem chronischem HWS-Syndrom, einem chronischem BWS-Syndrom und einem chronischen LWS-Syndrom. Es bestünden mittelgradige funktionelle Auswirkungen an zwei Wirbelsäulenabschnitten - BWS und LWS -, die einen GdB von 30 bedingten. Den Gesamt-GdB schätze er auf 50.
Mit Urteil vom 20.07.2016 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass bei ihr ab dem 04.06.2014 ein GdB von 50 festgestellt werde.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 26.07.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.08.2016 Berufung bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, ihre Einschränkungen insbesondere auf orthopädischem Fachgebiet seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Der Gutachter habe empfohlen, einen GdB von 30 anzunehmen. Im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehe unverändert ein Wirbelgleiten und damit eine Instabilität, so dass allein für die Funktionsbeeinträchtigungen der Lendenwirbelsäule ein GdB von 20 anzunehmen sei. Hinzu komme eine Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Brustwirbelsäule, die im Hinblick auf die eingeschränkte Entfaltbarkeit sowie die Verformungen und die dem Alter vorauseilenden Verschleißerscheinungen, ebenfalls einen GdB von 20 bedinge. Unter Berücksichtigung der orthopädischen Befunde sei daher ein Gesamt-GdB von 50 festzustellen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20.07.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18.11.2014 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 28.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25.06.2015 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug. Eine höhere Bewertung der Leiden auf orthopädischem Fachgebiet komme nicht in Betracht. Nach den durch den Gutachter Dr. A. ermittelten Bewegungsmaßen bestünden allenfalls im Bereich der HWS, bei eingeschränkter Fähigkeit der Klägerin zum Seitneigen, mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten seien.
Mit Schreiben vom 28.11.2016 reichte die Klägerin einen Befundbericht des Facharztes für Radiologie vom 18.11.2016 (Bl. 24 der Senatsakte) sowie mit Schreiben vom 09.12.2016 ein ärztliches Attest des Hausarztes Dr. N. vom 10.11.2016 (Bl. 28 der Senatsakte) zu den Akten.
Am 09.03.2017 ist ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt worden. Auf die Niederschrift vom 09.03.2017 wird verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10.03.2017, Schreiben des Beklagten vom 03.04.2017).
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 18.11.2014 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 25.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40. Das Urteil des SG vom 20.07.2016 ist nicht zu beanstanden.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) – auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht rechtfertigen.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat einen höheren Einzel-GdB als 20 nicht feststellen.
Die Klägerin leidet insoweit unter einer leichten affektiven Störung. Dies entnimmt der Senat dem nervenärztlichen Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. M. vom 14.12.2015.
Nach Teil B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist bei der Klägerin eine mehr als leichte psychische Störung nicht nachgewiesen. Bei der Untersuchung durch Dr. M. am 30.11.2015 gelang der Kontakt und die Kommunikation flüssig und zugewandt. Die Stimmung war überwiegend ausgeglichen, die affektive Resonanz normal. Der Antrieb war gut. Das Denken und Handeln war stringent, formale oder inhaltliche Denkstörungen waren nicht feststellbar. Die Angaben der Klägerin in der Untersuchungssituation, wonach Konzentrationsdefizite, Wortfindungsstörungen, Fallenlassen von Gegenständen, Problemen mit Multitasking bestünden, konnten nicht verifiziert werden. Die Konzentrationsfähigkeit war durchgängig erhalten. Die Leistungstests waren unauffällig. Es zeigte sich keine Verlangsamung. Auch die affektive Schwingungsfähigkeit war gut erhalten. Motorische Defizite zeigten sich nicht. Es bestand eine gute Beweglichkeit. Hinweise auf eine Reduktion der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, der Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit sowie der Gestaltungsfähigkeit fanden sich nicht.
Nach alledem ist die depressive Störung mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Ein höherer Teil-GdB kommt hingegen nicht in Betracht. Die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist privat und beruflich überwiegend erhalten. Störungen der Kommunikationsfähigkeit, der Mobilität sowie der täglichen Routine bestehen nicht. Die Klägerin ist in der Lage, ihren Alltag und ihr Sozialleben zu gestalten und daran auch emotional und geistig teilzuhaben. Die psychosoziale Situation ist geordnet. Nach ihren eigenen Angaben bei der Untersuchung durch Dr. M. kann die Klägerin ihre täglichen Arbeiten im Haushalt verrichten, auch Gartenarbeit ist möglich. Sie pflegt multiple Hobbys, auch körperlicher Art (Lesen, Wandern, Besuch von kulturellen Veranstaltungen, Musik). Ein stärkerer sozialer Rückzug ist mithin nicht erkennbar. Auch bei ihrer Anhörung im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 09.03.2017 haben sich keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Einschränkung privater und/oder beruflicher Lebensgestaltung ergeben. Sie kann häuslichen und beruflichen Verpflichtungen, auch bei größerem Zeitaufwand, nachkommen und verfolgt einen geordneten Tagesablauf bei regelmäßig wahrgenommenen Terminen wie Krankengymnastik, Fango, Massage sowie wöchentlichem Gerätesport. Nach alledem sind die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Klägerin nicht derart ausgeprägt, dass für das seelische Leiden in der Längsschnittbetrachtung ein Teil-GdB von 30 anzunehmen wäre.
Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch die (wenn auch fachfremden) Feststellung des Dr. A. bei dessen Begutachtung der Klägerin. Dr. A. fand bei der Untersuchung der Klägerin am 10.02.2016 keine depressive Verstimmung, die Klägerin war ausgeglichen, mitteilsam und kommunikativ.
An dieser Beurteilung ändert auch der Befundschein des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. vom 15.12.2014 sowie seine zeugenschaftliche Auskunft vom 28.09.2015 nichts. Soweit Dr. C. den GdB auf psychiatrischem Fachgebiet mit 30 bewertet, lässt sich den Auskünften mangels Darstellung der Alltagsbewältigung und des psychosozialen Umfelds nicht entnehmen, dass eine entsprechende Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bei der Klägerin vorliegt. Dies gilt auch für den Zeitraum von April 2014 bis Februar 2015, in welchem bei der Klägerin fortlaufend Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden war. Anderes ergibt sich auch nicht aus der zeugenschaftlichen Auskunft des Hausarztes Dr. N. vom 28.09.2015.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, ist ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen.
Die Klägerin leidet insoweit unter einem chronischen HWS-Syndrom, einem chronischen BWS-Syndrom sowie einem chronischen LWS-Syndrom. Dies entnimmt der Senat dem chirurgischen Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. A. vom 27.02.2016.
Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris, sozialgerichtsbarkeit.de).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Bei der Untersuchung durch Dr. A. am 10.02.2016 zeigte sich ein symmetrisch gebauter und seitengleich beatmeter Brustkorb. Der Rücken war hohlrund, eine skoliotische Verkrümmung fand sich nicht. Ein Kompressionsschmerz der Wirbelsäule zeigte sich nicht, es bestand jedoch ein Klopfschmerz der BWS in der oberen Hälfte sowie ein Klopfschmerz der LWS im unteren Bereich. Im Bereich der HWS fand sich kein Druckschmerz über den Dornfortsätzen. Die paralumbale Muskulatur war verspannt. Der Kinnspitzen-Jugulum-Abstand gelang mit 2,5 cm nach vorne und 17 cm zurück. Im Bereich der HWS war die Seitneigung rechts/links mit 30-0-20° möglich. Das Drehen gelang mit 70-0-65°. Im Bereich der BWS und LWS gelang die Seitneigung rechts/links mit 30-0-30°. Die Drehung im Sitzen gelang mit 30-0-25°. Der Finger-Boden-Abstand betrug 21,5 cm. Das Ott’sche Zeichen betrug 30/31 cm, das Schober’sche Zeichen 10/13 cm. Röntgenologisch zeigte sich im Bereich der Lendenwirbelsäule eine deutliche Verschmälerung des Zwischenwirbelraums L4/L5 mit leichtem Wirbelgleiten nach ventral (um ca. 2- 3 mm).
Der Senat konnte damit im Bereich der HWS bei eingeschränkter Fähigkeit der Klägerin zur Seitneigung mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen feststellen, die einem GdB von 20 entsprechen. Mittelgradige Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten bestehen hingegen nicht. Die Bewegungsmaße im Bereich der BWS und LWS lagen bei der Untersuchung durch Dr. A. hinsichtlich der Seitneigung im Normbereich. Hinsichtlich der Drehung im Sitzen zeigte sich lediglich eine leichte Einschränkung (25° statt Normalwert 30-40°). Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ergaben sowohl das Zeichen nach Ott als auch das Zeichen nach Schober zwar eine eingeschränkte Entfaltungsstörung (30:31 cm bzw. 10/13 cm), eine mittelgradige Einschränkung lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Im Bereich der Lendenwirbelsäule fand sich zudem röntgenologisch lediglich ein leichtes Wirbelgleiten.
Angesichts der von Dr. A. festgestellten Bewegungsmaße lässt sich damit ein höherer GdB nicht rechtfertigen. Soweit Dr. A. dennoch von mittelgradigen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ausgeht und einen Teil-GdB von 30 annimmt, tragen dies die von ihm erhobenen Befunde nicht. Die Bemessung des GdB an sich ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zudem tatrichterliche Aufgabe, das Gericht muss nur bei der Feststellung der einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen ausschließlich ärztliches Fachwissen heranziehen (statt vieler BSG 09.12.2010 - B 9 SB 35/10 B, juris). Eine Bindung an die Empfehlung des Dr. A. besteht demnach nicht.
An der Beurteilung ändert auch die zeugenschaftliche Auskunft des Dr. H. vom 17.09.2015 nichts. Dr. H. teilt schon keine Befunde mit, die eine entsprechende Einschätzung rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für die zeugenschaftliche Auskunft des Hausarztes Dr. N. vom 28.09.2015.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Befundbericht des Radiologen Dr. B. vom 18.11.2016 (Bl. 24 der Senats-Akte). Funktionelle Bewegungsausmaße ergeben sich hieraus nicht. Nach Teil B Nr. 18.1 VG kommt jedoch allein dem Vorliegen degenerativer Veränderungen der Haltungs- und Bewegungsorgane für die Bewertung des Teil-GdB nicht die ausschlaggebende Bedeutung zu, sondern der dadurch hervorgerufenen Funktionsbehinderung. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z.B. degenerativer Art) rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Zudem werden die Veränderungen auch lediglich als leicht progredient im Verlauf gegenüber 2007 bezeichnet.
Für die entzündlich-rheumatische Erkrankung, die sowohl das Funktionssystem der Arme als auch das Funktionssystem der Beine betrifft, konnte der Senat einen Einzel-GdB von 20 feststellen.
Die Klägerin leidet insoweit unter einer HLA-B 27 positiven Oligoarthritis. Dies entnimmt der Senat der zeugenschaftlichen Auskunft der Rheumatologin Dr. H. vom 26.10.2015 sowie der zeugenschaftlichen Auskunft des Hausarztes Dr. N. vom 28.09.2015.
Nach Teil B Nr. 18.2.1 VG bedingen entzündlich rheumatische Krankheiten ohne wesentliche Funktionseinschränkungen mit leichten Beschwerden einen GdB von 10, solche mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität) einen GdB von 20 bis 40. Bei der Untersuchung durch Dr. A. zeigte sich weder am rechten Handgelenk noch in den Fingergelenken eine Schwellung. Ein Druckschmerz ließ sich am Daumensattelgelenk auslösen, ferner am Grundgelenk des zweiten Fingers, alle anderen Finger waren nicht druckempfindlich. Der Faustschluss war komplett ebenso die Streckung der Langfinger. Der Daumen war frei beweglich. Die grobe Kraft der Hand war leicht herabgesetzt. Auch im Bereich der linken Hand befand sich keine Schwellung des Handgelenks oder von Fingergelenken. Ein Druckschmerz ließ sich nur im Bereich des Daumensattelgelenkes auslösen. Der Faustschluss war komplett, die Langfinger konnten vollständig gestreckt werden mit Ausnahme des Endgelenkes des 5. Fingers, wo nach länger zurückliegendem Abriss der Strecksehne ein Streckdefizit von 30° bestand. Der Daumen war frei beweglich. Weder in den Schultergelenken noch in den Ellenbogengelenken befanden sich Bewegungseinschränkungen. Im Bereich der Füße und Sprunggelenke zeigten sich keine Schwellungen der großen oder kleinen Gelenke. Die Beweglichkeit war frei, die Bänder stabil. Nach der zeugenschaftlichen Auskunft des Dr. N. zeigte sich bei der letzten Blutuntersuchung 9/2015 keine akut entzündliche Laborkonstellation. Auch die Rheumatologin Dr. Hartmann hat insoweit einen klinisch-stabilen Befund ohne Notwendigkeit einer Basis-Therapie angegeben.
Ein höherer Teil-GdB als 20 ist daher nicht festzustellen.
Soweit Dr. Hartmann einen GdB von 30 annimmt, ändert dies an der Beurteilung nichts, nachdem sie schon keine Befunde mitteilt, die diese Annahme rechtfertigen könnten.
Im Funktionssystem der Beine leidet die Klägerin zudem unter einem Senk-Spreizfuß beidseits, einem Hallux-Valgus links sowie einer Hammerzehendeformierung der 2. Zehe links. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. A ...
Nach Teil B Nr. 18.14 VG bedingen Fußdeformitäten ohne wesentliche statische Auswirkungen (z. B. Senk-Spreizfuß, Hohlfuß, Knickfuß, auch posttraumatisch) keinen GdB, solche mit statischer Auswirkung und einer Funktionsstörung geringen Grades einen solchen von 10. Ein höherer Teil-GdB als 10 ist insoweit nicht festzustellen.
Ein höherer Einzel-GdB für das Funktionssystem der Beine resultiert hieraus nicht.
Weitere Gesundheitsstörungen sind weder vorgetragen noch konnte der Senat solche feststellen.
Der Sachverhalt ist mithin vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der festgestellte medizinische Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Damit ist bei der Klägerin ein höherer Gesamt-GdB als 40 nicht festzustellen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB – nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder ein anderer Wert – fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 - B 9 SB 2/13 R - SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind - z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen. Maßgeblich sind damit grundsätzlich weder Erkrankungen oder deren Schlüsselung in Diagnosemanualen an sich noch ob eine Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgetreten ist, sondern ob und wie stark die funktionellen Auswirkungen der tatsächlich vorhandenen bzw. ärztlich objektivierten Erkrankungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) anhand eines abstrakten Bemessungsrahmens (Senatsurteil 26.09.2014 - L 8 SB 5215/13 - juris) beeinträchtigen. Dies ist – wie dargestellt – anhand eines Vergleichs mit den in den VG gelisteten Fällen z.B. eines GdB von 50 festzustellen. Letztlich handelt es sich bei der GdB-Bewertung nicht um eine soziale Bewertung von Krankheit und Leid, sondern um eine anhand rechtlicher Rahmenbedingungen vorzunehmende, funktionell ausgerichtete Feststellung.
Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von
• 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche, • 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes, • 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem der Arme und der Beine bedingt durch die entzündlich-rheumatische Erkrankung,
wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken (Teil A Nr. 3 lit. d, ee VG). Die Feststellung eines höheren GdB als 40 kommt derzeit nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.
Vorliegend spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach vergleichender Betrachtung so schwer beeinträchtigt wie etwa schwere Störungen (z.B. Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (bei der Klägerin bestehen leichtere psychische Störungen), eine entzündlich-rheumatische Erkrankung mit dauernd erheblichen Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität (bei der Klägerin besteht eine rheumatoide Arthritis mit leichten Funktionseinschränkungen) oder die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule (bei der Klägerin bestehen mittelgradige Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt). Auch in ihrer Zusammenschau liegen bei der Klägerin derartig schwere Funktionsstörungen nicht vor, weshalb ein GdB von 50 vorliegend nicht gerechtfertigt ist.
Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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