L 1 KR 135/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 35 KR 379/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 135/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungs-verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Krankengeld für die Zeit vom 16. August 2013 bis zum 20. September 2013.

Er ist 1974 geboren und war aufgrund abhängiger Beschäftigung bis zum 17. August 2012 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. In der Folgezeit bezog er von der Beklagten Krankengeld. Im deren Auftrag untersuchte ihn der medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg (MDK) am 7. Juni 2003 und gelangte in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom selben Tag zunächst zu dem Ergebnis, dass Arbeitsfähigkeit ab 15. Juni 2013 wieder gegeben sei.

Darauf gestützt erließ die Beklagte am 7. Juni 2013 einen Bescheid, in welchem sie die Zahlung von Krankengeld zum 14. Juni 2013 einstellte.

Der Kläger erhob Widerspruch.

Seine Behandlerin S stellte ihm -wie zuvor- am 30. Juli 2013 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) aus, die Arbeitsunfähigkeit (AU) bis voraussichtlich einschließlich 12. August 2013 attestierte. Der Kläger befand sich in der Zeit vom 12. August 2013 bis 16. August 2013 in stationärer Behandlung zu weiteren Diagnostik seiner Epilepsie. Er wurde am Freitag, den 16. August 2013 entlassen. Am 19. August 2013 begab sich der Kläger zu seiner behandelnden Ärztin. Dieser stellte eine kontinuierlich fortbestehende AU fest (am 19. August 2013 bis 30. August 2013, am 2. September 2013 bis 20. September 2013).

Die Beklagte holte erneut eine Stellungnahme des MDK ein. In seinem Gutachten nach Aktenlage vom 28. August 2013 ging dieser nunmehr von AU bis zur stationären Aufnahme aus.

Mit Teilabhilfebescheid vom 2. September 2013 hob die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 7. Juni 2013 insoweit auf und bewilligte Krankengeld bis einschließlich 16. August 2013. Sie wies im Übrigen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2013 als unbegründet zurück. Ab dem 17. August 2013 habe keine AU für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Krankenpfleger oder eine ähnlichen Tätigkeit mehr bestanden.

Hiergegen hat der Kläger am 17. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe auch über den 16. August 2013 hinaus an Epilepsie gelitten, welche der Grund seiner AU gewesen sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10. Februar 2016 (Zustellung am 24. Februar 2016) abgewiesen: Der Kläger habe für den begehrten Zeitraum vom "16. August 2013 bis 20. September 2013" keinen Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld. Ob die Voraussetzung fortwährender AU nach § 44 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) im streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegen habe, könne dahingestellt bleiben. Der Kläger sei nämlich aufgrund der erst am 19. August 2013 erfolgten AU-Feststellung bereits nicht mehr Versicherter mit Anspruch auf Krankengeld gewesen. Seine Mitgliedschaft als Pflichtversicherter habe nämlich mit dem letzten Tag der bisher bescheinigten AU am 16. August 2013 geendet. Die Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V habe zunächst bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 17. August 2012 bestanden. Für die Dauer des sich anschließenden Bezuges von Krankengeld habe sich die Mitgliedschaft aufgrund des fortdauernden Krankengeldbezuges nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fortgesetzt. Dieser Tatbestand habe am 16. August 2013 mit dem letzten Tag des Krankengeldanspruches aufgrund zuvor nach § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V festgestellten AU geendet. Die Krankschreibung durch den behandelnden Arzt am 19. August 2013 sei zu spät erfolgt. Rückwirkend habe die AU-Bescheinigung nicht ausgestellt werden können, weil § 46 S. 1 Nr. 2 SGB V einen Anspruch auf Krankengeld erst ab dem Tag vorsehe, die auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folge. Die Mitgliedschaft (mit Krankengeldanspruch) sei auch nicht aufgrund der Sonderregel des § 19 Abs. 2 S. 1 SGB V fortgesetzt worden. Diese Vorschrift sei als Ausnahmevorschrift auf den Zweck beschränkt, Ansprüche bei kurzzeitigen Beschäftigungslücken zu sichern, also in Fällen, in denen bereits begründete Aussicht bestehe, dass bald ein neues Beschäftigungsverhältnis aufgenommen werde (Bezugnahme u. a. auf BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 17/13 R).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 21. März 2016. Zur Begründung führt er aus, es sei hier § 46 SGB V in der neuen Fassung anzuwenden. Es reiche aus, wenn die ärztliche Feststellung der AU spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der AU erfolge (Bezugnahme auf SG Mainz, Urteil vom 31. August 2015-S 3 KR 5/13). Auch andere Gerichte teilten diese Auffassung. Nicht zu folgen sei hingegen der abwegigen Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 4. März 2014 -B 1 KR 17/13 R), wonach der Kläger noch am Entlassungstag am Freitag einen Arzt hätte aufsuchen müssen, um seine weitere AU bescheinigen zu lassen.

Er beantragt wörtlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts P vom 10. Februar 2016 zu verurteilen, den Bescheid vom 7. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 2013 aufzuheben und die Arbeitsunfähigkeit des Klägers für den Zeitraum vom 16. August bis 20. September 2013 anzuerkennen und ihm für diesen Zeitraum Krankengeld zu zahlen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung stehe im Widerspruch zu der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Auf die in der Akte und im Verwaltungsvorgang befindlichen ärztlichen Unterlagen wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen. Er hält sie einstimmig für unbegründet. Eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, im Erörterungstermin am 13. Februar 2017 hingewiesen worden.

Der Berufung muss der Erfolg versagt bleiben. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird. Soweit der Kläger Krankengeld auch für den 16. August 2013 begehrt, ist die Klage bereits unzulässig, weil er bis einschließlich dieses Tages Krankengeld erhalten hat. Die Beklagte hat ab dem 17. August 2013 die Zahlung von Krankengeld eingestellt.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krankengeld vorliegt. Nach § 46 Satz 1 SGB V (in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung) entsteht der Anspruch auf Krankengeld 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an und 2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Wird Krankengeld wegen ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (Urteil des BSG vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 25/14 R , zitiert nach juris). Wie das BSG wiederholt entschieden hat, bietet das Gesetz weder einen Anhalt für das Verständnis des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V als bloßer Zahlungsvorschrift noch im Sinne der Klägerin, die die Norm dahingehend versteht, dass der Krankengeldanspruch nach § 44 SGB V schon bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entsteht. Der Senat hält diese Rechtsprechung für überzeugend. Die heutige Gesetzesfassung -der Krankengeldanspruch entsteht von dem Tag der ärztlichen Feststellung der AU an, Folgebescheinigungen sind am Montag rückwirkend für das Wochenende möglich- (eingeführt mit Wirkung vom 23. Juli 2015 durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung -GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG-vom 16. Juli 2015. BGBl I S. 1211) findet rückwirkend keine Anwendung, auch wenn die Gesetzesnovelle keine ausdrückliche Übergangsregelung enthält (ständige Rechtsprechung des Senats). Die Gewährleistung ist nach ihrer Natur immer an eine konkrete Zeit geknüpft. Bei der Krankengeldgewährung handelt es sich nicht um eine reine Geldzahlungsleistung. Mit ihr ist vielmehr auch ein Status verbunden, weil nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V die Mitgliedschaft erhalten bleibt, solange u. a. ein Anspruch auf Krankengeld besteht oder Krankengeld bezogen wird. Die Mitgliedschaft des Klägers als Versicherungspflichtiger mit Krankengeldanspruch bei der Beklagten blieb nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nur durch den Bezug von Krankengeld erhalten. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld besteht. Das SG hat auch bereits zutreffend dargestellt, dass der Kläger seinen geltend gemachten Anspruch auch nicht auf § 19 Abs. 2 SGB V stützen kann. Ein nachwirkender Anspruch nach dem Ende der Mitgliedschaft (§ 19 Abs. 2 SGB V) verdrängt nur dann eine Auffangversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V; ohne Krankengeldanspruch), wenn bei prognostischer Betrachtung davon auszugehen ist, dass der Versicherte spätestens nach Ablauf eines Monats nach dem Ende ihrer bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen werde (§ 5 Abs. 8a S. 4 SGB V). Wortlaut und Regelungssystem lassen diese Auslegung zu. Sie entspricht dem Normzweck und harmoniert mit den allgemeinen Grundsätzen der Feststellung von Versicherungsverhältnissen (BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 19/11 R –, BSGE 111, 9-18 Rdnr. 30). Eine solche Prognose konnte hier angesichts der kontinuierlichen AU-Schreibung nicht gestellt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 SGG liegen nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung scheitert bereits an dem Umstand, dass sich die Rechtslage mittlerweile geändert hat.
Rechtskraft
Aus
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