Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
27
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AS 948/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2012 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01,03.2012 bis 31.05.2012 den Regeibedarf in Höhe von monatlich 261,80 EUR, den Mehrbedarf für die dezentrale Warm-wasserversorgung in Höhe von monatlich 8,60 EUR sowie Kosten für Un-terkunft und Heizung in Höhe von monatlich 351,23 EUR und für die Zeit vom 01.06.2012 bis zum 31.07.2012 den Regelbedarf in Höhe von mo¬natlich 374,00 EUR, den Mehrbedarf für die dezentrale Warmwasserversor¬gung in Höhe von monatlich 8,60 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 351,23 EUR zu gewähren. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klä¬gers. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Der am 00.00.0000 geborene Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Leis- tungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab dem 01.03.2012. Der Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger und seit dem 24.04.2009 in der Bundes¬- republik Deutschland. Er lebte in H ... Für die von ihm bewohnte Wohnung zahlte der Kläger als Grundmiete monatlich 197,23 EUR. Hinzu kamen monatliche Voraus¬- zahlungen auf die Betriebs- und Nebenkosten in Höhe von 55,00 EUR sowie auf die Heizkos-¬ ten in Höhe von 99,00 EUR. Zuletzt bezog er mit Bescheid vom 19.12.2011 von der Beklagten bis zum 29.02.2012 Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 16.02.2012 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Sanktion für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.05.2012 in Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbe¬darfs. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 12.03.2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2012 als unbegründet zurück. Klage wurde hiergegen nicht erhoben. Am 17.02.2012 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 24.02,2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.03.2012 ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil der Kläger ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik habe. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 29.02.2012, welches am 12.03.2012 bei der Beklagten einging. Widerspruch ein. Das Bundessozialgericht habe festgestellt, dass ein ausländischer Mitbürger Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld II selbst dann habe, wenn sich sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zwecke der Arbeitssu¬che ergebe. Als österreichischer Staatsbürger berufe er sich auf das Europäische Fürsor¬geabkommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbe¬gründet zurück. Der Kläger sei gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Mit Bescheid vom 15.04.2012 stellte die Stadt Gelsenkirchen - Ausländerabteilung - den Verlust des Rechts auf Freizügigkeit des Klägers fest. Mit seiner am 18.04.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, dass er einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2012 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab dem 01.03.2012 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage unbegründet sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Be¬teiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 24.02.2012 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27.03.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen sub¬jektiven Rechten, vgl. § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger ist zur Überzeugung der Kammer von den Leistungen nach dem SGB II nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. 1, Der Kläger hat gegenüber der Beklagten für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.05.2012 einen Anspruch auf die Gewährung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Re¬gelbedarfs) nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II in Höhe von In Höhe von monatlich 261,80 EUR (374,00 EUR Regelbedarf (vgl. zur Höhe des Regelbedarfs BGBl. 2011 l, 2093) abzgl. der Sanktion i.H.v. 112,20 EUR) und für die Zeit vom 01.06.2012 bis zum 31,07.2012 in Höhe von monatlich 374,00 EUR. Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten Leistungsberechtigter i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von 67 Jah¬ren gemäß § 7 a SGB IS noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB ll). Er ist auch -was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - hilfebedürftig i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II, da er seinen Lebensunterhalt nicht sichern kann. Er verfügt weder über Vermögen noch über Einkommen. Auch erhält er nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trä¬gern anderer Sozialleistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts notwendige Hilfe
(vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II). Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat der Kläger in Gel-senkirchen und damit in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Der Kläger ist auch erwerbsfähig i.S.d. § 8 SGB iL Zwar hat die Stadt Gelsenkir¬chen - Ausländerabteilung - den Verlust des Rechts auf Freizügigkeit des Klägers mit Bescheid vom 15.04.2012 festgestellt. Dies ändert zur Überzeugung des Gerichts aber nichts an der rechtlichen Erwerbsfähigkeit des Klägers. Denn der Kläger kann als österrei¬chischer Staatsangehöriger jederzeit eine Beschäftigung im Inland aufnahmen; eine be¬sondere Genehmigung ist hierfür nicht erforderlich (vgl. hierzu auch Valgolio in: Hauck / Note, SGB I!, Kommentar, K § 8 Rdz. 79). Der Kläger ist auch nicht von den Leistungen nach dem SGB I! gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgenommen. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist zur Überzeugung der Kammer gemäß den Art. 2, 3, 4 und 70 sowie Anhang X VO (EG) 883/2004 für den Kläger, der österreichischer Staatsbürger und damit Bürger der Europäi¬schen Union ist, auf Grund des sogenannten Anwendungsvorrangs des Gemeinschafts¬rechts nicht anwendbar. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufent¬haltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeltssuche ergibt, und ihre Familienangehöri¬gen von den Leistungen nach dem SGB li ausgeschlossen. Die VO (EG) 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit wurde bereits im Jahr 2004 erlassen. Deren Inkrafttreten war jedoch bis zur Verabschiedung ei¬ner Durchführungsverordnung hinausgeschoben. Mit Wirkung zum 01.05.2010 trat die Durchführungs-VO (EG) 987/2009 und damit die VO (EG) 883/2004 in Kraft. Der Kläger kann sich auf das Prinzip der Gleichbehandlung gemäß Art. 4 VO (EG) 883/2004 berufen. Danach haben ausländische EU-Bürger, die unter den Geltungsbereich der Verordnung fallen, die gleichen Rechte und Pflichten im Rahmen des Sozialschutz-systems eines Mitgliedsstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates selbst, sofern in der VO (EG) 883/2004 nichts anderes bestimmt ist. Der Kläger unterfällt dem Geltungsbereich der VO (EG) 883/2004. Gemäß Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 gilt diese Verordnung ganz aligemein für Staatsangehörige eines Mit-
gliedsstaates, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedsstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrere Mitgliedstaaten gelten oder galten. Der Kläger als österreichischer Staatsangehöriger und damit auch Staatsangehöriger eines Mitglieds¬staates der Europäischen Union unterfällt somit dem persönlichen Geltungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Leistungen nach dem SGB I! unterfalien auch - entgegen der Auffassung der Beklag¬ten - dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Dies ergibt sich ein¬deutig aus Art. 70 Abs. 2 fit c) VO (EG) 883/2004 mit Verweis auf die Anlage X. Diese sogenannte Sonderkoordinierung für die Bundesrepublik Deutschland umfasst danach die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) und die Leistungen nach dem SGB II, soweit für diese Leistungen nicht dem Grund nach die Voraussetzun¬gen für den befristeten Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 SGB I! a.F.) erfüllt sind. Der von der Beklagten gesehene Wertungswiderspruch ist nicht gegeben. Denn nicht der gesamte Bereich des SGB XII wird von dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 erfasst, sondern nur die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Er-werbsminderung nach dem Vierten Kapitel. Die übrigen Leistungen des SGB XI! bleiben weiterhin nach Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 als Leistungen der sozialen Fürsorge aus¬drücklich ausgeschlossen. Auch ist die von der Beklagten vorgenommene Aufspaltung der Leistungen des SGB II in einen Teil der Existenzsicherung und einen Teil der Leistungen, die den Zugang zum Ar¬beitsmarkt erleichtern sollen, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäi¬schen Gerichtshofs (EuGH) und auch des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zulässig. Eine solche Zulässigkeit einer Aufspaltung ergibt sich nicht - wovon die Beklagte offen¬ sichtlich ausgeht - aus Urteil des EuGH vom 04.06.2009 in den verbundenen Rechtssa¬ chen und (vgl. Urteil des EuGH vom 04.06.2009 - C-22/08 und C-23/08). Der EuGH hat in diesem Urteil nicht festgestellt, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II gemeinschaftskonform ist. Diese Frage war dem EuGH gar nicht vorgelegt worden. Auch hat er nicht die uneingeschränkte Vereinbarkeit von Art.
24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht festgestellt. Der EuGH hat dort vielmehr ausgeführt, dass sich die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und eine tatsächliche Verbin¬dung mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Art. 39 Abs. 2 des Ver¬trages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) berufen können, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Dabei sei es Sache der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der innerstaatlichen Gerichte, nicht nur das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen, sondern auch die grundlegenden Merkmale dieser Leistung zu prüfen, insbesondere den Zweck und die Voraussetzungen der Gewährung, Auf jeden Fall sei die Ausnahme nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 im Einklang mit Art. 39 Abs. 2 EG auszulegen, und der Zweck der Leistung sei nach Maßgabe der Ergebnisse und nicht anhand der formalen Struktur zu untersuchen. Danach können finanzielle Leis¬tungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang zum Ar¬beitsmarkt erleichtern sollen, nicht als Sozialhilfeleistungen i.S.d. Art. 24 Abs. 2 der Richt¬linie 2004/38 angesehen werden {vgi. EuGH, Urteil vom 04.06.2009 - a.a.O., Rdz. 40-45), Nur aus diesem Grund, weil gerade solche Leistungen nicht als Sozialhilfeleistungen an¬gesehen werden können, bestehen aus Sicht des EuGH keine Bedenken gegen die Gül¬tigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 (vgl. EuGH, Urteil vom 04.06.2009 -a.a.O., Rdz. 46). So weist auch der Generalanwalt in seinen Schlussanträ- gen (auf die der EuGH im Übrigen sogar verweist) zutreffend darauf hin, dass der Zweck der Beihilfe nach Maßgabe ihrer Ergebnisse und nicht anhand der formalen Struktur der Leistung zu untersuchen ist. Andernfalls ließe sich das Urteil , auf das noch im nachfolgenden eingegangen werden wird, leicht umgehen. Es würde ausreichen, aus der Regelung für die Leistung jeden Bezug auf das Ziel der Leistung, die Hilfe zur Wiederein-gliederung, zu entfernen, um somit den Gemeinschaftsbürgern die Leistungen zu versa¬gen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts in den Rechtssachen C-22/08, C-23/08 vom 12.03.2009, Rdz. 57). Zur Überzeugung der Kammer sind sowohl die Leistungen zur Sicherung des Lebensun¬terhalts und für Kosten für Unterkunft und Heizung als auch die weiteren Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt nach dem SGB II nicht aufzuspalten, um im Anschluss
daran die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und für die Kosten für Unter¬kunft und Heizung als Sozialhiifeleistung anzusehen. Nach § 1 Abs. 2 S. 1 SGB II dient die Grundsicherung für Arbeitssuchende insgesamt der Stärkung für die Eigenverantwor¬tung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und Personen, die mit Ihnen in einer Bedarfs¬gemeinschaft leben und soll insgesamt dazu beitragen, dass sie den Lebensunterhalt un¬abhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und mit eigenen Kräften bestreiten können. Durch eine Aufspaltung in verschiedene Leistungsbereiche würde aber genau das erreicht, was nach Auffassung des EuGH und des Generalanwalts eben nicht erfol¬gen soll, nämlich eine künstliche Aufspaltung ohne Beachtung des übergeordneten Zwecks, der Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für erwerbsfähige Hilfebedürfti¬ge. Dieses Ergebnis wird auch durch das Urteil des EuGH in der Rechtssache (vgl. EuGH, Urteil vom 23.03.2004 - C 138/02) gestützt. In diesem Verfahren ging es um die sog. jobseeker s allowance. Dabei handelte es sich um eine Leistung der sozialen Sicher¬ heit nach dem Gesetz betreffend Arbeitssuchende (Jobseekers Act 1995), welches am 07.10.1996 in Kraft getreten war und das Arbeitslosengeld (unemptoyment benefit) und die Sozialhilfe (income support) in Großbritannien ersetzte (vgl. Schlussanträge des Ge¬ neralanwalts zur Rechtssache C - 138/02 Rdz. 2). In sei¬ ner Entscheidung hat der EuGH ausgeführt, dass Unionsbürger, die sich rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, sich in allen Situationen, die in den sachlichen Anwen¬ dungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, auf Art. 6 EG a.F. berufen könnten. Es ist nach Auffassung des EuGH nicht mit Art. 6 und 8 EG a.F. vereinbar, die Gewährung von Leistungen an Voraussetzungen zu knüpfen, die eine Diskriminierung der Staatsangehö¬ rigkeit darstellt. Es sei daher nicht mehr möglich, vom Anwendungsbereich des Art. 48 Abs. 2 EG a.F., der eine Ausprägung des in Art. 6 EG a.F. garantierten tragenden Grund¬ satzes der Gleichbehandlung sei, eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates erleichtern soll. Es sei aber als legitim anzuse¬ hen, dass ein Mitgliedsstaat eine solche Beihilfe erst gewährt, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitssuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Mit¬ gliedsstaates festgestellt wurde. Eine solche Verbindung kann sich z.B. aus einer Min- destaufenthaltsdauer ergeben (vgl EuGH, Urteil vom 23.04.2004 - a.a.O., Rdz. 64-72).
Auch aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BSG vom 10.10.2010 (B 14 AS 23/10 R) ergibt sich nichts anderes. Dort hat der Senat unter Randziffer 29 sogar fest¬gestellt, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei¬tragsunabhängige Geldleistungen (sog. Mischleistungen) darstellen. Auch vor diesem Hin¬tergrund ist die Aufnahme der Leistungen nach dem SGB ll in den Anhang X der VO 883/2004 entgegen der Auffassung der Beklagten zutreffend erfolgt. Da gemäß Art. 249 Abs. 2 EG die Verordnung allgemeine Geltung hat, in allen ihren Tei¬len verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat gilt, und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II gegen die VO (EG) 883/2004 verstößt, da nach seinem Wortlaut auch unter diese VO (EG) 883/2004 fallende EU-Bürger als Ausländer von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden, ist dieser Leistungsausschluss des SGB II auf den Kläger gemäß dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht anzuwenden (vgl. zum Prinzip des Anwendungsvorrangs beispielhaft Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Be-schiuss vom 22.02.2010-1 B 21/09; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22.11.2007 - I BvR 2628/04). Der Kläger hat daher ab dem 01.03.2012 grundsätzlich einen Anspruch auf den Regefbe-darf in Höhe von monatlich 374,00 EUR gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II. Für den Zeitraum 01.03.2012 bis 31.05.2012 war jedoch die mit bestandskräftigem Bescheid vom 16.02.2012 ausgesprochene Sanktion in Höhe von monatlich 112,20 EUR zu berücksichti¬gen, so dass sich für diesen Zeitraum ein dem Kläger zustehender Regelbedarf in Höhe von monatlich 261,80 EUR ergibt. Für die Zeit ab dem 01.06.02012 sind dem Kläger monat¬lich 374,00 EUR zuzusprechen. 2. Da die Warmwasseraufbereitung im Haushalt des Klägers dezentral erfolgt, hat er ab dem 01.03.2012 auch einen Anspruch auf den Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von monatlich 8,60 EUR (2,3 % von 374,00 EUR).
3. Der Kläger hat ab dem 01.03.2012 auch einen Anspruch auf die Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die von dem Kläger bewohnte Wohnung fallen monatlich insge¬samt 3.51,23 EUR (Grundmiete monatlich 197,23 EUR, monatliche Vorauszahlungen auf die Be¬triebs- und Nebenkosten in Höhe von 55,00 EUR sowie auf die Heizkosten in Höhe von 99,00 EUR) an. Dass diese Kosten nicht angemessen sind, wird von der Beklagten nicht vor¬getragen und ist auch nicht ersichtlich. Daher hat der Kläger einen Anspruch auf die Ge¬währung von monatlich 351,23 EUR als Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. 4. Die oben im Einzelnen dargestellten Leistungen nach dem SGB II waren dem Kläger für die Zeit ab dem 01,03.2012 bis zum 31.07.2012 zuzusprechen. Leistungen waren von der Beklagten ab dem 01.03.2012 abgelehnt worden. Die Kammer hat in der mündlichen Ver¬handlung vom 31.07.2012 durch Urteil entschieden, so dass nur bis zum 31.07.2012 ent¬sprechend Leistungen nach dem SGB II durch das Urteil zugesprochen werden können. 5. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG, 6. Die Berufung war gemäß § 144 Abs, 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grund¬sätzliche Bedeutung hat. Die Problematik des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr, 2 SGB II im Hinblick auf EU-Ausländer ist - insbesondere seit dem von der Bun¬desrepublik Deutschland zum Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) erklärten Vorbe¬halt gemäß Art. 16 lit. b) EFA - Gegenstand einer Fülle von Verfahren und bedarf einer obergerichtlichen
Tatbestand:
Der am 00.00.0000 geborene Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Leis- tungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab dem 01.03.2012. Der Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger und seit dem 24.04.2009 in der Bundes¬- republik Deutschland. Er lebte in H ... Für die von ihm bewohnte Wohnung zahlte der Kläger als Grundmiete monatlich 197,23 EUR. Hinzu kamen monatliche Voraus¬- zahlungen auf die Betriebs- und Nebenkosten in Höhe von 55,00 EUR sowie auf die Heizkos-¬ ten in Höhe von 99,00 EUR. Zuletzt bezog er mit Bescheid vom 19.12.2011 von der Beklagten bis zum 29.02.2012 Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 16.02.2012 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Sanktion für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.05.2012 in Höhe von 30 % des maßgebenden Regelbe¬darfs. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 12.03.2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2012 als unbegründet zurück. Klage wurde hiergegen nicht erhoben. Am 17.02.2012 beantragte der Kläger die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 24.02,2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.03.2012 ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil der Kläger ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik habe. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 29.02.2012, welches am 12.03.2012 bei der Beklagten einging. Widerspruch ein. Das Bundessozialgericht habe festgestellt, dass ein ausländischer Mitbürger Anspruch auf die Gewährung von Arbeitslosengeld II selbst dann habe, wenn sich sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zwecke der Arbeitssu¬che ergebe. Als österreichischer Staatsbürger berufe er sich auf das Europäische Fürsor¬geabkommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbe¬gründet zurück. Der Kläger sei gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Mit Bescheid vom 15.04.2012 stellte die Stadt Gelsenkirchen - Ausländerabteilung - den Verlust des Rechts auf Freizügigkeit des Klägers fest. Mit seiner am 18.04.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er ist der Auffassung, dass er einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2012 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab dem 01.03.2012 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klage unbegründet sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Be¬teiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 24.02.2012 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27.03.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen sub¬jektiven Rechten, vgl. § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger ist zur Überzeugung der Kammer von den Leistungen nach dem SGB II nicht nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. 1, Der Kläger hat gegenüber der Beklagten für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.05.2012 einen Anspruch auf die Gewährung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Re¬gelbedarfs) nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II in Höhe von In Höhe von monatlich 261,80 EUR (374,00 EUR Regelbedarf (vgl. zur Höhe des Regelbedarfs BGBl. 2011 l, 2093) abzgl. der Sanktion i.H.v. 112,20 EUR) und für die Zeit vom 01.06.2012 bis zum 31,07.2012 in Höhe von monatlich 374,00 EUR. Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten Leistungsberechtigter i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von 67 Jah¬ren gemäß § 7 a SGB IS noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB ll). Er ist auch -was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - hilfebedürftig i.S.d. § 9 Abs. 1 SGB II, da er seinen Lebensunterhalt nicht sichern kann. Er verfügt weder über Vermögen noch über Einkommen. Auch erhält er nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trä¬gern anderer Sozialleistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts notwendige Hilfe
(vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II). Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat der Kläger in Gel-senkirchen und damit in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Der Kläger ist auch erwerbsfähig i.S.d. § 8 SGB iL Zwar hat die Stadt Gelsenkir¬chen - Ausländerabteilung - den Verlust des Rechts auf Freizügigkeit des Klägers mit Bescheid vom 15.04.2012 festgestellt. Dies ändert zur Überzeugung des Gerichts aber nichts an der rechtlichen Erwerbsfähigkeit des Klägers. Denn der Kläger kann als österrei¬chischer Staatsangehöriger jederzeit eine Beschäftigung im Inland aufnahmen; eine be¬sondere Genehmigung ist hierfür nicht erforderlich (vgl. hierzu auch Valgolio in: Hauck / Note, SGB I!, Kommentar, K § 8 Rdz. 79). Der Kläger ist auch nicht von den Leistungen nach dem SGB I! gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgenommen. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist zur Überzeugung der Kammer gemäß den Art. 2, 3, 4 und 70 sowie Anhang X VO (EG) 883/2004 für den Kläger, der österreichischer Staatsbürger und damit Bürger der Europäi¬schen Union ist, auf Grund des sogenannten Anwendungsvorrangs des Gemeinschafts¬rechts nicht anwendbar. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufent¬haltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeltssuche ergibt, und ihre Familienangehöri¬gen von den Leistungen nach dem SGB li ausgeschlossen. Die VO (EG) 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit wurde bereits im Jahr 2004 erlassen. Deren Inkrafttreten war jedoch bis zur Verabschiedung ei¬ner Durchführungsverordnung hinausgeschoben. Mit Wirkung zum 01.05.2010 trat die Durchführungs-VO (EG) 987/2009 und damit die VO (EG) 883/2004 in Kraft. Der Kläger kann sich auf das Prinzip der Gleichbehandlung gemäß Art. 4 VO (EG) 883/2004 berufen. Danach haben ausländische EU-Bürger, die unter den Geltungsbereich der Verordnung fallen, die gleichen Rechte und Pflichten im Rahmen des Sozialschutz-systems eines Mitgliedsstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates selbst, sofern in der VO (EG) 883/2004 nichts anderes bestimmt ist. Der Kläger unterfällt dem Geltungsbereich der VO (EG) 883/2004. Gemäß Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 gilt diese Verordnung ganz aligemein für Staatsangehörige eines Mit-
gliedsstaates, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedsstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrere Mitgliedstaaten gelten oder galten. Der Kläger als österreichischer Staatsangehöriger und damit auch Staatsangehöriger eines Mitglieds¬staates der Europäischen Union unterfällt somit dem persönlichen Geltungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Leistungen nach dem SGB I! unterfalien auch - entgegen der Auffassung der Beklag¬ten - dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Dies ergibt sich ein¬deutig aus Art. 70 Abs. 2 fit c) VO (EG) 883/2004 mit Verweis auf die Anlage X. Diese sogenannte Sonderkoordinierung für die Bundesrepublik Deutschland umfasst danach die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) und die Leistungen nach dem SGB II, soweit für diese Leistungen nicht dem Grund nach die Voraussetzun¬gen für den befristeten Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 SGB I! a.F.) erfüllt sind. Der von der Beklagten gesehene Wertungswiderspruch ist nicht gegeben. Denn nicht der gesamte Bereich des SGB XII wird von dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 erfasst, sondern nur die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Er-werbsminderung nach dem Vierten Kapitel. Die übrigen Leistungen des SGB XI! bleiben weiterhin nach Art. 3 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 als Leistungen der sozialen Fürsorge aus¬drücklich ausgeschlossen. Auch ist die von der Beklagten vorgenommene Aufspaltung der Leistungen des SGB II in einen Teil der Existenzsicherung und einen Teil der Leistungen, die den Zugang zum Ar¬beitsmarkt erleichtern sollen, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäi¬schen Gerichtshofs (EuGH) und auch des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zulässig. Eine solche Zulässigkeit einer Aufspaltung ergibt sich nicht - wovon die Beklagte offen¬ sichtlich ausgeht - aus Urteil des EuGH vom 04.06.2009 in den verbundenen Rechtssa¬ chen und (vgl. Urteil des EuGH vom 04.06.2009 - C-22/08 und C-23/08). Der EuGH hat in diesem Urteil nicht festgestellt, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II gemeinschaftskonform ist. Diese Frage war dem EuGH gar nicht vorgelegt worden. Auch hat er nicht die uneingeschränkte Vereinbarkeit von Art.
24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht festgestellt. Der EuGH hat dort vielmehr ausgeführt, dass sich die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und eine tatsächliche Verbin¬dung mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Art. 39 Abs. 2 des Ver¬trages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) berufen können, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Dabei sei es Sache der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der innerstaatlichen Gerichte, nicht nur das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen, sondern auch die grundlegenden Merkmale dieser Leistung zu prüfen, insbesondere den Zweck und die Voraussetzungen der Gewährung, Auf jeden Fall sei die Ausnahme nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 im Einklang mit Art. 39 Abs. 2 EG auszulegen, und der Zweck der Leistung sei nach Maßgabe der Ergebnisse und nicht anhand der formalen Struktur zu untersuchen. Danach können finanzielle Leis¬tungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang zum Ar¬beitsmarkt erleichtern sollen, nicht als Sozialhilfeleistungen i.S.d. Art. 24 Abs. 2 der Richt¬linie 2004/38 angesehen werden {vgi. EuGH, Urteil vom 04.06.2009 - a.a.O., Rdz. 40-45), Nur aus diesem Grund, weil gerade solche Leistungen nicht als Sozialhilfeleistungen an¬gesehen werden können, bestehen aus Sicht des EuGH keine Bedenken gegen die Gül¬tigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 (vgl. EuGH, Urteil vom 04.06.2009 -a.a.O., Rdz. 46). So weist auch der Generalanwalt in seinen Schlussanträ- gen (auf die der EuGH im Übrigen sogar verweist) zutreffend darauf hin, dass der Zweck der Beihilfe nach Maßgabe ihrer Ergebnisse und nicht anhand der formalen Struktur der Leistung zu untersuchen ist. Andernfalls ließe sich das Urteil , auf das noch im nachfolgenden eingegangen werden wird, leicht umgehen. Es würde ausreichen, aus der Regelung für die Leistung jeden Bezug auf das Ziel der Leistung, die Hilfe zur Wiederein-gliederung, zu entfernen, um somit den Gemeinschaftsbürgern die Leistungen zu versa¬gen (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts in den Rechtssachen C-22/08, C-23/08 vom 12.03.2009, Rdz. 57). Zur Überzeugung der Kammer sind sowohl die Leistungen zur Sicherung des Lebensun¬terhalts und für Kosten für Unterkunft und Heizung als auch die weiteren Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt nach dem SGB II nicht aufzuspalten, um im Anschluss
daran die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und für die Kosten für Unter¬kunft und Heizung als Sozialhiifeleistung anzusehen. Nach § 1 Abs. 2 S. 1 SGB II dient die Grundsicherung für Arbeitssuchende insgesamt der Stärkung für die Eigenverantwor¬tung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und Personen, die mit Ihnen in einer Bedarfs¬gemeinschaft leben und soll insgesamt dazu beitragen, dass sie den Lebensunterhalt un¬abhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und mit eigenen Kräften bestreiten können. Durch eine Aufspaltung in verschiedene Leistungsbereiche würde aber genau das erreicht, was nach Auffassung des EuGH und des Generalanwalts eben nicht erfol¬gen soll, nämlich eine künstliche Aufspaltung ohne Beachtung des übergeordneten Zwecks, der Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für erwerbsfähige Hilfebedürfti¬ge. Dieses Ergebnis wird auch durch das Urteil des EuGH in der Rechtssache (vgl. EuGH, Urteil vom 23.03.2004 - C 138/02) gestützt. In diesem Verfahren ging es um die sog. jobseeker s allowance. Dabei handelte es sich um eine Leistung der sozialen Sicher¬ heit nach dem Gesetz betreffend Arbeitssuchende (Jobseekers Act 1995), welches am 07.10.1996 in Kraft getreten war und das Arbeitslosengeld (unemptoyment benefit) und die Sozialhilfe (income support) in Großbritannien ersetzte (vgl. Schlussanträge des Ge¬ neralanwalts zur Rechtssache C - 138/02 Rdz. 2). In sei¬ ner Entscheidung hat der EuGH ausgeführt, dass Unionsbürger, die sich rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, sich in allen Situationen, die in den sachlichen Anwen¬ dungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, auf Art. 6 EG a.F. berufen könnten. Es ist nach Auffassung des EuGH nicht mit Art. 6 und 8 EG a.F. vereinbar, die Gewährung von Leistungen an Voraussetzungen zu knüpfen, die eine Diskriminierung der Staatsangehö¬ rigkeit darstellt. Es sei daher nicht mehr möglich, vom Anwendungsbereich des Art. 48 Abs. 2 EG a.F., der eine Ausprägung des in Art. 6 EG a.F. garantierten tragenden Grund¬ satzes der Gleichbehandlung sei, eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates erleichtern soll. Es sei aber als legitim anzuse¬ hen, dass ein Mitgliedsstaat eine solche Beihilfe erst gewährt, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitssuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Mit¬ gliedsstaates festgestellt wurde. Eine solche Verbindung kann sich z.B. aus einer Min- destaufenthaltsdauer ergeben (vgl EuGH, Urteil vom 23.04.2004 - a.a.O., Rdz. 64-72).
Auch aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BSG vom 10.10.2010 (B 14 AS 23/10 R) ergibt sich nichts anderes. Dort hat der Senat unter Randziffer 29 sogar fest¬gestellt, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei¬tragsunabhängige Geldleistungen (sog. Mischleistungen) darstellen. Auch vor diesem Hin¬tergrund ist die Aufnahme der Leistungen nach dem SGB ll in den Anhang X der VO 883/2004 entgegen der Auffassung der Beklagten zutreffend erfolgt. Da gemäß Art. 249 Abs. 2 EG die Verordnung allgemeine Geltung hat, in allen ihren Tei¬len verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat gilt, und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II gegen die VO (EG) 883/2004 verstößt, da nach seinem Wortlaut auch unter diese VO (EG) 883/2004 fallende EU-Bürger als Ausländer von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werden, ist dieser Leistungsausschluss des SGB II auf den Kläger gemäß dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht anzuwenden (vgl. zum Prinzip des Anwendungsvorrangs beispielhaft Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Be-schiuss vom 22.02.2010-1 B 21/09; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22.11.2007 - I BvR 2628/04). Der Kläger hat daher ab dem 01.03.2012 grundsätzlich einen Anspruch auf den Regefbe-darf in Höhe von monatlich 374,00 EUR gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II. Für den Zeitraum 01.03.2012 bis 31.05.2012 war jedoch die mit bestandskräftigem Bescheid vom 16.02.2012 ausgesprochene Sanktion in Höhe von monatlich 112,20 EUR zu berücksichti¬gen, so dass sich für diesen Zeitraum ein dem Kläger zustehender Regelbedarf in Höhe von monatlich 261,80 EUR ergibt. Für die Zeit ab dem 01.06.02012 sind dem Kläger monat¬lich 374,00 EUR zuzusprechen. 2. Da die Warmwasseraufbereitung im Haushalt des Klägers dezentral erfolgt, hat er ab dem 01.03.2012 auch einen Anspruch auf den Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von monatlich 8,60 EUR (2,3 % von 374,00 EUR).
3. Der Kläger hat ab dem 01.03.2012 auch einen Anspruch auf die Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die von dem Kläger bewohnte Wohnung fallen monatlich insge¬samt 3.51,23 EUR (Grundmiete monatlich 197,23 EUR, monatliche Vorauszahlungen auf die Be¬triebs- und Nebenkosten in Höhe von 55,00 EUR sowie auf die Heizkosten in Höhe von 99,00 EUR) an. Dass diese Kosten nicht angemessen sind, wird von der Beklagten nicht vor¬getragen und ist auch nicht ersichtlich. Daher hat der Kläger einen Anspruch auf die Ge¬währung von monatlich 351,23 EUR als Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. 4. Die oben im Einzelnen dargestellten Leistungen nach dem SGB II waren dem Kläger für die Zeit ab dem 01,03.2012 bis zum 31.07.2012 zuzusprechen. Leistungen waren von der Beklagten ab dem 01.03.2012 abgelehnt worden. Die Kammer hat in der mündlichen Ver¬handlung vom 31.07.2012 durch Urteil entschieden, so dass nur bis zum 31.07.2012 ent¬sprechend Leistungen nach dem SGB II durch das Urteil zugesprochen werden können. 5. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG, 6. Die Berufung war gemäß § 144 Abs, 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grund¬sätzliche Bedeutung hat. Die Problematik des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr, 2 SGB II im Hinblick auf EU-Ausländer ist - insbesondere seit dem von der Bun¬desrepublik Deutschland zum Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) erklärten Vorbe¬halt gemäß Art. 16 lit. b) EFA - Gegenstand einer Fülle von Verfahren und bedarf einer obergerichtlichen
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