Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 2962/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2884/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung (behördliche Feststellung) des Nachteilsausgleichs (Merkzeichens) "aG" (außergewöhnlich gehbehindert).
Die im Jahre 1940 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und im Inland wohnhaft.
Ihr wurde erstmals mit Teil-Abhilfe-Bescheid vom 18. August 2000 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 zuerkannt. Dem lagen Teil-GdB-Werte von 30 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule sowie von jeweils 10 für Funktionsbeeinträchtigungen der Kniegelenke, für eine Fußfehlform und für eine Fingerpolyarthrose zu Grunde. Mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 wurde ein Gesamt-GdB von 50 festgestellt, dem lag zusätzlich eine Schwerhörigkeit mit einem Teil-GdB von 20 zu Grunde. Zuletzt vor dem hier streitigen Verfahren hatte der Beklagte mit Bescheid vom 1. März 2011 den GdB auf 70 erhöht und das Merkzeichen "G" (gehbehindert) zuerkannt. Die zu Grunde gelegten Teil-GdB-Werte betrugen 50 für eine Kniegelenksendoprothese links, eine Funktionsstörung des rechten Kniegelenks, eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, eine beidseitige Fußfehlform und eine Polyarthrose, 40 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Spinalkanalstenose und einen verformt verH.ten Wirbelbruch, je 20 für die Schwerhörigkeit beidseits und ein Restless-legs-Syndrom sowie 10 für eine Depression. Weitere Erhöhungsanträge der Klägerin blieben ohne Erfolg. Ferner hatte der Beklagte die jeweils ebenfalls beantragte Zuerkennung des Merkzeichens "aG" abgelehnt.
Mit dem hier streitigen Antrag vom 24. Juni 2013 beantragte die Klägerin abermals die Erhöhung des GdB und die Zuerkennung des Merkzeichens "aG". Sie könne nur mühsam am Rollator oder an zwei Stöcken gehen. Sie legte einen Befundbericht des Klinikums R. vom 26. Juni 2000 vor, wonach ein Lumbalsyndrom vorgelegen hatte. Der behandelnde Orthopäde Dr. H. teilte am 5. September 2013 mit, es bestehe ein Zustand nach Knie-Totalendoprothese (TEP) beidseits, eine erstgradige Coxarthrose beidseits, eine Bursitis trochanterica (Schleimbeutelentzündung der Hüfte) links und eine Heberden- und Bochard-Artrhose beidseits. Ausdrücklich führte er aus, die Kriterien für eine außergewöhnliche Gehbehinderung träfen auf die Klägerin in keinem Fall zu, dies habe er ihr bereits mehrfach mitgeteilt, jedoch "sine effectu" Gestützt auf eine versorgungsärztliche Auswertung dieser Unterlagen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11. September 2013 eine Höherbewertung des GdB und die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ab.
Im Widerspruchsverfahren teilte die Klägerin mit, Dr. H. habe ihre Situation völlig falsch eingeschätzt, seine Behandlung habe keinen Erfolg gebracht, sondern Herzattacken verursacht. Sie habe daraufhin zu anderen Behandlern, Dr. R. und Dr. Th., gewechselt. Sie beantragte "nochmals, dass (ihr) das Merkzeichen "aG" zugestanden werde. Der Beklagte wies den Widerspruch jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2013 zurück, wobei er davon ausging, dass nur noch das Merkzeichen "aG" streitbefangen sei.
Die Klägerin hat am 6. November 2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat beantragt, ihr das Merkzeichen "aG" zu erteilen. Sie könne sich nicht erklären, warum es so schwierig sei, dieses zu erhalten. Es seien ein Rollstuhl und ein Rollator vorhanden und auch zwei Stöcke, die aber nur eine kleine Hilfe seien.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten ist, hat das SG den von der Klägerin als behandelnden Arzt benannten Dr. Th. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat bekundet er habe die Klägerin einmalig am 3. September 2013 untersucht. Dabei sei festgestellt worden, dass beide einliegenden Knie-TEP revisionspflichtig seien, die rechte TEP weise eine Achsfehlstellung auf, die linke habe zu einer Bandinstabilität geführt. Es habe sich ein rechts humpelndes, kleinschrittiges Gangbild gezeigt. Beide Kniegelenke seien bis 0/0/120° streck- und beugefähig bei endgradigem Schmerz. Die Patella rechts sei lateralisiert. Die Klägerin sei nicht den – im einzelnen vorgegebenen – Regelbeispielen für das Merkzeichen "aG", insbesondere keinen querschnittgelähmten oder amputierten Menschen, gleichzustellen. Sie benutze Unterarmgehstützen und einen Rollator. Längere Gehstrecken seien beschwerlich.
Im Anschluss hat das SG den Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. A. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nachdem die Klägerin mitgeteilt hat, sie könne zu dem dort anberaumten Untersuchungstermin aus psychischen und physischen Gründen nicht erscheinen, hat Dr. A. im Einverständnis mit dem SG das Gutachten nach Aktenlage vom 28. November 2014 erstattet. Er hat darin alle seit 1999 von der Klägerin eingereichten und vom Beklagten erhobenen ärztlichen Unterlagen ausgewertet. Er hat ausgeführt, das Nichterscheinen der Klägerin zum Untersuchungstermin solle nicht zu ihren Lasten gewertet werden, da es denkbar sei, dass für sie das Verlassen ihrer Wohnung nur mit beträchtlichen Mühen und Umständen verbunden sei. Für das Merkzeichen "aG" seien im Wesentlichen nur die orthopädischen Einschränkungen relevant, nicht jedoch das zwischenzeitlich diagnostizierte Restless-legs-Syndrom, da sich seine Symptomatik vor allem nachts abspiele. Ausgehend von den schriftlichen Schilderungen der Klägerin über ihren Alltag und die Beschwernisse beim Gehen und den Angaben der Ärzte, vor allem von Dr. Th., könne davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" vorlägen. Sie könne nur noch Strecken unter 100 m am Stück zurücklegen, und dies nur unter Anwendung von Hilfsmitteln wie Gehstöcken oder einem Rollator und nur unter Schmerzen.
Der Beklagte hat hierzu unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme eingewandt, die aktenkundigen Befunde reichten nicht aus, um Dr. A.s Einschätzung zu tragen. Insbesondere fehlten Angaben zu den Befunden am linken Knie- und am linken Hüftgelenk. Hierzu sei bei der einmaligen Untersuchung bei Dr. Th. am 3. September 2013 nichts erhoben worden. Wie auch Dr. A. ausgeführt habe, seien aktuelle Stellungnahmen, vor allem des Hausarztes, vonnöten.
Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, sie sei nunmehr bei Dr. A. in orthopädischer Behandlung, hat das SG auch diesen Arzt schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Er hat mitgeteilt, sie sei von Oktober 2013 bis zum 17. Dezember 2015 sieben Mal in seiner Sprechstunde gewesen. Zu Beginn seien das Aufstehen erschwert sowie das Gehen nur mit Mühe und hinkend möglich gewesen. Der FBA (Finger-Boden-Abstand) habe 20 cm betragen. Die letzten Untersuchungen hätten für die Kniegelenke eine Beugung/Streckung bis 0/0/100° gezeigt. Die Beugung/Streckung des linken Hüftgelenks habe zuletzt ebenfalls 0/0/100° bei eingeschränkter Rotation betragen. Im August 2015 sei die Mobilisierung deutlich erschwert gewesen, es habe keine schmerzfreie Gehstrecke mehr bestanden, der FBA habe nunmehr 50 cm betragen. Der Gesundheitszustand habe sich demnach verschlechtert. Die Klägerin sei zwar keiner der benannten Gruppen gleichzustellen. Jedoch seien ihr selbst die ersten Schritte außerhalb eines Kraftfahrzeugs nur mit großer Mühe zumutbar, die maximale Gehstrecke betrage schätzungsweise 50 bis 70 m. Es sollte daher der Klägerin der Ausweis für einen Behindertenparkplatz zugestanden werden, auch wenn sie die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" nicht komplett erfülle. Dr. A. hat ferner die Berichte des Neurochirurgen Dr. P. vom 24. September 2015 sowie der Radiologen Dr. D. vom 3. August 2015 und Dr. G. vom 28. Oktober 2015 zur Akte gereicht.
Der Beklagte hat zu diesen Erhebungen die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 2. März 2016 vorgelegt. Die Zeugenaussage von Dr. A. sei nicht durch ausreichende klinische Befunde unterstützt. Nach den mitgeteilten Bewegungsmaßen und dem Fehlen neurologischer Ausfallerscheinungen ebenso wie nach den Berichten von Dr. P. und Dr. D. ergäben sich keine Beeinträchtigungen, die das Merkzeichen "aG" begründen könnten.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 30. Juni 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" lägen nicht vor. Weder gehöre die Klägerin zu der ausdrücklich erfassten Gruppe der querschnittgelähmten oder amputierten behinderten Menschen noch sei ihr Gehvermögen derart eingeschränkt, dass sie sich außerhalb ihres Kraftfahrzeugs vom ersten Schritt an nur mit fremder Hilfe oder mit unzumutbar großer Anstrengung bewegen könne. Diese Einschätzung beruhe auf den Grundsätzen der objektiven Beweislast. Auch nach der Beweiserhebung hätten die Voraussetzungen des Merkzeichens nicht zweifelsfrei festgestellt werden können. Insbesondere ergäben sich diese nicht aus dem Gutachten Dr. A ... Dieser habe nur nach Aktenlage begutachten können. Seine Einschätzung stütze sich nur auf die aktenkundigen Angaben der Klägerin selbst, sie könne mit dem Rollator nur kurze Strecken und diese nur sehr beschwerlich zurücklegen, und auf der Bestätigung dieser Einschätzung durch Dr. Th ... Es fehle aber an aktenkundigen Befunden, die eine solche Einschränkung des Gehvermögens ergäben. Auch der später erhobene Bericht von Dr. A. lasse keine zwingenden Rückschlüsse zu. Auch er habe letztlich die Vorassetzungen des Merkzeichens "aG" nicht komplett als erfüllt erachtet.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27. Juli 2016 beim SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Sie hält sich weiterhin für außergewöhnlich gehbehindert im Rechtssinne.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juni 2016 und den Bescheid vom 11. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Oktober 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" (außergewöhnlich gehbehindert) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen.
Der Senat hat die Klägerin unter dem 17. August 2016 um die Beantwortung mehrerer Fragen zu ihrer Lebensgestaltung gebeten, darunter um Auskunft, wie sie es bewerkstellige, allein ihre Ärzte aufzusuchen. Sie hat einige Fragen unter dem 19. August 2016 knapp beantwortet, jedoch unter anderem nicht die Frage nach ihren Arztbesuchen. Sie führt aus, es wäre ihr eine Hilfe, das Merkzeichen "aG" zu erhalten, damit die Sache nicht mehr so beschwerlich sei.
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin zur persönlichen Anhörung am 10. November 2016 nach St. geladen. Sie hat daraufhin mitgeteilt, sie könne nicht erscheinen, da sie kurz vor einer Operation der Wirbelsäule stehe und sich, eventuell wegen eines Wirbelbruchs, kaum noch bewegen könne. Hierzu hat sie die ärztliche Bescheinigung von Dr. A. vom 25. Oktober 2016 vorgelegt (schwere Gesundheitsstörung des Stütz- und Bewegungsapparats, hochgradige Einschränkung der Mobilität, selbstständiges Fahren mit dem Pkw unmöglich).
Nachdem der Berichterstatter darauf hingewiesen hat, dass auch der Senat unter diesen Umständen nach Aktenlage entscheiden müsse und die aktenkundigen Befunde keine Erklärung bzw. keinen Beweis für eine derart gravierende Einschränkung des Gehvermögens enthielten, hat sie mitgeteilt, sie sei nunmehr bei dem Neurochirurgen Dr. B. in Behandlung und sich auf dessen Zeugnis berufen. Der Senat hat diesen Arzt daraufhin schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Er hat unter dem 19. Januar 2017 mitgeteilt, die Klägerin befinde sich seit Oktober 2016 in seiner Behandlung. Es bestehe eine absolute Spinalkanalstenose an den Segmenten L3/4, L4/5 mit massiver aktivierter Osteochondrose L4/5. Sie habe angegeben, sie leide an chronischen Rückenschmerzen mit Ausstrahlung ins linke Bein. Sie habe bei der Vorstellung in seiner Praxis eine massive Verkürzung der Gehstrecke bis auf wenige Meter angegeben. Gekommen sei sie zu Fuß, wobei die Praxis ohne Stufen im Erdgeschoss liege. Bei der Untersuchung hätten sich keine Paresen oder sensiblen Defizite in den unteren Extremitäten gezeigt. Trotz des Zustands nach Knie-TEP beidseits und eines deutlichen Geno varum links seien die Knie schmerzlos beweglich gewesen. Die Gang- und Standprüfungen seien mit ungerichteter Fallneigung unsicher gewesen. Die bildgebenden Befunde der Wirbelsäule könnten die Rückenschmerzen erklären. Es sei eine operative Behandlung der Wirbelsäule empfohlen worden, die Klägerin habe sich dazu aber noch nicht entschlossen. Der Zeuge hat abschließend angegeben, seines Erachtens sei sie nicht außergewöhnlich gehbehindert im Sinne der – dem Zeugen mitgeteilten – Voraussetzungen dieses Merkzeichens.
Die Klägerin hat hierzu mitgeteilt, sie könne der Einschätzung Dr. B.s nicht zustimmen. Sie hat dazu die Befundberichte von Prof. Dr. H., Klinikum T., vom 6. Oktober 2016 und 13. Januar 2017 zur Akte gereicht. Darin ist ausgeführt, die Beschwerdesymptomatik sei eher lumbal, nach distal einstrahlend. Die zweifellos daneben bestehende Coxarthrose sei klinisch nicht führend. Die Rotationsbewegungen und Stauchungsbewegungen (der Wirbelsäule) sowie die Abduktion/Adduktion und Rotation der Hüftgelenke seien zwar endgradig schmerzhaft, aber sicherlich nicht klinisch spürend. Die DMS (Durchblutung, Motorik, Sensibilität – der unteren Extremitäten) sei intakt. Die Klägerin gehe an zwei Gehstützen. Auf Grund der momentan führenden lumbalen Situation laufe sie nur 200 bis 300 m.
Nachdem die Klägerin mehrfach eine Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren abgelehnt hat, hat der Senat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 1. Juni 2017 anberaumt. Sie hat hierzu am 9. Mai 2017 mitgeteilt, sie könne nicht erscheinen, sie sei am 1. April 2017 notfallmäßig im Krankenhaus gewesen, dort sei abermals festgestellt worden, dass Rücken, Hüfte und Knie operations- bzw. revisionspflichtig seien.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte am 1. Juni 2017 entscheiden, auch wenn die Klägerin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, weil ihr diese Möglichkeit in der Ladung mitgeteilt worden war (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). In dem Schreiben der Klägerin vom 9. Mai 2017 lag auch kein Antrag, den Termin zu verlegen. Die Klägerin hat darin lediglich mitgeteilt, nicht zu erscheinen, wie es schon zuvor bei dem Termin bei dem erstinstanzlich beauftragten Gutachter Dr. A. und bei dem Erörterungstermin des Senats am 10. November 2016 geschehen war.
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil die Klägerin keine Dienst-, Sach- oder Geldleistung begehrt, sondern eine behördliche Feststellung. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGG). Sie ist aber nicht begründet.
Das SG hat zu Recht nur den Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" für streitbefangen erachtet. Zwar hatte die Klägerin im Antragsverfahren auch die Erhöhung des GdB geltend gemacht. Dieses Begehren hat sie jedoch bereits mit ihrem Widerspruch vom 15. September 2013 wieder fallen gelassen. Sie hat dort ausdrücklich nur den Anspruch wegen des Merkzeichens weiterverfolgt. Dementsprechend hat auch der Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2013 nur über dieses Merkzeichen entschieden.
In diesem Rahmen hat das SG die die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zu Recht abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten auf Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" besteht nicht.
Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin kann sich allein aus § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ergeben. Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört das im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften in den Schwerbehindertenausweis einzutragende Merkzeichen "aG" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).
Der Senat konstatiert, dass sich die näheren Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" im Laufe des anhängigen Verfahrens geändert haben: Seit dem 30. Dezember 2016 regelt § 146 Abs. 3 SGB IX n.F. das Merkzeichen "aG". Diese Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 13 des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) neu geschaffen und nimmt die am 1. Januar 2018 in Kraft tretende Regelung des § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. mit Wirkung ab 30. Dezember 2016 vorweg (Art. 26 Abs. 2 BTHG). Mangels jeglicher Übergangsregelung im BTHG gilt diese neue Norm für alle Ansprüche, über die am Tag ihres In-Kraft-Tretens noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Daher hat der Senat auf der Basis dieser Neuregelung zu entscheiden. Dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach im Rahmen einer Leistungsklage – zu der auch eine Verpflichtungsklage wie hier gehört – die Entscheidung den Sach- und Rechtsstand zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz zu Grunde zu legen hat.
Vor diesem Hintergrund besteht für die Klägerin seit der Neuregelung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" ab dem 30. Dezember 2016 schon aus Rechtsgründen kein Anspruch.
Nach § 146 Abs. 3 Satz 1 SGB IX n.F. sind schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem Grad der Behinderung von mindestens 80 entspricht. Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt nach der Legaldefinition des § 146 Abs. 3 Satz 2 SGB IX vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Diese Neuregelung führt zu folgender Überprüfung des Merkzeichens "aG" (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. April 2017 – L 13 SB 13/17 B ER –, juris, Rz. 20). Zunächst ist –auf materieller Ebene – zu entscheiden, ob die fragliche Teilhabebeeinträchtigung mobilitätsbezogen ist. Der Gesetzgeber wollte sich mit diesem Merkmal zwar von einer rein orthopädischen Betrachtung lösen (BT-Drs. 18/9522, S. 317 f.). Gleichwohl ist nicht jede Behinderung erfasst. Die genannten Voraussetzungen können erfüllt sein bei zentralnervösen, peripher-neurologischen oder neuromuskulär bedingten Gangstörungen mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder wenn eine dauerhafte Rollstuhlbenutzung erforderlich ist (insbesondere bei Querschnittlähmung, Multipler Sklerose, Amyotropher Lateralsklerose (ALS), Parkinsonerkrankung, Para- oder Tetraspastik in schwerer Ausprägung), einem Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe oder einem Funktionsverlust eines Beines ab Oberschenkelhöhe ohne Möglichkeit der prothetischen oder orthetischen Versorgung (insbesondere bei Doppeloberschenkelamputierten und Hüftexartikulierten), schwerster Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit (insbesondere bei Linksherzschwäche Stadium NYHA IV), schwersten Gefäßerkrankungen (insbesondere bei arterieller Verschlusskrankheit Stadium IV), Krankheiten der Atmungsorgane mit nicht ausgleichbarer Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades und einer schwersten Beeinträchtigung bei metastasierendem Tumorleiden (mit starker Auszehrung und fortschreitendem Kräfteverfalls. Sodann ist zu überprüfen, ob diese mobilitätsbezogenen Behinderungen einen GdB (Teil-GdB) von wenigstens 80 erreichen. Mit dieser zusätzlichen, formellen Voraussetzung eines relativ hohen GdB auf dem Gebiet der Mobilität wollte der Gesetzgeber des BTHG dem Umstand Rechnung tragen, dass Parkraum in den Innenstädten nicht beliebig vermehrbar ist und dass das Verkehrsrecht den Grundsatz der "Privilegienfeindlichkeit" kennt, sodass mit Mitteln des Straßenverkehrsrechts nur ein Nachteilsausgleich ausschließlich unter dem Aspekt eines sicheren und geordneten Verkehrsablaufs eingeräumt wird. Der Gesetzgeber hat aber auch auf behinderungspolitische Erwägungen hingewiesen und ausgeführt, Behindertenparkplätze müssten denjenigen schwerbehinderten Menschen vorbehalten bleiben, die sich dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen könnten, und dies seien – nur – Menschen, die für ihre mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung einen Grad der Behinderung von mindestens 80 hätten. Eine breite Ausweitung des Berechtigtenkreises würde dazu führen, dass die eigentliche Zielgruppe längere Wege zurücklegen müsste, weil dann Parkplätze belegt wären, die heute frei seien (vgl. BT-Drs. 18/9522, S. 318).
Diese Voraussetzung des neuen § 146 Abs. 3 SGB IX, ein mobilitätsbezogener GdB oder Teil-GdB von 80, knüpft an den tatsächlich zuerkannten GdB an (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Januar 2017 – L 8 SB 943/16 –, juris, Rz. 49). Nicht etwa sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit befugt, bei der Überprüfung des Merkzeichens "aG" inzident auch weitere, bislang nicht anerkannte Behinderungen zu berücksichtigen. Die Feststellung des GdB und damit auch eines mobilitätsbezogenen Teil-GdB von wenigstens 80 obliegt nach § 69 Abs. 1 SGB IX allein den Behörden der Versorgungsverwaltung, sodass z.B. weichende gerichtliche Feststellungen des GdB unzulässig sind.
Bei der Klägerin besteht bereits keine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung, die nur für sich einen Teil-GdB von 80 bedingen würde. Vielmehr ist ihr zurzeit– bestandskräftig – lediglich ein Gesamt-GdB von 70 zuerkannt. Auch inhaltlich bedingten diejenigen – anerkannten - Behinderungen, die bei der Klägerin vorliegen und die sich im Sinne von § 146 Abs. 3 SGB IX n.F. auf die Mobilität auswirken, keinen GdB von 80. Mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigungen folgen bei der Klägerin nur aus den orthopädisch zu fassenden Schädigungen an der Lendenwirbelsäule und den unteren Gliedmaßen. Der Teil-GdB für die unteren Gliedmaßen beträgt 50 und von den Beeinträchtigungen der Wirbelsäule (Funktionssystem Rumpf), die einen Teil-GdB von 40 bedingen, entfällt nur ein Teil auf die Lendenwirbelsäule. Insofern kann bei der Klägerin von mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigungen mit einem GdB von allenfalls 60 ausgegangen werden.
Da der Gesetzgeber, wie ausgeführt, § 146 Abs. 3 SGB IX ohne jede Übergangsregelung in Kraft gesetzt hat, ist zu entscheiden, welche rechtlichen Regelungen dem Anspruch der Klägerin vor dem In-Kraft-Treten des neuen Rechts am 30. Dezember 2016 zu Grunde zu legen sind.
Den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Sozialrechts folgend geht das BSG in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass ein Rechtssatz, der ohne Übergangsregelung in Kraft gesetzt wird, nur auf solche Sachverhalte anwendbar ist, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Hierbei handelt es sich um den "Grundsatz der Sofortwirkung und Nicht-Rückwirkung neuen Rechts, den Grundsatz "tempus regit actum" (BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 10 EG 6/12 R –, juris, Rz. 37). Sofern in dem gerichtlichen Verfahren ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung in Streit steht, führt dies in der Regel dazu, dass der Anspruch des Klägers bzw. die Rechtmäßigkeit einer Aufhebungsentscheidung der Verwaltung zeitabschnittsweise beurteilt werden müssen: Insoweit wendet das BSG das so genannte Geltungszeitraumprinzip an, wonach neues Recht immer schon (aber auch noch) einen Sachverhalt erfasst, wenn die maßgeblichen Rechtsfolgen in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts fallen (BSG, a.a.O., Rz. 38 m.w.N.).
Ein weiterer verfahrensrechtlicher Grundsatz ist aber auch, dass die Gerichte zumindest im Rahmen einer Verpflichtungs- oder sonstigen Leistungsklage ihrer Entscheidung - nur - jene Sachlage und jenes Recht zu Grunde zu legen haben, das zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung (vor einer Tatsacheninstanz) gilt. In diesem Rahmen hat - konkret bezogen auf die Neufassung des § 146 Abs. 3 SGB IX - z.B. das LSG Berlin-Brandenburg nur das neue Recht angewandt, auch wenn der fragliche Antrag des dortigen Klägers vor dem In-Kraft-Treten des neuen Rechts gestellt worden war. Allerdings handelte es sich dort um ein Eilverfahren, in dem sich das LSG Berlin-Brandenburg auf die weitere Erwägung gestützt hat, dass die dort begehrte einstweilige Anordnung zukunftsgerichtet ist und nicht dazu dient, die Rechtmäßigkeit der noch auf der Grundlage des alten Rechts ergangenen Entscheidungen festzustellen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. April 2017 – L 13 SB 13/17 B ER –, juris, Rz. 17).
Auch das BSG hat - ebenfalls in Verfahren über die Zuerkennung von Sozialleistungen für einen längeren Zeitraum - die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob nach einer Gesetzesänderung ohne Übergangsregelungen ausschließlich das neue Recht anzuwenden ist (BSG, Urteil vom 12. August 2010 – B 3 P 3/09 R –, juris, Rz. 12). Und in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit während eines streitbefangenen Leistungszeitraums, hat es sogar ausdrücklich nur das zur Zeit der letzten Gerichtsentscheidung geltende Recht herangezogen und entschieden, dass das nunmehr zuständige Gericht auch über solche Zeiträume entscheiden muss, die vor dem Beginn seiner Zuständigkeit lagen (BSG, Beschluss vom 13. Oktober 2005 – B 9b SF 4/05 R –, juris, Rz. 12).
Der Senat lässt diese Frage, ob für die Zeit bis zum 30. Dezember 2016 bei einer Entscheidung danach ebenfalls nur § 146 Abs. 3 SGB IX n.F. anzuwenden ist, offen. Selbst auf der Basis des bisher geltenden Rechts, also ggfs. bis zum 30. Dezember 2016, stand der Klägerin kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zu:
Die bisherige Rechtslage zu diesem Merkzeichen ergab sich im Wesentlichen aus Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 (BAnz S. 1419, berichtigt S. 5206). Ergänzende Vorschriften enthielt bzw. enthält weiterhin die Teil D Nr. 3 c Satz 1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV).
Hiernach waren als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können. Hierzu zählten bzw. zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind Die Versorgungsmedizinische Grundsätze (VG) enthielten – und enthalten auch nach In-Kraft-Treten des § 146 Abs. 3 SGB IX – weitere Anforderungen. Diese Regelung war allerdings zunächst nichtig, da die notwendige Ermächtigungsgrundlage in § 70 Abs. 2 SGB IX nach Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 7. Januar 2015 (BGBl. II S. 15) erst später in Kraft trat (vgl. zu allem LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rz. 19). Soweit sie anwendbar ist, sieht sie vor, dass die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden darf (VG Teil D Nr. 3 c Satz 1, S. 142), ist bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und ist deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen (VG Teil D Nr. 3 c Satz 2, S. 142) und sind als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigten, beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen (VG Teil D Nr. 3 c Satz 5, S. 142, vgl. im Einzelnen auch Urteil des Senats vom 20. Juni 2013 – L 6 SB 5053/12 –, juris, Rz. 23).
Bei der Klägerin hat keine solche Einschränkung vorgelegen. Die Einschränkungen des Gehvermögens bei ihr sind nicht denjenigen gleichzustellen, die etwa bei Doppeloberschenkelamputierten vorliegen. Sie ist nicht vom ersten Schritt außerhalb ihres Fahrzeugs an auf fremde Hilfe angewiesen und das Gehen ist nicht vom ersten Schritt an mit unzumutbaren Schmerzen oder anderen Einbußen verbunden. Diese Einschätzung stützt der Senat auf die Zeugenaussagen im Klageverfahren und auf das dort erhobene Gutachten von Dr. A., dies allerdings nur eingeschränkt, da der Sachverständige die Klägerin nicht selbst hat untersuchen können. Dr. Th. hat in seiner Zeugenaussage vom 16. Juni 2014 ein rechts humpelndes, kleinschrittiges Gangbild beschrieben. Die Beweglichkeit der Gelenke an den unteren Gliedmaßen war nur geringfügig eingeschränkt. Die Kniegelenke waren mit einer Streckung/Beugung von 0/0/120° frei beweglich. Trotz der erheblichen Beeinträchtigungen durch die revisionspflichtigen Hüftgelenks-Totalendoprothesen waren nach der Aussage von Dr. Th., die er auch auf seine Eindrücke bei der Sprechstunde gestützt hat, nur längere Gehstrecken beschwerlich, aber auch diese waren demnach möglich. Dr. A. als Sachverständiger hat ausgeführt, dass – noch – Gehstrecken von unter 100 m möglich seien. Sein darauf aufbauender Vorschlag, der Klägerin das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen, entspricht nicht den rechtlichen Vorgaben, die eine merkliche Einschränkung bereits vom ersten Schritt an vorsehen. Diese Einschätzung wird letztlich auch gestützt durch die Zeugenaussage von Dr. A. vom 21. Dezember 2015, der eine Gehstrecke von noch 50 bis 70 m gesehen und folgerichtig darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens damit nicht voll erfülle. An dieser Beurteilung haben auch die aktuellen medizinischen Dokumente, welche die Klägerin zur Akte gereicht hat, nichts ändern können. Nach den Befundberichten von Prof. Dr. H. vom 6. Oktober 2016 und 13. Januar 2017 ist die Beschwerdesymptomatik eher lumbal, während die daneben bestehende Coxarthrose klinisch nicht führend ist. Prof. Dr. H. hat ausgeführt, die relevanten Bewegungen der Wirbelsäule und der Hüftgelenke seien zwar endgradig schmerzhaft, aber sicherlich nicht klinisch führend. Die DMS (Durchblutung, Motorik, Sensibilität – der unteren Extremitäten) sei intakt. Die Klägerin gehe an zwei Gehstützen. Auf Grund der momentan führenden lumbalen Situation laufe sie nur 200 bis 300 m. Auch aus dieser Zeugenaussage ergeben sich die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" nicht. Dass das Gehvermögen der Klägerin nicht vom ersten Schritt an aufs Schwerste eingeschränkt ist, hat sich auch im Berufungsverfahren gezeigt. Zwar ist sie auch zu keinem der anberaumten Termine bei Gericht erschienen und hat sich zur Entschuldigung hierfür auf die Einschränkungen ihres Gehvermögens bzw. eine anstehende Operation berufen. Aber sie konnte in diesen Zeiträumen ihre Ärzte aufsuchen. Entsprechend hat der zuletzt gehörte sachverständige Zeuge Dr. B. in seiner Aussage vom 19. Januar 2017 mitgeteilt, seines Erachtens sei die Klägerin nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zuerkennung (behördliche Feststellung) des Nachteilsausgleichs (Merkzeichens) "aG" (außergewöhnlich gehbehindert).
Die im Jahre 1940 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und im Inland wohnhaft.
Ihr wurde erstmals mit Teil-Abhilfe-Bescheid vom 18. August 2000 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 zuerkannt. Dem lagen Teil-GdB-Werte von 30 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule sowie von jeweils 10 für Funktionsbeeinträchtigungen der Kniegelenke, für eine Fußfehlform und für eine Fingerpolyarthrose zu Grunde. Mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 wurde ein Gesamt-GdB von 50 festgestellt, dem lag zusätzlich eine Schwerhörigkeit mit einem Teil-GdB von 20 zu Grunde. Zuletzt vor dem hier streitigen Verfahren hatte der Beklagte mit Bescheid vom 1. März 2011 den GdB auf 70 erhöht und das Merkzeichen "G" (gehbehindert) zuerkannt. Die zu Grunde gelegten Teil-GdB-Werte betrugen 50 für eine Kniegelenksendoprothese links, eine Funktionsstörung des rechten Kniegelenks, eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke, eine beidseitige Fußfehlform und eine Polyarthrose, 40 für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Spinalkanalstenose und einen verformt verH.ten Wirbelbruch, je 20 für die Schwerhörigkeit beidseits und ein Restless-legs-Syndrom sowie 10 für eine Depression. Weitere Erhöhungsanträge der Klägerin blieben ohne Erfolg. Ferner hatte der Beklagte die jeweils ebenfalls beantragte Zuerkennung des Merkzeichens "aG" abgelehnt.
Mit dem hier streitigen Antrag vom 24. Juni 2013 beantragte die Klägerin abermals die Erhöhung des GdB und die Zuerkennung des Merkzeichens "aG". Sie könne nur mühsam am Rollator oder an zwei Stöcken gehen. Sie legte einen Befundbericht des Klinikums R. vom 26. Juni 2000 vor, wonach ein Lumbalsyndrom vorgelegen hatte. Der behandelnde Orthopäde Dr. H. teilte am 5. September 2013 mit, es bestehe ein Zustand nach Knie-Totalendoprothese (TEP) beidseits, eine erstgradige Coxarthrose beidseits, eine Bursitis trochanterica (Schleimbeutelentzündung der Hüfte) links und eine Heberden- und Bochard-Artrhose beidseits. Ausdrücklich führte er aus, die Kriterien für eine außergewöhnliche Gehbehinderung träfen auf die Klägerin in keinem Fall zu, dies habe er ihr bereits mehrfach mitgeteilt, jedoch "sine effectu" Gestützt auf eine versorgungsärztliche Auswertung dieser Unterlagen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11. September 2013 eine Höherbewertung des GdB und die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ab.
Im Widerspruchsverfahren teilte die Klägerin mit, Dr. H. habe ihre Situation völlig falsch eingeschätzt, seine Behandlung habe keinen Erfolg gebracht, sondern Herzattacken verursacht. Sie habe daraufhin zu anderen Behandlern, Dr. R. und Dr. Th., gewechselt. Sie beantragte "nochmals, dass (ihr) das Merkzeichen "aG" zugestanden werde. Der Beklagte wies den Widerspruch jedoch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2013 zurück, wobei er davon ausging, dass nur noch das Merkzeichen "aG" streitbefangen sei.
Die Klägerin hat am 6. November 2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie hat beantragt, ihr das Merkzeichen "aG" zu erteilen. Sie könne sich nicht erklären, warum es so schwierig sei, dieses zu erhalten. Es seien ein Rollstuhl und ein Rollator vorhanden und auch zwei Stöcke, die aber nur eine kleine Hilfe seien.
Nachdem der Beklagte der Klage entgegengetreten ist, hat das SG den von der Klägerin als behandelnden Arzt benannten Dr. Th. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat bekundet er habe die Klägerin einmalig am 3. September 2013 untersucht. Dabei sei festgestellt worden, dass beide einliegenden Knie-TEP revisionspflichtig seien, die rechte TEP weise eine Achsfehlstellung auf, die linke habe zu einer Bandinstabilität geführt. Es habe sich ein rechts humpelndes, kleinschrittiges Gangbild gezeigt. Beide Kniegelenke seien bis 0/0/120° streck- und beugefähig bei endgradigem Schmerz. Die Patella rechts sei lateralisiert. Die Klägerin sei nicht den – im einzelnen vorgegebenen – Regelbeispielen für das Merkzeichen "aG", insbesondere keinen querschnittgelähmten oder amputierten Menschen, gleichzustellen. Sie benutze Unterarmgehstützen und einen Rollator. Längere Gehstrecken seien beschwerlich.
Im Anschluss hat das SG den Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. A. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nachdem die Klägerin mitgeteilt hat, sie könne zu dem dort anberaumten Untersuchungstermin aus psychischen und physischen Gründen nicht erscheinen, hat Dr. A. im Einverständnis mit dem SG das Gutachten nach Aktenlage vom 28. November 2014 erstattet. Er hat darin alle seit 1999 von der Klägerin eingereichten und vom Beklagten erhobenen ärztlichen Unterlagen ausgewertet. Er hat ausgeführt, das Nichterscheinen der Klägerin zum Untersuchungstermin solle nicht zu ihren Lasten gewertet werden, da es denkbar sei, dass für sie das Verlassen ihrer Wohnung nur mit beträchtlichen Mühen und Umständen verbunden sei. Für das Merkzeichen "aG" seien im Wesentlichen nur die orthopädischen Einschränkungen relevant, nicht jedoch das zwischenzeitlich diagnostizierte Restless-legs-Syndrom, da sich seine Symptomatik vor allem nachts abspiele. Ausgehend von den schriftlichen Schilderungen der Klägerin über ihren Alltag und die Beschwernisse beim Gehen und den Angaben der Ärzte, vor allem von Dr. Th., könne davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" vorlägen. Sie könne nur noch Strecken unter 100 m am Stück zurücklegen, und dies nur unter Anwendung von Hilfsmitteln wie Gehstöcken oder einem Rollator und nur unter Schmerzen.
Der Beklagte hat hierzu unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme eingewandt, die aktenkundigen Befunde reichten nicht aus, um Dr. A.s Einschätzung zu tragen. Insbesondere fehlten Angaben zu den Befunden am linken Knie- und am linken Hüftgelenk. Hierzu sei bei der einmaligen Untersuchung bei Dr. Th. am 3. September 2013 nichts erhoben worden. Wie auch Dr. A. ausgeführt habe, seien aktuelle Stellungnahmen, vor allem des Hausarztes, vonnöten.
Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, sie sei nunmehr bei Dr. A. in orthopädischer Behandlung, hat das SG auch diesen Arzt schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Er hat mitgeteilt, sie sei von Oktober 2013 bis zum 17. Dezember 2015 sieben Mal in seiner Sprechstunde gewesen. Zu Beginn seien das Aufstehen erschwert sowie das Gehen nur mit Mühe und hinkend möglich gewesen. Der FBA (Finger-Boden-Abstand) habe 20 cm betragen. Die letzten Untersuchungen hätten für die Kniegelenke eine Beugung/Streckung bis 0/0/100° gezeigt. Die Beugung/Streckung des linken Hüftgelenks habe zuletzt ebenfalls 0/0/100° bei eingeschränkter Rotation betragen. Im August 2015 sei die Mobilisierung deutlich erschwert gewesen, es habe keine schmerzfreie Gehstrecke mehr bestanden, der FBA habe nunmehr 50 cm betragen. Der Gesundheitszustand habe sich demnach verschlechtert. Die Klägerin sei zwar keiner der benannten Gruppen gleichzustellen. Jedoch seien ihr selbst die ersten Schritte außerhalb eines Kraftfahrzeugs nur mit großer Mühe zumutbar, die maximale Gehstrecke betrage schätzungsweise 50 bis 70 m. Es sollte daher der Klägerin der Ausweis für einen Behindertenparkplatz zugestanden werden, auch wenn sie die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" nicht komplett erfülle. Dr. A. hat ferner die Berichte des Neurochirurgen Dr. P. vom 24. September 2015 sowie der Radiologen Dr. D. vom 3. August 2015 und Dr. G. vom 28. Oktober 2015 zur Akte gereicht.
Der Beklagte hat zu diesen Erhebungen die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 2. März 2016 vorgelegt. Die Zeugenaussage von Dr. A. sei nicht durch ausreichende klinische Befunde unterstützt. Nach den mitgeteilten Bewegungsmaßen und dem Fehlen neurologischer Ausfallerscheinungen ebenso wie nach den Berichten von Dr. P. und Dr. D. ergäben sich keine Beeinträchtigungen, die das Merkzeichen "aG" begründen könnten.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 30. Juni 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" lägen nicht vor. Weder gehöre die Klägerin zu der ausdrücklich erfassten Gruppe der querschnittgelähmten oder amputierten behinderten Menschen noch sei ihr Gehvermögen derart eingeschränkt, dass sie sich außerhalb ihres Kraftfahrzeugs vom ersten Schritt an nur mit fremder Hilfe oder mit unzumutbar großer Anstrengung bewegen könne. Diese Einschätzung beruhe auf den Grundsätzen der objektiven Beweislast. Auch nach der Beweiserhebung hätten die Voraussetzungen des Merkzeichens nicht zweifelsfrei festgestellt werden können. Insbesondere ergäben sich diese nicht aus dem Gutachten Dr. A ... Dieser habe nur nach Aktenlage begutachten können. Seine Einschätzung stütze sich nur auf die aktenkundigen Angaben der Klägerin selbst, sie könne mit dem Rollator nur kurze Strecken und diese nur sehr beschwerlich zurücklegen, und auf der Bestätigung dieser Einschätzung durch Dr. Th ... Es fehle aber an aktenkundigen Befunden, die eine solche Einschränkung des Gehvermögens ergäben. Auch der später erhobene Bericht von Dr. A. lasse keine zwingenden Rückschlüsse zu. Auch er habe letztlich die Vorassetzungen des Merkzeichens "aG" nicht komplett als erfüllt erachtet.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27. Juli 2016 beim SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Sie hält sich weiterhin für außergewöhnlich gehbehindert im Rechtssinne.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Juni 2016 und den Bescheid vom 11. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Oktober 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" (außergewöhnlich gehbehindert) festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und seine Entscheidungen.
Der Senat hat die Klägerin unter dem 17. August 2016 um die Beantwortung mehrerer Fragen zu ihrer Lebensgestaltung gebeten, darunter um Auskunft, wie sie es bewerkstellige, allein ihre Ärzte aufzusuchen. Sie hat einige Fragen unter dem 19. August 2016 knapp beantwortet, jedoch unter anderem nicht die Frage nach ihren Arztbesuchen. Sie führt aus, es wäre ihr eine Hilfe, das Merkzeichen "aG" zu erhalten, damit die Sache nicht mehr so beschwerlich sei.
Der Berichterstatter des Senats hat die Klägerin zur persönlichen Anhörung am 10. November 2016 nach St. geladen. Sie hat daraufhin mitgeteilt, sie könne nicht erscheinen, da sie kurz vor einer Operation der Wirbelsäule stehe und sich, eventuell wegen eines Wirbelbruchs, kaum noch bewegen könne. Hierzu hat sie die ärztliche Bescheinigung von Dr. A. vom 25. Oktober 2016 vorgelegt (schwere Gesundheitsstörung des Stütz- und Bewegungsapparats, hochgradige Einschränkung der Mobilität, selbstständiges Fahren mit dem Pkw unmöglich).
Nachdem der Berichterstatter darauf hingewiesen hat, dass auch der Senat unter diesen Umständen nach Aktenlage entscheiden müsse und die aktenkundigen Befunde keine Erklärung bzw. keinen Beweis für eine derart gravierende Einschränkung des Gehvermögens enthielten, hat sie mitgeteilt, sie sei nunmehr bei dem Neurochirurgen Dr. B. in Behandlung und sich auf dessen Zeugnis berufen. Der Senat hat diesen Arzt daraufhin schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Er hat unter dem 19. Januar 2017 mitgeteilt, die Klägerin befinde sich seit Oktober 2016 in seiner Behandlung. Es bestehe eine absolute Spinalkanalstenose an den Segmenten L3/4, L4/5 mit massiver aktivierter Osteochondrose L4/5. Sie habe angegeben, sie leide an chronischen Rückenschmerzen mit Ausstrahlung ins linke Bein. Sie habe bei der Vorstellung in seiner Praxis eine massive Verkürzung der Gehstrecke bis auf wenige Meter angegeben. Gekommen sei sie zu Fuß, wobei die Praxis ohne Stufen im Erdgeschoss liege. Bei der Untersuchung hätten sich keine Paresen oder sensiblen Defizite in den unteren Extremitäten gezeigt. Trotz des Zustands nach Knie-TEP beidseits und eines deutlichen Geno varum links seien die Knie schmerzlos beweglich gewesen. Die Gang- und Standprüfungen seien mit ungerichteter Fallneigung unsicher gewesen. Die bildgebenden Befunde der Wirbelsäule könnten die Rückenschmerzen erklären. Es sei eine operative Behandlung der Wirbelsäule empfohlen worden, die Klägerin habe sich dazu aber noch nicht entschlossen. Der Zeuge hat abschließend angegeben, seines Erachtens sei sie nicht außergewöhnlich gehbehindert im Sinne der – dem Zeugen mitgeteilten – Voraussetzungen dieses Merkzeichens.
Die Klägerin hat hierzu mitgeteilt, sie könne der Einschätzung Dr. B.s nicht zustimmen. Sie hat dazu die Befundberichte von Prof. Dr. H., Klinikum T., vom 6. Oktober 2016 und 13. Januar 2017 zur Akte gereicht. Darin ist ausgeführt, die Beschwerdesymptomatik sei eher lumbal, nach distal einstrahlend. Die zweifellos daneben bestehende Coxarthrose sei klinisch nicht führend. Die Rotationsbewegungen und Stauchungsbewegungen (der Wirbelsäule) sowie die Abduktion/Adduktion und Rotation der Hüftgelenke seien zwar endgradig schmerzhaft, aber sicherlich nicht klinisch spürend. Die DMS (Durchblutung, Motorik, Sensibilität – der unteren Extremitäten) sei intakt. Die Klägerin gehe an zwei Gehstützen. Auf Grund der momentan führenden lumbalen Situation laufe sie nur 200 bis 300 m.
Nachdem die Klägerin mehrfach eine Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren abgelehnt hat, hat der Senat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 1. Juni 2017 anberaumt. Sie hat hierzu am 9. Mai 2017 mitgeteilt, sie könne nicht erscheinen, sie sei am 1. April 2017 notfallmäßig im Krankenhaus gewesen, dort sei abermals festgestellt worden, dass Rücken, Hüfte und Knie operations- bzw. revisionspflichtig seien.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte am 1. Juni 2017 entscheiden, auch wenn die Klägerin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, weil ihr diese Möglichkeit in der Ladung mitgeteilt worden war (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). In dem Schreiben der Klägerin vom 9. Mai 2017 lag auch kein Antrag, den Termin zu verlegen. Die Klägerin hat darin lediglich mitgeteilt, nicht zu erscheinen, wie es schon zuvor bei dem Termin bei dem erstinstanzlich beauftragten Gutachter Dr. A. und bei dem Erörterungstermin des Senats am 10. November 2016 geschehen war.
Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil die Klägerin keine Dienst-, Sach- oder Geldleistung begehrt, sondern eine behördliche Feststellung. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGG). Sie ist aber nicht begründet.
Das SG hat zu Recht nur den Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" für streitbefangen erachtet. Zwar hatte die Klägerin im Antragsverfahren auch die Erhöhung des GdB geltend gemacht. Dieses Begehren hat sie jedoch bereits mit ihrem Widerspruch vom 15. September 2013 wieder fallen gelassen. Sie hat dort ausdrücklich nur den Anspruch wegen des Merkzeichens weiterverfolgt. Dementsprechend hat auch der Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2013 nur über dieses Merkzeichen entschieden.
In diesem Rahmen hat das SG die die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) zu Recht abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten auf Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" besteht nicht.
Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin kann sich allein aus § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ergeben. Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört das im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften in den Schwerbehindertenausweis einzutragende Merkzeichen "aG" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).
Der Senat konstatiert, dass sich die näheren Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" im Laufe des anhängigen Verfahrens geändert haben: Seit dem 30. Dezember 2016 regelt § 146 Abs. 3 SGB IX n.F. das Merkzeichen "aG". Diese Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 13 des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) neu geschaffen und nimmt die am 1. Januar 2018 in Kraft tretende Regelung des § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. mit Wirkung ab 30. Dezember 2016 vorweg (Art. 26 Abs. 2 BTHG). Mangels jeglicher Übergangsregelung im BTHG gilt diese neue Norm für alle Ansprüche, über die am Tag ihres In-Kraft-Tretens noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Daher hat der Senat auf der Basis dieser Neuregelung zu entscheiden. Dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach im Rahmen einer Leistungsklage – zu der auch eine Verpflichtungsklage wie hier gehört – die Entscheidung den Sach- und Rechtsstand zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz zu Grunde zu legen hat.
Vor diesem Hintergrund besteht für die Klägerin seit der Neuregelung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" ab dem 30. Dezember 2016 schon aus Rechtsgründen kein Anspruch.
Nach § 146 Abs. 3 Satz 1 SGB IX n.F. sind schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem Grad der Behinderung von mindestens 80 entspricht. Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt nach der Legaldefinition des § 146 Abs. 3 Satz 2 SGB IX vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Diese Neuregelung führt zu folgender Überprüfung des Merkzeichens "aG" (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. April 2017 – L 13 SB 13/17 B ER –, juris, Rz. 20). Zunächst ist –auf materieller Ebene – zu entscheiden, ob die fragliche Teilhabebeeinträchtigung mobilitätsbezogen ist. Der Gesetzgeber wollte sich mit diesem Merkmal zwar von einer rein orthopädischen Betrachtung lösen (BT-Drs. 18/9522, S. 317 f.). Gleichwohl ist nicht jede Behinderung erfasst. Die genannten Voraussetzungen können erfüllt sein bei zentralnervösen, peripher-neurologischen oder neuromuskulär bedingten Gangstörungen mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder wenn eine dauerhafte Rollstuhlbenutzung erforderlich ist (insbesondere bei Querschnittlähmung, Multipler Sklerose, Amyotropher Lateralsklerose (ALS), Parkinsonerkrankung, Para- oder Tetraspastik in schwerer Ausprägung), einem Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe oder einem Funktionsverlust eines Beines ab Oberschenkelhöhe ohne Möglichkeit der prothetischen oder orthetischen Versorgung (insbesondere bei Doppeloberschenkelamputierten und Hüftexartikulierten), schwerster Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit (insbesondere bei Linksherzschwäche Stadium NYHA IV), schwersten Gefäßerkrankungen (insbesondere bei arterieller Verschlusskrankheit Stadium IV), Krankheiten der Atmungsorgane mit nicht ausgleichbarer Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades und einer schwersten Beeinträchtigung bei metastasierendem Tumorleiden (mit starker Auszehrung und fortschreitendem Kräfteverfalls. Sodann ist zu überprüfen, ob diese mobilitätsbezogenen Behinderungen einen GdB (Teil-GdB) von wenigstens 80 erreichen. Mit dieser zusätzlichen, formellen Voraussetzung eines relativ hohen GdB auf dem Gebiet der Mobilität wollte der Gesetzgeber des BTHG dem Umstand Rechnung tragen, dass Parkraum in den Innenstädten nicht beliebig vermehrbar ist und dass das Verkehrsrecht den Grundsatz der "Privilegienfeindlichkeit" kennt, sodass mit Mitteln des Straßenverkehrsrechts nur ein Nachteilsausgleich ausschließlich unter dem Aspekt eines sicheren und geordneten Verkehrsablaufs eingeräumt wird. Der Gesetzgeber hat aber auch auf behinderungspolitische Erwägungen hingewiesen und ausgeführt, Behindertenparkplätze müssten denjenigen schwerbehinderten Menschen vorbehalten bleiben, die sich dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen könnten, und dies seien – nur – Menschen, die für ihre mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung einen Grad der Behinderung von mindestens 80 hätten. Eine breite Ausweitung des Berechtigtenkreises würde dazu führen, dass die eigentliche Zielgruppe längere Wege zurücklegen müsste, weil dann Parkplätze belegt wären, die heute frei seien (vgl. BT-Drs. 18/9522, S. 318).
Diese Voraussetzung des neuen § 146 Abs. 3 SGB IX, ein mobilitätsbezogener GdB oder Teil-GdB von 80, knüpft an den tatsächlich zuerkannten GdB an (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Januar 2017 – L 8 SB 943/16 –, juris, Rz. 49). Nicht etwa sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit befugt, bei der Überprüfung des Merkzeichens "aG" inzident auch weitere, bislang nicht anerkannte Behinderungen zu berücksichtigen. Die Feststellung des GdB und damit auch eines mobilitätsbezogenen Teil-GdB von wenigstens 80 obliegt nach § 69 Abs. 1 SGB IX allein den Behörden der Versorgungsverwaltung, sodass z.B. weichende gerichtliche Feststellungen des GdB unzulässig sind.
Bei der Klägerin besteht bereits keine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung, die nur für sich einen Teil-GdB von 80 bedingen würde. Vielmehr ist ihr zurzeit– bestandskräftig – lediglich ein Gesamt-GdB von 70 zuerkannt. Auch inhaltlich bedingten diejenigen – anerkannten - Behinderungen, die bei der Klägerin vorliegen und die sich im Sinne von § 146 Abs. 3 SGB IX n.F. auf die Mobilität auswirken, keinen GdB von 80. Mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigungen folgen bei der Klägerin nur aus den orthopädisch zu fassenden Schädigungen an der Lendenwirbelsäule und den unteren Gliedmaßen. Der Teil-GdB für die unteren Gliedmaßen beträgt 50 und von den Beeinträchtigungen der Wirbelsäule (Funktionssystem Rumpf), die einen Teil-GdB von 40 bedingen, entfällt nur ein Teil auf die Lendenwirbelsäule. Insofern kann bei der Klägerin von mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigungen mit einem GdB von allenfalls 60 ausgegangen werden.
Da der Gesetzgeber, wie ausgeführt, § 146 Abs. 3 SGB IX ohne jede Übergangsregelung in Kraft gesetzt hat, ist zu entscheiden, welche rechtlichen Regelungen dem Anspruch der Klägerin vor dem In-Kraft-Treten des neuen Rechts am 30. Dezember 2016 zu Grunde zu legen sind.
Den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Sozialrechts folgend geht das BSG in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass ein Rechtssatz, der ohne Übergangsregelung in Kraft gesetzt wird, nur auf solche Sachverhalte anwendbar ist, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Hierbei handelt es sich um den "Grundsatz der Sofortwirkung und Nicht-Rückwirkung neuen Rechts, den Grundsatz "tempus regit actum" (BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 10 EG 6/12 R –, juris, Rz. 37). Sofern in dem gerichtlichen Verfahren ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung in Streit steht, führt dies in der Regel dazu, dass der Anspruch des Klägers bzw. die Rechtmäßigkeit einer Aufhebungsentscheidung der Verwaltung zeitabschnittsweise beurteilt werden müssen: Insoweit wendet das BSG das so genannte Geltungszeitraumprinzip an, wonach neues Recht immer schon (aber auch noch) einen Sachverhalt erfasst, wenn die maßgeblichen Rechtsfolgen in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts fallen (BSG, a.a.O., Rz. 38 m.w.N.).
Ein weiterer verfahrensrechtlicher Grundsatz ist aber auch, dass die Gerichte zumindest im Rahmen einer Verpflichtungs- oder sonstigen Leistungsklage ihrer Entscheidung - nur - jene Sachlage und jenes Recht zu Grunde zu legen haben, das zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung (vor einer Tatsacheninstanz) gilt. In diesem Rahmen hat - konkret bezogen auf die Neufassung des § 146 Abs. 3 SGB IX - z.B. das LSG Berlin-Brandenburg nur das neue Recht angewandt, auch wenn der fragliche Antrag des dortigen Klägers vor dem In-Kraft-Treten des neuen Rechts gestellt worden war. Allerdings handelte es sich dort um ein Eilverfahren, in dem sich das LSG Berlin-Brandenburg auf die weitere Erwägung gestützt hat, dass die dort begehrte einstweilige Anordnung zukunftsgerichtet ist und nicht dazu dient, die Rechtmäßigkeit der noch auf der Grundlage des alten Rechts ergangenen Entscheidungen festzustellen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. April 2017 – L 13 SB 13/17 B ER –, juris, Rz. 17).
Auch das BSG hat - ebenfalls in Verfahren über die Zuerkennung von Sozialleistungen für einen längeren Zeitraum - die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob nach einer Gesetzesänderung ohne Übergangsregelungen ausschließlich das neue Recht anzuwenden ist (BSG, Urteil vom 12. August 2010 – B 3 P 3/09 R –, juris, Rz. 12). Und in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit während eines streitbefangenen Leistungszeitraums, hat es sogar ausdrücklich nur das zur Zeit der letzten Gerichtsentscheidung geltende Recht herangezogen und entschieden, dass das nunmehr zuständige Gericht auch über solche Zeiträume entscheiden muss, die vor dem Beginn seiner Zuständigkeit lagen (BSG, Beschluss vom 13. Oktober 2005 – B 9b SF 4/05 R –, juris, Rz. 12).
Der Senat lässt diese Frage, ob für die Zeit bis zum 30. Dezember 2016 bei einer Entscheidung danach ebenfalls nur § 146 Abs. 3 SGB IX n.F. anzuwenden ist, offen. Selbst auf der Basis des bisher geltenden Rechts, also ggfs. bis zum 30. Dezember 2016, stand der Klägerin kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zu:
Die bisherige Rechtslage zu diesem Merkzeichen ergab sich im Wesentlichen aus Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 (BAnz S. 1419, berichtigt S. 5206). Ergänzende Vorschriften enthielt bzw. enthält weiterhin die Teil D Nr. 3 c Satz 1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV).
Hiernach waren als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können. Hierzu zählten bzw. zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind Die Versorgungsmedizinische Grundsätze (VG) enthielten – und enthalten auch nach In-Kraft-Treten des § 146 Abs. 3 SGB IX – weitere Anforderungen. Diese Regelung war allerdings zunächst nichtig, da die notwendige Ermächtigungsgrundlage in § 70 Abs. 2 SGB IX nach Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 7. Januar 2015 (BGBl. II S. 15) erst später in Kraft trat (vgl. zu allem LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rz. 19). Soweit sie anwendbar ist, sieht sie vor, dass die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden darf (VG Teil D Nr. 3 c Satz 1, S. 142), ist bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und ist deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen (VG Teil D Nr. 3 c Satz 2, S. 142) und sind als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigten, beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen (VG Teil D Nr. 3 c Satz 5, S. 142, vgl. im Einzelnen auch Urteil des Senats vom 20. Juni 2013 – L 6 SB 5053/12 –, juris, Rz. 23).
Bei der Klägerin hat keine solche Einschränkung vorgelegen. Die Einschränkungen des Gehvermögens bei ihr sind nicht denjenigen gleichzustellen, die etwa bei Doppeloberschenkelamputierten vorliegen. Sie ist nicht vom ersten Schritt außerhalb ihres Fahrzeugs an auf fremde Hilfe angewiesen und das Gehen ist nicht vom ersten Schritt an mit unzumutbaren Schmerzen oder anderen Einbußen verbunden. Diese Einschätzung stützt der Senat auf die Zeugenaussagen im Klageverfahren und auf das dort erhobene Gutachten von Dr. A., dies allerdings nur eingeschränkt, da der Sachverständige die Klägerin nicht selbst hat untersuchen können. Dr. Th. hat in seiner Zeugenaussage vom 16. Juni 2014 ein rechts humpelndes, kleinschrittiges Gangbild beschrieben. Die Beweglichkeit der Gelenke an den unteren Gliedmaßen war nur geringfügig eingeschränkt. Die Kniegelenke waren mit einer Streckung/Beugung von 0/0/120° frei beweglich. Trotz der erheblichen Beeinträchtigungen durch die revisionspflichtigen Hüftgelenks-Totalendoprothesen waren nach der Aussage von Dr. Th., die er auch auf seine Eindrücke bei der Sprechstunde gestützt hat, nur längere Gehstrecken beschwerlich, aber auch diese waren demnach möglich. Dr. A. als Sachverständiger hat ausgeführt, dass – noch – Gehstrecken von unter 100 m möglich seien. Sein darauf aufbauender Vorschlag, der Klägerin das Merkzeichen "aG" zuzuerkennen, entspricht nicht den rechtlichen Vorgaben, die eine merkliche Einschränkung bereits vom ersten Schritt an vorsehen. Diese Einschätzung wird letztlich auch gestützt durch die Zeugenaussage von Dr. A. vom 21. Dezember 2015, der eine Gehstrecke von noch 50 bis 70 m gesehen und folgerichtig darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens damit nicht voll erfülle. An dieser Beurteilung haben auch die aktuellen medizinischen Dokumente, welche die Klägerin zur Akte gereicht hat, nichts ändern können. Nach den Befundberichten von Prof. Dr. H. vom 6. Oktober 2016 und 13. Januar 2017 ist die Beschwerdesymptomatik eher lumbal, während die daneben bestehende Coxarthrose klinisch nicht führend ist. Prof. Dr. H. hat ausgeführt, die relevanten Bewegungen der Wirbelsäule und der Hüftgelenke seien zwar endgradig schmerzhaft, aber sicherlich nicht klinisch führend. Die DMS (Durchblutung, Motorik, Sensibilität – der unteren Extremitäten) sei intakt. Die Klägerin gehe an zwei Gehstützen. Auf Grund der momentan führenden lumbalen Situation laufe sie nur 200 bis 300 m. Auch aus dieser Zeugenaussage ergeben sich die Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" nicht. Dass das Gehvermögen der Klägerin nicht vom ersten Schritt an aufs Schwerste eingeschränkt ist, hat sich auch im Berufungsverfahren gezeigt. Zwar ist sie auch zu keinem der anberaumten Termine bei Gericht erschienen und hat sich zur Entschuldigung hierfür auf die Einschränkungen ihres Gehvermögens bzw. eine anstehende Operation berufen. Aber sie konnte in diesen Zeiträumen ihre Ärzte aufsuchen. Entsprechend hat der zuletzt gehörte sachverständige Zeuge Dr. B. in seiner Aussage vom 19. Januar 2017 mitgeteilt, seines Erachtens sei die Klägerin nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
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