L 8 U 2242/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2638/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2242/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 07.06.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob geltend gemachte Gesundheitsstörungen der Klägerin Folgen ihres Arbeitsunfalls am 25.02.2009 sind und ihr Heilbehandlung über den 06.06.2010 hinaus zu gewähren ist.

Die 1959 geborene Klägerin erlitt am 25.02.2009 einen Arbeitsunfall, bei dem sie sich eine distale Radiusfraktur links zuzog. Die Beklagte gewährte Heilbehandlung. Nach einem abgebrochenen Arbeitsversuch stellte sich die Klägerin im Juli 2009 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik) wegen starker Schmerzen im linken Handgelenk vor. Bei der Untersuchung am 01.07.2009 zeigten sich keine Auffälligkeiten des linken Handgelenks, Dystrophie-Zeichen im Sinne eines Complex Regional Pain-Syndroms (CRPS) waren nicht erkennbar. Diagnostiziert wurden Belastungsbeschwerden des linken Handgelenks bei Zustand nach distaler Radius-Fraktur, ausgeschlossen wurden Band-Läsionen des linken Handgelenks (Untersuchungsbericht von Prof. Dr. Scha. , BG-Klinik, vom 02.07.2009, Bl. 49 der BG-Akte). Vom 03.07.2009 bis 23.07.2009 wurde eine Komplexe Stationäre Rehabilitationsmaßnahme (KSR) in der BG-Klinik durchgeführt, in der die Schmerzen rasch rückläufig waren und aus der die Klägerin als arbeitsfähig ab 27.07.2009 entlassen wurde. Eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde verneint (Entlassungsbericht von Prof. Dr. Scha. vom 24.07.2009, Bl. 62f der BG-Akte).

Aufgrund fortbestehender Beschwerden am linken Handgelenk und am linken Arm begab sich die Klägerin zur Untersuchung und Behandlung zu mehreren Ärzten. Im April 2010 führte der Neurologe Dr. Kr. die geklagten Dysästhesien beider Hände auf ein beidseitiges, rechtsbetontes Carpaltunnel-Syndrom zurück (Arztbrief von Dr. Kr. vom 14.04.2010, Bl. 52f der BG-Akte). Unter der Diagnose eines beidseitigen Carpaltunnel-Syndroms wurde am 10.05.2010 in der Handchirurgischen Abteilung im Krankenhaus W. die operative Carpaltunnelspaltung links vorgenommen (Arztbrief von Oberarzt K. vom 04.05.2010 und sein Operationsbericht vom 10.05.2010, Bl. 55 und 70 der BG-Akte). Nach Vorlage weiterer Arztberichte veranlasste die Beklagte eine Heilverfahrenskontrolle beim Medizinischen Begutachtungsinstitut, Prof. Dr. St. , der in seinem Bericht vom 13.03.2012 (Bl. 162 ff. der BG-Akte) einen krankhaften Befund auf neurologischem Fachgebiet ausschloss.

Mit Bescheid vom 03.04.2012 lehnte die Beklagte die Übernahme von Kosten für die weitere medizinische Behandlung ab (Bl. 170 der BG Akte). Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2013 zurück (Bl. 240 ff der BG-Akte). In dem hierauf von der Klägerin angestrengten Klageverfahren S 11 U 186/13 vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) wurde das nervenärztliche Gutachten vom 29.08.2013 in der klarstellenden Fassung vom 16.09.26 mit ergänzender Stellungnahme vom 26.09.2013 eingeholt. Die Sachverständige Dr. M. führte das nach dem Arbeitsunfall aufgetretene Carpaltunnel-Syndrom links auf den Arbeitsunfall zurück. Postoperative Komplikationen seien nicht mehr zu diagnostizieren. Ein chronisches Schmerzsyndrom der linken Hand sei bis vier Wochen nach der Operation als Unfallfolge zu beurteilen, weitere Syndrome seien weder klinisch noch elektrophysiologisch festzustellen. Das Schmerzsyndrom des linken Arms und das Carpaltunnel-Syndrom rechts seien unfallunabhängig.

In der mündlichen Verhandlung am 10.12.2013 schlossen die Beteiligten einen prozessbeendenden Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, eine Untersuchung der Klägerin in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. zu veranlassen und über das Vorliegen von Unfallfolgen erneut durch Bescheid zu entscheiden.

Auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 14.02.2014 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M. diagnostizierte Prof. Dr. B. eine knöchern, in regelrechter Stellung konsolidierte distale Radiusfraktur links sowie eine subjektiv ausgeprägte Schmerzhaftigkeit der linken oberen Extremitäten ohne objektive Hinweise für ein persistierendes CRPS (Befundbericht vom 24.02.2014, Bl. 424 ff der BG-Akte). Die Bewertung des im Januar 2011 computertomografisch beschriebenen handrückenwärtigen Knochenelements zwischen Scaphoid, Capitatum und Os trapezoideum als Traumafolge sei fraglich, als sicher wurde von Prof. Dr. B. beurteilt, dass ein 3 mm großes Ossikel an der Streckseite der Handwurzel nicht als Ursache für die massiven Beschwerden in Betracht komme (ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. B. vom 01.04.2014, Bl. 431 der BG-Akte). In dem von der Klägerin vorgelegten Arztbrief der Neurologin Dr. B.-L. vom 27.03.2014 (Bl. 433 der BG-Akte) wurde die Verdachtsdiagnose einer Reflexdystrophie angeführt. Durchgangsarzt Dr. C. , der die Klägerin am 16.04.2014 untersuchte, erhob eine leicht oedematös geschwollene, leicht übererwärmte Hand mit klinischen Anzeichen eines posttraumatischen Morbus Sudeck und diagnostizierte u.a. ein Sudeck-Syndrom links (Durchgangsarztbericht vom 16.04.2014, Bl. 436 der BG-Akte).

Mit Bescheid vom 24.04.2014 stellte die Beklagte als Unfallfolgen einen folgenlos knöchern fest verheilten Bruch der körperfernen Speiche links und ein folgenlos verheiltes, operativ behandeldes Carpaltunnel-Syndrom links fest. Als keine Folgen des Arbeitsunfalles wurden eine somatoforme Schmerzstörung der linken Hand, depressive Episode und ein Carpaltunnel-Syndrom rechts festgestellt. Leistungen, insbesondere Heilbehandlung und sonstige Geldleistungen über den 06.06.2010 hinaus wurden abgelehnt. Ein Anspruch auf Rente oder sonstige Rehabilitationsleistungen bestehe nicht.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem Begehren ein chronisches Schmerzsyndrom der linken Hand und des linken Arms, ein Sudeck-Syndrom links, das Carpaltunnel-Syndrom links und rechts, eine Reflexdystrophie links sowie ein depressives Syndrom und eine Anpassungsstörung als Unfallfolgen anzuerkennen und die Kosten für die Durchführung des Heilverfahrens im Sinne der medizinischen Behandlungsmaßnahmen zu übernehmen (Widerspruchsschreiben vom 10.06.2014). Mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die Klägerin erhob hiergegen am 17.10.2014 Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG). Sie legte die ärztlichen Atteste von Dr. De. vom 24.09.2015 mit der angeführten Diagnose einer chronischen posttraumatischen Algodystrophie (Bl. 45 der SG-Akte) und von Dr. P. vom 24.11.2015 mit der Diagnose eines Morbus Sudeck links (Bl. 47 der SG-Akte) vor. Das SG holte von Amts wegen von Dr. Mi. das handchirurgische Gutachten vom 03.05.2015 ein. Darin wurden ein posttraumatisches Carpaltunnel-Syndrom links sowie ein posttraumatisches qualifiziertes CRPS Typ I, Stadium I als Unfallfolgen beschrieben. Außerdem holte das SG das neurochirurgische/algesiologische Gutachten von PD Dr. W. vom 23.02.2016 ein. PD Dr. W. beurteilte ein posttraumatisches Carpaltunnel-Syndrom als unfallbedingt. Die vor der Untersuchung gestellte Verdachtsdiagnose eines CRPS habe sich bei seiner gutachterlichen Untersuchung nicht bestätigt. Keine Unfallfolge sei mit großer Wahrscheinlichkeit eine leichte depressive Episode sowie eine möglicherweise bestehende somatoforme Schmerzstörung. Nach dem 06.06.2010 habe keine Behandlungsbedürftigkeit bestanden.

Mit Urteil vom 07.06.2016 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte sich das SG auf die Gutachten vom Dr. M. und PD Dr. W ... Dem Sachverständigen Dr. Mi. sei es nicht gelungen, seine Diagnose eines CRPS überzeugend zu begründen. PD Dr. W. habe hiergegen nachvollziehbar eingewandt, dass die Diagnose erst spät aufgetaucht sei und außerdem die Kriterien für diese Diagnose nicht vollständig erfüllt seien. Weiterhin habe der Sachverständige Dr. Mi. den Unfallzusammenhang nicht nachvollziehbar begründet. Die von ihm angeführte livide Verfärbung als ein Symptom des CRPS sei in Voruntersuchungen von Prof. Dr. Scha. und auch von Dr. M. nicht festgestellt worden. PD Dr. W. habe sichere trophische Stigmata verneint und ebenfalls keine Hinweise auf eine Verfärbung beschreiben können. Den Zusammenhang einer Anpassungsstörung oder depressiven Störungen als Unfallfolge habe Dr. M. in ihrem Gutachten mit Darlegung der biographischen Faktoren überzeugend verneint. Ein Anspruch auf Heilbehandlung bestehe nicht. Die Gesundheitsstörungen, für die Leistungen hierfür begehrt würden, seien keine Unfallfolgen.

Die Klägerin hat am 17.06.2016 Berufung gegen das Urteil eingelegt und zur Begründung ausgeführt, eine distale Radiusfraktur sei das häufigste einem CRPS vorausgehende Trauma. Entgegen den Ausführungen von PD Dr. W. seien Symptome und ein CRPS nicht erst fünf Jahre nach dem Unfall beschrieben worden. Dr. Kr. habe unter dem 14.04.2010 eine somatoforme Schmerzstörung am linken Arm diagnostiziert und im Juli 2010 ausgeführt, dass die Genese des persistierenden Schmerzsyndroms offen bleiben müsse. Im Februar 2011 beschreibe er eine Befundverschlechterung. Prof. Dr. K. habe im Januar 2012 ein postoperatives CRPS links diagnostiziert und beziehe sich auf die Behandlung ab Februar 2011. Ebenso werde von Dr. R. unter dem 07.11.2013 eine inkomplette Ausbildung eines CRPS diagnostiziert. PD Dr. W. habe keine Hinweise auf den zugrundegelegten wissenschaftlichen Kenntnisstand gegeben, er beziehe sich auch nicht auf die Leitlinie Diagnostik und Therapie des CRPS vom September 2012. Diese habe Dr. Mi. seiner Begutachtung zu Grunde gelegt. Außerdem gebe es nach der unfallmedizinischen Literatur auch eine Spätform des CRPS. Vorgelegt wurde das ärztliche Attest von Dr. De. vom 24.01.2017, wonach sich posttraumatisch eine Algodystrophie (Morbus Sudeck) entwickelt habe.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 07.06.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 25.02.2009 das chronisches Schmerzsyndrom im Bereich der linken Hand und des linken Arms, das Sudecksyndrom links, das Carpaltunnel-Syndrom links und rechts, eine Reflexdystrophie links, das depressive Syndrom und die Anpassungsstörung anzuerkennen und die Kosten für die Durchführung des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens im Sinne der medizinischen Behandlungsmaßnahmen über den 06.06.2010 hinaus zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in ihren angefochtenen Bescheiden und auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils des SG.

Mit richterlicher Verfügung vom 28.12.2016 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und deren rechtlichen Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des SG beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

II. Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 28.12.2016 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die geltend gemachten prozessualen Ansprüche auf Verpflichtung zur Feststellung von Unfallfolgen und Gewährung von Heilbehandlung sind vom SG rechtlich zutreffend abgewiesen worden. Das SG hat die rechtlichen Voraussetzungen zur Feststellung von Unfallfolgen und die Anspruchsgrundlage für die Heilbehandlung umfassend und zutreffend dargelegt und angewandt. Der Senat verweist nach eigener Prüfung insoweit auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist insoweit auszuführen, dass der Antrag auf Übernahme der Kosten zur Durchführung des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens als Klage auf eine Geldleistung bereits deshalb unbegründet ist, weil der Unfallversicherungsträger Heilbehandlung nach § 27 Abs. 1 SGB VII als Sachleistung schuldet. Dass die Klägerin eigene Kosten für Behandlungsmaßnahmen aufgewendet hat und hierfür Kostenerstattung verlangt, ist dem Klage- und Berufungsvorbringen nicht zu entnehmen. Der von der Klägerin als Antrag auf Gewährung von allgemeiner Heilbehandlung verstandene Antrag ist bereits mangels hinreichender Konkretisierung nicht vollstreckbar und daher unzulässig, denn eine konkrete Behandlungsmaßnahme als Sachleistung wird nicht geltend gemacht. Ein Leistungsbegehren auf Sachleistung als Grundurteil ist prozessual nicht zulässig. Ein Grundurteil kann nur für Geldleistungen begehrt werden (§ 130 Abs. 1 SGG). Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch auf denkbare Behandlungsmaßnahmen für die geltend gemachten Gesundheitsstörungen im Wege der unfallversicherungsrechtlichen Heilbehandlung, denn ein Unfallzusammenhang dieser Gesundheitsstörungen liegt nicht vor, wie das SG zutreffend ausgeführt hat.

Das Berufungsvorbringen der Klägerin zum Unfallzusammenhang der streitig gemachten Gesundheitsstörungen führt zu keiner anderen Beurteilung.

Die unfallbedingte Radiusfraktur ist knöchern in regelrechter Stellung konsolidiert, was der Senat dem Bericht der BG-Klinik vom 14.02.2014 entnimmt. Das als Unfallfolge festgestellte Karpaltunnel-Syndrom links ist ausgeheilt und verursacht nach Abklingen der Operationsfolgen keine Beschwerden mehr, was der Senat wiederum dem Bericht von Prof. Dr. B. vom 14.02.2014, der insoweit mit dem Gutachten von Dr. M. vom 16.09.2013 übereinstimmt, entnimmt.

Das Vorliegen eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS Typ 1, früher als sympathische Reflexdystrophie (SRD) bzw. Sudeck-Syndrom bezeichnet, vgl. Pschyrembel-online, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: CRPS) ist nach den auch für den Senat überzeugenden Gutachten von Dr. M. und PD Dr. W. nicht zu diagnostizieren; da es sich bei diesen drei Diagnosen um lediglich unterschiedliche Bezeichnungen derselben Gesundheitsstörung handelt, kann auch nicht die Feststellung aller drei Diagnosen gleichzeitig begehrt werden.

Die gegen das Gutachten von PD Dr. W. im Berufungsverfahren von der Klägerin vorgetragenen Einwendungen begründen keine durchgreifenden Zweifel an den vom Sachverständigen gestellten Diagnosen und dessen gutachterlichen Bewertungen.

Eine statistische Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines CRPS im Zusammenhang mit Radiusfrakturen belegt noch nicht im konkreten Fall die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Unfallzusammenhangs, zumal die Klägerin hierfür keine fachmedizinische Belegstelle angibt. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass in den überzeugenden Gutachten von PD Dr. W. , Dr. M. sowie des Befundberichts von Prof. Dr. B. das Vorliegen der Diagnosekriterien eines CRP verneint werden.

Die Rüge der Klägerin, die Ausführungen von PD Dr. W. seien nicht zutreffend, soweit er davon ausgehe, dass die sichere Diagnose eines CRPS viel früher hätte in den entsprechenden Arztbriefen der behandelnden verschiedenen Neurologen angeführt werden können, wenn die Erkrankung tatsächlich vorgelegen hätte, verkennt die von PD Dr. W. dargelegte medizinische Ausgangslage. Der Hinweis der Klägerin, entsprechende Symptome, wie eine Handgelenksschwellung und die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung hätten bereits im Juli 2009 bzw. April 2010 vorgelegen, gibt die zitierten Arztberichte der BG-Klinik vom 24.07.2009 und von Dr. Kr. vom 14.04.2010 und 01.07.2010 missverständlich wieder. Im Bericht der BG-Klinik vom 24.07.2009 wird bei der Aufnahmeuntersuchung das linke Handgelenk als nur sehr gering geschwollen beschrieben, Dystrophiezeichen bestanden nicht. Durchblutung und Sensibilität waren peripher intakt. Im Verlauf der Behandlung nahmen die geklagten Schmerzen deutlich an Intensität ab. Die in den zitierten, vom April und Juli 2010 stammenden Arztbriefen von Dr. Kr. angegebenen Diagnosen einer somatoformen Schmerzstörung bzw. eines Schmerzsyndroms unklarer Genese betreffen gerade nicht die hiervon abzugrenzende Diagnose eines CRPS. Vielmehr ist gerade hieraus abzulesen, dass eine symptomatische Klinik nicht vorlag, insbesondere im Arztbrief vom 01.07.2010 wird als neurologischer Befund u.a. angegeben, dass keine sensiblen Defizite und keine trophischen Störungen vorlagen. Die im Arztbrief von Dr. Kr. vom 23.02.2011 angeblich attestierte Befundverschlechterung bezieht sich allein auf die elektrophysiologischen Befunde im Vergleich zur Voruntersuchung vom Juli mit einer leichtgradigen Befundverschlechterung ohne elektrophysiologisch nachweisbares manifestes Karpaltunnelsyndrom. Insoweit wiederholt Dr. Kr. seine Verdachtsdiagnose einer somatoformen Schmerzstörung.

Die Bezugnahme der Klägerin auf den Arztbrief von Prof. Dr. K. vom 20.01.2012 mit der Diagnose eines postoperativen CRPS ist ebenfalls nicht geeignet, PD Dr. W. eine unzureichende Ermittlung des medizinischen Sachverhalts anzulasten. Der Sachverständige hatte diesen Arztbrief nicht nur in seiner Schilderung des Krankheitsverlaufs angegeben – im Gegensatz zur Klägerin mit der richtigen Angabe des Verfassers des Arztbriefes, nämlich Dr. R. (vgl. Seite 4 des Gutachtens = Bl. 53 der SG-Akte) –, sondern auch in der Würdigung des späten Zeitpunkts der erstmals angeführten Diagnose eines CRPS diesen Arztbrief genannt (Seite 24 des Gutachtens = Bl. 74 der SG-Akte). Dass die Latenz der erstmaligen Erwähnung der Verdachtsdiagnose eines CRPS fünf Jahre betragen habe, wie auf Seite 22 des Gutachtens ausgeführt und von der Klägerin gerügt, trifft daher zwar nach den eigenen Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. W. nicht zu, macht sein Argument, dass ein CRPS nach der vorangegangenen durchgehend geklagten Schmerzsymptomatik an der linke Hand und dem linken Arm hätte früher diagnostiziert werden müssen, aber nicht inhaltslos. Der Nachweis eines zeitlichen Zusammenhangs ist von PD Dr. W. überzeugend thematisiert worden, seine Auffassung stimmt mit der unfallmedizinischen Literatur überein. Üblicherweise treten die Symptome innerhalb von wenigen Tagen bis maximal zwei Wochen nach einer Verletzung auf. Ein späterer Erkrankungsbeginn ist nur erklärbar, wenn eine Brückensymptomatik oder sonstige Entstehungsursachen bzw. eine solche Symptomatik verschleiernde Ursachen, wie z.B. therapeutische Maßnahmen vorliegen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 401).

Soweit andernorts ein CRPS oder ein Morbus Sudeck bzw. eine Algodystrophie als Diagnosen genannt werden, wie beispielhaft in dem von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attest von Dr. De. vom 24.01.2017 und auch im Attest von Dr. P. vom 24.11.2015, ist eine hinreichende Befundbeschreibung für diese Diagnosen, die die frühere synonyme Bezeichnung für das CRPS Typ I sind (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 398), den Arztunterlagen nicht zu entnehmen, worauf PD Dr. W. hingewiesen hat. Insoweit kann auch dahinstehen, dass im Klageantrag ein chronisches Schmerzsyndrom, ein Sudecksyndrom und eine Reflexdystrophie jeweils für sich als feststellungsfähige Erkrankungen angeführt sind, was jedoch tatsächlich nur eine Gesundheitsstörung betrifft.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat PD Dr. W. seine gutachterliche Würdigung auch für den Senat erkennbar auf den Stand der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung gestützt. Im Gutachten hat er - ebenso wie Dr. Mi. - auf die Diagnosekriterien der Leitlinie der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften) verwiesen und den von ihm erhobenen Befund mit diesen Diagnosekriterien abgeglichen. Der Senat hat sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 09.05.2006 -B 2 U 1/05 R-, juris) angeschlossen. Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die beim Dachverband der medizinischen Fachgesellschaften registrierten Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften Ausdruck der derzeitigen herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung sind (vgl. stellvertretend Urteile des Senats vom 24.07.2015 – L 8 U 3594/13 – unveröffentlicht, zur Leitlinie der neurologischen Fachgesellschaften zur Neuroborreliose, vom 27.06.2014 - L 8 U 1065/12 - zur Leitlinie der Kardiologischen Fachgesellschaft, unveröffentlicht; vom 22.08.2014 - L 8 U 3096/13 -, unveröffentlicht, m. H. a. Senatsurteil vom 28.01.2011, - L 8 U 4946/08 - juris Rn. 36, www.sozialgerichtsbarkeit.de jeweils zu Konsensempfehlungen als Leitlinien). PD Dr. W. ist als Facharzt für Neurochirurgie und mit Weiterbildung in spezieller Schmerztherapie für diese medizinische Beurteilung auch besonders sachkundig.

Ebenso wie für das SG hat Dr. M. in ihrem Gutachten für den Senat nachvollziehbar den Zusammenhang der diagnostizierten Anpassungsstörung bzw. der depressiven Störung mit dem anerkannten Arbeitsunfall verneint. Sie hat schicksalhaft aufgetretene, die Klägerin psychisch belastende Ereignisse wie den Tod der Eltern und einer Schwester, die Pflege der Eltern in Belgrad und die über mehrere Jahre andauernder Arbeitslosigkeit der Klägerin hierfür angeführt, die für sich und in ihrer Gesamtheit die psychische Erkrankung allein wesentlich verursacht haben. Dem Arbeitsunfall kommt insoweit keine maßgebende mitwirkende Ursächlichkeit zu. Der Senat kann daher die Anpassungsstörung und eine depressive Störung nicht als Unfallfolgen feststellen. Hierauf ist in der Berufungsbegründung auch nicht weiter eingegangen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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