L 1 KR 551/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 8 R 528/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 551/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 8/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beigeladenen zu 1.) gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. November 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 1.) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Klägers und der übrigen Beigeladenen. Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1.) als Pflegefachkraft in der Zeit vom 4. Juli 2013 bis zum 26. Juli 2013 als abhängige Beschäftigung zu betrachten ist, die der Sozialversicherungspflicht unterliegt oder ob es sich um eine selbstständige Tätigkeit handelt.

Der Kläger ist staatlich anerkannter Altenpfleger und hat mehrere Zertifikate als Fachkraft für Leitungsaufgaben in der Pflege erworben. Bis Ende August 2012 war er als Altenpfleger in verschiedenen Pflegeheimen abhängig beschäftigt.

Die Beigeladene zu 1.) betreibt eine stationäre Pflegeeinrichtung (Pflegeheim) mit 140 Pflegeplätzen in Einzel- oder Doppelzimmern und bietet entsprechend den gültigen Vorschriften und Gesetzen (SGB XI, Hessische Betreuungs- und Pflegegesetz [HBPG]) stationäre Pflege und Betreuung für alle Pflegegrade an (http://www.C.html).

Auf Vermittlung diverser Agenturen (u.a. E. Personalmanagement, F.-Pflegepersonal-Vermittlung) wurde der Kläger als Pflegekraft für verschiedene Pflegeeinrichtungen tätig.

Der Kläger beantragte am 19. November 2012 bei der Beigeladenen zu 2.) ein Statusfeststellungsverfahren für seine Tätigkeit als "freiberufliche Pflegefachkraft" ab dem 27. August 2012 für verschiedene Auftraggeber. Die Beigeladene zu 2.) verwies diese Anträge zuständigkeitshalber an die Beklagte. Die Beklagte teilte mit, dass für jedes einzelne Auftragsverhältnis ein gesondertes Statusfeststellungsverfahren erfolgen müsse und leitete die entsprechenden Verfahren ein.

Im Hinblick auf das hier streitgegenständliche Auftragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1.) vom 4. Juli 2013 bis zum 26. Juli 2013 forderte die Beklagte zunächst weitere Informationen an, insbesondere die schriftlichen Vereinbarungen zwischen Kläger und Beigeladener zu 1.).

Der Kläger hatte am 4. Juli 2013 mit der Beigeladenen zu 1) für seine Pflegetätigkeit in der Einrichtung der Beigeladenen zu 1) einen schriftlichen Vertrag geschlossen, der auszugsweise folgende Inhalte aufweist (vgl. Bl. 402 bis 404 der Verwaltungsakte):

Der Vertrag ist überschrieben als "Dienstleistungsvereinbarung".
"1. Honorar und Einsatzzeitraum
Honorar pro Stunde Tagdienst: 32,00 EUR / Samstag u. Sonntag pro Stunde: 36,00EUR
Nachtdienst (20:00 bis 06:00 Uhr) pro Stunde: 37,00 EUR
Feiertag pro Stunde: 40,00 EUR /Einsatzzeitraum: 04.07. - 26.07.2013

Der Vertrag beginnt am 04.07.2013 und endet am 26.07.2013. Der Vertrag kann nach gegenseitiger Absprache verlängert werden. Die Einsatztage erfolgen in gegenseitiger Absprache.

Die Stornierung der verbindlich gebuchten Dienstleistung darf spätestens 7 Tage vorher erfolgen. Hält sich die Einrichtung nicht an die Frist, darf die freiberufliche Honorarkraft 30% des entgangenen Gewinns der Einrichtung in Rechnung stellen. Ab drei Tagen vor der verbindlichen Buchung werden 60 % des entgangenen Gewinns fällig.

Für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belange hat der Auftragnehmer selbst Sorge zu tragen. Gleiches gilt für eine etwa erforderliche Anmeldung der selbstständigen Tätigkeit beim Landesamt für Gesundheit und Soziales in Hannover.

Der Auftragnehmer führt für diesen Zeitraum einen Stundennachweis, der vor der jeweiligen Rechnungstellung von der Einrichtungsleitung oder der leitenden Fachkraft mit Unterschrift und Stempel bestätigt wird.

Ist der Auftragnehmer wegen Erkrankung oder aus sonstigen Gründen persönlicher Verhinderung nicht in der Lage, seine Dienstleistung persönlich zu erbringen, und ist er auch nicht in der Lage, nach Absprache mit dem Auftraggeber Vertreter oder Hilfspersonen (s. Nr. 3) mit der Erbringung der Dienstleistung zu beauftragen, so ist er berechtigt, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund zu beenden.

Das Honorar des Auftragnehmers ist umsatzsteuerfrei.

2. Vertragsgegenstand
Der Auftraggeber ist eine Einrichtung der stationären Altenpflege. Der Auftragnehmer ist Dienstleistungserbringer im Bereich der stationären Altenpflege.

Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Erbringung von Dienstleistungen. Diese besteht in der eigenständigen und eigenverantwortlichen Planung, Durchführung, Dokumentation, Überprüfung und Durchführung von Pflege- und Betreuungstätigkeiten in Kooperation mit den zu pflegenden Bewohnern und Angestellten des Auftraggebers sowie den zuständigen Ärzten.

3. Vertragsdurchführung
Der Auftragnehmer kann die Leistung in eigener Person erbringen oder er beauftragt eine ausreichend qualifizierte andere Person. Soweit eine Leistungserbringung durch Dritte erfolgt, ist der Auftragnehmer dafür verantwortlich, dass diese dieselben fachlichen Kompetenzen und Qualifikationen wie der Auftragnehmer vorzuweisen haben und die vertraglichen Leistungen ordnungsgemäß erfüllt werden.

4. Weisungsfreiheit
Die Parteien sind sich darüber einig, dass durch diese Vereinbarung zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis begründet werden soll. Der Auftragnehmer unterliegt, insbesondere bei der Durchführung und des Ortes der übertragenen Tätigkeiten oder den Arbeitszeiten keinen Weisungen des Auftraggebers. Die Aufträge sind in eigener unternehmerischer Verantwortung auszuüben.

Der Auftragnehmer hat das Recht, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen.

Der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Auftraggeber tätig zu sein.

5. Dienstkleidung
Der Auftragnehmer wird seine eigene Dienstkleidung einsetzen. ( )"

Der Kläger gab zu seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) auf dem Fragebogen der Beklagten ergänzend an, dass er keine Kostenbeteiligung für den Arbeitsplatz zu übernehmen gehabt habe, dass seine Pflegetätigkeit überwiegend aus der Hilfestellung bei der Körperpflege bestanden habe (z.B. Unterstützung oder Übernahme der Verrichtung beim Haare waschen, Duschen, bei der Nagelpflege). Der zweitgrößte Anteil sei das An- und Auskleiden der Pflegebedürftigen gewesen. Auch habe er Hilfestellung bei der Nahrungsaufnahme erbracht, ebenso wie bei den Ausscheidungen, beim Umlagern der Pflegebedürftigen und Hilfestellungen bei der Mobilisation. Auch Maßnahmen der Behandlungspflege habe er ausgeführt, also etwa das Wechseln und Anlegen von Verbänden, das Verabreichen von Medikamenten, von Injektionen und Infusionen sowie das Anlegen von Kompressionsstrümpfen. Außerdem habe er organisatorische Aufgaben ausgeführt, wie etwa das Führen von Gesprächen und Telefonaten mit Angehörigen, Betreuern, Ärzten, Apothekern und Sanitätshäusern. Auch die Pflegedokumentation habe er führen müssen. Er habe selbst darüber entschieden, welchen Bewohner er pflege. Häufig habe es eine Pflegeplanung gegeben, an die er jedoch nicht gebunden gewesen sei. Der Kontakt zu der Beigeladenen zu 1) sei über eine Agentur erfolgt. Es habe keine regelmäßigen Arbeitszeiten gegeben. Bei eigener Krankheit oder Verhinderung habe er den Auftraggeber informieren müssen. Eine Vertretung habe er selbst stellen müssen. Er habe sich bei den Bewohnern als freiberuflicher Altenpfleger vorgestellt. Seine Dienstkleidung und sein Namensschild hätten sich von den anderen Pflegekräften unterschieden. Es habe keine Pflicht zur Teilnahme an Dienstbesprechungen gegeben. Er habe auch seine eigene Arbeitskleidung benutzt und die Kosten für die An- und Abreise selbst getragen (vgl. Bl. 44-47 der Verwaltungsakten). Darüber hinaus legte der Kläger einen Nachweis für eine eigene Haftpflichtversicherung mit einem Jahresbeitrag von etwas mehr als 200,- EUR vor (Bl. 14 ff. der Verwaltungsakte). Außerdem wurden die Abrechnungen und Stundennachweise für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1.) vorgelegt. Für die Zeit vom 4. Juli 2013 bis zum 11. Juli 2013 rechnete der Kläger 54,25 Stunden im Tagdienst ab zu 32,- EUR pro Stunde und 16,75 Stunden im Wochenenddienst zu 36,- EUR pro Stunde. In Summe war die Rechnung vom 11. Juli 2013 über 2.339,- EUR ausgestellt (vgl. Bl. 97 der Verwaltungsakte). Für die Zeit vom 16.7.2013 bis zum 26.7.2013 rechnete der Kläger 78,75 Stunden im Tagdienst ab zu 32,- EUR pro Stunde und 18,5 Stunden im Wochenenddienst zu 36,- EUR pro Stunde. In Summe war die Rechnung vom 26. Juli 2013 über 3.186,- EUR ausgestellt (vgl. Bl. 99 der Verwaltungsakte).

Aus den Stundennachweisen ergibt sich, dass der Beginn der Tätigkeit immer um 6.00 Uhr oder um 13.30 Uhr war. Der Dienst dauerte dann in der Regel zwischen 8 und 10 Stunden. Aus den Stundennachweisen ergibt sich außerdem, dass die Beigeladene zu 1.) dem Kläger die Unterkunft kostenfrei zur Verfügung gestellt hat (vgl. Bl. 98, 100 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte hörte den Kläger als auch die Beigeladene zu 1.) dazu an, die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1.) vom 4. Juli 2013 bis zum 26. Juli 2013 als abhängige Beschäftigung zu bewerten und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung würden überwiegen (vgl. Bl. 332-335 der Verwaltungsakte).

Daraufhin meldete sich die Beigeladene zu 1.). Sie vertrat die Auffassung, dass der Kläger im Rahmen eines selbstständigen Dienstleistungsauftrages tätig geworden sei. Man habe keine abhängige Beschäftigung beabsichtigt. Dies ergebe sich aus dem schriftlichen Vertrag. Die vertraglichen Rechte und Pflichten des Klägers würden sich von denen im Rahmen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses unterscheiden. Vor Ausführung der Dienstleistungen habe der Kläger mit der Residenzleitung den zeitlichen Umfang und die konkrete Ausführung der Tätigkeit vereinbart. Es habe dem Kläger freigestanden auch für andere Auftraggeber tätig zu werden. Die Vergütung des Klägers sei doppelt so hoch wie das Bruttoentgelt eines fest angestellten Mitarbeiters. Dies zeige, dass es sich nicht um eine abhängige Beschäftigung handele. Außerdem seien keine Urlaubsregelungen und Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall vereinbart. Auch habe man ein Sonderkündigungsrecht vereinbart, dass in normalen Arbeitsverhältnissen nicht enthalten sei. Der Kläger sei weisungsfrei bei der Ausübung mit den beauftragten Dienstleistungen gewesen. Dass es zu Überschneidungen mit den Tätigkeiten der fest angestellten Mitarbeiter gekommen sei, habe nicht vermieden werden können. Der Kläger habe nicht an Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen müssen und er habe auch nicht die Möglichkeit gehabt, den Firmen-Pkw für private Zwecke zu nutzen. Der Kläger habe auch die Möglichkeit gehabt, einen Dritten mit der Durchführung des Vertrages zu beauftragen. Dass dies tatsächlich nicht geschehen sei, könne der Beigeladenen zu 1.) nicht angelastet werden. Der Kläger habe ein unternehmerisches Risiko gehabt, da er selbst dafür habe Sorge tragen müssen, dass er weitere Auftraggeber finde. Auch der kurze Zeitraum der Tätigkeit von 19 Tagen spreche gegen eine abhängige Beschäftigung (vgl. Bl. 398-401 der Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 10. April 2014 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen zu 1.) fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Pflegefachkraft für die Beigeladene zu 1.) als abhängige Beschäftigung zu betrachten ist und dass Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung würden überwiegend (vgl. Bl. 409-414 der Verwaltungsakte).

Mit Schreiben vom 14. Mai 2014 erhob die Beigeladene zu 1.) Widerspruch und führte ergänzend aus, dass man vor jedem Einsatz den Zeitpunkt der Tätigkeit gesondert verhandelt habe. Wie die Pflege in der Einrichtung auszuführen sei, habe sich für die fest angestellten Pflegekräfte nach dem Qualitätsmanagementhandbuch und den in der Einrichtung entwickelten Audits gerichtet. Dies habe jedoch nicht für den Kläger gegolten. Der Kläger sei mit diesem Qualitätsmanagementhandbuch nicht vertraut gemacht worden. Es sei auch nicht überprüft worden, ob diese Anforderungen von dem Kläger erfüllt worden sind. Auch die Zuteilung der Bewohner an den Kläger habe kein Weisungsrecht begründet. Der Kläger sei informiert worden, welche Bewohner er zu betreuen habe und ihm sei auch mitgeteilt worden, welche Erkrankungen bei diesen vorlägen und welcher Pflegebedarf daraus resultiere. Trotz dieser Mitteilung habe es dem Kläger frei gestanden, wie er im Einzelnen seine Dienstleistung vorgenommen hat und auch in welcher Reihenfolge er die Bewohnerversorgung durchführe. Der Kläger habe auch in Absprache mit dem Bewohner entschieden, ob er bei der Grundpflege mit dem rechten Arm oder dem linken Bein beginne. Er habe mit dem Bewohner auch direkt entschieden, ob er für den Waschvorgang Flüssigseife oder ein anderes Waschmittel nehme. Es sei in der Branche auch nicht ungewöhnlich, konkrete Vorgaben für die Erbringung einer Dienstleistung zu machen. Gegen eine abhängige Beschäftigung spreche auch, dass der Kläger ein Stundenhonorar als Vergütung erhalten habe. Aus dem Wort "Honorar" werde deutlich, dass der Kläger nicht als Arbeitnehmer habe beschäftigt werden wollen. Das Unternehmerrisiko des Klägers bestehe darin, dass seine Auftraggeber in Zahlungsschwierigkeiten kommen könnten. Der Kläger sei auch nur bei Personalengpässen beauftragt worden (Bl. 528-530a der Verwaltungsakte).

Auch der Kläger legte mit Schreiben vom 16. Mai 2014 Widerspruch ein. Der Kläger verwies zur Begründung auf verschiedene Urteile des Bundessozialgerichts zu Familienhelfern bzw. Familienbetreuern (u.a. B 12 R 17/09 R). Er beschäftige seit dem 1. Dezember 2013 eine versicherungspflichtige Bürokraft. Außerdem könne er sich aussuchen, ob er z.B. auf einer Station für an Demenz erkrankte Menschen oder in einer psychiatrischen Station tätig werde. Die Dienstanweisungen der Einrichtungen der Beigeladenen zu 1.) hätten nicht für ihn gegolten. Bei fehlerhafter Pflege werde nicht die Einrichtung, sondern er selbst in Haftung genommen. Die Dokumentation der Pflegetätigkeit sei gesetzlich vorgeschrieben und habe daher keinen Einfluss auf die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Bei Würdigung der Gesamtumstände sei daher davon auszugehen, dass eine freiberufliche Tätigkeit vorliege (vgl. Bl. 532-536 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2015 zurück und führte ergänzend aus, dass die Tätigkeit von Pflegekräften in Krankenhäusern und Pflegeheimen nach einem Ergebnis der Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung als abhängige Beschäftigung zu betrachten sei. Es bestehe eine Eingliederung in den Betrieb. Weisungen müssten Folge geleistet werden. Die Arbeitsleistung unterscheide sich nicht von der Arbeitsleistung abhängig beschäftigter Pflegepersonen. Das Weisungsrecht ergebe sich aus dem Auftrag des Auftraggebers, wonach die Tätigkeit zu bestimmten Zeiten ausgeführt werden müsse. Der Kläger sei im Tages- bzw. Wochenenddienst tätig gewesen. Die Tätigkeit habe die Grundpflege und die Behandlungspflege beinhaltet. Die Einrichtung sei verpflichtet gewesen, Weisungen zu erteilen. Dies ergebe sich aus §§ 72,112 SGB XI. Die Einrichtung sei für die Qualität der Pflege verantwortlich. Ein Unternehmerrisiko habe nicht bestanden (vgl. Bl. 717-724 der Verwaltungsakte).

Hiergegen hat der Kläger am 23. April 2015 Klage vor dem Sozialgericht Stade erhoben. Das Sozialgericht Stade hat sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit durch Beschluss vom 8. September 2015 an das Sozialgericht Darmstadt verwiesen und zur Klagebegründung die Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 3. Februar 2016 die C. Seniorenresidenz C-Stadt, die Techniker Krankenkasse, die Techniker Krankenkasse - Pflegekasse und die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren notwendig beigeladen.

Außerdem hat das Sozialgericht den Kläger und die Vertreter der Beigeladenen zu 1.) in der mündlichen Verhandlung am 28. November 2016 angehört. Insoweit wird für die Einzelheiten auf die Niederschrift auf Bl. 52-58 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Das Sozialgericht Darmstadt hat die Klage mit Urteil vom 28. November 2016 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Zutreffend habe die Beklagte festgestellt, dass es sich bei der von dem Kläger für die Beigeladene zu 1.) ausgeübten Tätigkeit als Fachpflegekraft vom 4. Juli 2013 bis zum 26. Juli 2013 um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handele und Sozialversicherungspflicht bestehe. Unter Berücksichtigung der zu § 7 SGB IV durch die Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze sei die Tätigkeit des Klägers als eine abhängige Beschäftigung zu qualifizieren. Dies entspreche auch dem Ergebnis der ganz überwiegenden Rechtsprechung der Sozialgerichte und Landessozialgerichte zur Statusfeststellung von Pflegekräften in stationären Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Dabei lasse die Kammer ausdrücklich offen, ob es sich bei Pflegedienstleistungen in einer stationären Pflegeeinrichtung zwingend um eine abhängige Beschäftigung handele - wie dies die Beklagte vertrete. Die Kammer gelange nach Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass vorliegend die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung überwiegen würden.

Das Sozialgericht hat hierzu im Einzelnen ausgeführt: Für eine abhängige Beschäftigung spreche zunächst, dass der Kläger in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1.) in ganz erheblichem Umfang eingegliedert gewesen sei. Ob eine Eingliederung vorliege, bestimme sich danach, inwiefern der Mitarbeiter Glied eines fremden Betriebes sei oder im Mittelpunkt des eigenen Unternehmens stehe (vgl. Urteil des Landessozialgericht Sachsen-Anhalt vom 25. April 2013, Az. L 1 R 13/12; jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 7 SGB IV, Rn. 85ff. m.w.N.). Es komme also unter anderem darauf an, ob sich die zu beurteilende Tätigkeit im Rahmen einer Eingliederung in eine fremd vorgegebene Arbeitsorganisation vollziehe, innerhalb derer die Tätigkeit in einem "übergeordneten Organismus" erbracht werde (vgl. Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013, Az. L 8 KR 162/11; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013, Az. L 8 KR 102/12 m.w.N.). Der Kläger habe in den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1) in einem fest vereinbarten Wohnbereich im Hause der Beigeladenen zu 1.) gearbeitet, der organisatorisch einer Wohnbereichsleitung unterstanden habe. Der Kläger habe im Wesentlichen mit den Betriebsmitteln der Beigeladenen zu 1.) gearbeitet, die die Räumlichkeiten samt Einrichtung, die Pflegehilfsmittel, die Pflegedokumentation, die Arzneimittel und sonstige Arbeits- und Betriebsmittel vorgehalten habe. Außerdem sei der Kläger aufgrund der Absprachen mit der Beigeladenen zu 1.) für ca. acht festgelegte Heimbewohner der Beigeladenen zu 1.) zuständig gewesen. Dies alles spreche nach Auffassung der Kammer eindeutig dafür, dass der Kläger in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1.) eingegliedert gewesen sei. Daran ändere der Umstand nichts, dass der Kläger - wie er behauptet - seine eigene Arbeitskleidung und sein eigenes Namensschild verwendet habe. Dies falle nach Auffassung der Kammer vor dem dargestellten Hintergrund nicht ins Gewicht und sei auch bei abhängig beschäftigten Arbeitnehmern nicht unüblich. Denn ohne die betriebliche Organisation der Beigeladenen zu 1.) und die von der Beigeladenen zu 1) vorgehaltenen Infrastruktur, wäre es dem Kläger gar nicht möglich gewesen, seine Pflegeleistungen zu erbringen.

Für die Auffassung der Kammer spreche darüber hinaus, dass der Kläger in das "Schichtdienstsystem" der Beigeladenen zu 1.) eingegliedert gewesen sei. Aus den vorliegenden Stundennachweisen und Rechnungen ergebe sich eindeutig, dass der Kläger seine Tätigkeit ganz überwiegend im Rahmen des Schichtsystems zu absolvieren gehabt habe, nämlich im "Tagdienst" und im Wochenenddienst, während er im Nachtdienst nicht tätig geworden sei. Diese Einsätze seien zwischen dem Kläger und der Pflegedienstleitung der Beigeladenen zu 1.) auch fest abgestimmt gewesen, so dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit keineswegs in der Bestimmung seiner Arbeitszeit und seinem Arbeitsort frei gewesen sei. Diese spreche ebenfalls eindeutig für eine Eingliederung des Klägers in die betriebliche Organisation des beigeladenen Alten- /Pflegeheims.

Darüber hinaus habe der Kläger auch in Absprache und Zusammenarbeit - wie es in Ziffer 2 des Dienstleistungsvertrages heiße - mit den fest angestellten Kranken- und Altenpflegern der Beigeladenen zu 1.) sowie mit den Ärzten der Heimbewohner zusammenarbeiten müssen. Auch dies spreche eindeutig für eine Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beigeladenen zu 1). Diese Zusammenarbeit habe auch tatsächlich stattgefunden. Die Beteiligten hätten nachvollziehbar geschildert, dass der Kläger sich den ärztlichen Anweisungen habe anpassen müssen und dass am Beginn und am Ende der Schicht Übergaben durchgeführt worden seien. Dies werde auch durch das Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 19.10.2012 (Az. L 4 R 761/11) so bestätigt: "Die Übergaben vom Tagesdienst und nach der Nachtwache wiederum an den Tagesdienst bekräftigten eine Einbindung in den Betrieb."

Auch innerhalb des jeweiligen Schichtdienstes sei der Kläger zur Überzeugung der Kammer in die Abläufe auf den jeweiligen Stationen im Hause der Beigeladenen zu 1.) eingegliedert. Die Schilderungen des Kläger und der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung über die täglichen Abläufe im Hause der Beigeladenen zu 1.) zeigten, dass dort ein "durchstrukturiertes Programm" eingehalten worden sei, beginnend mit der Übergabe, dem morgens folgenden Waschen und Ankleiden der Heimbewohner, der dann folgenden Hilfe und Pflege bei der Nahrungsaufnahme im Rahmen der Frühstücks, der dann folgenden Behandlungspflege, der Umlagerungen und der Toilettengänge sowie der Pflegedokumentation. Dann schloss sich das "Pflegeprogramm" rund um die Nahrungsaufnahme beim Mittagessen an, die in der Begleitung zum Speiseraum bzw. zum Zimmer und aus Hilfestellungen bzw. aus Pflegeleistungen bei der Aufnahme des Mittagessens bestanden hätten. Dann folgten wieder Pflegemaßnahmen wie etwa Umlagerungen und die Toilettengänge, bis sich der Dienst mit einer weiteren Übergabe dem Ende entgegenneigte. Diese strukturierten Abläufe im Hause der Beigeladenen zu 1.), an denen der Kläger mit seinen Pflegeleistungen teilgenommen habe, sprächen ebenfalls dafür, dass der Kläger in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1) eingegliedert gewesen sei. Der Kläger verkenne, dass die geschilderten Umstände bei der Bewertung maßgeblich zu berücksichtigen seien und gerade nicht aufgrund der Eigenart der Tätigkeit einer Pflegetätigkeit in einem Pflegeheim in den Hintergrund träten. In der Entscheidung vom 11. März 2009 habe das Bundessozialgericht (Az. B 12 KR 21/07 R) dazu ausdrücklich ausgeführt: "Das LSG hat nicht berücksichtigt, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist."

An der Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) ändere auch die Behauptung des Klägers nichts, dass er anders als die anderen angestellten Pflegekräfte bestimmte Pflichten nicht habe übernehmen müssen (z.B. Teilnahme an Dienstbesprechungen, an Fortbildungen usw.) oder dass mit ihm andere vertragliche Inhalte vereinbart gewesen seien als mit den anderen angestellten Pflegekräften (z.B. doppelt so hohe Vergütung, Sonderkündigungsrechte, keine Einweisung ins Qualitätshandbuch). Dies zeige nur, dass die Beigeladene zu 1) den Kläger als "kurzzeitige Arbeitskraft/Aushilfe" anders behandelt habe wie die übrigen Pflegekräfte. Jedoch führe eine behauptete Ungleichbehandlung noch nicht dazu, dass der Kläger in seiner konkreten Tätigkeit nicht in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingegliedert gewesen sei.

Darüber hinaus habe der Kläger in erheblichem Umfang den Weisungen bzw. der Weisungsmacht der Beigeladenen zu 1.) unterlegen, was ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung des Klägers spreche. Ausmaß und auch die genauere Ausprägung des Weisungsrechts hingen von der geschuldeten Tätigkeit ab. So sei insbesondere die inhaltliche oder fachliche Weisungsbefugnis bei hoch qualifizierten Tätigkeiten eingeschränkt oder mangels eigener Fachkompetenz theoretisch weisungsberechtigter Personen überhaupt nicht vorhanden, z.B. bei Chefärzten. Hier trete die Eingebundenheit in den - fremden - Betrieb und die so genannte funktionsgerecht dienende Teilhabe in den Vordergrund, so dass auch bei einem völligen Fehlen inhaltlicher oder fachlicher Weisungsbefugnisse ein Beschäftigungsverhältnis vorliegen könne (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.04.2013, Az. B 12 KR 19/11 R; jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 7 SGB IV, Rn. 76ff. m.w.N.).

Der Kläger habe in ganz erheblichem Umfang den Weisungen der Beigeladenen zu 1.) unterlegen bzw. die Beigeladene zu 1) habe die Rechtsmacht gehabt, dem Kläger Weisungen zu erteilen. Dies ergebe sich letztlich bereits aus den gesetzlichen Regelungen aus dem Heimrecht (vgl. § 3 Abs. 1 HeimG, § 11 HeimG) und dem Sozialen Pflegeversicherungsrecht (vgl. §§ 71, 72, 112, 113 SGB XI). Insoweit verweist die Kammer auch auf die zutreffenden Ausführungen in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19.10.2012 (Az. L 4 R 761/11). Darin heiße es zutreffend:

"Allein diese gesetzlichen Regelungen im SGB XI für die Zulassung von stationären Pflegeeinrichtungen (Pflegeheimen) zeigen, dass alle in Pflegeheimen tätigen Pflegekräfte sich an den Vorgaben des jeweiligen Pflegeheimes ausrichten und diese bei ihrer Tätigkeit beachten müssen. Der L-e.V. musste deshalb darauf achten, dass alle im Altenheim tätigen Pflegekräfte sich auch an die Vorgaben, die für den Abschluss des Versorgungsvertrages notwendig sind, halten. Er hatte damit die Rechtsmacht, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) vorzugeben. Auch konnten die Beigeladene zu 1) bis 3) - wie alle anderen im Altenheim tätigen Pflegekräfte - nur unter der ständigen Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft tätig sein. Unter ständiger Verantwortung im Sinne von § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI steht die Versorgung nur, wenn eine verantwortliche Pflegefachkraft die den einzelnen Heimbewohnern zukommenden Pflegeleistungen zumindest in den Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Umsetzung angemessen kontrolliert. Das Pflegegeschehen muss grundsätzlich in seiner Gesamtheit von verantwortlichen Pflegefachkräften angeleitet und überwacht werden. ( )

Daraus ergibt sich dann auch, dass ein umfassendes Weisungsrecht des L-e.V. nach Art, Ort, Zeit und Dauer der Ausführung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bis 3) bestand."

Dies gelte auch im vorliegenden Fall. Soweit der Kläger und die Beigeladene zu 1) hier teilweise behaupteten, dass sie entgegen dieser gesetzlichen Vorgaben zum Beispiel keine Kontrollen des Klägers durchgeführt hätten, ändere dies an der grundsätzlich bestehenden Rechtsmacht und damit der Weisungsbefugnis der Beigeladenen zu 1.) nichts. Denn, ob von der bestehenden Rechtsmacht tatsächlich Gebrauch gemacht und damit auf die konkrete zu beurteilende Tätigkeit tatsächlich Einfluss genommen worden sei, sei auch deshalb unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung ansonsten wesentlich davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht der Rechtsmachtinhaber beanstandungsfrei ausgeübt werde. Dies könne jedoch kein rechtlich entscheidendes Kriterium zur Unterscheidung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit sein (vgl. Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012, Az. L 1 KR 93/11).

Der Kläger habe sich auch an die - bereits dargestellten - vorgegebenen Abläufe in den Wohnbereichen im Hause der Beigeladenen zu 1.) halten müssen. Er habe die Pflegeleistungen in die Dokumentation der Beigeladenen zu 1.) eintragen, Übergaben durchführen und im Wesentlichen die vorgegebene Pflegeplanung einhalten müssen, auch wenn es ihm im Einzelfall möglich gewesen sein mag, von dieser abzuweichen. Auch dies alles spreche für eine Weisungsgebundenheit des Klägers.

Hinzu komme, dass der Kläger durch die konkreten (mündlichen) Vereinbarungen mit der Beigeladenen zu 1.) auch hinsichtlich der Arbeitszeit bzw. der konkreten Schichten und dem Arbeitsort (den konkreten Wohnbereich) und sogar im Hinblick auf die konkreten Heimbewohner auf die zu erbringenden Pflegetätigkeiten festgelegt gewesen sei. Der Kläger habe - nachdem er den Auftrag der Beigeladenen zu 1.) angenommen hatte - also weder über seine Arbeitszeit, den Arbeitsort oder über die Art oder den Umfang der Arbeit frei entscheiden können. Daher bestehe für die in Ziffer 4 des schriftlichen Vertrages vereinbarte "Weisungsfreiheit", wonach der "Auftragnehmer ( ) insbesondere bei der Durchführung und des Ortes der übertragenen Tätigkeiten oder den Arbeitszeiten keinen Weisungen des Auftraggebers" unterliegen solle, kein wesentlicher Anwendungsspielraum mehr. Ohne Erfolg mache der Kläger schließlich geltend, dass er in einem gewissen Umfang weisungsfrei habe handeln können, indem er etwa teilweise von der Pflegeplanung im Hause der Beigeladenen zu 1.) habe abweichen können. Denn auch abhängig beschäftigten Pflegekräften verbleibe in ihren Tätigkeiten typischerweise eigene Entscheidungsspielräume, die sie nach eigenem Ermessen ausfüllen können (vgl. Urteil des Landessozialgericht Hamburg vom 10. Dezember 2012, Az. L 2 R 13/09). Dies könne auch einschließen, dass etwa - wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt - geringfügige Abweichungen von der Pflegeplanung möglich seien, gerade wenn sich der Pflegebedarf der Heimbewohner verändere und dies noch nicht in der Pflegeplanung vermerkt sei. Noch deutlicher werde die Weisungsgebundenheit des Klägers schließlich bei den durchgeführten Leistungen "der Behandlungspflege" (wie etwa die Bereitstellung und Vergabe von Arzneimitteln). Die Durchführung der Behandlungspflege sei für eine Pflegekraft in einem stationären Pflegeheim ohne dessen Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Pflegeheims und ohne Bindung an Weisungen nicht möglich. Denn für die Behandlungspflege sei es gerade kennzeichnend, dass es sich um Maßnahmen der ärztlichen Behandlung handele, die an Pflegefachkräfte /Pflegekräfte delegiert werden können (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.08.2009, Az. B 3 KR 25/08 R). Bei diesen Maßnahmen sei es zwingend, dass die Pflegekraft etwa die ärztlich angeordneten Arzneimittel zu dem Zeitpunkt und in der Dosis an den Patienten vergebe, wie der Arzt verordnet bzw. angeordnet habe. Diese Leistung könne eine Pflegekraft unabhängig von der Arbeitsorganisation des Pflegeheims und unabhängig von Anweisung überhaupt nicht erbringen. Außerdem wäre auch das Fehlen von Einzelweisungen - wie es von dem Kläger und der Beigeladenen zu 1.) vorgetragen werde, noch kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Insoweit nehme die Kammer Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19.10.2012 (Az. L 4 R 761/11).

An der Weisungsgebundenheit des Klägers ändere der Umstand nichts, dass er berechtigt gewesen sein soll, einzelne Aufträge im Rahmen der Teilleistungsaufträge abzulehnen. Denn einerseits könne es auch Arbeitnehmern möglich sein, konkrete Arbeitsangebote abzulehnen (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20.7.2011, Az. L 8 R 534/10; Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 10.12.2012, Az. L 2 R 13/09). Andererseits sei der Kläger hinsichtlich seiner Arbeit zeitlich und örtlich festgelegt gewesen, so dass kaum ein Spielraum erkennbar sei, in dem der Kläger ein Ablehnungsrecht hätte ausüben können, zumal der Kläger verpflichtet gewesen sei, mit den fest angestellten Pflegekräften der Beigeladenen zu 1.) und den Ärzten der Heimbewohner zusammenzuarbeiten (vgl. Ziffer 2 des Dienstleistungsvertrages). Für die Kammer sei daher nicht ersichtlich, wie es dem Kläger möglich gewesen sein soll, ihm übertragene Aufträge abzulehnen, wenn er den vereinbarten Auftrag einmal übernommen habe. Es sei somit schließlich auch nicht ersichtlich, dass es sich bei dem vermeintlichen Ablehnungsrecht nach Ziffer 4 des Dienstleistungsvertrages überhaupt um ein prägendes Element der Tätigkeit des Klägers gehandelt habe.

Dass der Kläger wohl etwas größere Freiheiten gehabt habe, wie die anderen fest angestellten Pflegekräfte der Beigeladenen zu 1.) (die etwa an Dienstbesprechungen haben teilnehmen müssen, die in die Ausführungen im Qualitätshandbuch eingewiesen worden seien und die ein Auto der Beigeladenen zu 1.) zu privaten Zwecken haben nutzen dürfen), mache den Kläger nicht zum Selbstständigen. Es zeigt nur, dass die Beigeladene zu 1.) ihre Beschäftigten ungleich behandelt habe.

Darüber hinaus würden noch zahlreiche weitere Merkmale für eine abhängige Beschäftigung des Klägers sprechen: Die hier vereinbarte Vergütung nach Arbeitsstunden und nach festen Stundensätzen sei ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung (vgl. jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 7 SGB IV, Rn. 93; Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. November 1980, Az. 12 RK 76/79; Urteil des Bayrischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 2013, Az. L 5 R 863/12). Der Kläger habe unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg der Beigeladenen zu 1.) seine Vergütung erhalten, wie es für abhängig Beschäftigte typisch ist.

Ebenso spreche der Umstand, dass der Kläger faktisch die Arbeitsleistungen höchstpersönlich erbracht habe, für eine abhängige Beschäftigung (vgl. Urteil des Bayrischen Landessozialgerichts vom 28.5.2013, Az. L 5 R 863/12; jurisPraxiskommentar, 2. Auflage, § 7 SGB IV, Rn. 116).

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Kläger - nach Vortrag der Beteiligten - nur aufgrund eines Personalengpasses beauftragt worden sei und dass die pflegerischen Leistungen der Beigeladenen zu 1.) gegenüber den Heimbewohnern gerade überwiegend von abhängig Beschäftigten ausgeführt würden, wobei nach Auffassung der Kammer aber gerade nicht ersichtlich sei, dass sich die Tätigkeit des Klägers maßgeblich von der Tätigkeit der anderen abhängig beschäftigten Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1.) unterschieden habe. Relevante Unterschiede hätten weder der Kläger noch die Beigeladenen zu 1.) dazu vortragen.

Das Gegenargument des Klägers und der Beigeladenen zu 1.), dass es der beiderseitige Wille gewesen sei, eine freie Mitarbeit zu vereinbaren, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Denn dabei würden der Kläger und die Beigeladene zu 1.) übersehen, dass es gerade nicht zur Disposition der am Geschäftsleben Beteiligten stehe über den Eintritt oder Nichteintritt sozialrechtlicher Rechtsfolgen zu verfügen (vgl. jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 7 SGB IV, Rn. 93). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnisses könne nicht ausgeschlossen werden, wenn die objektiven Voraussetzungen einer abhängigen Beschäftigung vorlägen (vgl. jurisPraxiskommentar, 3. Auflage, § 7 SGB IV, Rn. 93; Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 19. Dezember 2012, Az. L 4 R 761/11).

Demgegenüber lägen kaum Merkmale vor, die für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers sprechen: Eine eigene Betriebsstätte des Klägers gebe es unstreitig nicht. Es handele sich bei der Arbeit des Klägers für die Beigeladene zu 1.) auch nicht um eine im Wesentlichen frei gestaltbare Tätigkeit (Stichwort: Schichtbetrieb, Pflicht zur sorgfältigen sowie sach- und fachgerechten Ausführung der übernommenen Aufträge, Zusammenarbeit mit angestellten Ärzten und Pflegekräften, Einbindung in die Abläufe des Pflegeheims, Stundenzettel).

Schließlich liege bei dem Kläger auch kein Unternehmerrisiko vor. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gelte, dass für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos maßgeblich sei, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt werde, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss sei. Erforderlich sei ein Risiko, das über das Risiko hinausgehe, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen. Allerdings sei ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstünden (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Oktober 2013, Az. B 12 KR 17/11 R; Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 19. Dezember 2012, Az. L 4 R 761/11; Kasseler Kommentar, Band 1, § 7 SGB IV, Rn. 61; jurisPraxiskommentar, 2. Auflage, § 7 SGB IV, Rn. 117m.w.N.). Hier habe der Kläger seine Arbeitskraft jedoch gerade nicht mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Er habe von der Beigeladenen zu 1.) eine Vergütung nach fest vereinbarten Stundensätzen in ganz konkret vereinbarten Schichteinsätzen erhalten. Die Arbeitszeiträume seien konkret und fest vereinbart gewesen, so dass eine Ungewissheit des Erfolgs des Arbeitseinsatzes des Klägers nicht ersichtlich sei. Es sei gerade keine erfolgsabhängige Vergütung gezahlt worden. Die Arbeitsmittel und die Arbeitsräume seien von der Beigeladenen zu 1.) zur Verfügung gestellt worden. Dem Kläger seien zudem noch nicht einmal Kosten für die Übernachtung entstanden, da er kostenfrei in den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1.) habe übernachten können. Eigenes Kapital habe der Kläger nur in vernachlässigbarem Umfang eingesetzt, wie etwa Fahrkosten, Kosten für die Berufsbekleidung und Kosten zur Aufrechterhaltung seiner Berufshaftpflichtversicherung.

Die von dem Kläger und den Beigeladenen zu 1.) vorgebrachten Argumente überzeugten die Kammer nicht. Soweit der Kläger und die Beigeladene zu 1.) darauf abstellten, dass für den Kläger das Risiko bestanden habe, keine Folgeaufträge zu erhalten, reiche dies für ein Unternehmerrisiko im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV nicht aus. Das Risiko, nicht durchgehend arbeiten zu können, sei zunächst ein Risiko, das auch jeden Arbeitnehmer treffe, der nur Zeitverträge bekomme oder auf Abruf arbeite und nach Stunden bezahlt werde (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2012, Az. L 4 R 761/11). Daher überzeuge auch das Argument nicht, dass die kurze Einsatzdauer für eine selbstständige Tätigkeit spreche. Zum echten Unternehmerrisiko werde das Risiko, nicht durchgängig arbeiten zu können, erst dann, wenn bei Arbeitsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt werde, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen würden (vgl. jurisPraxiskommentar, 2. Auflage, § 7 SGB IV, Rn. 117). Dass bei dem Kläger bei einem Arbeitsmangel in nennenswertem Umfang betriebliche Investitionen anfielen oder brachlägen, sei jedoch nicht ersichtlich, da seine Leistung gerade im Einsatz seiner Arbeitskraft bestehe. Dass der Kläger wohl im Dezember 2013 eine abhängig beschäftigte Bürokraft eingestellt habe, könne im vorliegenden Fall keine Rolle spielen, da dies nicht den streitgegenständlichen Zeitraum im Juli 2013 betreffe.

Auch das vermeintliche Risiko, dass der Auftraggeber insolvent werden könne, begründe kein Unternehmerrisiko des Klägers. Denn zum einen treffe dieses Risiko auch abhängig Beschäftigte. Und zum anderen sei der Kläger hier sogar besser gestellt gewesen wie die anderen abhängig Beschäftigten, da er in kurzen Abständen (nach wenigen Tagen) seine Leistungen abgerechnet habe. Das Risiko, keine Vergütung zu erhalten, sei somit nicht vorhanden gewesen. Ergänzend verweise die Kammer auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktoer 10.2012 (Az. L 4 R 761/11):

Ebenso begründe der Umstand, dass den Kläger eine Haftung für schuldhaftes Verhalten habe treffen sollen, noch kein Unternehmerrisiko (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2012, Az. L 4 R 761/11, Kasseler Kommentar, Band 1, § 7 SGB IV, Rn. 61 m.w.N.). Soweit sich der Kläger auf Vergütungsrisiken wegen Schlechtleistungen berufe, stelle dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gerade kein Indiz für ein Unternehmerrisiko dar, weil eine "Haftung" für Schlechtleistungen, Arbeitnehmer gleichermaßen treffe (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. September 2011, Az. B 12 R 17/09 m.w.N.).

Schließlich begründe auch ein etwaiger Ausfall der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kein hinreichendes unternehmerisches Risiko. Denn solche Vertragsgestaltungen (wie etwa Ausschluss von Lohnfortzahlung und Urlaub) seien als typisch anzusehen, wenn es beiden Vertragsseiten gerade darum gehe, eine selbstständige freie Mitarbeit vereinbaren zu wollen. Letztlich sei dies aber nicht entscheidend, sondern nur Ausdruck der unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Beschäftigungsverhältnisses (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Oktober 2012, Az. L 4 R 761/11; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2011, Az. L 8 R 534/10). Dies gelte gleichermaßen für die von dem Kläger ins Feld geführten Argumente, dass er keinen Kündigungsschutz genossen habe und nicht dem A rbeitszeitgesetz unterlegen habe. Die Behauptung des Klägers, dass er auch für Dritte habe tätig werden könne, spiele keine Rolle. Denn hier sei nur die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1.) zu bewerten. Im Übrigen sei es auch für einen abhängig Beschäftigten nicht unüblich, dass er für mehrere Arbeitgeber tätig sein könne (vgl. Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Juli 2013, Az. L 11 R 1083/12; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Februar 2014, Az. L 11 R 3323/12; Urteil des Sächsisches Landessozialgerichts vom 17. Mai 2011, Az. L 5 R 368/09).

Die vom Kläger zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts zu den Familienhelfern/hauswirtschaftlichen Familienbetreuern seien mit dem Fall des Klägers sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht zu vergleichen.

Im Ergebnis würden vor dem Hintergrund der dargestellten Umstände und nach deren Gewichtung die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen, überwiegen. Das Gericht verkenne dabei insbesondere nicht, dass der Kläger - wie bereits dargestellt - gewisse Freiheiten bei der Arbeitsgestaltung gehabt haben mag. Jedoch müsse dieser Umstand aus den dargestellten Gründen hier hinter die starken und besonders gewichtigen Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen, zurücktreten. Denn einerseits fehle es dem Kläger gerade an den für eine selbstständige Tätigkeit wichtigen Merkmalen eines erkennbaren Unternehmerrisikos und einer im Wesentlichen freien Gestaltungsmöglichkeit seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1.) und andererseits lägen im vorliegenden Fall stattdessen die stark für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale der Weisungsgebundenheit, der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation, der Vergütung nach Stundensätzen und der persönlichen Leistungserbringung vor. Die Beklagte habe vor diesem Hintergrund auch zutreffend festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) als abhängig Beschäftigter der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Das Eingreifen von Ausnahme- bzw. Befreiungsregelungen sei nicht ersichtlich und werde von dem Kläger auch nicht behauptet.

Die Beigeladene zu 1.) hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 6. Dezember 2016 zugestellte Urteil am 28. Dezember 2016 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht erhoben. Zur Berufungsbegründung trägt sie ergänzend vor: Das Sozialgericht gewichte die Umstände des vorliegenden Einzelfalles unzutreffend als Indizien für eine abhängige Beschäftigung. Eine pauschale Verweisung auf sozial- oder landessozialgerichtliche Rechtsprechung zu Pflegekräften in stationären Einrichtungen verbiete sich; es habe eine Einzelfallbetrachtung zu erfolgen. Unberücksichtigt sei geblieben, dass der Kläger berechtigt gewesen sei, die geschuldete Dienstleistung durch Dritte erbringen zu lassen. Die Abstimmung hinsichtlich Zeit und Ort der Tätigkeit sei in einer Pflegeeinrichtung notwendig und Bestandteil des Auftragsverhältnisses; ein Weisungsrecht könne hieraus nicht abgeleitet werden; das Direktionsrecht sei vertraglich ausgeschlossen. Weisungsfrei seien auch solche Tätigkeiten, bei denen zwar die Ziele der Tätigkeit vorgegeben sein könnten, jedoch Art und Weise, wie der Kläger diese erreiche, seinen eigenen Entscheidungen überlassen bleibe (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Juli 2011, L 1 KR 206/09). Anweisungen der Ärzte seien im Übrigen keine Anweisungen der Beigeladenen zu 1.). Auch die Einhaltung des strukturierten Tagesablaufes sei für die zu pflegenden Menschen notwendig und keine Weisung der Beigeladenen zu 1.). Das Sozialgericht habe nicht gewürdigt, dass der Kläger bei Aufnahme seiner Tätigkeit zunächst mit der Beigeladenen zu 1.) lediglich besprochen habe, welchen Bewohner er pflege; der Tagesablauf habe sich dann an den Wünschen des Bewohners orientiert. Die von der Beigeladenen zu 1.) zur Verfügung gestellten Betriebsmittel stünden einer freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegen; auch "Mietköche" und Dozenten bedienten sich der Einrichtung des Auftraggebers. Das Unternehmensrisiko sei darin zu sehen, dass sich der Kläger im Innenverhältnis zur Beigeladenen zu 1.) nicht auf arbeitsrechtliche Haftungsprivilegien berufen könne. Er trage das Risiko, im Falle der Arbeitsunfähigkeit über keine Einkünfte zu verfügen und sei für die Kosten der Arbeitskleidung und der Berufshaftpflichtversicherung aufgekommen. Das Kriterium brachliegender Investitionen sei zur Definition eines Unternehmensrisikos im Dienstleistungssektor nicht relevant. Ergänzend verweist die Beigeladene zu 1.) auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. April 2016 (L 11 R 2428/15). Danach übe ein Arzt, der auf Honorarbasis in einer Klinik als Bereitschaftsarzt tätig sei, keine abhängige Beschäftigung aus, wenn er selbst bestimmen könne, an welchen Tagen er für die Klinik tätig sein wolle und er bei der Durchführung des Bereitschaftsdienstes keiner Kontrolle der Klinik im Sinne von Einzelanordnungen unterliege. Insbesondere führe die im Rahmen des Bereitschaftsdienstes notwendige Zusammenarbeit mit dem Pflegepersonal der Klinik noch nicht zu einer Eingliederung des Arztes in die Arbeitsorganisation der Klinik. Dies sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die gesetzliche Regelung des § 2 Nr. 2 SGB VI werde durch die Einschätzung der Beklagten ad absurdum geführt; der Gesetzgeber erkenne ausdrücklich die freiberufliche Pflege an. Die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1.) sei geprägt gewesen durch selbstgewählte Arbeitsbedingungen bei insgesamt elf verschiedenen Auftraggebern, ein dienstvertraglich ausgeschlossenes Direktionsrecht, dem Risiko des Ausbleibens weiterer Aufträge sowie die Last der eigenen sozialen Vorsorge für Krankheit und Alter. Die Orientierung an Pflegestandards sei nicht mit einer Eingliederung in den Betrieb gleichzusetzen. Auch verkenne die angegriffene Entscheidung den Schutz des Art. 12 GG. Die von der Beklagten praktizierte Auslegung beschränke freiberufliche Pflegekräfte auf die ambulante Pflege.

Die Beigeladene zu 1.) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. November 2016 sowie den Bescheid vom 10. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2015 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers in der Einrichtung der Beigeladenen zu 1.) in der Zeit vom 4. Juli 2013 bis zum 26. Juli 2013 nicht als abhängige Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht in der Rentenversicherung, der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Entgegen dem Vorbringen der Beigeladenen zu 1) habe sich das Sozialgericht sehr ausführlich mit den entscheidungserheblichen Merkmalen auseinandergesetzt.

Der Kläger und die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich alle Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht Darmstadt hat die Klage mit Urteil vom 28. November 2016 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Beigeladene zu 1.) nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1.) als Pflegefachkraft in der Zeit vom 4. Juli 2013 bis zum 26. Juli 2013 als abhängige Beschäftigung zu betrachten ist, die auch der Sozialversicherungspflicht unterlag.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollumfänglich Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts Darmstadt im Urteil vom 28. November 2016; diese sind überzeugend und würdigen alle fallentscheidenden Aspekte vollständig, so auch die fehlenden Lohnfortzahlung- bzw. Urlaubsansprüche, die Vergleichbarkeit mit anderen Berufsgruppen und das Unternehmensrisiko einschließlich selbst finanzierter Arbeitskleidung und Haftungsrisiko.

Lediglich ergänzend ist anzumerken:

Für das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spricht aus Sicht des Senats das vollständige Fehlen eines relevanten unternehmerischen Risikos. Das Sozialgericht hat unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung zutreffend darauf hingewiesen, dass es für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos maßgeblich ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist insoweit ein Risiko, welches über die Gefahr hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko auch dann nur Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, Az. B 12 KR 17/11 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Dezember 2012, Az. L 4 R 761/11; Kasseler Kommentar, Band 1, § 7 SGB IV, Rn. 61; juris-Praxiskommentar, 2. Auflage, § 7 SGB IV, Rn. 117 m.w.N.). Vorliegend hat der Kläger seine Arbeitskraft nicht in diesem Sinne mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Der Kläger bezog für die streitgegenständliche Tätigkeit eine Vergütung nach fest vereinbarten Stundensätzen in konkret vereinbarten Schichteinsätzen. Die Arbeitszeiträume wurden fest vereinbart, so dass keine Ungewissheit des Erfolgs des Arbeitseinsatzes des Klägers bestand und er insbesondere keine erfolgsabhängige Vergütung erhielt. Dass der Kläger Kosten für das Unterhalten einer Berufshaftpflichtversicherung und seine Arbeitskleidung aufwendete, ist demgegenüber unbeachtlich: dies zeigt lediglich, dass sich der Kläger als Selbstständiger verstand und den damit verbundenen Pflichten entsprechen wollte, ohne dass sich hierdurch etwas an dem im konkreten Einzelfall fehlenden Unternehmerrisiko ändert.

Der Kläger nutzte auch nicht lediglich eine von der Beigeladenen zu 1.) bereitgestellte Infrastruktur (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, B 12 KR 17/11 R). Er war vielmehr zu einer wirtschaftlich wertschöpfenden Durchführung seiner Pflegeleistung auf die seitens der Beigeladenen zu 1.) leistungserbringungsvertraglichen Grundlagen angewiesen. Dem Kläger war es mangels Abschlusses einer entsprechenden Leistungsvereinbarung mit den Pflegekassen überhaupt nicht möglich, ambulante Pflegeleistungen für den stationären Bereich eigenständig abzurechnen.

Auch eine "interne" Haftung für vom Kläger verursachte Schäden vermag ein relevantes unternehmerisches Risiko nicht zu begründen. Denn die Haftung für Pflichtverletzungen ist auch für Arbeitnehmer nicht untypisch. So haftet der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) im Rahmen eines dreistufigen Haftungsmodells nicht für leichte Fahrlässigkeit und anteilig für mittlere Fahrlässigkeit. Die volle Haftung muss er für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz übernehmen (BAG, Beschluss vom 27. September 1994, GS 1/89 (A), AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers und Urteil vom 25. September 1997, 8 AZR 288/96, AP N r. 111 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Eine mögliche Haftung allein für leicht fahrlässig verursachte Schäden rechtfertigt allein nicht die Annahme eines Unternehmensrisikos bei einem Überwiegen der Indizien für eine abhängige Beschäftigung.

Die Befugnis, die Tätigkeit auf Dritte zu delegieren, ist allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit, weil sie nichts darüber aussagt, inwieweit von ihr Gebrauch gemacht wird, realistischer Weise überhaupt Gebrauch gemacht werden könnte (rechtliche Zulässigkeit) und sie damit die Tätigkeit tatsächlich prägt (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 21/07 R). Unstreitig war der Kläger in dem hier streitigen Zeitraum nicht verhindert; eine Vertretung fand tatsächlich nicht statt, so dass auch insoweit nicht von einem eine selbstständige Tätigkeit prägenden Umstand auszugehen ist.

Die von der Beigeladenen zu 1.) zitierten landessozialgerichtlichen Entscheidungen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Lehrtätigkeit eines Dozenten und der Tätigkeit eines Honorararztes können vorliegend nicht herangezogen werden. Die jeweilige vertragliche Ausgestaltung sowie die Lebenssachverhalte unterscheiden sich maßgeblich von dem vorliegend zu entscheidenden Fall.

Die Beigeladene zu 1.) verkennt den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Rentenversicherungspflicht für selbstständig tätige Pflegepersonen normiert. Der Kläger erbringt Pflegeleistungen für einen anderen Vertragspartner als den zu Pflegenden. Daher ist vorliegend allein die Tätigkeit für die Beigeladene zu 1.) zu beurteilen und gerade nicht eine ggf. ambulante Pflege zugunsten eines Pflegebedürftigen in einer stationären Einrichtung.

Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG wird durch die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und der daraus folgenden Sozialversicherungspflicht nach Auffassung des Senats nicht berührt, da der Gesetzgeber insoweit weder die Wahl noch die Ausübung des Berufs steuert.

Dem Eintritt der Versicherungspflicht steht auch nicht § 7a Abs. 6 SGB IV entgegen. Nach dieser Vorschrift tritt die Versicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers ein, wenn der Antrag innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt, der Kläger zustimmt und er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine ausreichende Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat. Vorliegend hatte der Kläger zwar bereits am 19. Februar 2012 bei der Krankenkasse einen abstrakten Antrag auf Statusfeststellung seiner Tätigkeit für (namentlich nicht benannte) stationäre Pflegeeinrichtungen gestellt. Mangels Konkretisierung der Auftragsverhältnisse hat die Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 3. Juli 2013 bestandskräftig abgelehnt. Erst mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2013 hat der Kläger gesonderte Anträge zu den einzelnen Dienstleistungsverhältnissen - darunter auch den Vertrag mit der Beigeladenen zu 1.) - vorgelegt. Die hier streitgegenständliche Tätigkeit war zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Monaten abgeschlossen. Die Frist des § 7a Abs. 6 SGB IV war abgelaufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 197a, 183 SGG. Nach § 193 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Die Entscheidung ergeht nach richterlichem Ermessen, wobei der Ausgang des Verfahrens eine wesentliche Bedeutung erlangt (vgl. nur Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 12 ff.). Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 Satz 1 SGG genannten Personen gehört. Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I kostenfrei, soweit sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagter beteiligt sind. Aus diesen Regelungen folgt, dass mit den Bezeichnungen "Kläger" und "Beklagter" auf die Rolle im jeweiligen Rechtszug abzustellen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006, B 2 U 391/05 B; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 183 SGG Rdnr. 10, § 197a SGG Rdnr. 3; Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 197a SGG Rdnr. 3).

Da der Kläger im ersten Rechtszug in seiner Eigenschaft als (potentieller) Versicherter geklagt hatte, hat die Kostenentscheidung für die erste Instanz gem. § 193 SGG zu erfolgen. Für die zweite Instanz erfolgt die Kostenentscheidung jedoch gem. § 197a SGG (zum umgekehrten Fall vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 197a SGG Rdnr. 3; Lüdtke, a.a.O., § 197a SGG Rdnr. 3). Die Beigeladene zu 1.) ist Berufungsklägerin; sie gehört ebenso wenig zu den nach § 183 Satz 1 SGG privilegierten Personen wie die beklagte Rentenversicherung. Der kostenprivilegierte Kläger erster Instanz ist auch nicht Berufungsbeklagter, da die Berufungsklägerin von ihm nichts begehrt. Da das allein von der Beigeladenen zu 1.) eingelegte Rechtsmittel erfolglos geblieben ist, hat sie zwingend die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO zu tragen.

Die Revision war aufgrund des Fehlens der Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved