S 1 KR 3399/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 3399/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1 Der beklagte Krankenhausträger hat den auf die Herstellungspauschalen entfallenden, von der klagenden Krankenkasse gezahlten Umsatzsteueranteil ohne Rechtsgrund erlangt.
2. Dem Rückforderungsbegehren der Klägerin steht allerdings entgegen, dass die Beklagte um die auf die Herstellungspauschalen bezahlte Umsatzsteuer nicht mehr bereichert ist.
3.Es bestehen keine vertraglichen Nebenpflichten der Beklagten, bei der Finanzverwaltung die Erstattung zuviel gezahlter Umsatzsteuer geltendzumachen.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Im Streit war zunächst zwischen den Beteiligten die Erstattung von im Jahr 2010 gezahlter Umsatzsteuer auf individuell in der von der Beklagten, einer Krankenhausträgerin, betriebenen Krankenhausapotheke hergestellten Arzneimittel, die im Rahmen einer ambulant durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung an Versicherte der Klägerin, einer gesetzlichen Krankenkasse, abgegeben worden waren.

Nach teilweiser Klagrücknahme und -änderung ist nunmehr noch im Streit die Erstattung der von der Klägerin in den Jahren 2010 bis 2014 gezahlten Umsatzsteuer auf die Pauschalen zur Herstellung der genannten Arzneimittel.

Grundlage für die Abgabe dieser individuell hergestellten Arzneimittel, insbesondere von Zytostatika, an Versicherte der Klägerin war – jeweils auf der Grundlage des § 129a des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) – für das Jahr 2010 die "Vereinbarung gemäß § 129a SGB V über die Abgabe von Arzneimitteln von der Krankenhausapotheke an Versicherte im Rahmen von § 14 Abs. 4 ApoG" vom 29.06.2004 und für die Jahre 2011 bis 2014 die "Vereinbarung über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an Versicherte nach § 129a SGB V" vom 21.12.2010 mit Anlage 4 "Preisvereinbarung gemäß § 8 Abs. 1 der Vereinbarung" (im Folgenden für beide Vereinbarungen: Arzneimittelvereinbarung).

Nach § 5 Abs. 2 der Arzneimittelvereinbarung für das Jahr 2010 tragen die Krankenkassen unter anderem Kosten für Zubereitungen in Höhe des Lauer-Einkaufspreises abzüglich 2 % für Zubereitungsbestandteile zuzüglich Herstellungspauschale i.H.v. 16 EUR. Nach § 5 Abs. 3 der Arzneimittelvereinbarung für das Jahr 2010 erhöhen sich die gemäß Abs. 2 ermittelten Beträge um den jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz. Die hierzu bestehende Fußnote 3 enthält folgende Regelung: "Ist die Abgabe durch die Krankenhausapotheke nicht umsatzsteuerpflichtig, so ist wegen der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerabzugs die Umsatzsteuer fiktiv aufzuschlagen. Dies gilt nicht hinsichtlich der Herstellungspauschale."

Eine vergleichbare Regelung enthält die Arzneimittelvereinbarung für die Jahre 2011 bis 2014. Danach ergibt sich der Preis bei parenteralen Zubereitungen von generisch nicht verfügbaren Arzneimitteln nach dem Apotheken-Einkaufspreis gemäß Lauer-Taxe abzüglich 1,5 % zuzüglich Umsatzsteuer und abzüglich gesetzlichem Herstellerrabatt gemäß § 130a SGB V. Als Herstellungspauschalen ist ein Betrag von 49 EUR für monoklonale Antikörper (MAK)/zytostatikahaltige Lösungen und von 35 EUR für sonstige Lösungen, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen. Fußnote 1 hierzu enthält ebenfalls folgende Regelung: "Ist die Abgabe durch die Krankenhausapotheke nicht umsatzsteuerpflichtig, so ist bei fehlender Möglichkeit des Vorsteuerabzugs die Umsatzsteuer fiktiv aufzuschlagen. Dies gilt nicht für die Herstellungspauschalen."

Für die an Versicherte der Klägerin abgegebenen individuell hergestellten Arzneimittel stellte die Beklagte dieser einen Betrag einschließlich Umsatzsteuer auf Arzneimittel und auf Herstellungspauschalen in Rechnung, der von der Klägerin auch bezahlt wurde.

Sowohl zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern als auch innerhalb der Finanzverwaltung bestand Uneinigkeit darüber, ob in einer Krankenhausapotheke hergestellte Zytostatika der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. In Folge der auf seinen Vorlagebeschluss vom 15.05.2012 (V R 19/11 – juris –) ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 13.03.2014 (C-366/12 – juris –) entschied der Bundesfinanzhof (- BFH -, Urteil vom 24.09.2014 – V R 19/11 – juris –), dass die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung, die dort individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt werden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz steuerfrei ist. Dieses Urteil wurde im Bundessteuerblatt (BStBl II 2016 Seite 781) veröffentlicht. Ergänzend hierzu erging das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28.09.2016 (III C 3 - S 7170/11/10004 –/– 2016/0883539 –), das ebenfalls im Bundessteuerblatt (BStBl I 2016 Seite 1043) veröffentlicht wurde. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird verwiesen.

Gestützt auf die Entscheidung des BFH hat die Klägerin am 30.12.2014 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zur Erstattung der von ihr im Jahr 2010 gezahlten Umsatzsteuer auf die durch die Krankenhausapotheke der Beklagten individuell hergestellten Arzneimittel in Höhe von 34.511,00 EUR zu verurteilen. Es stehe nunmehr fest, dass die Beklagte ihr zu Unrecht für individuell hergestellte Arzneimittel Umsatzsteuer in Rechnung gestellt habe. Da sie nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei, sei sie auch tatsächlich mit der berechneten und gezahlten Umsatzsteuer in voller Höhe belastet. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass hinsichtlich der Arzneimittelabgaben Umsatzsteuer festgesetzt und von ihr an das Finanzamt entrichtet worden sei. Aufgrund des großen Interesses am Verfahrensgang vor dem BFH sei die Beklagte nämlich von Anfang an gehalten gewesen, an sie gerichtete Umsatzsteuerbescheide für das Jahr 2010, denen fälschlich die Umsatzsteuerpflicht der streitgegenständlichen Arzneimittelabgabe zugrunde gelegen habe, im Rechtsmittelweg offenzuhalten. Aufgrund drohenden Verjährungseintritts für Rückforderungsansprüche aus dem Jahr 2010 sei nunmehr Klageerhebung zum Zweck der Verjährungsunterbrechung geboten.

Mit ihrem am 07.12.2015 beim SG eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat die Klägerin ihre Klageforderung nunmehr auf die Umsatzsteuerbeträge hinsichtlich der Herstellungspauschalen beschränkt, gleichzeitig die Klage über das Jahr 2010 hinaus auch auf die Jahre 2011 bis 2014 erweitert. Zur Begründung ihres nunmehrigen Begehrens hat sie im Wesentlichen vorgetragen, in den Arzneimittelvereinbarungen sei geregelt, dass für die Herstellungspauschalen nur der Nettopreis abgerechnet werden dürfe. In Rechnung gestellt worden sei allerdings auch insoweit der Bruttopreis. Entgegen der Auffassung der Beklagten stehe die in § 7 Abs. 1 bzw. in § 10 Abs. 1 der Arzneimittelvereinbarungen vertraglich geregelte Beanstandungsfrist ihrem Erstattungsanspruch nicht entgegen. Zwar dienten vertraglich vereinbarte Beanstandungsfristen der Verfahrensbeschleunigung. Es handle sich jedoch nicht um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, da eine solche Frist zu Lasten der Versichertengemeinschaft zur Folge hätte, dass nach ihrem Ablauf beispielsweise Erstattungsansprüche im Falle ungerechtfertigter Überzahlungen nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Eine solche Frist stünde damit im Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot. Die allgemeinen gesetzlichen Rahmenvorgaben für die Überprüfung von Krankenhausabrechnungen würden sich aus den Regelungen der Verjährung für Erstattungsansprüche ergeben. Einwendungsausschlüsse kämen demnach allein nach den allgemeinen Vorschriften über die Verjährung in Betracht. Auch § 814 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) stehe entgegen der Ansicht der Beklagten ihrem Erstattungsbegehren nicht entgegen. Von einer Leistung in Kenntnis der Nichtschuld könnte nur dann ausgegangen werden, wenn sie in positiver Kenntnis der Rechtslage an die Beklagte gezahlt hätte, ohne zu dieser Zahlung verpflichtet gewesen zu sein. Bis zum Urteil des BFH sei jedoch die Rechtslage nicht geklärt gewesen. Auch habe sie keine Möglichkeit, beim Finanzgericht die Frage der Umsatzsteuerpflicht klären zu lassen. Auch könne sich die Beklagte nicht auf den Entreicherungseinwand mit der Begründung berufen, die Umsatzsteuer sei von ihr an das Finanzamt abgeführt worden, da der Beklagten ein werthaltiger Erstattungsanspruch gegen die Finanzverwaltung zustehe. Aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht sei diese dazu verpflichtet, die erteilten Rechnungen unter korrektem Umsatzsteuerausweis zu berichtigen. Selbst eine etwa zwischenzeitlich eingetretene Bestandskraft der Umsatzsteuerbescheide hindere den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht, da die falschen Umsatzsteuerbescheide der Beklagten auch nach Eintritt der Bestandskraft zu korrigieren seien. Ergänzend werde auf das von ihr vorgelegte, rechtskräftig gewordene Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 24.02.2017 (S 2 KR 871/13) verwiesen. Gegen das von der Beklagten erwähnte Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.11.2016 (S 14 KR 4380/14) sei Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt worden, die dort unter dem Aktenzeichen L 4 KR 4621/16 noch anhängig sei. Auf ihre Berufungsbegründung nehme sie Bezug.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 1. an sie 510,72 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.12.2014 zu zahlen 2. an sie 7.740,60 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.12.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die ursprünglich erhobene Klage sei bereits unzulässig, da einer Klage, die allein zum Zwecke der Verjährungshemmung eingelegt werde, das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Bei den nunmehr geltend gemachten Erstattungsansprüchen hinsichtlich der Umsatzsteuer auf Herstellungspauschalen für die Jahre 2011 bis 2014 handle es sich um gesonderte neue Streitgegenstände. Es handele sich um eine vollständige Klageänderung, zu der sie ihre Zustimmung ausdrücklich nicht erteile. Insofern sei die Klageänderung für die Jahre 2011 bis 2014 unzulässig. Überdies sei die Klage unbegründet. Dem Begehren der Klägerin stehe schon entgegen, dass nach § 7 Abs. 1 bzw. § 10 Abs. 1 der Arzneimittelvereinbarungen Beanstandungen nur innerhalb von 12 Monaten nach Ende des Kalendermonats, in dem die Rechnungsstellung erfolgt sei, geltend gemacht werden könnten. Die in den Arzneimittelvereinbarungen enthaltene 12-Monats-Frist sei nicht per se unwirksam. Sie widerspräche nur dann dem Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn dadurch ein struktureller Ausschluss effektiver Prüfungen bestimmter Arzneimittelverordnungen entstehen würde. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn man aufgrund der Komplexität der Datenlage schon innerhalb der 12-Monats-Frist bei normalem Verwaltungsablauf die Prüfung aufgrund der Komplexität schon gar nicht leisten könne. Vorliegend sei die Überprüfung der Kalkulation durch die Klägerin jedoch ohne weiteres möglich, da die Kalkulation vertraglich von öffentlich zugänglichen Taxen festgelegt sei. Der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch stehe unter dem Vorbehalt des § 814 BGB, wonach eine Leistung nicht zurückgefordert werden könne, wenn man von dem Mangel des rechtlichen Grundes Kenntnis gehabt habe. Die Umsatzsteuerpflicht von individuell hergestellten Arzneimitteln für den ambulanten Bereich durch Krankenhausapotheken sei seit jeher umstritten gewesen. Die Klägerin habe Beträge inklusive Umsatzsteuer geleistet, obwohl bekannt gewesen sei, dass es hierzu gegenteilige Auffassungen gegeben habe. Sie hätte sich aus ihrer Sicht zum dortigen Zeitpunkt weigern oder einen Vorbehalt aussprechen müssen. Darüber hinaus wäre es der Klägerin schon damals im Feststellungswege zu den Finanzgerichten möglich gewesen, die nach ihrer Ansicht gegebene Umsatzsteuerfreiheit dieser Leistungen feststellen zu lassen. Einem Leistungserbringer sei es hingegen nicht zuzumuten, die Umsatzsteuerpflicht selbst zu klären. Es sei vielmehr alleiniges Interesse des Kostenträgers. Überdies werde die Anzahl der von der Klägerin ihrem Erstattungsbegehren zu Grunde gelegten Herstellungspauschalen bestritten. Während die Klägerin von 1004 Herstellungspauschalen ausgehe, seien es nach den von ihr vorgelegten Unterlagen lediglich 961 Herstellungspauschalen. Im Übrigen werde zur Begründung ihres Vorbringens insbesondere auf die Urteile des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.11.2016 (S 14 KR 4380/14) und des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.03.2017 (S 2 KR 4318/15) verwiesen. Das von Klägerseite zitierte Urteil des Sozialgerichts Hannover sei hingegen nicht einschlägig. Zum Vorbringen der Klägerin, sie habe eine Nebenpflicht zur Rechnungskorrektur oder zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen werde auf das Urteil des Landgerichts Bochum (I-4 O 392/16) verwiesen, das von ihr vorgelegt werde.

Die Kammer hat zur Frage der Umsetzung der Entscheidung des BFH Auskünfte bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft, beim GKV-Spitzenverband und bei der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft e.V. eingeholt. Auf die entsprechenden Antwortschreiben vom 17.10.2016, 25.11.2016 und 28.02.2017 wird Bezug genommen.

Ferner hat der Vorsitzende der Kammer mit den Beteiligten am 22.03.2017 die Sach- und Rechtslage erörtert. Auf die entsprechende Niederschrift wird ebenfalls Bezug genommen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die beim sachlich und örtlich zuständigen SG von der Klägerin zu Recht erhobene (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG –, vgl. z.B. BSGE 90,1; 100,164; 102,172; 104,15), die zunächst auf die Erstattung von im Jahr 2010 gezahlter Umsatzsteuer auf individuell hergestellte Arzneimittel gerichtet war, war entgegen der Ansicht der Beklagten zulässig. Insbesondere fehlte es dieser Klage nicht an dem für eine Klageerhebung erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Nachdem die Beklagte – entgegen dem Wunsch der Klägerin - eine einseitige Erklärung des Verzichts auf die Erhebung der Einrede der Verjährung in Sachen Umsatzsteuer lediglich für individuell hergestellte Zytostatika, nicht auch für die übrigen von der Klägerin im Schreiben vom 19.12.2014 aufgeführten individuell hergestellten Arzneimittel, abgegeben hat, war die Klägerin aufgrund des am 01.01.2015 drohenden Eintritts der Verjährung ihrer Erstattungsansprüche jedenfalls hinsichtlich der übrigen individuell hergestellten Arzneimittel zur Vermeidung von Rechtsnachteilen gehalten, Leistungsklage beim zuständigen Sozialgericht zu erheben. Wie die Klägerin daher in ihrem Klageschriftsatz zu Recht ausgeführt hat, war Klageerhebung zum Zweck der Verjährungsunterbrechung geboten. Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde jedoch die Klage nicht allein zum Zwecke der Verjährungshemmung eingelegt, was möglicherweise zur Unzulässigkeit der Klage führen könnte (vgl. hierzu Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, § 204 Rdnr. 3). Die Klägerin hat in ihrer an das SG gerichteten Klageschrift beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines konkret bezifferten Betrages zu verurteilen. Damit hat die Klägerin deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine richterliche Entscheidung hinsichtlich dieses Begehrens wünscht. Sonstige Zweifel an der Zulässigkeit der ursprünglich erhobenen Klage bestehen nicht. Es handelt sich vorliegend um einen sogenannten Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist.

Die Klägerin hat am 07.12.2015 durch die Beschränkung ihres Begehrens auf Erstattung der von ihr im Jahr 2010 auf die Herstellungspauschalen gezahlten Umsatzsteuer i.H.v. 510,72 EUR ihre ursprünglich erhobene Klage, die auf die Erstattung der von ihr im Jahr 2010 (insgesamt) gezahlten Umsatzsteuer auf individuell hergestellte Arzneimittel gerichtet war, teilweise zurückgenommen. Das nunmehr alleinige Begehren der Klägerin, gerichtet auf die Erstattung der von ihr auf die Herstellungspauschalen im Jahr 2010 gezahlten Umsatzsteuer, war im ursprünglichen Klagebegehren mitenthalten. Dies belegt zum einen der nunmehr gestellte Antrag der Klägerin, mit dem sie weiterhin Zinszahlung ab Eingang der ursprünglichen Klage am 30.12.2014 begehrt. Belegt wird dies zum anderen durch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, insbesondere durch die von ihr - beispielhaft vorgelegte - ergänzte Arzneimittelverordnung vom 24.03.2010, aus der zu ersehen ist, dass im Bruttoabrechnungsbetrag auch Umsatzsteuer auf die Herstellungspauschale enthalten war. Dieser Bruttoabrechnungsbetrag findet sich ferner in der von der Klägerin vorgelegten Einzelaufstellung zu der von ihr im Jahr 2010 auf individuell hergestellte Arzneimittel gezahlten Umsatzsteuer. Mit ihrem am 07.12.2015 beim SG eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat die Klägerin ferner ihre Klage dahingehend erweitert, als sie nunmehr auch die Erstattung der von ihr in den Jahren 2011 bis 2014 auf die Herstellungspauschalen gezahlten Umsatzsteuer begehrt. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich hierbei jedoch nicht um neue Streitgegenstände. Das nunmehr ebenfalls geltend gemachte Begehren für die Jahre 2011 bis 2014 (Erstattung der auf die Herstellungspauschalen gezahlten Umsatzsteuer) entspricht dem bereits in der ursprünglichen Klage enthaltenen Begehren für das Jahr 2010. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich somit um eine Erweiterung des ursprünglichen Klagantrages in der Hauptsache nach § 99 Abs. 3 Satz 2 SGG, die nicht als Änderung der Klage anzusehen ist. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass ab 01.01.2011 die Arzneimittelvereinbarung vom 21.12.2010 Anwendung findet. Wie oben dargestellt weicht diese jedoch hinsichtlich der hier maßgebenden Regelungen zur Umsatzsteuerpflicht auf individuell hergestellte Arzneimittel und auf Herstellungspauschalen nur in unbedeutenden Nuancen von der für das Jahr 2010 maßgebenden Arzneimittelvereinbarung vom 29.06.2004 ab. Der Klagegrund hat daher keine Änderung erfahren. Am Vorliegen einer Klageerweiterung im Sinne des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG vermag auch die von der Beklagten angeführte Form der Antragstellung der Klägerin mit gesondertem Antrag für die Jahre 2011 bis 2014 nichts zu ändern. Auch der gesonderten Beantragung für die Jahre 2011 bis 2014 liegen – wie dargestellt – dieselben Rechtsgründe und -fragen wie für die Klage hinsichtlich des Jahres 2010 zu Grunde. Da es sich somit nach Überzeugung der Kammer um eine Klageerweiterung im Sinne des § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG handelt, bedarf es keiner Einwilligung der Beklagten in diese Erweiterung. Selbst wenn man die Auffassung der Beklagten teilen sollte, es handle sich vorliegend um eine vollständige Klageänderung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG, wäre diese - ungeachtet der ausdrücklich von der Beklagten nicht erklärten Zustimmung – sachdienlich. Die Grundlagen auch für das hinsichtlich der Jahre 2011 bis 2014 gerichtete Begehren entsprechen den für das Begehren für das Jahr 2010. Aus prozessökonomischen Gründen ist es daher sinnvoll und angebracht, auch über das Begehren der Klägerin für die Jahre 2011 bis 2014 im vorliegenden Rechtsstreit (mit)zuentscheiden, um damit weitere Klageverfahren zu vermeiden (vgl. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl., § 99 Rdnr. 10).

Das somit zulässige Klagebegehren hat jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der von ihr in den Jahren 2010 bis 2014 auf die Herstellungspauschalen gezahlten Umsatzsteuer.

Das von der Klägerin hier geltend gemachte Rückforderungsbegehren basiert zum einen auf einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSG, Urteil vom 01.08.1991 – 6 RKa 9/89 – juris –). Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier zwischen den Beteiligten vor, da die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus nach den maßgeblichen §§ 107 ff. SGB V öffentlich-rechtlich geprägt sind (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4 m.w.N.)

Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Wenn auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt ist, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist, ist jedoch allgemein anerkannt, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden können. (vgl. zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausleistungen BSG, Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 21/03 R - juris –). Ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen Normen scheidet allerdings aus, soweit der vom öffentlichen Recht selbstständig entwickelte Erstattungsanspruch reicht (BSG, Urteil vom 16.07.1974 - 1 RA 183/73 - juris -). Dies gilt namentlich für die Nichtanwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Vorschriften, denen öffentlich-rechtliche Wertungszusammenhänge entgegenstehen ( vgl. hierzu BSG, Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - juris -).

Nach dem somit entsprechend anwendbaren § 812 Abs. 1 BGB ist derjenige, der durch eine Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

Durch die Bezahlung der ihr in Rechnung gestellten individuell hergestellten Arzneimittel durch die Klägerin hat die Beklagte unter anderem den auf Arzneimittel einschließlich Herstellungspauschalen entfallenden Anteil der Umsatzsteuer (zunächst) erhalten, da es hierdurch bei ihr - wenn auch nur kurzfristig - zu einer Vermögensmehrung gekommen ist.

Aufgrund der in den Jahren 2010 bis 2014 geltenden Regelungen in den Arzneimittelvereinbarungen in § 5 Abs. 2 und 3 bzw. in der zu § 8 Abs. 1 ergangenen Anlage 4 war die Klägerin auch verpflichtet, auf die individuell hergestellten Arzneimittel einschließlich Herstellungspauschalen Umsatzsteuer zu leisten. Die entsprechenden Zahlungen von Umsatzsteuer an die Beklagte erfolgten daher zunächst mit Rechtsgrund.

Hieran vermögen weder die Uneinigkeit zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern über die Umsatzsteuerpflicht bei Zytostatika noch das Urteil des BFH vom 24.09.2014 etwas zu ändern. Trotz bestehender Zweifel an ihrer Verpflichtung, auf Zytostatika Umsatzsteuer an die Beklagte zahlen zu müssen, war die Klägerin aufgrund der Arzneimittelvereinbarungen gehalten, entsprechende Zahlungen an die Beklagte zu leisten. Zwar steht aufgrund des Urteils des BFH vom 24.09.2014 fest, dass keine entsprechende Zahlungsverpflichtung – jedenfalls hinsichtlich von Zytostatika – bestand. Allerdings wurde das BFH-Urteil vom 24.09.2014 erst am 10.12.2014 veröffentlicht und erst im September 2016 im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Erst mit Veröffentlichung im Bundessteuerblatt wurde diese Entscheidung des BFH über die Beteiligten des dortigen Rechtsstreits hinaus allgemein verbindlich und entfaltete damit auch erst Bindungswirkung zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits.

Aus diesem Grunde steht entgegen der Ansicht der Beklagten die in § 814 BGB enthaltene Regelung, dass das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, dem Rückforderungsbegehren der Klägerin nicht entgegen. Wie dargelegt bestanden zwar sicherlich auf Seiten der Klägerin durchaus Zweifel an ihrer Verpflichtung, auf Zytostatika Umsatzsteuer an die Beklagte zahlen zu müssen. Diese Zweifel reichen jedoch nicht zur Anwendung des § 814 BGB aus. Der Kondiktionsausschluss nach dieser Regelung greift nämlich nur bei positiver Kenntnis vom Fehlen der Leistungsverpflichtung ein (Schwab in Münchener Kommentar zum BGB, § 814 Rdnr. 16 m.w.N.). Eine solche positive Kenntnis der Klägerin war jedoch im Zeitpunkt der Zahlung von Umsatzsteuer auch auf die Herstellungspauschalen in den Jahren 2010 bis 2014 nicht vorhanden. Frühestens mit Veröffentlichung des Urteiles des BFH vom 24.09.2014 am 10.12.2014 konnte die Klägerin wissen, dass keine Umsatzsteuer auf Zytostatika gezahlt werden muss. Allerdings stand erst mit Veröffentlichung im Bundessteuerblatt im September 2016 für sie fest, dass dieses BFH-Urteil auch für sie Bindungswirkung entfaltet. Aus demselben Grund findet auch die in § 819 Abs. 1 BGB enthaltene Regelung, wonach der Empfänger bei Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes bei dem Empfang von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet ist, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre, keine Anwendung. Auch § 819 BGB erfordert die positive Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (Bundesgerichtshof – BGH - Urteil vom 12.07.1996 – V ZR 117/95 - juris -), sowie der Rechtsfolgen des fehlenden Rechtsgrundes (BGH, Urteil vom 17.06.1992 – XII ZR 119/91 – juris –). Fahrlässige Unkenntnis, Kennenmüssen und Bösgläubigkeit im Sinne des § 932 Abs. 2 BGB genügen nicht. Auch bloße Zweifel am Fortbestand des Rechtsgrundes lösen die verschärfte Haftung nicht aus (vgl. hierzu Sprau in Palandt, 64. Aufl. 2015, § 819 Rdnr. 2). Wie aus den in Fußnote 3 bzw. Fußnote 1 enthaltenen Regelungen zu den Arzneimittelvereinbarungen zu ersehen ist, bestand zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits, somit auch für die Beklagte, erhebliche Unsicherheit darüber, ob Zytostatika der Umsatzsteuerpflicht unterfallen. Allerdings war bis zur Veröffentlichung des BFH-Urteil am 10.12.2014 und insbesondere bis zur Veröffentlichung im Bundessteuerblatt im September 2016 weder für Klägerin noch für Beklagte zu erkennen, wie letztendlich das finanzgerichtliche Verfahren enden wird. Bei dieser Sachlage scheidet eine positive Kenntnis der Beklagten, dass die Zahlung von Umsatzsteuer ohne rechtlichen Grund erfolgt ist, aus.

Nach der Entscheidung des BFH vom 24.09.2014 steht allerdings fest, dass die Abgabe von Zytostatika nicht der Umsatzsteuerpflicht unterfiel. Weiterhin steht damit fest, dass es keinen Rechtsgrund gab, in den Jahren 2010 bis 2014 Umsatzsteuer auf die entsprechenden Herstellungspauschalen zu leisten. Die Arzneimittelpreisvereinbarungen sehen in Fußnote 3 zu § 5 Abs. 3 bzw. in Fußnote 1 zu Anlage 4 zwar einen fiktiven Aufschlag der Umsatzsteuer dann vor, wenn die Abgabe durch die Krankenhausapotheke - wie vorliegend - nicht umsatzsteuerpflichtig ist. Allerdings gilt dies nach den eindeutigen Regelungen in den Arzneimittelvereinbarungen nicht für die Herstellungspauschalen. Damit liefern die Arzneimittelvereinbarungen gerade keinen rechtlichen Grund für die fiktive Beaufschlagung von Umsatzsteuer auf die Herstellungspauschalen.

Ein Rechtsgrund für die Zahlung von Umsatzsteuer auf die Herstellungspauschalen ergibt sich auch nicht aus bindenden Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2010 bis 2014 durch die Finanzverwaltung. Das BSG hat mit Urteil vom 17.07.2008 (B 3 KR 18/07 R – juris –) entschieden, dass es grundsätzlich auch für das Verhältnis zwischen Unternehmen und Abnehmer maßgebend sei, wenn die vom Unternehmer abzuführende Umsatzsteuer im Verhältnis zur Finanzverwaltung durch bindende Umsatzsteuerbescheide festgesetzt wurde. Da Entscheidungen der Zivilgerichte und der Sozialgerichte im Verhältnis zwischen Unternehmen und Abnehmer in der öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen Unternehmer und Steuerfiskus keine Bindungswirkung entfalten würden und gegebenenfalls widersprechende Entscheidung drohten, müsse es allein den Finanzbehörden und gegebenenfalls den zuständigen Finanzgerichten überlassen bleiben, die aufgeworfenen steuerrechtlichen Fragen zu klären. Nur die Entscheidungen dieser Behörden und Gerichte würden alle Beteiligten binden und müssten, wenn sie bestandskräftig geworden seien, in den anderen, davon abhängigen Streitverfahren beachtet werden. Jedenfalls für die Jahre 2011, 2013 und 2014 liegt noch keine bestandskräftige Umsatzsteuerfestsetzung der Finanzverwaltung vor. Wie aus den von der Beklagten für diese Jahre vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes Reutlingen zu ersehen ist, besteht für diese Jahre der Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 der Abgabenordnung (AO). Aufgrund dieses Nachprüfungsvorbehaltes wird die Umsatzsteuerfestsetzung der Beklagten aufgrund der in § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO enthaltenen Regelung für das Jahr 2011 erst Ende 2017, für das Jahr 2013 erst Ende 2019 und für das Jahr 2014 erst Ende 2020 bestandskräftig. Den von der Beklagten vorgelegten Abrechnungen zur Umsatzsteuer für die Jahre 2010 und 2012, datierend vom November 2012 und vom 02.02.2015, ist ebenfalls nicht zu entnehmen, dass diese bereits bei Klageerhebung im Dezember 2014 bestandskräftig waren.

Die Beklagte hat somit den auf die Herstellungspauschalen entfallenden, von der Klägerin in den Jahren 2010 bis 2014 gezahlten Umsatzsteueranteil ohne Rechtsgrund erlangt.

Dem Rückforderungsbegehren der Klägerin steht allerdings entgegen, dass die Beklagte um die auf die Herstellungspauschalen bezahlte Umsatzsteuer nicht mehr bereichert ist. Entsprechend der sie treffenden Pflicht zur Abführung von Umsatzsteuer wurde nach Erhalt der entsprechenden Zahlungen durch die Klägerin von ihr die Umsatzsteuer einschließlich des auf die Herstellungspauschalen entfallenden Anteils an das für sie zuständige Finanzamt ...abgeführt. Dies belegen die von der Beklagten für die Jahre 2010 bis 2014 vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes. Mit Abführung an das Finanzamt ...ist der auf die Herstellungspauschalen entfallende Umsatzsteueranteil nicht mehr im Vermögen der Beklagten enthalten. Sie ist daher nicht mehr bereichert, womit in entsprechender Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin zutreffend von der Beklagten die Erstattung der ihrer Ansicht nach zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer auf Herstellungspauschalen begehrt. Die Abtretung eines etwaigen Anspruches der Beklagten gegen die Finanzverwaltung wird von der Klägerin zu Recht nicht begehrt. So ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch lediglich auf Wertersatz, nicht aber auf Abtretung eines etwaigen Erstattungsanspruchs der Beklagten gegen die Finanzverwaltung gerichtet (vgl. hierzu Sprau in Palandt, 64. Aufl. 2015, § 818 Rdnr. 44).

Zwar ist es Sozialversicherungsträgern ebenso wie der gesamten öffentlichen Hand verwehrt, sich auf den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB zu berufen. Aufgrund des für sie geltenden Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung muss ihr Interesse darauf gerichtet sein, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen (so BSG, Urteil vom 03.04.2014 – B 2 U 21/12 R- juris –). Dies gilt allerdings nicht für die Beklagte, die als Kapitalgesellschaft und juristische Person des Privatrechts gerade nicht der "öffentlichen Hand" zugerechnet werden kann.

Der Auffassung des Sozialgerichts Hannover, auf die sich die Klägerin stützt, kann nicht gefolgt werden. Das Sozialgericht Hannover vertritt die Ansicht, der Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB greife dann nicht durch, wenn gegen die Finanzverwaltung ein Anspruch auf Erstattung der zuviel gezahlten Umsatzsteuer realisiert werden könne. Vorliegend sei die Beklagte aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet, die Rechnungen gemäß § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes zu berichtigen, sodass sie die gezahlten Umsatzsteuerbeträge gemäß § 37 Abs. 2 AO von der Finanzverwaltung erstattet verlangen könne. Auch das BSG habe entschieden, dass bei einer Nettopreisabrede besondere Obhuts- und Sorgfaltspflichten bestünden.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Hannover und damit entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen nach Überzeugung der Kammer keine entsprechenden vertraglichen Nebenpflichten der Beklagten, bei der Finanzverwaltung die Erstattung zu viel gezahlter Umsatzsteuer geltendzumachen. So lässt das Sozialgericht Hannover in seiner Entscheidung zur Rückerstattung überzahlter Umsatzsteuer für Gehhilfe-Rollatoren bereits offen, woraus sich die von ihm bejahte vertragliche Nebenpflicht ergibt. Aus den Arzneimittelvereinbarungen lässt sich eine entsprechende vertragliche Nebenpflicht jedenfalls nicht entnehmen. Diese enthalten keine Verpflichtung, im Falle der rückwirkend entfallenden Umsatzsteuerpflicht eine Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung bei der Finanzverwaltung zu beantragen. Auch im Übrigen ergibt sich aus den Arzneimittelvereinbarungen keine vertragliche Nebenpflicht, aufgrund derer die Beklagte zur Herbeiführung einer Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzungen verpflichtet wäre. Die Arzneimittelvereinbarungen enthalten, wie aus § 5 bzw. aus Anlage 4 zu ersehen ist, hinsichtlich der zu zahlenden Preise für die von der Beklagten individuell hergestellten Arzneimittel eine so genannte Nettopreisvereinbarung. So erhöhen sich die insbesondere nach der Lauer-Taxe zu Grunde gelegten Einkaufspreise um den jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz bzw. sind um die Umsatzsteuer zu erhöhen. Zweck dieser Nettopreisvereinbarung ist es, die Vertragsbeteiligten von dem Risiko einer zu ihren Lasten unzutreffenden Steuerfestsetzung zu entlasten. Ohne eine entsprechende Abrede ist mit dem Preis auch der Aufwand für die Umsatzsteuer abgegolten, der unselbständiger Teil des zu zahlenden Entgelts ist. Bei einer solchen Bruttopreisabrede sind beide Vertragsbeteiligte dem Risiko eines unzutreffenden Umsatzsteueransatzes ausgesetzt. Ist die Steuer im Bruttopreis zu hoch veranschlagt, muss der Abnehmer den vereinbarten Preis in der Regel auch dann zahlen, wenn nach objektiver Rechtslage ein niedrigerer Ausweis möglich gewesen wäre. Ist sie zu niedrig ausgewiesen, kann der Unternehmer seinen zusätzlichen steuerlichen Aufwand nicht nachfordern, weil er insoweit einem rechtlich unbeachtlichen Kalkulationsirrtum unterlegen ist. Diesem Risiko entgehen die Beteiligten nur durch Vereinbarung von "Nettopreisen", weil das Kalkulationsrisiko in diesem Fall nur den Nettopreis betrifft und die Höhe der von den Abnehmer zu tragenden Umsatzsteuer nach dem Betrag bemessen ist, der von dem Unternehmer an den Steuerfiskus abzuführen ist. Allerdings begründet die Nettopreisabrede das Risiko, dass infolge eines unzutreffenden Umsatzsteuerausweises ein Mehrbetrag abzuführen und dieser im Innenverhältnis vom Abnehmer der Leistung zu tragen ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17.07.2008 - B 3 KR 18/07 R - juris -). Gerade bei einer solchen Nettopreisvereinbarung bestehen nach zutreffender Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.07.2008, a.a.O.) jedoch aufgrund des für die Umsatzsteuerveranlagung leitenden Prinzips der Selbstveranlagung besondere Obhutspflichten. Eine solche, sich aus der Nettopreisvereinbarung ergebende Nebenpflicht der Beklagten, gegenüber der Finanzverwaltung hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung tätig zu werden, besteht jedoch nicht. Dies belegt nach Überzeugung der Kammer insbesondere auch das zusammen mit der Veröffentlichung des BFH-Urteil vom 24.09.2014 ergangene Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28.09.2016. In diesem Schreiben, das zudem lediglich eine Verwaltungsanweisung an die Finanzbehörden enthält, wird dem leistenden Unternehmer lediglich die Möglichkeit zur Rechnungsberichtigung eingeräumt. Eine Verpflichtung hierzu lässt sich diesem Schreiben allerdings nicht entnehmen. Vor diesem Hintergrund schließt sich die erkennende Kammer sowohl der vom Sozialgericht Karlsruhe in seinem Urteil vom 15.11.2016 (S 14 KR 4380/14) als auch der vom Landgericht Bochum in seinem Urteil (I-4 O 392/16) vertretenen Auffassung an, es bestehe insoweit keine vertragliche Nebenpflicht. Soweit die Klägerin sich in diesem Zusammenhang auf das von ihr vorgelegte Urteil des BGH vom 18.04.2012 (VIII ZR 253/11) stützt, vermag dieses Urteil an der hier vertretenen Auffassung nichts zu ändern. Der BGH hat in diesem Urteil zwar angenommen, aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht sei die dortige Beklagte, ein Wasserversorgung- und Abwasserentsorgungszweckverband – verpflichtet, die Rechnungen zu berichtigen, sodass die gezahlten Umsatzsteuerbeträge vom Finanzamt erstattet verlangt werden könnten. Der BGH stützt sich hierbei auf detaillierte Ausführungen im Schreiben des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 25.06.2009. Dieses Schreiben ist jedoch für vorliegenden Rechtsstreit nicht maßgebend. Maßgebend ist hier das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28.09.2016, aus dem sich – wie dargelegt – keine entsprechende vertragliche Nebenpflicht der Beklagten ergibt.

Soweit die Klägerin ihr Rückforderungsbegehren zum anderen auf einen öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch stützt, hat auch dies keinen Erfolg. Wie bereits dargelegt fehlt es an der hierfür erforderlichen (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Verletzung vertraglicher Nebenpflichten.

Bei der hier vertretenen Auffassung bedarf es keiner Entscheidung, ob das Rückforderungsbegehren der Klägerin an der Nichteinhaltung der in § 7 Abs. 1 bzw. § 10 Abs. 1 der Arzneimittelvereinbarungen vertraglich geregelten Beanstandungsfrist scheitert. Nach dortigen Regelungen kann eine rechnerische oder sachliche Beanstandung von beiden Seiten nur innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Ende des Kalendermonats, in dem die Rechnungsstellung erfolgte, geltend gemacht werden. Bedenken an der Ansicht der Beklagten, es handle sich bei dieser Regelung um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, ergeben sich insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 27/11 R – juris – ), wonach Vertragspartner zwar berechtigt sind, Modalitäten zur Abrechnung von Vertragsleistungen, z.B. Abrechnungsfristen und die Folgen der Nichteinhaltung, durch Vereinbarung zu regeln, welche die hieran gebundenen Krankenkassen und Krankenhäuser gleichermaßen anhalten, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Zulasten der Versichertengemeinschaft wirkende materiell-rechtliche Ausschlussfristen seien indessen hiervon grundsätzlich nicht erfasst. Materiell-rechtliche Ausschlussfristen führten zum Erlöschen des davon erfassten Anspruchs durch Zeitablauf. Materiell-rechtliche Ausschlussfristen zulasten der Versichertengemeinschaft hätten zur Folge, dass Krankenkassen verpflichtet würden, im Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot Vergütungen auch für nicht erforderliche Krankenhausbehandlungen zu zahlen, und zudem gehindert seien, eigene Erstattungsansprüche im Falle von ungerechtfertigten Überzahlungen geltend zu machen. Einwendungsausschlüsse zu Lasten der Krankenkassen durch Zeitablauf kämen daher allein nach den allgemeinen Vorschriften über die Verjährung in Betracht. Angesichts dieser Rechtsprechung spricht zwar einiges dafür, dass die Nichteinhaltung der genannten Regelungen in den Arzneimittelvereinbarungen dem Rückforderungsbegehren der Klägerin nicht entgegensteht. Letztendlich bedarf dies jedoch - wie dargelegt - keiner abschließenden Entscheidung.

Das Rückforderungsbegehren der Klägerin bleibt somit ohne Erfolg, die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung, da weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.
Rechtskraft
Aus
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