Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 458/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4537/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. August 2015 und der Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2012 und des Bescheids vom 26. November 2015 insoweit aufgehoben, als der Grad der Behinderung des Klägers ab dem 14. Juli 2011 auf weniger als 40 festgesetzt worden ist.
Der Beklagte erstattet dem Kläger ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung eines festgestellten Grades der Behinderung (GdB) wegen Ablaufs einer Heilungsbewährung.
Der Kläger ist 1953 geboren und im Inland wohnhaft. Mit Bescheid vom 10. August 2006 hatte der Beklagte bei ihm einen GdB von 80 festgestellt. Jenem Bescheid hatten eine Enddarmerkrankung in Heilungsbewährung und Ohrgeräusche (Tinnitus) zu Grunde gelegen.
Nach einer Anhörung des Klägers stellte der Beklagte mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 11. Juli 2011 den GdB ab dem 14. Juli 2011 mit 20 fest und hob den Bescheid vom 10. August 2006 auf. Er legte dem einen Teilverlust des Dickdarms und Ohrgeräusche (Tinnitus) zu Grunde. Er führte aus, die Heilungsbewährung für die 2006 berücksichtigte Erkrankung des Dickdarms sei inzwischen abgelaufen.
Der Kläger erhob Widerspruch und begehrte, den GdB nicht niedriger als 50 festzusetzen. Er trug vor, die Darmerkrankung sei auch nach Ablauf der Heilungsbewährung höher zu bewerten, weil er unter Stuhlinkontinenz leide, die sich nicht nur in seltenem, nur unter besonderer Belastung auftretendem Stuhlabgang äußere, sondern auch an Tagen mit wenig Beschwerden dazu führe, dass er sich immer in der Nähe einer Toilette aufhalten müsse. Der jetzige Zustand sei schlechter als in der Zeit, in der er nach der damaligen Operation über einen künstlichen Darmausgang verfügt habe. Ferner leide er an einem Diabetes, der bei der Feststellung des nunmehrigen GdB zu berücksichtigen sei.
Der Beklagte holte Befundberichte des Klinikums K. und der Ärzte Dr. W. und Dr. K. sowie eines Labors ein und wertete sie aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2012 wies er den Widerspruch zurück. Die fünfjährige Heilungsbewährung sei ohne Komplikationen und ohne Rezidiv abgelaufen. Ein vollständiger Funktionsverlust des Afterschließmuskels liege nicht vor. Der Tinnitus werde nicht behandelt und als erträglich geschildert.
Am 23. Februar 2012 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und sein Vorbringen vertieft.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Aus den Angaben von Dr. W. vom 1. Juni 2012 und von Prof. Dr. R., Klinikum K., vom 5. Juni 2012 hat sich ergeben, dass Inkontinenz für gasförmige und flüssige Stoffe bestehe und der Kläger zwischen drei- und viermal, an "schlechten Tagen" zehnmal täglich die Toilette aufsuchen müsse. Der Diabetes werde ohne Medikamente behandelt. Der Beklagte hat daraufhin am 29. August 2012 einen Vergleich dahin angeboten, den GdB bei 30 zu belassen (Teil-GdB 30 für den Teilverlust des Dickdarms, 10 für die Ohrgeräusche). Ein solcher Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.
Mit Beschluss vom 19. Oktober 2012 hat das SG einen nicht namentlich bezeichneten Arzt vom HBK Darmzentrum H.-B. in S. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt und die Akten dorthin geschickt. Nachdem von dort keine Reaktion erfolgt ist, hat das SG mehrfach nachgefragt. Das beauftragte Klinikum hat am 25. Juni 2013 mitgeteilt, es habe die Akten ohne Gutachten an das SG zurückgeschickt, denn da der Kläger in dem Klinikum behandelt worden sei, könne dort keines erstellt werden. Nachdem das SG die verlorengegangenen Akten trotz verschiedener Bemühungen bis November 2013 nicht wieder hat auffinden können, hat es mit Hilfe des Beklagten die Akten, soweit möglich, rekonstruiert.
Im Januar 2014 hat der Kläger mitgeteilt, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, nachdem er wegen eines "Grauen Stars" am linken Auge operiert worden sei.
Am 5. Februar 2014 hat das SG Dr. H., den Chefarzt des Darmzentrums bei der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie S., mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 7. Juli 2014 ausgeführt, dieser habe angegeben, er könne dünnflüssigen Stuhl, den er im Durchschnitt alle vier bis fünf Tage habe, nicht halten. An solchen Tagen müsse er oft drei- bis viermal je Stunde die Toilette aufsuchen. Er könne oft die Stuhlqualität im Vorfeld nicht unterscheiden, sodass auch unwillkürlich Stuhl abgehe. Dr. H. hat mitgeteilt, bei dem Kläger sei nach dem "Wexner-Inkontinenz-Score" (mit 16 von 20 Punkten) von einer schweren Inkontinenz auszugehen, wobei diese Gesundheitsstörung für geformten Stuhl sporadisch und für flüssigen/weichen Stuhl und für Winde immer vorliege. Der Afterschließmuskel könne angespannt werden, was jedoch wegen einer narbig fibrosen Anastomose nicht zu einer suffizienten Verschlussfunktion führe. Es sei von einem GdB von 50 auszugehen, weil der Kläger erhebliche Einbußen im Alltagsleben und auch beruflich dadurch erleide, dass er die Stuhlinkontinenz nicht abschätzen könne.
Der Beklagte ist diesem Vorschlag entgegengetreten und hat ausgeführt, ein GdB von 50 komme erst bei einem vollständigen Verlust des Afterschließmuskels auch für festen Stuhl in Betracht, der hier nicht vorliege.
Das SG hat sodann den behandelnden Augenarzt Prof. Dr. R. als sachverständigen Zeugen vernommen, der unter dem 4. Februar 2015 ausgeführt hat, bei dem Kläger bestehe nach der Cataract-Operation im Jahre 2013 beidseits eine Pseudophakie (Kunstlinsenversorgung), der Visus betrage beidseits 0,8, auf augenärztlichem Fachgebiet liege daher kein GdB vor.
Der Kläger hat den Befundbericht des Klinikums K. vom 2. Januar 2015 zur Akte gereicht, wonach er ab dem 29. Dezember 2014 wegen starker Diarrhoe (auf Grund einer Infektionserkrankung in der Familie) stationär behandelt worden und am 31. Dezember 2014 "beschwerdearm" entlassen worden ist.
In der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2015 hat der Kläger neben der Aufhebung des Bescheids vom 11. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2012 auch eine Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50 beantragt. Auf diese Verhandlung hin hat das SG ein Urteil verkündet, mit dem es die Klage abgewiesen hat. In den - später abgesetzten - Entscheidungsgründen hat es darauf hingewiesen, es habe versehentlich einen falschen Tenor verkündet, weil das Vergleichsangebot des Beklagten vom 29. August 2012 über einen GdB von 30 übersehen worden sei. In der Sache hat es ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 bestehe nicht. Die Heilungsbewährung sei ohne Rezidiv abgelaufen. Die verbleibende Afterschließmuskelschwäche sei "mindestens" mit dem vom Beklagten angebotenen GdB von 30 zu bewerten, jedoch entgegen dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. H. nicht mit einem GdB von 50, da dafür zwingend ein vollständiger Funktionsverlust des Afters auch für festen Stuhl notwendig sei, der hier nicht vorliege. Dem Klinikaufenthalt des Klägers Ende 2014 habe ein vorübergehendes Geschehen zu Grunde gelegen. Auf augenärztlichem Gebiet liege nach der Zeugenaussage von Prof. Dr. R. kein GdB vor. Die Ohrgeräusche seien zutreffend mit einem GdB von 10 bewertet, nachdem auch eine Verschlechterung nicht geltend gemacht worden sei.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 13. Oktober 2015 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 29. Oktober 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Würt¬temberg (LSG) erhoben.
Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen wegen der Auswirkungen der Afterschließmuskelschwäche. Er teilt mit, er habe sich in letzter Zeit mehrfach mehrtägigen Klinikaufenthalten wegen der Stuhlinkontinenz und der Verwachsungen im Enddarmbereich unterziehen müssen. Auch der Diabetes belaste ihn erheblich, sei aber nicht berücksichtigt. Hierzu hat der Kläger ein Attest von Dr. W. vom 14. Dezember 2015 vorgelegt, wonach ein Diabetes mellitus II seit dem Jahre 2007 bestehe.
Mit Bescheid vom 26. November 2015 hat der Beklagte "in Ausführung des mit dem Kläger geschlossenen Vergleichs vom 29. August 2012" festgestellt, dass der GdB 30 seit dem 14. Juli 2011 betrage. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt, weil ein Vergleich nicht geschlossen worden sei. Über diesen Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Der Kläger hat zunächst weiterhin eine Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50 beantragt. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass ein Verpflichtungsantrag unzulässig sei, da nur ein Herabsetzungsbescheid angefochten worden sei und dass es daher nur auf die Sach- und Rechtslage bei Erlass dieses Bescheids ankomme. Daraufhin hat der Kläger am 8. November 2016 bei dem Beklagten einen Erhöhungsantrag gestellt, über den - ebenfalls - noch nicht entschieden ist.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. August 2015 und den Bescheid vom 11. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2012 und des Bescheids vom 26. November 2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verweist darauf, dass nach den Angaben der behandelnden Ärzte ein künstlicher Darmausgang eine erhebliche Linderung erbrächte, der Kläger einen solchen aber ablehne, weswegen davon auszugehen sei, dass die jetzige Situation doch erträglicher sei als angegeben. Zu dem Diabetes führt er aus, dieser sei nicht Gegenstand des Verfahrens, da er "neu geltend gemacht" werde.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte erneut schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. W. hat unter anderem mitgeteilt, der Diabetes sei bereits 2006 erstmals diagnostiziert worden. Er sei auch in der Zeit zwischen Juli 2011 und Januar 2012 nur mit einer Diät behandelt worden. Der Kläger leide ferner seit mehreren Jahren an einem Bluthochdruck, der mit Ramipril gut eingestellt sei und 140/80 mmHg betrage. Hierzu hat Dr. W. auch den Entlassungsbericht der Klinik W. vom 19. Juli 2006 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers nach der Darmoperation vorgelegt. HNO-Arzt Dr. G. hat bekundet, er habe ihn lediglich - zweimalig - im Jahre 2014 behandelt. Er leide aktuell an einem Tinnitus und einer Innenohrschwerhörigkeit, wobei er angegeben habe, der Tinnitus bestehe seit 2002. Der prozentuale Hörverlust sei am 28. März 2014 - nach der 4-Frequenz-Methode auf Grund des Ton-Audiogramms - mit 45 % rechts und 37 % links gemessen worden.
Auf einen Vorschlag des Senats hin hat der Beklagte mitgeteilt, er halte eine vergleichsweise Einigung auf einen GdB von 40 ab dem 14. Juli 2011 für vertretbar. Hierzu hat er eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 26. April 2016 vorgelegt, der Teil-GdB-Werte von 40 für einen Teilverlust des Dickdarms, Stuhlinkontinenz und Verwachsungsbeschwerden, von 15 für eine Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen und von 10 für eingepflanzte Kunstlinsen beidseits vorgeschlagen hat. Ein solcher Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da er eine behördliche Feststellung anficht, aber keine Leistungen begehrt. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor, insbesondere hat er die Berufung form- und fristgerecht erhoben.
Die Berufung ist auch begründet, allerdings nur zu einem kleineren - weiteren - Teil.
Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag zulässig. Zu Recht hat sich der Kläger nunmehr auf die bloße Anfechtung (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) des Herabsetzungsbescheids vom 11. Juli 2011 beschränkt und den Verpflichtungsantrag fallen gelassen. Der Verpflichtungsantrag war mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Dem Kläger war - mit dem ursprünglichen Bescheid vom 10. August 2006 - ein GdB von 80 und damit die weiterhin begehrte Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zuerkannt. Sein Ziel, diese Zuerkennungen fortbestehen zu lassen, kann der Kläger bereits mit einer isolierten Anfechtungsklage gegen den Herabsetzungsbescheid erreichen. Eine solche Anfechtungsklage kann auch - im Sinne einer Teil-Anfechtung - auf die bloße Abänderung einer Herabsetzung gerichtet sein. Einer (erneuten) Zuerkennung irgendeines GdB durch den Beklagten bedarf es in dieser Situation nicht (vgl. zuletzt Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 6. Oktober 2015 - B 9 SB 46/15 B - juris, Rz. 6; ebenso Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 – L 6 SB 3978/14 –, juris, Rz. 26).
Vor diesem Hintergrund ist auch der Bescheid des Beklagten vom 26. November 2015 Gegenstand des Verfahrens geworden. Er ist nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 SGG in das bei seinem Erlass bereits (zulässigerweise) anhängige Berufungsverfahren einbezogen worden. Nur ein bloßer "Ausführungsbescheid", der lediglich im Sinne einer vorläufigen Regelung einem ergangenen Urteil Rechnung trägt, hat keine eigene Regelungswirkung und wird daher nicht in ein weiterhin laufendes gerichtliches Verfahren einbezogen (BSG, Beschluss vom 6. Januar 2003 – B 9 V 77/01 B –, juris, Rz. 5 m.w.N.). Diese Erwägung trifft schon auf solche Bescheide nicht zu, die nicht in Ausführung eines (noch nicht rechtskräftigen) Urteils ergangen sind, sondern denen ein Vergleich (Teil-Vergleich) oder ein angenommenes Teil-Anerkenntnis zu Grunde liegt, denn in diesen Fällen will sich eine Behörde endgültig binden. Hier jedoch lag dem Bescheid vom 26. November 2015 weder ein Urteil noch ein Vergleich zu Grunde. Ein Vergleich war nicht zu Stande gekommen. Und der klagabweisende Tenor des Urteils des SG vom 19. August 2015 war zwar inhaltlich fehlerhaft, aber das SG hatte ihn bewusst so verkündet, sodass er bindend war; nicht etwa lag nur eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne eines Schreibfehlers im Sinne von § 138 Satz 1 SGG vor, die das SG hätte berichtigen können. Auch inhaltlich erfüllt der Bescheid vom 26. November 2015 die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG. Mit ihm hat der Beklagte den ursprünglich angefochtenen Bescheid insoweit wieder aufgehoben (abgeändert), als der GdB des Klägers nicht auf 20, sondern nur auf 30 abgesenkt worden ist.
Die Klage ist auch insoweit begründet, als der Beklagte den GdB des Klägers ab dem 14. Juli 2011 nur auf 40 herabsetzen durfte. Insoweit ist der angegriffene Herabsetzungsbescheid seinerseits aufzuheben.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Hierbei ist die Feststellung eines bestimmten GdB ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 8). Eine wesentliche Veränderung der Sachlage liegt bei der Zuerkennung eines GdB z.B. dann vor, wenn sich der Gesundheitszustand des behinderten Menschen so verbessert oder verschlechtert hat, dass eine Herabsetzung oder eine Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 gerechtfertigt ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Auch der Ablauf einer Heilungsbewährung ist eine solche Veränderung, wenn diese dazu führt, dass der GdB niedriger festzusetzen ist als zuvor. Hierbei handelt es sich um eine Änderung der Sachlage im Sinne eines Zeitablaufs (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 2/15 R –, juris, Rz. 13).
Die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, der den GdB herabsetzt, bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, in der Regel also (§ 95 SGG) bei Erlass des Widerspruchsbescheids. Dies ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz für isolierte Anfechtungsklagen, während bei Verpflichtungs- und anderen Leistungsklagen grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz abzustellen ist (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34). Nur ausnahmsweise ist auch bei einer Anfechtungsklage auf diesen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, wenn die Klage einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung betrifft. Dies kann etwa ein Beitrags- oder Umlagebescheid sein (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1996 – 9 RVs 5/95 –, juris, Rz. 14). Wie allerdings auch das BSG bereits mehrfach entschieden hat, ist indessen der Bescheid, mit dem - wie hier - ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wegen ursprünglicher Unrichtigkeit (§ 45 SGB X) oder wegen einer Änderung der Verhältnisse zu Lasten des Begünstigten (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) aufgehoben wird, selbst kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Seine Wirkung beschränkt sich auf die Veränderung der Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt. Es gibt auch keinen Grund, in diesen Fällen davon abzuweichen, einen solchen Bescheid nur nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit seines Erlasses zu überprüfen. Dies führt nicht zu gravierenden Nachteilen für die Behörde und den Betroffenen: Sollte die Entziehung oder Herabsetzung erst zu einem nach dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens liegenden Zeitpunkt gerechtfertigt sein, so genießt der Behinderte zunächst weiter die Vorteile des begünstigenden Verwaltungsaktes, und die Behörde kann nach Verfahrensabschluss die Entziehung mit Wirkung für die Zukunft wiederholen. Sind dagegen die Voraussetzungen der Begünstigung zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes entfallen und werden sie im Laufe des Gerichtsverfahrens wieder erfüllt, so hat der Beklagte dem Behinderten noch während des Gerichtsverfahrens oder im Anschluss daran auf dessen Antrag die verlorengegangene Rechtsstellung - notfalls rückwirkend - wieder einzuräumen (vgl. zu allem Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 – L 6 SB 3978/14 –, juris, Rz. 31).
Aus diesem Grunde ist im vorliegenden Falle nur auf den Gesundheitszustand des Klägers zur Zeit der angegriffenen Entscheidung des Beklagten - also zwischen dem Zeitpunkt der verfügten Herabsetzung des GdB am 14. Juli 2011 und dem Erlass des diese überprüfenden Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2012, aber nicht mehr bis zum Wirksamwerden des Bescheides vom 26. November 2015 - abzustellen. Spätere - erneute - Verschlechterungen können nicht in diesem Verfahren geltend gemacht werden. Insoweit hat der Kläger folgerichtig inzwischen einen Neufeststellungsantrag bei dem Beklagten gestellt.
In gleicher Weise ist in diesem Verfahren die Rechtslage zu Grunde zu legen, die in den Jahren 2011 und 2012 galt. Nicht etwa sind z.B. die seit Januar 2017 geltenden, erheblichen Änderungen durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234) zu berücksichtigen. Hiernach sind hier die Regelungen in § 69 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) a.F. heranzuziehen, wonach die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden den GdB in 10-er Graden abgestuft feststellen und wonach hierfür nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX a.F. die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und danach der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) sowie der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), der Anlage zu § 2 VersMedV, galten. Diese Regelungen der VG geben den medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wieder (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR. 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (zu allem Urteil des Senats vom 29. April 2014 – L 6 SB 3891/13 –, juris, Rz. 33).
Vor diesem Hintergrund betrug der GdB des Klägers bei der Herabsetzung 40.
Ein erhöhter GdB wegen einer Heilungsbewährung war nicht mehr zu berücksichtigen. Nach den VG, Teil A Nr. 7b, ist der GdB nach dem Ablauf einer solchen Frist neu zu bewerten. Die Frist betrug hier mangels anderer Festsetzungen fünf Jahre (VG, Teil B Nr. 1 Buchstabe c). Maßgeblicher Bezugspunkt für den Beginn der Heilungsbewährung ist der Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann; eine zusätzliche adjuvante Therapie hat keinen Einfluss auf den Beginn der Heilungsbewährung (Urteil des Senats, a.a.O., Rz. 32).
Dagegen musste der Beklagte bei der Herabsetzung den Diabetes berücksichtigen, auch wenn sich der Kläger im Herabsetzungsverfahren nicht darauf berufen hatte. Objektiv lag diese Erkrankung nämlich auch in der hier maßgeblichen Zeit schon vor. Dies allein führt dazu, dass sie berücksichtigt werden musste, denn auch in einem Herabsetzungsverfahren muss die Behörde den gesamten entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen ermitteln (§ 20 Abs. 1 SGB X). Der Diabetes wurde nach der Aussage von Dr. W. bereits 2006 erstmals diagnostiziert, in seinem Kurzbrief vom 14. Dezember 2015 hatte er für die ED noch 2007 angegeben. Für die Bewertung dieser Erkrankung im Jahre 2011/2012 galt schon die 2. Änderungsverordnung zur VersMedV (2. VersMedV-ÄndVO) vom 14. Juli 2010 (BGBl I S. 928), wonach es auf die Hypoglykämie-Neigung und weitere Teilhabe-Einschränkungen ankommt. Nach Dr. W.s Aussage wurde und wird der Diabetes überhaupt nicht medikamentös behandelt, sondern durch Diät. Insofern kommt bei wortlautgetreuer Auslegung der VG, Teil B Nr. 15.1, kein GdB in Betracht, da keine Medikation mit der Gefahr von Hypoglykämien stattfand. Allenfalls ist ein GdB von bis zu 10 denkbar, wenn die anderen Einschränkungen des Klägers (durch die diätische Lebensführung) in den Blick genommen werden. Entsprechend hatte der Reha-Bericht aus W. vom 19. Juli 2006 auch nur eine diabetogene Stoffwechsellage ohne Entgleisungen und ohne Komplikationen (E13.90 nach ICD-10) als Diagnose enthalten.
Der Bluthochdruck war und ist nach Dr. W.s Aussage gut eingestellt und beträgt (im Längsschnitt) 140/80 mmHg. Dafür ist nach den VG, Teil B Nr. 9.3, kein GdB zu vergeben (keine Organbeteiligungen, keine mehrfache Messung des diastolischen Werts über 100 mmHg).
Hinsichtlich der Ohren ist in diesem Herabsetzungsverfahren nur der Tinnitus zu berücksichtigen. Er war bereits Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und schon in dem ursprünglichen Bescheid vom 10. August 2006 erwähnt, außerdem leidet der Kläger daran nach der jetzigen Aussage des HNO-Arztes Dr. G. seit 2002. Dagegen kann die Innenohrschwerhörigkeit des Klägers, die sich ebenfalls aus dieser Zeugenaussage und aus den beigefügten Audiogrammen ergibt, nicht berücksichtigt werden. Sie wurde erstmals bei der Untersuchung am 28. März 2014 festgestellt, also lange nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt im Januar 2012. Der danach allein maßgebliche Tinnitus bedingt - ebenfalls - einen GdB von höchstens 10. Nach den VG, Teil B Nr. 5.3, führt ein Tinnitus ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen zu einem GdB von 0 bis 10. Ein GdB von 20 kommt erst bei erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen in Betracht. Von solchen psychischen Beeinträchtigungen auf Grund des Tinnitus - und nicht etwa auf Grund der durchgemachten Dickdarmerkrankung - ist bei dem Kläger nichts ersichtlich. Hier¬auf deutet auch hin, dass er den Tinnitus nicht hat behandeln lassen und nach Aktenlage erstmals im März 2014 - mit Dr. G. - (wieder) einen HNO-Arzt aufgesucht hat.
Wegen der Sehschwäche und des Zustandes nach Implantation von Kunstlinsen ist in diesem Herabsetzungsverfahren kein GdB zu berücksichtigen, da diese Beeinträchtigungen erstmals ab 2013 aufgetreten sind. Insofern kann offen bleiben, ob auch jetzt - so wie es Prof. Dr. R. ausgesagt hat - kein GdB zu vergeben ist.
Allerdings bewertet der Senat die Afterschließmuskelschwäche des Klägers ab 2011 mit einem GdB von 40, wie es auch Dr. G. in der letzten versorgungsärztlichen Stellungnahme des Beklagten für vertretbar gehalten hat. Zutreffend hat zwar das SG entschieden, dass ein GdB von 50 nicht in Betracht kommt, auch und gerade nicht auf Grund der Feststellungen aus dem Gutachten von Dr. H ... Hierfür ist nach den VG, Teil B Nr. 10.3, ein - vollständiger - Funktionsverlust notwendig, der auch festen Stuhl umfasst. Bei dem Kläger besteht jedoch Inkontinenz - ständig - nur für Gase und flüssigen Stuhl. Für festen Stuhl hat Dr. H. in seinem Gutachten nur eine sporadische Inkontinenz festgestellt. Dies entspricht auch den Angaben des Klägers selbst, der im Wesentlichen eher darauf abstellt, er könne im Vorfeld nicht merken, welcher Art der anstehende Stuhl sei, sodass er - sicherheitshalber - immer in der Nähe einer Toilette bleiben müsse. Jedoch ist seine übrige Inkontinenz als erheblich einzustufen. Dies zeigen nicht nur die häufiger auftretenden Phasen mit nur flüssigem Stuhl, die sogar - Ende 2014 - zu einer stationären Behandlung geführt haben. Auch Dr. H. hat nach einer Bewertung entsprechend dem Wexner-Score eine "schwere" Inkontinenz angenommen. Sie liegt daher nicht nur oberhalb der "seltenen, nur unter besonderen Belastungen auftretenden unwillkürlichen Stuhlabgängen", die nur zu einem GdB von 10 führen würden, sondern in der für die übrigen Formen vorgesehenen Spanne von 20 bis 40. In diesem Rahmen kann der obere Wert von 40 angenommen werden. Hiergegen spricht nach Ansicht des Senats auch nicht, dass der Kläger bislang von einem künstlichen Darmausgang (anus praeter) abgesehen hat, obwohl sich die Inkontinenz dadurch erheblich verbessern würde. Hieraus ist nicht zwingend auf einen geringen Leidensdruck zu schließen, weil diese Operation und auch der körperliche Zustand danach stattdessen erhebliche seelische Belastungen verursachen können und daher wohl auch nicht duldungspflichtig wären (vgl. §§ 63, 65 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]).
Da neben dem insoweit anzunehmenden GdB von 40 für die Afterschließmuskelschwäche keine weiteren GdB-Werte von mehr als 10 vorhanden waren (vgl. zur Bildung des Gesamt-GdB die VG, Teil A Nr. 3), verbleibt es auch insgesamt bei einem GdB von 40.
Dahinstehen kann, ob der Beklagte den Bescheid vom 10. August 2006 mit dem angefochtenen vom 11. Juli 2011 zutreffend ab dem 14. Juli 2011 mit Wirkung für "die Zukunft" aufgehoben hat. Der im Inland durch einen Postdienstleister übermittelte Bescheid vom 11. Juli 2011 gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X frühestens am 14. Juli 2011 als bekannt gegeben, weshalb die Aufhebung möglicherweise erst für den Folgetag hätte erfolgen dürfen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 - 11b RAr 53/86 -, BSGE 61, 189 (190); Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 18 m. w. N.; a. A. Steinwedel, in Kasseler Kommentar zum SGB X, Stand: Juni 2016, § 48 Rz. 34, wonach auf den Zeitpunkt ab Bekanntgabe abzustellen ist). Der Berufung fehlte jedoch in diesem Fall am Rechtsschutzbedürfnis, da es nicht erforderlich ist, hierfür gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, Vorbem. vor § 51 Rz. 16a). Die besonderen Regelungen für Menschen mit Schwerbehinderung werden zwar nicht angewendet nach dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SGB IX (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB IX); wenn sich der GdB auf weniger als 50 reduziert, indes erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB IX). Wegen des laufenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 11. Juli 2011 in der Fassung des Bescheides vom 26. November 2015 immer noch nicht unanfechtbar geworden, weshalb der Kläger, bezogen auf den bislang festgestellten GdB von 80 nach wie vor im Genuss aller Rechte aus dem SGB IX und sonstiger Schutzbestimmungen geblieben ist (vgl. Pahlen, in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Kommentar zum SGB IX, 12. Aufl. 2010, § 116 Rz. 3).
Die Entscheidung über die Kosten beider Instanzen beruht auf § 193 SGG. Auch wenn der Kläger sein Hauptziel nicht hat erreichen können, die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zu verteidigen, ist eine - geringe - Kostenquote angemessen, nachdem der Beklagte den GdB zunächst auf 20 herabgesetzt hatte.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Der Beklagte erstattet dem Kläger ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung eines festgestellten Grades der Behinderung (GdB) wegen Ablaufs einer Heilungsbewährung.
Der Kläger ist 1953 geboren und im Inland wohnhaft. Mit Bescheid vom 10. August 2006 hatte der Beklagte bei ihm einen GdB von 80 festgestellt. Jenem Bescheid hatten eine Enddarmerkrankung in Heilungsbewährung und Ohrgeräusche (Tinnitus) zu Grunde gelegen.
Nach einer Anhörung des Klägers stellte der Beklagte mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 11. Juli 2011 den GdB ab dem 14. Juli 2011 mit 20 fest und hob den Bescheid vom 10. August 2006 auf. Er legte dem einen Teilverlust des Dickdarms und Ohrgeräusche (Tinnitus) zu Grunde. Er führte aus, die Heilungsbewährung für die 2006 berücksichtigte Erkrankung des Dickdarms sei inzwischen abgelaufen.
Der Kläger erhob Widerspruch und begehrte, den GdB nicht niedriger als 50 festzusetzen. Er trug vor, die Darmerkrankung sei auch nach Ablauf der Heilungsbewährung höher zu bewerten, weil er unter Stuhlinkontinenz leide, die sich nicht nur in seltenem, nur unter besonderer Belastung auftretendem Stuhlabgang äußere, sondern auch an Tagen mit wenig Beschwerden dazu führe, dass er sich immer in der Nähe einer Toilette aufhalten müsse. Der jetzige Zustand sei schlechter als in der Zeit, in der er nach der damaligen Operation über einen künstlichen Darmausgang verfügt habe. Ferner leide er an einem Diabetes, der bei der Feststellung des nunmehrigen GdB zu berücksichtigen sei.
Der Beklagte holte Befundberichte des Klinikums K. und der Ärzte Dr. W. und Dr. K. sowie eines Labors ein und wertete sie aus. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2012 wies er den Widerspruch zurück. Die fünfjährige Heilungsbewährung sei ohne Komplikationen und ohne Rezidiv abgelaufen. Ein vollständiger Funktionsverlust des Afterschließmuskels liege nicht vor. Der Tinnitus werde nicht behandelt und als erträglich geschildert.
Am 23. Februar 2012 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und sein Vorbringen vertieft.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Aus den Angaben von Dr. W. vom 1. Juni 2012 und von Prof. Dr. R., Klinikum K., vom 5. Juni 2012 hat sich ergeben, dass Inkontinenz für gasförmige und flüssige Stoffe bestehe und der Kläger zwischen drei- und viermal, an "schlechten Tagen" zehnmal täglich die Toilette aufsuchen müsse. Der Diabetes werde ohne Medikamente behandelt. Der Beklagte hat daraufhin am 29. August 2012 einen Vergleich dahin angeboten, den GdB bei 30 zu belassen (Teil-GdB 30 für den Teilverlust des Dickdarms, 10 für die Ohrgeräusche). Ein solcher Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.
Mit Beschluss vom 19. Oktober 2012 hat das SG einen nicht namentlich bezeichneten Arzt vom HBK Darmzentrum H.-B. in S. mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt und die Akten dorthin geschickt. Nachdem von dort keine Reaktion erfolgt ist, hat das SG mehrfach nachgefragt. Das beauftragte Klinikum hat am 25. Juni 2013 mitgeteilt, es habe die Akten ohne Gutachten an das SG zurückgeschickt, denn da der Kläger in dem Klinikum behandelt worden sei, könne dort keines erstellt werden. Nachdem das SG die verlorengegangenen Akten trotz verschiedener Bemühungen bis November 2013 nicht wieder hat auffinden können, hat es mit Hilfe des Beklagten die Akten, soweit möglich, rekonstruiert.
Im Januar 2014 hat der Kläger mitgeteilt, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, nachdem er wegen eines "Grauen Stars" am linken Auge operiert worden sei.
Am 5. Februar 2014 hat das SG Dr. H., den Chefarzt des Darmzentrums bei der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie S., mit einer Begutachtung des Klägers beauftragt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 7. Juli 2014 ausgeführt, dieser habe angegeben, er könne dünnflüssigen Stuhl, den er im Durchschnitt alle vier bis fünf Tage habe, nicht halten. An solchen Tagen müsse er oft drei- bis viermal je Stunde die Toilette aufsuchen. Er könne oft die Stuhlqualität im Vorfeld nicht unterscheiden, sodass auch unwillkürlich Stuhl abgehe. Dr. H. hat mitgeteilt, bei dem Kläger sei nach dem "Wexner-Inkontinenz-Score" (mit 16 von 20 Punkten) von einer schweren Inkontinenz auszugehen, wobei diese Gesundheitsstörung für geformten Stuhl sporadisch und für flüssigen/weichen Stuhl und für Winde immer vorliege. Der Afterschließmuskel könne angespannt werden, was jedoch wegen einer narbig fibrosen Anastomose nicht zu einer suffizienten Verschlussfunktion führe. Es sei von einem GdB von 50 auszugehen, weil der Kläger erhebliche Einbußen im Alltagsleben und auch beruflich dadurch erleide, dass er die Stuhlinkontinenz nicht abschätzen könne.
Der Beklagte ist diesem Vorschlag entgegengetreten und hat ausgeführt, ein GdB von 50 komme erst bei einem vollständigen Verlust des Afterschließmuskels auch für festen Stuhl in Betracht, der hier nicht vorliege.
Das SG hat sodann den behandelnden Augenarzt Prof. Dr. R. als sachverständigen Zeugen vernommen, der unter dem 4. Februar 2015 ausgeführt hat, bei dem Kläger bestehe nach der Cataract-Operation im Jahre 2013 beidseits eine Pseudophakie (Kunstlinsenversorgung), der Visus betrage beidseits 0,8, auf augenärztlichem Fachgebiet liege daher kein GdB vor.
Der Kläger hat den Befundbericht des Klinikums K. vom 2. Januar 2015 zur Akte gereicht, wonach er ab dem 29. Dezember 2014 wegen starker Diarrhoe (auf Grund einer Infektionserkrankung in der Familie) stationär behandelt worden und am 31. Dezember 2014 "beschwerdearm" entlassen worden ist.
In der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2015 hat der Kläger neben der Aufhebung des Bescheids vom 11. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2012 auch eine Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50 beantragt. Auf diese Verhandlung hin hat das SG ein Urteil verkündet, mit dem es die Klage abgewiesen hat. In den - später abgesetzten - Entscheidungsgründen hat es darauf hingewiesen, es habe versehentlich einen falschen Tenor verkündet, weil das Vergleichsangebot des Beklagten vom 29. August 2012 über einen GdB von 30 übersehen worden sei. In der Sache hat es ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 bestehe nicht. Die Heilungsbewährung sei ohne Rezidiv abgelaufen. Die verbleibende Afterschließmuskelschwäche sei "mindestens" mit dem vom Beklagten angebotenen GdB von 30 zu bewerten, jedoch entgegen dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. H. nicht mit einem GdB von 50, da dafür zwingend ein vollständiger Funktionsverlust des Afters auch für festen Stuhl notwendig sei, der hier nicht vorliege. Dem Klinikaufenthalt des Klägers Ende 2014 habe ein vorübergehendes Geschehen zu Grunde gelegen. Auf augenärztlichem Gebiet liege nach der Zeugenaussage von Prof. Dr. R. kein GdB vor. Die Ohrgeräusche seien zutreffend mit einem GdB von 10 bewertet, nachdem auch eine Verschlechterung nicht geltend gemacht worden sei.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 13. Oktober 2015 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 29. Oktober 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Würt¬temberg (LSG) erhoben.
Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen wegen der Auswirkungen der Afterschließmuskelschwäche. Er teilt mit, er habe sich in letzter Zeit mehrfach mehrtägigen Klinikaufenthalten wegen der Stuhlinkontinenz und der Verwachsungen im Enddarmbereich unterziehen müssen. Auch der Diabetes belaste ihn erheblich, sei aber nicht berücksichtigt. Hierzu hat der Kläger ein Attest von Dr. W. vom 14. Dezember 2015 vorgelegt, wonach ein Diabetes mellitus II seit dem Jahre 2007 bestehe.
Mit Bescheid vom 26. November 2015 hat der Beklagte "in Ausführung des mit dem Kläger geschlossenen Vergleichs vom 29. August 2012" festgestellt, dass der GdB 30 seit dem 14. Juli 2011 betrage. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Widerspruch eingelegt, weil ein Vergleich nicht geschlossen worden sei. Über diesen Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Der Kläger hat zunächst weiterhin eine Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von 50 beantragt. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass ein Verpflichtungsantrag unzulässig sei, da nur ein Herabsetzungsbescheid angefochten worden sei und dass es daher nur auf die Sach- und Rechtslage bei Erlass dieses Bescheids ankomme. Daraufhin hat der Kläger am 8. November 2016 bei dem Beklagten einen Erhöhungsantrag gestellt, über den - ebenfalls - noch nicht entschieden ist.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. August 2015 und den Bescheid vom 11. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2012 und des Bescheids vom 26. November 2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verweist darauf, dass nach den Angaben der behandelnden Ärzte ein künstlicher Darmausgang eine erhebliche Linderung erbrächte, der Kläger einen solchen aber ablehne, weswegen davon auszugehen sei, dass die jetzige Situation doch erträglicher sei als angegeben. Zu dem Diabetes führt er aus, dieser sei nicht Gegenstand des Verfahrens, da er "neu geltend gemacht" werde.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte erneut schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Dr. W. hat unter anderem mitgeteilt, der Diabetes sei bereits 2006 erstmals diagnostiziert worden. Er sei auch in der Zeit zwischen Juli 2011 und Januar 2012 nur mit einer Diät behandelt worden. Der Kläger leide ferner seit mehreren Jahren an einem Bluthochdruck, der mit Ramipril gut eingestellt sei und 140/80 mmHg betrage. Hierzu hat Dr. W. auch den Entlassungsbericht der Klinik W. vom 19. Juli 2006 über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers nach der Darmoperation vorgelegt. HNO-Arzt Dr. G. hat bekundet, er habe ihn lediglich - zweimalig - im Jahre 2014 behandelt. Er leide aktuell an einem Tinnitus und einer Innenohrschwerhörigkeit, wobei er angegeben habe, der Tinnitus bestehe seit 2002. Der prozentuale Hörverlust sei am 28. März 2014 - nach der 4-Frequenz-Methode auf Grund des Ton-Audiogramms - mit 45 % rechts und 37 % links gemessen worden.
Auf einen Vorschlag des Senats hin hat der Beklagte mitgeteilt, er halte eine vergleichsweise Einigung auf einen GdB von 40 ab dem 14. Juli 2011 für vertretbar. Hierzu hat er eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 26. April 2016 vorgelegt, der Teil-GdB-Werte von 40 für einen Teilverlust des Dickdarms, Stuhlinkontinenz und Verwachsungsbeschwerden, von 15 für eine Schwerhörigkeit beidseits mit Ohrgeräuschen und von 10 für eingepflanzte Kunstlinsen beidseits vorgeschlagen hat. Ein solcher Vergleich ist jedoch nicht zu Stande gekommen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, da er eine behördliche Feststellung anficht, aber keine Leistungen begehrt. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor, insbesondere hat er die Berufung form- und fristgerecht erhoben.
Die Berufung ist auch begründet, allerdings nur zu einem kleineren - weiteren - Teil.
Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag zulässig. Zu Recht hat sich der Kläger nunmehr auf die bloße Anfechtung (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) des Herabsetzungsbescheids vom 11. Juli 2011 beschränkt und den Verpflichtungsantrag fallen gelassen. Der Verpflichtungsantrag war mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Dem Kläger war - mit dem ursprünglichen Bescheid vom 10. August 2006 - ein GdB von 80 und damit die weiterhin begehrte Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zuerkannt. Sein Ziel, diese Zuerkennungen fortbestehen zu lassen, kann der Kläger bereits mit einer isolierten Anfechtungsklage gegen den Herabsetzungsbescheid erreichen. Eine solche Anfechtungsklage kann auch - im Sinne einer Teil-Anfechtung - auf die bloße Abänderung einer Herabsetzung gerichtet sein. Einer (erneuten) Zuerkennung irgendeines GdB durch den Beklagten bedarf es in dieser Situation nicht (vgl. zuletzt Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 6. Oktober 2015 - B 9 SB 46/15 B - juris, Rz. 6; ebenso Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 – L 6 SB 3978/14 –, juris, Rz. 26).
Vor diesem Hintergrund ist auch der Bescheid des Beklagten vom 26. November 2015 Gegenstand des Verfahrens geworden. Er ist nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 SGG in das bei seinem Erlass bereits (zulässigerweise) anhängige Berufungsverfahren einbezogen worden. Nur ein bloßer "Ausführungsbescheid", der lediglich im Sinne einer vorläufigen Regelung einem ergangenen Urteil Rechnung trägt, hat keine eigene Regelungswirkung und wird daher nicht in ein weiterhin laufendes gerichtliches Verfahren einbezogen (BSG, Beschluss vom 6. Januar 2003 – B 9 V 77/01 B –, juris, Rz. 5 m.w.N.). Diese Erwägung trifft schon auf solche Bescheide nicht zu, die nicht in Ausführung eines (noch nicht rechtskräftigen) Urteils ergangen sind, sondern denen ein Vergleich (Teil-Vergleich) oder ein angenommenes Teil-Anerkenntnis zu Grunde liegt, denn in diesen Fällen will sich eine Behörde endgültig binden. Hier jedoch lag dem Bescheid vom 26. November 2015 weder ein Urteil noch ein Vergleich zu Grunde. Ein Vergleich war nicht zu Stande gekommen. Und der klagabweisende Tenor des Urteils des SG vom 19. August 2015 war zwar inhaltlich fehlerhaft, aber das SG hatte ihn bewusst so verkündet, sodass er bindend war; nicht etwa lag nur eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne eines Schreibfehlers im Sinne von § 138 Satz 1 SGG vor, die das SG hätte berichtigen können. Auch inhaltlich erfüllt der Bescheid vom 26. November 2015 die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG. Mit ihm hat der Beklagte den ursprünglich angefochtenen Bescheid insoweit wieder aufgehoben (abgeändert), als der GdB des Klägers nicht auf 20, sondern nur auf 30 abgesenkt worden ist.
Die Klage ist auch insoweit begründet, als der Beklagte den GdB des Klägers ab dem 14. Juli 2011 nur auf 40 herabsetzen durfte. Insoweit ist der angegriffene Herabsetzungsbescheid seinerseits aufzuheben.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Hierbei ist die Feststellung eines bestimmten GdB ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 8). Eine wesentliche Veränderung der Sachlage liegt bei der Zuerkennung eines GdB z.B. dann vor, wenn sich der Gesundheitszustand des behinderten Menschen so verbessert oder verschlechtert hat, dass eine Herabsetzung oder eine Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 gerechtfertigt ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Auch der Ablauf einer Heilungsbewährung ist eine solche Veränderung, wenn diese dazu führt, dass der GdB niedriger festzusetzen ist als zuvor. Hierbei handelt es sich um eine Änderung der Sachlage im Sinne eines Zeitablaufs (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 2/15 R –, juris, Rz. 13).
Die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, der den GdB herabsetzt, bestimmt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, in der Regel also (§ 95 SGG) bei Erlass des Widerspruchsbescheids. Dies ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz für isolierte Anfechtungsklagen, während bei Verpflichtungs- und anderen Leistungsklagen grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz abzustellen ist (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34). Nur ausnahmsweise ist auch bei einer Anfechtungsklage auf diesen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, wenn die Klage einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung betrifft. Dies kann etwa ein Beitrags- oder Umlagebescheid sein (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1996 – 9 RVs 5/95 –, juris, Rz. 14). Wie allerdings auch das BSG bereits mehrfach entschieden hat, ist indessen der Bescheid, mit dem - wie hier - ein begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wegen ursprünglicher Unrichtigkeit (§ 45 SGB X) oder wegen einer Änderung der Verhältnisse zu Lasten des Begünstigten (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) aufgehoben wird, selbst kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Seine Wirkung beschränkt sich auf die Veränderung der Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt. Es gibt auch keinen Grund, in diesen Fällen davon abzuweichen, einen solchen Bescheid nur nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit seines Erlasses zu überprüfen. Dies führt nicht zu gravierenden Nachteilen für die Behörde und den Betroffenen: Sollte die Entziehung oder Herabsetzung erst zu einem nach dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens liegenden Zeitpunkt gerechtfertigt sein, so genießt der Behinderte zunächst weiter die Vorteile des begünstigenden Verwaltungsaktes, und die Behörde kann nach Verfahrensabschluss die Entziehung mit Wirkung für die Zukunft wiederholen. Sind dagegen die Voraussetzungen der Begünstigung zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes entfallen und werden sie im Laufe des Gerichtsverfahrens wieder erfüllt, so hat der Beklagte dem Behinderten noch während des Gerichtsverfahrens oder im Anschluss daran auf dessen Antrag die verlorengegangene Rechtsstellung - notfalls rückwirkend - wieder einzuräumen (vgl. zu allem Urteil des Senats vom 17. Dezember 2015 – L 6 SB 3978/14 –, juris, Rz. 31).
Aus diesem Grunde ist im vorliegenden Falle nur auf den Gesundheitszustand des Klägers zur Zeit der angegriffenen Entscheidung des Beklagten - also zwischen dem Zeitpunkt der verfügten Herabsetzung des GdB am 14. Juli 2011 und dem Erlass des diese überprüfenden Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2012, aber nicht mehr bis zum Wirksamwerden des Bescheides vom 26. November 2015 - abzustellen. Spätere - erneute - Verschlechterungen können nicht in diesem Verfahren geltend gemacht werden. Insoweit hat der Kläger folgerichtig inzwischen einen Neufeststellungsantrag bei dem Beklagten gestellt.
In gleicher Weise ist in diesem Verfahren die Rechtslage zu Grunde zu legen, die in den Jahren 2011 und 2012 galt. Nicht etwa sind z.B. die seit Januar 2017 geltenden, erheblichen Änderungen durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234) zu berücksichtigen. Hiernach sind hier die Regelungen in § 69 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) a.F. heranzuziehen, wonach die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden den GdB in 10-er Graden abgestuft feststellen und wonach hierfür nach § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX a.F. die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und danach der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) sowie der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG), der Anlage zu § 2 VersMedV, galten. Diese Regelungen der VG geben den medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wieder (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR. 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (zu allem Urteil des Senats vom 29. April 2014 – L 6 SB 3891/13 –, juris, Rz. 33).
Vor diesem Hintergrund betrug der GdB des Klägers bei der Herabsetzung 40.
Ein erhöhter GdB wegen einer Heilungsbewährung war nicht mehr zu berücksichtigen. Nach den VG, Teil A Nr. 7b, ist der GdB nach dem Ablauf einer solchen Frist neu zu bewerten. Die Frist betrug hier mangels anderer Festsetzungen fünf Jahre (VG, Teil B Nr. 1 Buchstabe c). Maßgeblicher Bezugspunkt für den Beginn der Heilungsbewährung ist der Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann; eine zusätzliche adjuvante Therapie hat keinen Einfluss auf den Beginn der Heilungsbewährung (Urteil des Senats, a.a.O., Rz. 32).
Dagegen musste der Beklagte bei der Herabsetzung den Diabetes berücksichtigen, auch wenn sich der Kläger im Herabsetzungsverfahren nicht darauf berufen hatte. Objektiv lag diese Erkrankung nämlich auch in der hier maßgeblichen Zeit schon vor. Dies allein führt dazu, dass sie berücksichtigt werden musste, denn auch in einem Herabsetzungsverfahren muss die Behörde den gesamten entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen ermitteln (§ 20 Abs. 1 SGB X). Der Diabetes wurde nach der Aussage von Dr. W. bereits 2006 erstmals diagnostiziert, in seinem Kurzbrief vom 14. Dezember 2015 hatte er für die ED noch 2007 angegeben. Für die Bewertung dieser Erkrankung im Jahre 2011/2012 galt schon die 2. Änderungsverordnung zur VersMedV (2. VersMedV-ÄndVO) vom 14. Juli 2010 (BGBl I S. 928), wonach es auf die Hypoglykämie-Neigung und weitere Teilhabe-Einschränkungen ankommt. Nach Dr. W.s Aussage wurde und wird der Diabetes überhaupt nicht medikamentös behandelt, sondern durch Diät. Insofern kommt bei wortlautgetreuer Auslegung der VG, Teil B Nr. 15.1, kein GdB in Betracht, da keine Medikation mit der Gefahr von Hypoglykämien stattfand. Allenfalls ist ein GdB von bis zu 10 denkbar, wenn die anderen Einschränkungen des Klägers (durch die diätische Lebensführung) in den Blick genommen werden. Entsprechend hatte der Reha-Bericht aus W. vom 19. Juli 2006 auch nur eine diabetogene Stoffwechsellage ohne Entgleisungen und ohne Komplikationen (E13.90 nach ICD-10) als Diagnose enthalten.
Der Bluthochdruck war und ist nach Dr. W.s Aussage gut eingestellt und beträgt (im Längsschnitt) 140/80 mmHg. Dafür ist nach den VG, Teil B Nr. 9.3, kein GdB zu vergeben (keine Organbeteiligungen, keine mehrfache Messung des diastolischen Werts über 100 mmHg).
Hinsichtlich der Ohren ist in diesem Herabsetzungsverfahren nur der Tinnitus zu berücksichtigen. Er war bereits Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und schon in dem ursprünglichen Bescheid vom 10. August 2006 erwähnt, außerdem leidet der Kläger daran nach der jetzigen Aussage des HNO-Arztes Dr. G. seit 2002. Dagegen kann die Innenohrschwerhörigkeit des Klägers, die sich ebenfalls aus dieser Zeugenaussage und aus den beigefügten Audiogrammen ergibt, nicht berücksichtigt werden. Sie wurde erstmals bei der Untersuchung am 28. März 2014 festgestellt, also lange nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt im Januar 2012. Der danach allein maßgebliche Tinnitus bedingt - ebenfalls - einen GdB von höchstens 10. Nach den VG, Teil B Nr. 5.3, führt ein Tinnitus ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen zu einem GdB von 0 bis 10. Ein GdB von 20 kommt erst bei erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen in Betracht. Von solchen psychischen Beeinträchtigungen auf Grund des Tinnitus - und nicht etwa auf Grund der durchgemachten Dickdarmerkrankung - ist bei dem Kläger nichts ersichtlich. Hier¬auf deutet auch hin, dass er den Tinnitus nicht hat behandeln lassen und nach Aktenlage erstmals im März 2014 - mit Dr. G. - (wieder) einen HNO-Arzt aufgesucht hat.
Wegen der Sehschwäche und des Zustandes nach Implantation von Kunstlinsen ist in diesem Herabsetzungsverfahren kein GdB zu berücksichtigen, da diese Beeinträchtigungen erstmals ab 2013 aufgetreten sind. Insofern kann offen bleiben, ob auch jetzt - so wie es Prof. Dr. R. ausgesagt hat - kein GdB zu vergeben ist.
Allerdings bewertet der Senat die Afterschließmuskelschwäche des Klägers ab 2011 mit einem GdB von 40, wie es auch Dr. G. in der letzten versorgungsärztlichen Stellungnahme des Beklagten für vertretbar gehalten hat. Zutreffend hat zwar das SG entschieden, dass ein GdB von 50 nicht in Betracht kommt, auch und gerade nicht auf Grund der Feststellungen aus dem Gutachten von Dr. H ... Hierfür ist nach den VG, Teil B Nr. 10.3, ein - vollständiger - Funktionsverlust notwendig, der auch festen Stuhl umfasst. Bei dem Kläger besteht jedoch Inkontinenz - ständig - nur für Gase und flüssigen Stuhl. Für festen Stuhl hat Dr. H. in seinem Gutachten nur eine sporadische Inkontinenz festgestellt. Dies entspricht auch den Angaben des Klägers selbst, der im Wesentlichen eher darauf abstellt, er könne im Vorfeld nicht merken, welcher Art der anstehende Stuhl sei, sodass er - sicherheitshalber - immer in der Nähe einer Toilette bleiben müsse. Jedoch ist seine übrige Inkontinenz als erheblich einzustufen. Dies zeigen nicht nur die häufiger auftretenden Phasen mit nur flüssigem Stuhl, die sogar - Ende 2014 - zu einer stationären Behandlung geführt haben. Auch Dr. H. hat nach einer Bewertung entsprechend dem Wexner-Score eine "schwere" Inkontinenz angenommen. Sie liegt daher nicht nur oberhalb der "seltenen, nur unter besonderen Belastungen auftretenden unwillkürlichen Stuhlabgängen", die nur zu einem GdB von 10 führen würden, sondern in der für die übrigen Formen vorgesehenen Spanne von 20 bis 40. In diesem Rahmen kann der obere Wert von 40 angenommen werden. Hiergegen spricht nach Ansicht des Senats auch nicht, dass der Kläger bislang von einem künstlichen Darmausgang (anus praeter) abgesehen hat, obwohl sich die Inkontinenz dadurch erheblich verbessern würde. Hieraus ist nicht zwingend auf einen geringen Leidensdruck zu schließen, weil diese Operation und auch der körperliche Zustand danach stattdessen erhebliche seelische Belastungen verursachen können und daher wohl auch nicht duldungspflichtig wären (vgl. §§ 63, 65 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]).
Da neben dem insoweit anzunehmenden GdB von 40 für die Afterschließmuskelschwäche keine weiteren GdB-Werte von mehr als 10 vorhanden waren (vgl. zur Bildung des Gesamt-GdB die VG, Teil A Nr. 3), verbleibt es auch insgesamt bei einem GdB von 40.
Dahinstehen kann, ob der Beklagte den Bescheid vom 10. August 2006 mit dem angefochtenen vom 11. Juli 2011 zutreffend ab dem 14. Juli 2011 mit Wirkung für "die Zukunft" aufgehoben hat. Der im Inland durch einen Postdienstleister übermittelte Bescheid vom 11. Juli 2011 gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X frühestens am 14. Juli 2011 als bekannt gegeben, weshalb die Aufhebung möglicherweise erst für den Folgetag hätte erfolgen dürfen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 - 11b RAr 53/86 -, BSGE 61, 189 (190); Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 18 m. w. N.; a. A. Steinwedel, in Kasseler Kommentar zum SGB X, Stand: Juni 2016, § 48 Rz. 34, wonach auf den Zeitpunkt ab Bekanntgabe abzustellen ist). Der Berufung fehlte jedoch in diesem Fall am Rechtsschutzbedürfnis, da es nicht erforderlich ist, hierfür gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, Vorbem. vor § 51 Rz. 16a). Die besonderen Regelungen für Menschen mit Schwerbehinderung werden zwar nicht angewendet nach dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SGB IX (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB IX); wenn sich der GdB auf weniger als 50 reduziert, indes erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB IX). Wegen des laufenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 11. Juli 2011 in der Fassung des Bescheides vom 26. November 2015 immer noch nicht unanfechtbar geworden, weshalb der Kläger, bezogen auf den bislang festgestellten GdB von 80 nach wie vor im Genuss aller Rechte aus dem SGB IX und sonstiger Schutzbestimmungen geblieben ist (vgl. Pahlen, in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Kommentar zum SGB IX, 12. Aufl. 2010, § 116 Rz. 3).
Die Entscheidung über die Kosten beider Instanzen beruht auf § 193 SGG. Auch wenn der Kläger sein Hauptziel nicht hat erreichen können, die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zu verteidigen, ist eine - geringe - Kostenquote angemessen, nachdem der Beklagte den GdB zunächst auf 20 herabgesetzt hatte.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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