Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AY 2816/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 3293/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Juni 2013 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren sog. Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i.V.m. dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) an Stelle von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ab dem 14. September 2007 bis zum 24. bzw. 30. September 2009.
Der Kläger zu 1 ist 1970, die Klägerin zu 2 1977, der Kläger zu 3 1994, der Kläger zu 4 2000, die Klägerin zu 5 2003, der Kläger zu 2005, die Klägerin zu 7 1996 und die Klägerin zu 8 1995 geboren. Die Kläger zu 3 bis 8 sind die Kinder der Kläger zu 1 und 2. Sie sind Staatsangehörige der libanesischen Republik. Die Kläger zu 1 bis 4, 7 und 8 reisten am 2. September 2002 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragen hier am 12. September 2002 unter Angabe falscher Personalien und unter der Behauptung, irakische Staatsangehörige zu sein, Asyl. Die Asylanträge wurden vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 7. März 2003 abgelehnt; zugleich wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) sowie Abschiebungshindernisse nicht vorliegen. Die Kläger zu 5 und 6 sind in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Die Kläger lebten im streitgegenständlichen Zeitraum in B. W. (Landkreis R.).
Am 14. September 2007 legten die Kläger zu 1 und 2 Auszüge des libanesischen Familienregisters, am 21. Juli 2009 bereits im Jahr 2002 ausgestellte libanesische Nationalpässe bei der zuständigen Ausländerbehörde vor; die entsprechende Änderungsmitteilung über die Identität ging bei der für die Leistungsgewährung zuständigen Stelle am 25. September 2009 ein.
Die Kläger bezogen seit ihrer Einreise bzw. ihrer Geburt Leistungen nach § 3 AsylbLG. Unter anderem bewilligte ihnen der Beklagte solche Leistungen durch Bescheide vom 29. August 2007 für September 2007, vom 19. September 2007 für Oktober 2007, vom 9. Oktober 2007 für Oktober 2007, vom 19. Oktober 2007 für November 2007, vom 22. November 2007 für Dezember 2007 und vom 3. September 2009 für Oktober 2009. Im Übrigen erfolgte die Bewilligung der Grundleistungen in den übrigen streitgegenständlichen Monate durch deren bloße Auszahlung.
Am 30. Dezember 2009 (Schreiben vom 23. Dezember 2009) stellten die Kläger – ohne Bezeichnung von Bescheiden – einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie hätten schon längst in Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG hochgestuft werden müssen. Eine Vernichtung der Pässe könne aus der Ausländerakte nicht nachvollzogen werden. Die Schleuser hätten die Dokumente, mit denen der Kläger zu 1 nach Deutschland gekommen sei, an sich genommen. Ihm dürfe hieraus kein Nachteil erwachsen. Dass er nicht unverzüglich ausgereist sei, sei nicht ausreichend, um ihm Analogleistungen zu verwehren.
Der Beklagte bewilligte den Klägern daraufhin mit Bescheid vom 12. August 2010 Leistungen für Oktober 2009 bis Juli 2010 nach § 2 AsylbLG.
Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 26. August 2010 Widerspruch. Sie machten unter anderem geltend, Analogleistungen müssten ab September 2007 gezahlt werden.
Der Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. August 2010 mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2010 zurück. Die Identität der Kläger habe nach Vorlage der Passdokumente durch diese festgestellt werden können. Die Änderungsmitteilung sei am 25. September 2010 (gemeint: 2009) eingegangen. Ab diesem Zeitpunkt werde die Dauer ihres Aufenthaltes nicht mehr durch eigenes rechtsmissbräuchliches Handeln selbst beeinflusst.
Am 4. November 2010 haben die Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage gegen den Bescheid vom 12. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2010 erhoben mit dem Ziel, Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG ab dem 14. September 2007 zu erhalten. Sie hätten am 14. September 2007 Originalregisterauszüge vorgelegt, die ihre Identität und Herkunft eindeutig belegten. Trotzdem seien die Sozialleistungen bislang nicht geändert worden. Vor dem 21. Juli 2009 hätten sie Nationalpässe bei der Ausländerbehörde eingereicht. Diese hätten die Identitätsangaben bestätigt. In der Folgezeit sei sogar noch ein Familienregisterauszug eingereicht worden. Alle Personalien seien richtig. Auf den Antrag vom 23. Dezember 2009 auf rückwirkende Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG seien Leistungen rückwirkend erst ab Oktober 2009 bewilligt worden. Sie hätten im Jahr 2007 ihre Pässe nicht vorlegen können, da diese nicht in ihrem Besitz gewesen seien. Der Kläger zu 1 habe die Pässe bei Einreise nach Deutschland an den Schleuser übergeben. Im Libanon seien diese Dokumente später sichergestellt worden. Die Familie des Klägers zu 1 habe davon erfahren und ihn hierüber unterrichtet. Dieser habe sie angefordert. Sie hätten erst im Jahr 2009 von einem Verwandten des Klägers zu 1 aus dem Libanon nach Deutschland transportiert werden können. Bei dem Verwandten hätten die Dokumente eine Zeit lang verweilt, bis dieser die Möglichkeit gehabt habe, zu ihnen – den Klägern – zu fahren. Der Kläger zu 1 habe eine Übersendung des Passes auf dem Postweg, sei es aus dem Libanon oder aus Deutschland, abgelehnt, weil er Angst gehabt habe, sie könnten auf dem Postweg verloren gehen. Unabhängig davon, ob das Verhalten der Kläger zu 1 und 2 bei der Einreise objektiv und subjektiv als rechtsmissbräuchlich zu werten sei, dürfe dies nicht im Rahmen einer Sippenhaft auf die zu dem damaligen Zeitpunkt minderjährigen und noch nicht handlungsfähigen, teilweise auch noch nicht geborenen Kläger angewendet werden. Insoweit sei § 2 Abs. 3 AsylbLG verfassungswidrig. Bei einer Vorbezugszeit von 48 Monaten halte es der Gesetzgeber aus Integrationsgesichtspunkten für gerechtfertigt, dass die Leistungen angehoben würden und dem Sozialhilfeniveau angeglichen würden. Diese Integrationskomponente in Verbindung mit dem Gesichtspunkt der Verpflichtung des Staates, die Würde des Menschen zu wahren, mache die Sicherstellung der höheren Analogleistungen unabdingbar, insbesondere für die hier geborenen bzw. hier aufwachsenden Kinder, welche keinen Einfluss auf das Geschehen hätten, aber sehr wohl einen Anspruch auf Integration und Achtung ihrer Menschenwürde. Die Nichtgewährung der höheren Leistungen würde zu der Billigung von menschenverachtenden Leistungen führen. Unzweifelhaft wäre damit eine migrationspolitische Komponente der Vorschrift zu verstehen, welche jegliche Anreize für eine Zuwanderung in das Bundesgebiet vermeiden solle. Solche migrationspolitischen Erwägungen rechtfertigten das Unterschreiten des sozialstaatlich begründeten Existenzminimums jedoch nicht. In Bezug auf die Kläger zu 1 und 2 sei zu beachten, dass selbst nach Richtigstellung der Personalien im Jahr 2007 und Vorlage entsprechender Originaldokumente noch im selben Jahr die Ausreisepflicht durch die entsprechenden Behörden nicht bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Jahr 2012 bzw. 2013 habe durchgesetzt werden können. Daraus werde ersichtlich, dass bei einem ordnungsgemäßen Verhalten der Kläger, wofür lediglich die Angabe der richtigen Personalien erforderlich gewesen sei, die Ausreisepflicht erst recht nicht hätte vollzogen werden können. Es dürfte gerichtsbekannt sein, dass libanesische Behörden insofern nicht kooperativ seien. Am 28. August 2012 hat der frühere Kläger zu 9 die Klage zurück genommen. Der Kläger zu 8 hat die Klage zurückgenommen, soweit sie nicht den Zeitraum vom 9. bis 30. September 2009 betrifft.
Der Beklagte ist den Klagen entgegengetreten. Er hat auf den Akteninhalt und insbesondere den angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Die Kläger seien derzeit im Besitz einer Duldung gemäß § 60a AufenthG. Sie seien libanesische Staatsangehörige und erhielten rückwirkend seit dem 25. September 2009 Leistungen nach § 2 AsylbLG. Die Kläger hätten am 14. September 2007 der Ausländerbehörde einen Auszug aus dem Familienregister aus dem Einwohnerregister des Kreises B. der Republik Libanon vorgelegt. Dieser Auszug habe aber keine unumstößliche Beweiskraft, um die Identität der dort aufgeführten Personen festzustellen. Nachdem die Kläger der Ausländerbehörde auch ihre vorhandenen Passdokumente nachgereicht hätten, die die Schleuser bei der Ankunft der Kläger in Deutschland angeblich an sich genommen hätten, habe die Identität der Kläger festgestellt werden können. Die Änderungsmitteilung sei am 25. September 2009 im Kreissozialamt eingegangen. Ab diesem Zeitpunkt sei die Identität der Kläger bestimmt und die Dauer ihres Aufenthaltes werde nicht mehr durch ihr eigenes rechtsmissbräuchliches Handeln selbst beeinflusst.
Das SG hat die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 26. Juni 2013 abgewiesen. Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG stünden den Klägern zu 1 und 2 nicht zu, weil sie die Dauer ihres Aufenthaltes rechtmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten. Bei den in dem streitigen Zeitraum noch minderjährigen Kindern greife die leistungseinschränkende Regelung in § 2 Abs. 3 AsylbLG ein. Für deren Verfassungswidrigkeit bestünden keine Anhaltspunkte. Den Klägern zu 1 und 2 sei in objektiver und subjektiver Hinsicht ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorzuwerfen. Sie hätten vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 12. September 2002 andere Namen und eine andere Staatsangehörigkeit angegeben als dies der später festgestellten Identität entsprochen habe. Auch auf die Verfügung des Regierungspräsidiums T. vom 14. September 2007 hätten die Kläger zu 1 und 2 keine Pässe vorgelegt, obwohl die ausschließlich im Jahr 2009 in Kopie und 2010 im Original vorgelegten Pässe der Kläger zu 1 und 2 bereits 2002 ausgestellt worden seien und die Kläger zu 1 und 2 die gesamte Zeit wenigstens über diese Kopien verfügt hätten, ohne diese zur Glaubhaftmachung ihrer Identität vorzulegen. Im Übrigen erscheine die Darstellung wenig plausibel, die Originalpässe seien im Libanon aufgetaucht und einem Verwandten des Kläger zu 1 ausgehändigt worden. Schließlich hätten die Kläger selbst eingeräumt, die irakische Staatsangehörigkeit entgegen ihren Angaben bei der Asylantragstellung am 2. September 2002 sowie auch in der nachfolgenden Zeit nie besessen zu haben. Erst durch die am 2. Mai 2002 für den Kläger zu 1 bzw. am 30. April 2002 für die Klägerin zu 2 und ihre damals bereits geborenen vier ältesten Kinder ausgestellten Reisepässe sei glaubhaft gemacht, dass es sich bei den Klägern, wie im Übrigen von ihnen selbst nunmehr geltend gemacht, um libanesische Staatsangehörige handele. Als Grund für die unzutreffende Angabe zu ihrer Staatsangehörigkeit hätten die Kläger zu 1 und 2 bei der Ausländerbehörde ausweislich des Aktenvermerks vom 21. Juli 2009 vorgebracht, sie hätten sich auf Anraten der Fluchthelfer als Iraker ausgegeben, weil ihnen dort erklärt worden sei, dass Iraker in kurzer Zeit in Europa ein Aufenthaltsrecht bekämen, während sie als Libanesen mit der Rückführung in den Libanon zu rechnen hätten. Durch diese bewusste Täuschung über ihre wahre Staatsangehörigkeit und damit die eigene Identität sei der Analogleistungen ausschließende Rechtsmissbrauchstatbestand des § 2 Abs. 1 AsylbLG gegeben. Die Vorlage der Personenstandsregisterauszüge in arabischer Sprache im September 2007 reiche nicht aus, um den auf Dauer angelegten Leistungsausschlussgrund der Rechtsmissbräuchlichkeit zu verneinen. Zum einen komme diesen Auszügen keine mit einem Pass vergleichbare Beweiskraft zu und zum anderen umfassten sie nicht einmal alle im Libanon geborenen Kläger. Zur Beendigung der durch eine aktive Täuschungshandlung hervorgerufenen Rechtsmissbräuchlichkeit hätten die Betroffenen alles in ihren Möglichkeiten stehende zu tun und dürften nicht unter Verweisung auf die Amtsermittlungspflicht der Ausländerbehörden willkürlich die wirklichen beweiskräftigen Dokumente zurückhalten. Im Übrigen liege rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht nur im Falle einer Identitätstäuschung vor, sondern auch dann, wenn sich der Ausländer nicht hinreichend um die Beschaffung eines Passes bemühe. Dies müsse daher hier erst recht gelten, wenn die Kläger zu 1 und 2 vorhandene Pässe zurückhielten und sei auch nur in der Form, dass sie ihrer Übersendung auf dem Postweg aus dem Libanon widersprächen. Der vom Bundessozialgericht (BSG) aufgezeigte Ausnahmefall, dass die Ausreisepflicht unabhängig vom Verhalten des Ausländers nicht hätte vollzogen werden können, sei nicht erwiesen. Allein aus der Tatsache, dass der Aufenthalt der Kläger offenbar auch nach Vorlage der Pässe nicht hätte beendet werden können, folge nicht zwingend der Schluss, dass dies auch bei ordnungsgemäßem Verhalten früher nicht möglich gewesen wäre. Ob beispielsweise unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ein früheres rechtsmissbräuchliches Verhalten einem Ausländer nicht mehr entgegen gehalten werden könnte, wenn dieser trotz eines ungesicherten Aufenthaltsstatus dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland verbleibe und ihm während eines lange Zeitraums ein entsprechendes Fehlverhalten nicht erneut vorgeworfen werden könne, könne hier dahin stehen. Denn der Beklagte habe den Klägern rückwirkend ab Oktober 2009 Analogleistungen bewilligt.
Gegen den ihnen am 1. Juli 2013 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 1. August 2013 beim SG Berufung eingelegt. Die Kläger zu 1 und 2 seien im Jahr 2002 nach Deutschland gereist, um in der Bundesrepublik Deutschland Asyl zu beantragen. Bei der Asylantragstellung hätten sie sich mit falschen Personalien ausgewiesen. Die übrigen Kläger seien bei der Einreise minderjährig gewesen. Am 14. September 2007 hätten die Kläger zu 1 und 2 ihre Identität korrigiert und eindeutig mittels Originalpersonenstandsregisterauszügen belegt. Grundsätzlich reichten Originalregisterauszüge aus, um die Identität eindeutig nachzuweisen. Trotz Vorlage dieser Auszüge und Vorlage der Pässe im Jahr 2009 habe die Ausweisung der Kläger zu keinem Zeitpunkt erfolgen können. Eine Ausweisung sei faktisch zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen. Die Vorbezugszeit sei am 14. September 2007 erfüllt gewesen. Im Übrigen haben die Kläger ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Juni 2013 aufzuheben sowie den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2010 zu verurteilen, ihnen unter teilweiser Rücknahme früherer Bewilligungsbescheide Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz für die Zeit vom 14. September 2007 bis zum 24. September 2009, im Falle des Klägers zu 8 nur für die Zeit vom 9. bis 30. September 2009 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Der Beklagte hält an ihrer Auffassung fest und verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, ihr erstinstanzlichen Vorbringen sowie den angegriffenen Gerichtsbescheid. Ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG bestehe nicht, da eine Täuschung der Kläger hinsichtlich ihrer Identität vorgelegen habe und diese so die Dauer des Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten. Der Beklagte hat eine E-Mail des Regierungspräsidiums K. vom 21. März 2017 vorgelegt, worin diese auf die Anfrage des Beklagten mitteilt, dass es in den Jahren 2006 bis 2012 ein Abschiebeverbot oder etwas Ähnliches in den Libanon nicht gegeben habe.
Die Bundesagentur für Arbeit hat dem Kläger zu 1 Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz für Juli bis November 2016 für die Kläger zu 3 bis 8 gewährt (Bescheid vom 2. August 2016).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaften und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Kläger sind auch im Übrigen zulässig. Sie bedurften insbesondere nicht der Zulassung, da die Kläger höhere Leistungen für mehr als ein Jahr begehren (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Senat konnte über die Berufung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
2. Die Berufungen der Kläger sind aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 12. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2010, soweit damit die Rücknahme der Bescheide vom 29. August 2007, vom 19. September 2007, vom 9. Oktober 2007, vom 19. Oktober 2007, vom 22. November 2007 und vom 3. September 2009 und der konkludenten Bescheide über die Auszahlung von Grundleistungen sowie die Gewährung von Analogleistungen für die Zeit vom 14. September 2007 bis zum 24. September 2009 – bezüglich des Klägers zu 8 für die Zeit vom 8. bis 30. September 2009 – abgelehnt wurde, ist rechtmäßig.
a) Der Beklagte ist für die streitige Entscheidung im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X zuständig gewesen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 – B 7 AY 3/12 R – juris Rdnr. 11). Er ist der für die Entscheidung über Leistungen nach dem AsylbLG sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger gewesen. Die sachliche Zuständigkeit für die Durchführung des AsylbLG ergibt sich für die streitbefangene Zeit aus § 10 AsylbLG i.V.m. § 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes des Landes Baden-Württemberg (FlüAG) vom 11. März 2004 (GBl. S. 99) sowie § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Landesverwaltungsgesetzes Baden-Württemberg (in der Fassung des Gesetz zur Weiterentwicklung der Verwaltungsstrukturreform vom 14. Oktober 2008 [GBl. S. 313]); dies ist die jeweilige untere Verwaltungsbehörde des Landes als untere Aufnahmebehörde (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 – B 7 AY 3/12 R – juris Rdnr. 12). Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus der Zuweisungsentscheidung (§ 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997, BGBl. I S. 1130). Über die hier streitige Rücknahme nach § 44 SGB X entscheidet die zuständige Behörde (§ 44 Abs. 3 SGB X); es gelten dabei die allgemeinen Regelungen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 7 AY 3/12 R – juris Rdnr. 21).
b) Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen für die Rücknahme der oben genannten Bescheide liegen nicht vor. Bei Erlass dieser Bescheide ist das Recht weder unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist. Die oben genannten Bescheide sind vielmehr rechtmäßig. Die Kläger haben für die Zeit vom 14. September 2007 bis zum 24. bzw. 30. September 2009 keinen Anspruch auf Analogleistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG.
c) Gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG in der vom 28. August 2007 bis zum 28. Februar 2015 geltenden, hier anzuwendenden Fassung (a.F.) ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten gemäß § 2 Abs. 3 AsylbLG Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. erhält.
Die Kläger zu 1 und 2 haben die Dauer ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst und sind daher von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ausgeschlossen. Entsprechend haben aufgrund des § 2 Abs. 3 AsylbLG auch die Kläger zu 3 bis 8, die im streitgegenständlichen Zeitraum minderjährig waren und in Haushaltsgemeinschaft mit den Klägern zu 1 und 2 lebten, keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG.
aa) (1) Der Begriff des Rechtsmissbrauchs als vorwerfbares Fehlverhalten beinhaltet eine objektive (den Missbrauchstatbestand) und eine subjektive Komponente (das Verschulden; BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 32). In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus. Der Ausländer soll danach von Analogleistungen ausgeschlossen sein, wenn die von § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung andernfalls auf gesetzwidrige oder sittenwidrige Weise erworben wäre. Der Ausländer darf sich also nicht auf einen Umstand (Aufenthaltsdauer von 48 Monaten mit Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG) berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 33). Die Begründung des einschlägigen Gesetzentwurfes führt beispielhaft die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität als typische Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs an (Bundestags-Drucksache 15/420, S. 121; dies aufgreifend etwa BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 34).
(2) Im vorliegenden Fall haben die Kläger zu 1 und 2, die stets nur die Staatsangehörigkeit der libanesischen Republik besessen haben, bei ihrer Einreise und der Asylantragstellung im Jahr 2002 eine falsche Identität und falsche (irakische) Staatsangehörigkeit angegeben. Zudem haben sie behauptet, über keine Pässe zu verfügen. Die Behauptung, über keine Pässe zu verfügen, hat sich als wahrheitswidrig erwiesen, nachdem die Kläger zu 1 und 2 ihre libanesischen Pässe im Jahr 2009 bei der zuständigen Ausländerbehörde vorgelegt haben. Die Darstellung der Kläger zu 1 und 2, sie hätten die Pässe bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2002 an ihre Schleuser übergeben, die Pässe seien dann aber später im Libanon wieder aufgetaucht, was Verwandten im Libanon erfahren hätten, die Pässe seien von diesen im Jahr 2009 in die Bundesrepublik Deutschland gebracht und nach einiger Zeit an sie übergeben worden, ist nicht glaubhaft; die Kläger selbst sind aufgrund ihrer zahlreichen falschen Angaben (vgl. auch den ihnen gegenüber ergangenen Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. März 2003) zudem unglaubwürdig. Zur Überzeugung des Senats waren die Kläger seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Besitz libanesischer Pässe.
Die Kläger haben die falschen Angaben zur Identität und Staatsangehörigkeit mindestens bis in das Jahr 2007 und die falschen Angaben zum Besitz ihrer Pässe bis ins Jahr 2009 aufrechterhalten. Sie haben damit subjektiv und objektiv rechtsmissbräuchlich gehandelt (so bereits Beschluss des Senats vom 6. Mai 2013 – L 7 AY 822/12 B – im Verfahren bezüglich des Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 3 AY 2816/10). Auf die Frage, ob bereits die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich war, kommt es damit nicht an.
bb) (1) Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts" ist auf den gesamten Zeitraum des Leistungsberechtigten in Deutschland abzustellen (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 40 – auch zum Folgenden). Ob das rechtsmissbräuchliche Verhalten selbst in diesen Zeitraum fällt, ist hingegen nicht entscheidend. Auch ein Verhalten vor der Einreise in das Bundesgebiet, das der Beeinflussung der (gesamten Dauer) des Aufenthalts dient, kann sich als rechtsmissbräuchlich erweisen. Der Zeitraum beginnt bereits mit dem Zeitpunkt, in dem der Ausländer sich rechtsmissbräuchlich verhält.
Ebenso wenig ist entscheidend, ob der Missbrauchstatbestand aktuell andauert oder die Annahme rechtfertigt, er sei noch kausal für den derzeitigen Aufenthalt des Ausländers (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 41 – auch zum Folgenden). Ob die Ausreise aktuell zumutbar ist, ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift des § 2 AsylbLG ohne Bedeutung. Maßgebend ist allein der Zusammenhang zwischen der gesamten Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland und dem Fehlverhalten des Ausländers, gleichgültig, ob dieses Fehlverhalten einmalig oder auf Dauer angelegt ist bzw. war oder ob es sich wiederholt hat. Nach der bereits erwähnten Begründung des einschlägigen Gesetzentwurfes sollen von dem Anspruch auf Analogleistungen Fälle ausgenommen werden, in denen der Ausländer rechtsmissbräuchlich die Dauer seines Aufenthaltes selbst beeinflusst hat; beispielhaft werden, wie bereits erwähnt, die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität aufgeführt (Bundestags-Drucksache 15/420, S. 121). Diese Begründung zeigt, dass gerade ein einmaliges Verhalten bereits bei oder vor der Einreise nach Deutschland zum Anlass genommen wurde, dem Ausländer nach Ablauf von drei bzw vier Jahren einen Anspruch auf Analogleistungen vorzuenthalten.
Zwischen dem Verhalten des Ausländers und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut zwar einer kausalen Verknüpfung (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 43 – auch zum Folgenden). Allerdings zeigen bereits Gesetzeswortlaut ("Beeinflussung", nicht Verlängerung) und Begründung des Gesetzesentwurfes, die unter anderem in ihrer beispielhaften Aufzählung die Vernichtung eines Passes nennt, dass eine typisierende, also generell-abstrakte Betrachtungsweise hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem vorwerfbaren Verhalten und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes ausreicht, also kein Kausalzusammenhang im eigentlichen Sinn erforderlich ist. Dies bedeutet, dass jedes von der Rechtsordnung missbilligte Verhalten, das – typisierend – der vom Gesetzgeber missbilligten Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes dienen kann, ausreichend ist, um die kausale Verbindung zu bejahen. Ob etwa das Asylverfahren tatsächlich verzögert wurde und eine frühere Abschiebung des Betroffenen erfolgt und deshalb in einem ggf. "kleineren Zeitfenster" möglich gewesen wäre, bedarf im Hinblick auf die typisierende Betrachtung keiner Entscheidung. Eine solche wäre in aller Regel auch nicht möglich, weil keine sichere Aussage über einen hypothetischen Kausalverlauf getroffen werden könnte.
Eine Ausnahme von der typisierenden Betrachtungsweise muss allerdings dann gemacht werden, wenn eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können, etwa weil die Erlasslage des zuständigen Innenministeriums eine Abschiebung ohnehin nicht zugelassen hätte (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 44 – auch zum Folgenden). In diesen Fällen ist eine typisierende Betrachtungsweise nicht mehr zulässig; sie entspräche nicht der oben geschilderten Typik. Lässt es sich nicht feststellen, ob eine solche Ausnahme vorliegt, geht dies zu Lasten des Ausländers.
(2) Nach diesen Maßstäben ist jedenfalls aufgrund typisierender Betrachtungsweise davon auszugehen, dass die Kläger zu 1 und 2 durch ihr rechtsmissbräuchliches Verhalten ihre Aufenthaltsdauer selbst beeinflusst haben. Dass im gesamten Zeitraum ab dem rechtsmissbräuchlichen Verhalten, also seit 2002 bis zum hier streitgegenständlichen Zeitraum (August und September 2012) eine Beendigung des Aufenthaltes der Kläger zu 1 und 2 ausgeschlossen ist, lässt sich nicht feststellen (so bereits Beschluss des Senats vom 6. Mai 2013 – L 7 AY 822/12 B – im Verfahren bezüglich des Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 3 AY 2816/10). Unerheblich ist insbesondere, ob – worauf die Kläger zuletzt abgestellt haben – eine Durchsetzung ihrer Ausreisepflicht auch nach dem Jahr 2007 nicht erfolgt ist.
Im Übrigen wurden die für eine freiwillige Ausreise genügenden Dokumente von der libanesischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland auf Antrag der libanesischen Staatsangehörigen erteilt, ohne dass ein deutscher Aufenthaltstitel vorliegen oder in Aussicht gestellt werden musste (Auskunft der Libanesischen Botschaft gegenüber dem LSG Berlin-Brandenburg im Verfahren – L 15 AY 1006/05 AY ER –, zitiert nach LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Januar 2012 – L 15 AY 23/11 B PKH – juris Rdnr. 9).
Die Behauptungen der Kläger im gerichtlichen Verfahren zur Frage der Rückkehrmöglichkeiten in den Libanon stehen im Übrigen auch im Widerspruch zu ihren Einlassungen gegenüber der Ausländerbehörde. Dort hatten sie am 21. Juli 2009 vorgebracht, sie hätten sich auf Anraten der Schleuser als Iraker ausgegeben, weil ihnen von dort erklärt worden sei, dass Iraker in kurzer Zeit in Europa ein Aufenthaltsrecht bekämen, während sie als Libanesen mit der Rückführung in den Libanon zu rechnen hätten (vgl. Beschluss des Senats vom 6. Mai 2013 – L 7 AY 822/12 B – im Verfahren bezüglich des Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 3 AY 2816/10).
d) Ein Anspruch aus § 2 Abs. 1 AsylbLG ist auch nicht mit verfassungsrechtlichen Argumenten begründbar.
Solange eine Norm vom BVerfG nicht für verfassungswidrig erklärt worden ist, ist sie von den Fachgerichten aufgrund deren Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) anzuwenden. Dies darf nicht durch eine vermeintlich verfassungskonforme Auslegung, die den Regelungsgehalt der Norm in unzulässiger Weise reduziert, unterlaufen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11 – juris Rdnr. 76). Das Existenzminimum, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG grundrechtlich geschützt ist, ist bereits durch die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG gewährleistet ist; selbst diese Leistungen dürfen nach Maßgabe des § 1a AsylbLG noch reduziert werden (BSG, Urteil vom 12. Mai 2017 – B 7 AY 1/16 R – Terminbericht Nr. 18/17; Urteil des Senats vom 27. April 2017 – L 7 AY 4898/15 – juris Rdnr. 36). Bei § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. handelt es sich zudem nicht um eine am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu prüfende Sanktion. § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. entzieht dem Betroffenen keine Leistungen oder greift gar im Sinne eines Grundrechtseingriff in dessen abwehrrechtliche geschützte Rechte ein, sondern gestaltet das Leistungsrecht aus (vgl. allgemein zur dogmatischen Einordnung BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2013 – 1 BvR 1083/09 – juris Rdnr. 10; Berlit, info also 2013, 195 [198 f.]). § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. macht die Gewährung von höheren Leistungen – eine "Vergünstigung" (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 33) – vom Vorliegen verschiedener Voraussetzungen abhängig. Dass zu diesen Voraussetzungen auch gehört, dass der Betroffene seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat, ist nicht zu beanstanden. Zwar das BVerfG in einem Obiter dictum postuliert, dass das "Grundrecht auf menschenwürdiges Existenzminimum" nicht migrationspolitisch relativiert werden dürfe (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris Rdnr. 95). Zum einen gehen Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG über das menschenwürdige Existenzminimum aber hinaus, so dass das "Grundrecht auf menschenwürdiges Existenzminimum" hierdurch gar nicht berührt wird. Zum anderen dient § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht der Steuerung der Migration als solcher, sondern soll das rechtmäßige Verhalten der in den Anwendungsbereich des AsylbLG fallenden Personen und hierdurch eine rechtmäßige Durchführung des Ausländerrechts insgesamt sicherstellen.
Auch lässt es sich nicht rechtfertigen, der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes dann – entgegen § 2 Abs. 1 AsylbLG – keine anspruchsausschließende Wirkung mehr beizumessen, wenn der Betroffene sich inzwischen über einen längeren Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und das rechtsmissbräuchliche Verhalten inzwischen aufgegeben hat. Denn es ist gerade Zweck des § 2 Abs. 1 AsylbLG, einen längeren oder gar dauerhaften Aufenthalten von Personen, die hierzu nicht berechtigt sind, zu verhindern. Bei der – siehe oben – notwendigen typisierenden Betrachtungsweise wäre bei nicht rechtsmissbräuchlichem Verhalten der Aufenthalt des Betroffenen bereits beendet, so dass ein längerer oder gar dauerhafte Aufenthalt verhindert worden wäre. Die Kläger können deswegen auch nicht mit Erfolg darauf verwiesen, dass sie inzwischen über Duldungen nach § 25a AufenthG verfügen. Denn bei rechtmäßigem Verhalten der Kläger hätten sie zum Zeitpunkt der Erteilung der Duldungen bei typisierender Betrachtung bereits keinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland mehr gehabt. Abgesehen davon, erfolgte die Erteilung der Duldungen erst nach Abschluss des hier streitigen Zeitraums.
Auch mit ihrem Vorbringen, eine zwangsweise Rückführung von Libanesen in ihre Heimat nach erfolglos abgeschlossenem Asylverfahren sei erst möglich, wenn eine Freiwilligkeitserklärung abgegeben werde, und die Nichtabgabe der Freiwilligkeitserklärung begründe kein rechtsmissbräuchliches Verhalten, dringen die Kläger nicht durch; denn der Vorwurf des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens knüpft im vorliegenden Fall nicht hieran, sondern an die falschen Angaben zur Identität, Staatsangehörigkeit und zum Passbesitz an.
e) Den geltend gemachten Ansprüchen auf Rücknahme der Bescheide vom 29. August 2007, vom 19. September 2007, vom 9. Oktober 2007, vom 19. Oktober 2007, vom 22. November 2007 und vom 3. September 2009 und der konkludenten Bescheide über die Auszahlung von Grundleistungen sowie die Gewährung von Analogleistungen für die Zeit vom 14. September 2007 bis zum 24. September 2009 nach § 44 SGB X steht unabhängig von den vorstehenden Ausführungen außerdem entgegen, dass die Kläger nicht bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats durchgehend hilfebedürftig waren.
aa) Das BSG hat bereits mehrfach entschieden (Urteile vom 9. Juni 2011 – 8 AY 1/10 R –, vom 20. Dezember 2012 – B 7 AY 4/11 R – und vom 26. Juni 2013 – B 7 AY 3/12 R – alle juris; vgl. ferner BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. Februar 2012 – 1 BvR 1263/11 – juris), dass eine Nachzahlung monatsweiser Leistungen für den Fall nicht in Betracht kommt, dass die Bedürftigkeit dauerhaft oder temporär – bei zu erbringenden Monatsleistungen wie nach dem SGB II, SGB XII oder dem AsylbLG – zumindest für einen Monat entfallen ist; maßgeblicher Zeitpunkt für die zu treffende Entscheidung ist dabei die letzte gerichtliche Tatsacheninstanz. Denn nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat bereits ausdrücklich angeschlossen hat (bspw. Urteil des Senats vom 24. April 2015 – L 7 AY 3763/12 – juris Rdnr. 22 m.w.N.), muss unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 4 SGB X ("nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs", hier das AsylbLG) den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung getragen und berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem AsylbLG ebenso wie die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienen und deshalb für zurückliegende Zeiten nur dann zu erbringen sind, wenn die Leistungen ihren Zweck noch erfüllen können.
Die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz als maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der durchgehenden Bedürftigkeit ergibt sich bereits aus dem Zweck des Zugunstenverfahrens des § 44 SGB X und den genannten, zu berücksichtigenden Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts. § 44 SGB X soll grundsätzlich der materiellen Gerechtigkeit gegenüber dem durch die Bestandskraft von Verwaltungsakten bezweckten Rechtsfrieden Vorrang einräumen. Dies gilt aufgrund der besonderen Zweckrichtung für die Sozialhilfe und das insoweit parallele Asylbewerberleistungsrecht, die jeweils eine besondere aktuelle Notlage beseitigen sollen, gerade nur, wenn diese Leistungen ihren Zweck noch erfüllen können. Demnach sollen die Betroffenen – auch bei Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Ablehnung – keine Leistungen mehr erhalten können, deren sie mangels Fortbestehen einer aktuellen Notlage nicht mehr bedürfen. Demnach sollen Behörden nicht verpflichtet sein und auch durch Gerichte nicht verpflichtet werden können, nunmehr zweckverfehlende Leistungen zu erbringen. Für die Zweckverfehlung ist es jedoch nicht erheblich, ob sie bereits bei Stellung des Überprüfungsantrages bestand hatte oder im Laufe des Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens eintritt. Es besteht daher nach dem materiellen Recht kein Grund, in solchen Fällen von dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz abzuweichen, dass bei der Verpflichtungs- oder Leistungsklage entscheidungserheblicher Zeitpunkt die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz ist. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG. Die bereits vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze für die Fälle, in denen Hilfesuchende bei einer rechtswidrigen Ablehnung innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf einlegen, im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erst erstreiten müssen und zwischenzeitlich eine Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter eintritt (vgl. zu diesen Grundsätzen auch BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R – juris Rdnr. 14 m.w.N.), gelten nicht beim Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Die Kläger haben es in diesem Fall lediglich versäumt, die – teilweisen – Ablehnungen rechtzeitig anzufechten und damit den "primären", nach den genannten Grundsätzen effektiv ausgestalteten Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Der Rechtsschutz gegen Entscheidungen über Ansprüche, die nur unter Durchbrechung des bereits eingetretenen Rechtsfriedens durchgesetzt werden können, kann daher anderen Voraussetzungen unterworfen werden. Mit der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) sieht der Senat somit als entscheidungserheblichen Zeitpunkt für die Beurteilung durchgehender Bedürftigkeit die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz an (so bereits Urteil des Senats vom 24. April 2015 – L 7 AY 3763/12 – juris Rdnr. 23; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 4. September 2014, a.a.O.).
bb) Für die Frage, ob die Bedürftigkeit der Kläger durchgehend vorgelegen hat oder zeitweilig entfallen ist, sind, ausgehend vom jeweiligen Aufenthaltsstatus und ggf. der Erwerbsfähigkeit, die Leistungsvoraussetzungen der einzelnen Leistungssysteme (SGB II, SGB XII, AsylbLG) zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 3/12 R - juris Rdnr. 14).
Da die Kläger aufgrund der ihnen inzwischen erteilten Aufenthaltserlaubnisse nicht mehr zum leistungsberechtigten Personenkreis des AsylbLG gehörten und ein Ausschluss der Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 SGB II weder aus rechtlichen noch medizinischen Gründen bestand, ist deren Hilfebedürftigkeit nun nach den Regelungen des SGB II zu bestimmen. Nach dem im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheid der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit vom 2. August 2016 bezog der Kläger zu 1 jedenfalls für Juli bis November 2016 den Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Für den Senat besteht aufgrund der vorliegenden Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Kläger auch kein Anlass, an deren Rechtmäßigkeit zu zweifeln. Die Kläger haben zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, dass diese tatsächlich gewährten Leistungen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unzutreffend gewesen seien. Weitere Ermittlungen waren daher nicht vorzunehmen. Jedenfalls sind die Leistungen in der genannten Höhe an die Kläger geflossen.
Der Bezug von Kinderzuschlag nach § 6a BKKG setzt schon tatbestandlich voraus, dass dadurch eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden wird, dass eine solche also nach Gewährung des Zuschlages nicht bestanden hat. Die Frage nach einem Bedürftigkeitswegfall ist allein an einer (ggf. fiktiven) grundsicherungsrechtlichen Bedürftigkeitsprüfung zu orientieren. Abhängig von Alter, Erwerbsfähigkeit und ausländerrechtlichem Status regeln die Vorschriften des SGB II, SGB XII und AsylbLG die maximal anzuerkennenden, nachzahlungsunschädlichen Bedarfs- und Einkommenshöhen. Denn allein diese Leistungssysteme haben die Funktion, für den von ihnen erfassten Personenkreis abschließend und insgesamt lückenlos das Niveau des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (sog. menschenwürdiges Existenzminimum) zu bestimmen. Bei der Erzielung von Einkünften oberhalb der sich aus ihnen ergebenden Bedarfsgrenzen ist eine Bedürftigkeit für Leistungen mit der Funktion der existenzsichernden Sozialhilfe grundsätzlich nicht mehr anzuerkennen. Wenn auch andere Sozialleistungen (hier der Kinderzuschlag nach § 6a BKGG oder das Wohngeld) an eine Bedürftigkeit (in einem weiteren Sinne) anknüpfen, führt das zu keiner anderen Bewertung, sofern dieser andere Leistungsbezug jedenfalls zu einem Überschreiten der Bedarfsgrenze des menschenwürdigen Existenzminimums führt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Oktober 2011 – L 20 AY 114/10 – juris Rdnr. 45).
Sonach sind vom Beklagten Leistungen auch aus den vorgenannten Gründen rückwirkend nicht zu erbringen; damit besteht schon deswegen kein Anspruch auf deren Rücknahme nach § 44 Abs. 1 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R – juris Rdnr. 22).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehren sog. Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i.V.m. dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) an Stelle von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG ab dem 14. September 2007 bis zum 24. bzw. 30. September 2009.
Der Kläger zu 1 ist 1970, die Klägerin zu 2 1977, der Kläger zu 3 1994, der Kläger zu 4 2000, die Klägerin zu 5 2003, der Kläger zu 2005, die Klägerin zu 7 1996 und die Klägerin zu 8 1995 geboren. Die Kläger zu 3 bis 8 sind die Kinder der Kläger zu 1 und 2. Sie sind Staatsangehörige der libanesischen Republik. Die Kläger zu 1 bis 4, 7 und 8 reisten am 2. September 2002 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragen hier am 12. September 2002 unter Angabe falscher Personalien und unter der Behauptung, irakische Staatsangehörige zu sein, Asyl. Die Asylanträge wurden vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 7. März 2003 abgelehnt; zugleich wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) sowie Abschiebungshindernisse nicht vorliegen. Die Kläger zu 5 und 6 sind in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Die Kläger lebten im streitgegenständlichen Zeitraum in B. W. (Landkreis R.).
Am 14. September 2007 legten die Kläger zu 1 und 2 Auszüge des libanesischen Familienregisters, am 21. Juli 2009 bereits im Jahr 2002 ausgestellte libanesische Nationalpässe bei der zuständigen Ausländerbehörde vor; die entsprechende Änderungsmitteilung über die Identität ging bei der für die Leistungsgewährung zuständigen Stelle am 25. September 2009 ein.
Die Kläger bezogen seit ihrer Einreise bzw. ihrer Geburt Leistungen nach § 3 AsylbLG. Unter anderem bewilligte ihnen der Beklagte solche Leistungen durch Bescheide vom 29. August 2007 für September 2007, vom 19. September 2007 für Oktober 2007, vom 9. Oktober 2007 für Oktober 2007, vom 19. Oktober 2007 für November 2007, vom 22. November 2007 für Dezember 2007 und vom 3. September 2009 für Oktober 2009. Im Übrigen erfolgte die Bewilligung der Grundleistungen in den übrigen streitgegenständlichen Monate durch deren bloße Auszahlung.
Am 30. Dezember 2009 (Schreiben vom 23. Dezember 2009) stellten die Kläger – ohne Bezeichnung von Bescheiden – einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie hätten schon längst in Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG hochgestuft werden müssen. Eine Vernichtung der Pässe könne aus der Ausländerakte nicht nachvollzogen werden. Die Schleuser hätten die Dokumente, mit denen der Kläger zu 1 nach Deutschland gekommen sei, an sich genommen. Ihm dürfe hieraus kein Nachteil erwachsen. Dass er nicht unverzüglich ausgereist sei, sei nicht ausreichend, um ihm Analogleistungen zu verwehren.
Der Beklagte bewilligte den Klägern daraufhin mit Bescheid vom 12. August 2010 Leistungen für Oktober 2009 bis Juli 2010 nach § 2 AsylbLG.
Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 26. August 2010 Widerspruch. Sie machten unter anderem geltend, Analogleistungen müssten ab September 2007 gezahlt werden.
Der Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. August 2010 mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2010 zurück. Die Identität der Kläger habe nach Vorlage der Passdokumente durch diese festgestellt werden können. Die Änderungsmitteilung sei am 25. September 2010 (gemeint: 2009) eingegangen. Ab diesem Zeitpunkt werde die Dauer ihres Aufenthaltes nicht mehr durch eigenes rechtsmissbräuchliches Handeln selbst beeinflusst.
Am 4. November 2010 haben die Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage gegen den Bescheid vom 12. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2010 erhoben mit dem Ziel, Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG ab dem 14. September 2007 zu erhalten. Sie hätten am 14. September 2007 Originalregisterauszüge vorgelegt, die ihre Identität und Herkunft eindeutig belegten. Trotzdem seien die Sozialleistungen bislang nicht geändert worden. Vor dem 21. Juli 2009 hätten sie Nationalpässe bei der Ausländerbehörde eingereicht. Diese hätten die Identitätsangaben bestätigt. In der Folgezeit sei sogar noch ein Familienregisterauszug eingereicht worden. Alle Personalien seien richtig. Auf den Antrag vom 23. Dezember 2009 auf rückwirkende Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG seien Leistungen rückwirkend erst ab Oktober 2009 bewilligt worden. Sie hätten im Jahr 2007 ihre Pässe nicht vorlegen können, da diese nicht in ihrem Besitz gewesen seien. Der Kläger zu 1 habe die Pässe bei Einreise nach Deutschland an den Schleuser übergeben. Im Libanon seien diese Dokumente später sichergestellt worden. Die Familie des Klägers zu 1 habe davon erfahren und ihn hierüber unterrichtet. Dieser habe sie angefordert. Sie hätten erst im Jahr 2009 von einem Verwandten des Klägers zu 1 aus dem Libanon nach Deutschland transportiert werden können. Bei dem Verwandten hätten die Dokumente eine Zeit lang verweilt, bis dieser die Möglichkeit gehabt habe, zu ihnen – den Klägern – zu fahren. Der Kläger zu 1 habe eine Übersendung des Passes auf dem Postweg, sei es aus dem Libanon oder aus Deutschland, abgelehnt, weil er Angst gehabt habe, sie könnten auf dem Postweg verloren gehen. Unabhängig davon, ob das Verhalten der Kläger zu 1 und 2 bei der Einreise objektiv und subjektiv als rechtsmissbräuchlich zu werten sei, dürfe dies nicht im Rahmen einer Sippenhaft auf die zu dem damaligen Zeitpunkt minderjährigen und noch nicht handlungsfähigen, teilweise auch noch nicht geborenen Kläger angewendet werden. Insoweit sei § 2 Abs. 3 AsylbLG verfassungswidrig. Bei einer Vorbezugszeit von 48 Monaten halte es der Gesetzgeber aus Integrationsgesichtspunkten für gerechtfertigt, dass die Leistungen angehoben würden und dem Sozialhilfeniveau angeglichen würden. Diese Integrationskomponente in Verbindung mit dem Gesichtspunkt der Verpflichtung des Staates, die Würde des Menschen zu wahren, mache die Sicherstellung der höheren Analogleistungen unabdingbar, insbesondere für die hier geborenen bzw. hier aufwachsenden Kinder, welche keinen Einfluss auf das Geschehen hätten, aber sehr wohl einen Anspruch auf Integration und Achtung ihrer Menschenwürde. Die Nichtgewährung der höheren Leistungen würde zu der Billigung von menschenverachtenden Leistungen führen. Unzweifelhaft wäre damit eine migrationspolitische Komponente der Vorschrift zu verstehen, welche jegliche Anreize für eine Zuwanderung in das Bundesgebiet vermeiden solle. Solche migrationspolitischen Erwägungen rechtfertigten das Unterschreiten des sozialstaatlich begründeten Existenzminimums jedoch nicht. In Bezug auf die Kläger zu 1 und 2 sei zu beachten, dass selbst nach Richtigstellung der Personalien im Jahr 2007 und Vorlage entsprechender Originaldokumente noch im selben Jahr die Ausreisepflicht durch die entsprechenden Behörden nicht bis zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Jahr 2012 bzw. 2013 habe durchgesetzt werden können. Daraus werde ersichtlich, dass bei einem ordnungsgemäßen Verhalten der Kläger, wofür lediglich die Angabe der richtigen Personalien erforderlich gewesen sei, die Ausreisepflicht erst recht nicht hätte vollzogen werden können. Es dürfte gerichtsbekannt sein, dass libanesische Behörden insofern nicht kooperativ seien. Am 28. August 2012 hat der frühere Kläger zu 9 die Klage zurück genommen. Der Kläger zu 8 hat die Klage zurückgenommen, soweit sie nicht den Zeitraum vom 9. bis 30. September 2009 betrifft.
Der Beklagte ist den Klagen entgegengetreten. Er hat auf den Akteninhalt und insbesondere den angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen. Die Kläger seien derzeit im Besitz einer Duldung gemäß § 60a AufenthG. Sie seien libanesische Staatsangehörige und erhielten rückwirkend seit dem 25. September 2009 Leistungen nach § 2 AsylbLG. Die Kläger hätten am 14. September 2007 der Ausländerbehörde einen Auszug aus dem Familienregister aus dem Einwohnerregister des Kreises B. der Republik Libanon vorgelegt. Dieser Auszug habe aber keine unumstößliche Beweiskraft, um die Identität der dort aufgeführten Personen festzustellen. Nachdem die Kläger der Ausländerbehörde auch ihre vorhandenen Passdokumente nachgereicht hätten, die die Schleuser bei der Ankunft der Kläger in Deutschland angeblich an sich genommen hätten, habe die Identität der Kläger festgestellt werden können. Die Änderungsmitteilung sei am 25. September 2009 im Kreissozialamt eingegangen. Ab diesem Zeitpunkt sei die Identität der Kläger bestimmt und die Dauer ihres Aufenthaltes werde nicht mehr durch ihr eigenes rechtsmissbräuchliches Handeln selbst beeinflusst.
Das SG hat die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 26. Juni 2013 abgewiesen. Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG stünden den Klägern zu 1 und 2 nicht zu, weil sie die Dauer ihres Aufenthaltes rechtmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten. Bei den in dem streitigen Zeitraum noch minderjährigen Kindern greife die leistungseinschränkende Regelung in § 2 Abs. 3 AsylbLG ein. Für deren Verfassungswidrigkeit bestünden keine Anhaltspunkte. Den Klägern zu 1 und 2 sei in objektiver und subjektiver Hinsicht ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorzuwerfen. Sie hätten vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 12. September 2002 andere Namen und eine andere Staatsangehörigkeit angegeben als dies der später festgestellten Identität entsprochen habe. Auch auf die Verfügung des Regierungspräsidiums T. vom 14. September 2007 hätten die Kläger zu 1 und 2 keine Pässe vorgelegt, obwohl die ausschließlich im Jahr 2009 in Kopie und 2010 im Original vorgelegten Pässe der Kläger zu 1 und 2 bereits 2002 ausgestellt worden seien und die Kläger zu 1 und 2 die gesamte Zeit wenigstens über diese Kopien verfügt hätten, ohne diese zur Glaubhaftmachung ihrer Identität vorzulegen. Im Übrigen erscheine die Darstellung wenig plausibel, die Originalpässe seien im Libanon aufgetaucht und einem Verwandten des Kläger zu 1 ausgehändigt worden. Schließlich hätten die Kläger selbst eingeräumt, die irakische Staatsangehörigkeit entgegen ihren Angaben bei der Asylantragstellung am 2. September 2002 sowie auch in der nachfolgenden Zeit nie besessen zu haben. Erst durch die am 2. Mai 2002 für den Kläger zu 1 bzw. am 30. April 2002 für die Klägerin zu 2 und ihre damals bereits geborenen vier ältesten Kinder ausgestellten Reisepässe sei glaubhaft gemacht, dass es sich bei den Klägern, wie im Übrigen von ihnen selbst nunmehr geltend gemacht, um libanesische Staatsangehörige handele. Als Grund für die unzutreffende Angabe zu ihrer Staatsangehörigkeit hätten die Kläger zu 1 und 2 bei der Ausländerbehörde ausweislich des Aktenvermerks vom 21. Juli 2009 vorgebracht, sie hätten sich auf Anraten der Fluchthelfer als Iraker ausgegeben, weil ihnen dort erklärt worden sei, dass Iraker in kurzer Zeit in Europa ein Aufenthaltsrecht bekämen, während sie als Libanesen mit der Rückführung in den Libanon zu rechnen hätten. Durch diese bewusste Täuschung über ihre wahre Staatsangehörigkeit und damit die eigene Identität sei der Analogleistungen ausschließende Rechtsmissbrauchstatbestand des § 2 Abs. 1 AsylbLG gegeben. Die Vorlage der Personenstandsregisterauszüge in arabischer Sprache im September 2007 reiche nicht aus, um den auf Dauer angelegten Leistungsausschlussgrund der Rechtsmissbräuchlichkeit zu verneinen. Zum einen komme diesen Auszügen keine mit einem Pass vergleichbare Beweiskraft zu und zum anderen umfassten sie nicht einmal alle im Libanon geborenen Kläger. Zur Beendigung der durch eine aktive Täuschungshandlung hervorgerufenen Rechtsmissbräuchlichkeit hätten die Betroffenen alles in ihren Möglichkeiten stehende zu tun und dürften nicht unter Verweisung auf die Amtsermittlungspflicht der Ausländerbehörden willkürlich die wirklichen beweiskräftigen Dokumente zurückhalten. Im Übrigen liege rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht nur im Falle einer Identitätstäuschung vor, sondern auch dann, wenn sich der Ausländer nicht hinreichend um die Beschaffung eines Passes bemühe. Dies müsse daher hier erst recht gelten, wenn die Kläger zu 1 und 2 vorhandene Pässe zurückhielten und sei auch nur in der Form, dass sie ihrer Übersendung auf dem Postweg aus dem Libanon widersprächen. Der vom Bundessozialgericht (BSG) aufgezeigte Ausnahmefall, dass die Ausreisepflicht unabhängig vom Verhalten des Ausländers nicht hätte vollzogen werden können, sei nicht erwiesen. Allein aus der Tatsache, dass der Aufenthalt der Kläger offenbar auch nach Vorlage der Pässe nicht hätte beendet werden können, folge nicht zwingend der Schluss, dass dies auch bei ordnungsgemäßem Verhalten früher nicht möglich gewesen wäre. Ob beispielsweise unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ein früheres rechtsmissbräuchliches Verhalten einem Ausländer nicht mehr entgegen gehalten werden könnte, wenn dieser trotz eines ungesicherten Aufenthaltsstatus dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland verbleibe und ihm während eines lange Zeitraums ein entsprechendes Fehlverhalten nicht erneut vorgeworfen werden könne, könne hier dahin stehen. Denn der Beklagte habe den Klägern rückwirkend ab Oktober 2009 Analogleistungen bewilligt.
Gegen den ihnen am 1. Juli 2013 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 1. August 2013 beim SG Berufung eingelegt. Die Kläger zu 1 und 2 seien im Jahr 2002 nach Deutschland gereist, um in der Bundesrepublik Deutschland Asyl zu beantragen. Bei der Asylantragstellung hätten sie sich mit falschen Personalien ausgewiesen. Die übrigen Kläger seien bei der Einreise minderjährig gewesen. Am 14. September 2007 hätten die Kläger zu 1 und 2 ihre Identität korrigiert und eindeutig mittels Originalpersonenstandsregisterauszügen belegt. Grundsätzlich reichten Originalregisterauszüge aus, um die Identität eindeutig nachzuweisen. Trotz Vorlage dieser Auszüge und Vorlage der Pässe im Jahr 2009 habe die Ausweisung der Kläger zu keinem Zeitpunkt erfolgen können. Eine Ausweisung sei faktisch zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen. Die Vorbezugszeit sei am 14. September 2007 erfüllt gewesen. Im Übrigen haben die Kläger ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Juni 2013 aufzuheben sowie den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2010 zu verurteilen, ihnen unter teilweiser Rücknahme früherer Bewilligungsbescheide Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz für die Zeit vom 14. September 2007 bis zum 24. September 2009, im Falle des Klägers zu 8 nur für die Zeit vom 9. bis 30. September 2009 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Der Beklagte hält an ihrer Auffassung fest und verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, ihr erstinstanzlichen Vorbringen sowie den angegriffenen Gerichtsbescheid. Ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG bestehe nicht, da eine Täuschung der Kläger hinsichtlich ihrer Identität vorgelegen habe und diese so die Dauer des Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten. Der Beklagte hat eine E-Mail des Regierungspräsidiums K. vom 21. März 2017 vorgelegt, worin diese auf die Anfrage des Beklagten mitteilt, dass es in den Jahren 2006 bis 2012 ein Abschiebeverbot oder etwas Ähnliches in den Libanon nicht gegeben habe.
Die Bundesagentur für Arbeit hat dem Kläger zu 1 Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz für Juli bis November 2016 für die Kläger zu 3 bis 8 gewährt (Bescheid vom 2. August 2016).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaften und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Kläger sind auch im Übrigen zulässig. Sie bedurften insbesondere nicht der Zulassung, da die Kläger höhere Leistungen für mehr als ein Jahr begehren (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Senat konnte über die Berufung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
2. Die Berufungen der Kläger sind aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 12. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2010, soweit damit die Rücknahme der Bescheide vom 29. August 2007, vom 19. September 2007, vom 9. Oktober 2007, vom 19. Oktober 2007, vom 22. November 2007 und vom 3. September 2009 und der konkludenten Bescheide über die Auszahlung von Grundleistungen sowie die Gewährung von Analogleistungen für die Zeit vom 14. September 2007 bis zum 24. September 2009 – bezüglich des Klägers zu 8 für die Zeit vom 8. bis 30. September 2009 – abgelehnt wurde, ist rechtmäßig.
a) Der Beklagte ist für die streitige Entscheidung im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X zuständig gewesen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 – B 7 AY 3/12 R – juris Rdnr. 11). Er ist der für die Entscheidung über Leistungen nach dem AsylbLG sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger gewesen. Die sachliche Zuständigkeit für die Durchführung des AsylbLG ergibt sich für die streitbefangene Zeit aus § 10 AsylbLG i.V.m. § 1 Nr. 2 und § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 des Flüchtlingsaufnahmegesetzes des Landes Baden-Württemberg (FlüAG) vom 11. März 2004 (GBl. S. 99) sowie § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Landesverwaltungsgesetzes Baden-Württemberg (in der Fassung des Gesetz zur Weiterentwicklung der Verwaltungsstrukturreform vom 14. Oktober 2008 [GBl. S. 313]); dies ist die jeweilige untere Verwaltungsbehörde des Landes als untere Aufnahmebehörde (BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 – B 7 AY 3/12 R – juris Rdnr. 12). Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus der Zuweisungsentscheidung (§ 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des AsylbLG vom 26. Mai 1997, BGBl. I S. 1130). Über die hier streitige Rücknahme nach § 44 SGB X entscheidet die zuständige Behörde (§ 44 Abs. 3 SGB X); es gelten dabei die allgemeinen Regelungen (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 7 AY 3/12 R – juris Rdnr. 21).
b) Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen für die Rücknahme der oben genannten Bescheide liegen nicht vor. Bei Erlass dieser Bescheide ist das Recht weder unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erweist. Die oben genannten Bescheide sind vielmehr rechtmäßig. Die Kläger haben für die Zeit vom 14. September 2007 bis zum 24. bzw. 30. September 2009 keinen Anspruch auf Analogleistungen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG.
c) Gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG in der vom 28. August 2007 bis zum 28. Februar 2015 geltenden, hier anzuwendenden Fassung (a.F.) ist abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten gemäß § 2 Abs. 3 AsylbLG Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. nur, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. erhält.
Die Kläger zu 1 und 2 haben die Dauer ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst und sind daher von Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ausgeschlossen. Entsprechend haben aufgrund des § 2 Abs. 3 AsylbLG auch die Kläger zu 3 bis 8, die im streitgegenständlichen Zeitraum minderjährig waren und in Haushaltsgemeinschaft mit den Klägern zu 1 und 2 lebten, keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG.
aa) (1) Der Begriff des Rechtsmissbrauchs als vorwerfbares Fehlverhalten beinhaltet eine objektive (den Missbrauchstatbestand) und eine subjektive Komponente (das Verschulden; BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 32). In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus. Der Ausländer soll danach von Analogleistungen ausgeschlossen sein, wenn die von § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung andernfalls auf gesetzwidrige oder sittenwidrige Weise erworben wäre. Der Ausländer darf sich also nicht auf einen Umstand (Aufenthaltsdauer von 48 Monaten mit Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG) berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 33). Die Begründung des einschlägigen Gesetzentwurfes führt beispielhaft die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität als typische Fallgestaltungen eines Rechtsmissbrauchs an (Bundestags-Drucksache 15/420, S. 121; dies aufgreifend etwa BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 34).
(2) Im vorliegenden Fall haben die Kläger zu 1 und 2, die stets nur die Staatsangehörigkeit der libanesischen Republik besessen haben, bei ihrer Einreise und der Asylantragstellung im Jahr 2002 eine falsche Identität und falsche (irakische) Staatsangehörigkeit angegeben. Zudem haben sie behauptet, über keine Pässe zu verfügen. Die Behauptung, über keine Pässe zu verfügen, hat sich als wahrheitswidrig erwiesen, nachdem die Kläger zu 1 und 2 ihre libanesischen Pässe im Jahr 2009 bei der zuständigen Ausländerbehörde vorgelegt haben. Die Darstellung der Kläger zu 1 und 2, sie hätten die Pässe bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2002 an ihre Schleuser übergeben, die Pässe seien dann aber später im Libanon wieder aufgetaucht, was Verwandten im Libanon erfahren hätten, die Pässe seien von diesen im Jahr 2009 in die Bundesrepublik Deutschland gebracht und nach einiger Zeit an sie übergeben worden, ist nicht glaubhaft; die Kläger selbst sind aufgrund ihrer zahlreichen falschen Angaben (vgl. auch den ihnen gegenüber ergangenen Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. März 2003) zudem unglaubwürdig. Zur Überzeugung des Senats waren die Kläger seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Besitz libanesischer Pässe.
Die Kläger haben die falschen Angaben zur Identität und Staatsangehörigkeit mindestens bis in das Jahr 2007 und die falschen Angaben zum Besitz ihrer Pässe bis ins Jahr 2009 aufrechterhalten. Sie haben damit subjektiv und objektiv rechtsmissbräuchlich gehandelt (so bereits Beschluss des Senats vom 6. Mai 2013 – L 7 AY 822/12 B – im Verfahren bezüglich des Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 3 AY 2816/10). Auf die Frage, ob bereits die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich war, kommt es damit nicht an.
bb) (1) Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts" ist auf den gesamten Zeitraum des Leistungsberechtigten in Deutschland abzustellen (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 40 – auch zum Folgenden). Ob das rechtsmissbräuchliche Verhalten selbst in diesen Zeitraum fällt, ist hingegen nicht entscheidend. Auch ein Verhalten vor der Einreise in das Bundesgebiet, das der Beeinflussung der (gesamten Dauer) des Aufenthalts dient, kann sich als rechtsmissbräuchlich erweisen. Der Zeitraum beginnt bereits mit dem Zeitpunkt, in dem der Ausländer sich rechtsmissbräuchlich verhält.
Ebenso wenig ist entscheidend, ob der Missbrauchstatbestand aktuell andauert oder die Annahme rechtfertigt, er sei noch kausal für den derzeitigen Aufenthalt des Ausländers (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 41 – auch zum Folgenden). Ob die Ausreise aktuell zumutbar ist, ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift des § 2 AsylbLG ohne Bedeutung. Maßgebend ist allein der Zusammenhang zwischen der gesamten Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland und dem Fehlverhalten des Ausländers, gleichgültig, ob dieses Fehlverhalten einmalig oder auf Dauer angelegt ist bzw. war oder ob es sich wiederholt hat. Nach der bereits erwähnten Begründung des einschlägigen Gesetzentwurfes sollen von dem Anspruch auf Analogleistungen Fälle ausgenommen werden, in denen der Ausländer rechtsmissbräuchlich die Dauer seines Aufenthaltes selbst beeinflusst hat; beispielhaft werden, wie bereits erwähnt, die Vernichtung des Passes und die Angabe einer falschen Identität aufgeführt (Bundestags-Drucksache 15/420, S. 121). Diese Begründung zeigt, dass gerade ein einmaliges Verhalten bereits bei oder vor der Einreise nach Deutschland zum Anlass genommen wurde, dem Ausländer nach Ablauf von drei bzw vier Jahren einen Anspruch auf Analogleistungen vorzuenthalten.
Zwischen dem Verhalten des Ausländers und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut zwar einer kausalen Verknüpfung (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 43 – auch zum Folgenden). Allerdings zeigen bereits Gesetzeswortlaut ("Beeinflussung", nicht Verlängerung) und Begründung des Gesetzesentwurfes, die unter anderem in ihrer beispielhaften Aufzählung die Vernichtung eines Passes nennt, dass eine typisierende, also generell-abstrakte Betrachtungsweise hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen dem vorwerfbaren Verhalten und der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes ausreicht, also kein Kausalzusammenhang im eigentlichen Sinn erforderlich ist. Dies bedeutet, dass jedes von der Rechtsordnung missbilligte Verhalten, das – typisierend – der vom Gesetzgeber missbilligten Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes dienen kann, ausreichend ist, um die kausale Verbindung zu bejahen. Ob etwa das Asylverfahren tatsächlich verzögert wurde und eine frühere Abschiebung des Betroffenen erfolgt und deshalb in einem ggf. "kleineren Zeitfenster" möglich gewesen wäre, bedarf im Hinblick auf die typisierende Betrachtung keiner Entscheidung. Eine solche wäre in aller Regel auch nicht möglich, weil keine sichere Aussage über einen hypothetischen Kausalverlauf getroffen werden könnte.
Eine Ausnahme von der typisierenden Betrachtungsweise muss allerdings dann gemacht werden, wenn eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum ab dem Zeitpunkt des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können, etwa weil die Erlasslage des zuständigen Innenministeriums eine Abschiebung ohnehin nicht zugelassen hätte (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 44 – auch zum Folgenden). In diesen Fällen ist eine typisierende Betrachtungsweise nicht mehr zulässig; sie entspräche nicht der oben geschilderten Typik. Lässt es sich nicht feststellen, ob eine solche Ausnahme vorliegt, geht dies zu Lasten des Ausländers.
(2) Nach diesen Maßstäben ist jedenfalls aufgrund typisierender Betrachtungsweise davon auszugehen, dass die Kläger zu 1 und 2 durch ihr rechtsmissbräuchliches Verhalten ihre Aufenthaltsdauer selbst beeinflusst haben. Dass im gesamten Zeitraum ab dem rechtsmissbräuchlichen Verhalten, also seit 2002 bis zum hier streitgegenständlichen Zeitraum (August und September 2012) eine Beendigung des Aufenthaltes der Kläger zu 1 und 2 ausgeschlossen ist, lässt sich nicht feststellen (so bereits Beschluss des Senats vom 6. Mai 2013 – L 7 AY 822/12 B – im Verfahren bezüglich des Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 3 AY 2816/10). Unerheblich ist insbesondere, ob – worauf die Kläger zuletzt abgestellt haben – eine Durchsetzung ihrer Ausreisepflicht auch nach dem Jahr 2007 nicht erfolgt ist.
Im Übrigen wurden die für eine freiwillige Ausreise genügenden Dokumente von der libanesischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland auf Antrag der libanesischen Staatsangehörigen erteilt, ohne dass ein deutscher Aufenthaltstitel vorliegen oder in Aussicht gestellt werden musste (Auskunft der Libanesischen Botschaft gegenüber dem LSG Berlin-Brandenburg im Verfahren – L 15 AY 1006/05 AY ER –, zitiert nach LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. Januar 2012 – L 15 AY 23/11 B PKH – juris Rdnr. 9).
Die Behauptungen der Kläger im gerichtlichen Verfahren zur Frage der Rückkehrmöglichkeiten in den Libanon stehen im Übrigen auch im Widerspruch zu ihren Einlassungen gegenüber der Ausländerbehörde. Dort hatten sie am 21. Juli 2009 vorgebracht, sie hätten sich auf Anraten der Schleuser als Iraker ausgegeben, weil ihnen von dort erklärt worden sei, dass Iraker in kurzer Zeit in Europa ein Aufenthaltsrecht bekämen, während sie als Libanesen mit der Rückführung in den Libanon zu rechnen hätten (vgl. Beschluss des Senats vom 6. Mai 2013 – L 7 AY 822/12 B – im Verfahren bezüglich des Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 3 AY 2816/10).
d) Ein Anspruch aus § 2 Abs. 1 AsylbLG ist auch nicht mit verfassungsrechtlichen Argumenten begründbar.
Solange eine Norm vom BVerfG nicht für verfassungswidrig erklärt worden ist, ist sie von den Fachgerichten aufgrund deren Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) anzuwenden. Dies darf nicht durch eine vermeintlich verfassungskonforme Auslegung, die den Regelungsgehalt der Norm in unzulässiger Weise reduziert, unterlaufen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 BvR 2142/11 – juris Rdnr. 76). Das Existenzminimum, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG grundrechtlich geschützt ist, ist bereits durch die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG gewährleistet ist; selbst diese Leistungen dürfen nach Maßgabe des § 1a AsylbLG noch reduziert werden (BSG, Urteil vom 12. Mai 2017 – B 7 AY 1/16 R – Terminbericht Nr. 18/17; Urteil des Senats vom 27. April 2017 – L 7 AY 4898/15 – juris Rdnr. 36). Bei § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. handelt es sich zudem nicht um eine am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu prüfende Sanktion. § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. entzieht dem Betroffenen keine Leistungen oder greift gar im Sinne eines Grundrechtseingriff in dessen abwehrrechtliche geschützte Rechte ein, sondern gestaltet das Leistungsrecht aus (vgl. allgemein zur dogmatischen Einordnung BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2013 – 1 BvR 1083/09 – juris Rdnr. 10; Berlit, info also 2013, 195 [198 f.]). § 2 Abs. 1 AsylbLG a.F. macht die Gewährung von höheren Leistungen – eine "Vergünstigung" (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8/9b AY 1/07 R – juris Rdnr. 33) – vom Vorliegen verschiedener Voraussetzungen abhängig. Dass zu diesen Voraussetzungen auch gehört, dass der Betroffene seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat, ist nicht zu beanstanden. Zwar das BVerfG in einem Obiter dictum postuliert, dass das "Grundrecht auf menschenwürdiges Existenzminimum" nicht migrationspolitisch relativiert werden dürfe (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris Rdnr. 95). Zum einen gehen Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG über das menschenwürdige Existenzminimum aber hinaus, so dass das "Grundrecht auf menschenwürdiges Existenzminimum" hierdurch gar nicht berührt wird. Zum anderen dient § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht der Steuerung der Migration als solcher, sondern soll das rechtmäßige Verhalten der in den Anwendungsbereich des AsylbLG fallenden Personen und hierdurch eine rechtmäßige Durchführung des Ausländerrechts insgesamt sicherstellen.
Auch lässt es sich nicht rechtfertigen, der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes dann – entgegen § 2 Abs. 1 AsylbLG – keine anspruchsausschließende Wirkung mehr beizumessen, wenn der Betroffene sich inzwischen über einen längeren Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und das rechtsmissbräuchliche Verhalten inzwischen aufgegeben hat. Denn es ist gerade Zweck des § 2 Abs. 1 AsylbLG, einen längeren oder gar dauerhaften Aufenthalten von Personen, die hierzu nicht berechtigt sind, zu verhindern. Bei der – siehe oben – notwendigen typisierenden Betrachtungsweise wäre bei nicht rechtsmissbräuchlichem Verhalten der Aufenthalt des Betroffenen bereits beendet, so dass ein längerer oder gar dauerhafte Aufenthalt verhindert worden wäre. Die Kläger können deswegen auch nicht mit Erfolg darauf verwiesen, dass sie inzwischen über Duldungen nach § 25a AufenthG verfügen. Denn bei rechtmäßigem Verhalten der Kläger hätten sie zum Zeitpunkt der Erteilung der Duldungen bei typisierender Betrachtung bereits keinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland mehr gehabt. Abgesehen davon, erfolgte die Erteilung der Duldungen erst nach Abschluss des hier streitigen Zeitraums.
Auch mit ihrem Vorbringen, eine zwangsweise Rückführung von Libanesen in ihre Heimat nach erfolglos abgeschlossenem Asylverfahren sei erst möglich, wenn eine Freiwilligkeitserklärung abgegeben werde, und die Nichtabgabe der Freiwilligkeitserklärung begründe kein rechtsmissbräuchliches Verhalten, dringen die Kläger nicht durch; denn der Vorwurf des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens knüpft im vorliegenden Fall nicht hieran, sondern an die falschen Angaben zur Identität, Staatsangehörigkeit und zum Passbesitz an.
e) Den geltend gemachten Ansprüchen auf Rücknahme der Bescheide vom 29. August 2007, vom 19. September 2007, vom 9. Oktober 2007, vom 19. Oktober 2007, vom 22. November 2007 und vom 3. September 2009 und der konkludenten Bescheide über die Auszahlung von Grundleistungen sowie die Gewährung von Analogleistungen für die Zeit vom 14. September 2007 bis zum 24. September 2009 nach § 44 SGB X steht unabhängig von den vorstehenden Ausführungen außerdem entgegen, dass die Kläger nicht bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats durchgehend hilfebedürftig waren.
aa) Das BSG hat bereits mehrfach entschieden (Urteile vom 9. Juni 2011 – 8 AY 1/10 R –, vom 20. Dezember 2012 – B 7 AY 4/11 R – und vom 26. Juni 2013 – B 7 AY 3/12 R – alle juris; vgl. ferner BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7. Februar 2012 – 1 BvR 1263/11 – juris), dass eine Nachzahlung monatsweiser Leistungen für den Fall nicht in Betracht kommt, dass die Bedürftigkeit dauerhaft oder temporär – bei zu erbringenden Monatsleistungen wie nach dem SGB II, SGB XII oder dem AsylbLG – zumindest für einen Monat entfallen ist; maßgeblicher Zeitpunkt für die zu treffende Entscheidung ist dabei die letzte gerichtliche Tatsacheninstanz. Denn nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat bereits ausdrücklich angeschlossen hat (bspw. Urteil des Senats vom 24. April 2015 – L 7 AY 3763/12 – juris Rdnr. 22 m.w.N.), muss unter Berücksichtigung des § 44 Abs. 4 SGB X ("nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs", hier das AsylbLG) den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung getragen und berücksichtigt werden, dass die Leistungen nach dem AsylbLG ebenso wie die Sozialhilfe nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienen und deshalb für zurückliegende Zeiten nur dann zu erbringen sind, wenn die Leistungen ihren Zweck noch erfüllen können.
Die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz als maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der durchgehenden Bedürftigkeit ergibt sich bereits aus dem Zweck des Zugunstenverfahrens des § 44 SGB X und den genannten, zu berücksichtigenden Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts. § 44 SGB X soll grundsätzlich der materiellen Gerechtigkeit gegenüber dem durch die Bestandskraft von Verwaltungsakten bezweckten Rechtsfrieden Vorrang einräumen. Dies gilt aufgrund der besonderen Zweckrichtung für die Sozialhilfe und das insoweit parallele Asylbewerberleistungsrecht, die jeweils eine besondere aktuelle Notlage beseitigen sollen, gerade nur, wenn diese Leistungen ihren Zweck noch erfüllen können. Demnach sollen die Betroffenen – auch bei Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Ablehnung – keine Leistungen mehr erhalten können, deren sie mangels Fortbestehen einer aktuellen Notlage nicht mehr bedürfen. Demnach sollen Behörden nicht verpflichtet sein und auch durch Gerichte nicht verpflichtet werden können, nunmehr zweckverfehlende Leistungen zu erbringen. Für die Zweckverfehlung ist es jedoch nicht erheblich, ob sie bereits bei Stellung des Überprüfungsantrages bestand hatte oder im Laufe des Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens eintritt. Es besteht daher nach dem materiellen Recht kein Grund, in solchen Fällen von dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz abzuweichen, dass bei der Verpflichtungs- oder Leistungsklage entscheidungserheblicher Zeitpunkt die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz ist. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG. Die bereits vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze für die Fälle, in denen Hilfesuchende bei einer rechtswidrigen Ablehnung innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf einlegen, im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erst erstreiten müssen und zwischenzeitlich eine Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter eintritt (vgl. zu diesen Grundsätzen auch BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R – juris Rdnr. 14 m.w.N.), gelten nicht beim Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Die Kläger haben es in diesem Fall lediglich versäumt, die – teilweisen – Ablehnungen rechtzeitig anzufechten und damit den "primären", nach den genannten Grundsätzen effektiv ausgestalteten Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Der Rechtsschutz gegen Entscheidungen über Ansprüche, die nur unter Durchbrechung des bereits eingetretenen Rechtsfriedens durchgesetzt werden können, kann daher anderen Voraussetzungen unterworfen werden. Mit der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) sieht der Senat somit als entscheidungserheblichen Zeitpunkt für die Beurteilung durchgehender Bedürftigkeit die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz an (so bereits Urteil des Senats vom 24. April 2015 – L 7 AY 3763/12 – juris Rdnr. 23; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 4. September 2014, a.a.O.).
bb) Für die Frage, ob die Bedürftigkeit der Kläger durchgehend vorgelegen hat oder zeitweilig entfallen ist, sind, ausgehend vom jeweiligen Aufenthaltsstatus und ggf. der Erwerbsfähigkeit, die Leistungsvoraussetzungen der einzelnen Leistungssysteme (SGB II, SGB XII, AsylbLG) zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 3/12 R - juris Rdnr. 14).
Da die Kläger aufgrund der ihnen inzwischen erteilten Aufenthaltserlaubnisse nicht mehr zum leistungsberechtigten Personenkreis des AsylbLG gehörten und ein Ausschluss der Erwerbsfähigkeit i.S.d. § 8 SGB II weder aus rechtlichen noch medizinischen Gründen bestand, ist deren Hilfebedürftigkeit nun nach den Regelungen des SGB II zu bestimmen. Nach dem im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheid der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit vom 2. August 2016 bezog der Kläger zu 1 jedenfalls für Juli bis November 2016 den Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Für den Senat besteht aufgrund der vorliegenden Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Kläger auch kein Anlass, an deren Rechtmäßigkeit zu zweifeln. Die Kläger haben zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, dass diese tatsächlich gewährten Leistungen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unzutreffend gewesen seien. Weitere Ermittlungen waren daher nicht vorzunehmen. Jedenfalls sind die Leistungen in der genannten Höhe an die Kläger geflossen.
Der Bezug von Kinderzuschlag nach § 6a BKKG setzt schon tatbestandlich voraus, dass dadurch eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden wird, dass eine solche also nach Gewährung des Zuschlages nicht bestanden hat. Die Frage nach einem Bedürftigkeitswegfall ist allein an einer (ggf. fiktiven) grundsicherungsrechtlichen Bedürftigkeitsprüfung zu orientieren. Abhängig von Alter, Erwerbsfähigkeit und ausländerrechtlichem Status regeln die Vorschriften des SGB II, SGB XII und AsylbLG die maximal anzuerkennenden, nachzahlungsunschädlichen Bedarfs- und Einkommenshöhen. Denn allein diese Leistungssysteme haben die Funktion, für den von ihnen erfassten Personenkreis abschließend und insgesamt lückenlos das Niveau des menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG (sog. menschenwürdiges Existenzminimum) zu bestimmen. Bei der Erzielung von Einkünften oberhalb der sich aus ihnen ergebenden Bedarfsgrenzen ist eine Bedürftigkeit für Leistungen mit der Funktion der existenzsichernden Sozialhilfe grundsätzlich nicht mehr anzuerkennen. Wenn auch andere Sozialleistungen (hier der Kinderzuschlag nach § 6a BKGG oder das Wohngeld) an eine Bedürftigkeit (in einem weiteren Sinne) anknüpfen, führt das zu keiner anderen Bewertung, sofern dieser andere Leistungsbezug jedenfalls zu einem Überschreiten der Bedarfsgrenze des menschenwürdigen Existenzminimums führt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Oktober 2011 – L 20 AY 114/10 – juris Rdnr. 45).
Sonach sind vom Beklagten Leistungen auch aus den vorgenannten Gründen rückwirkend nicht zu erbringen; damit besteht schon deswegen kein Anspruch auf deren Rücknahme nach § 44 Abs. 1 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 16/08 R – juris Rdnr. 22).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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