Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 408/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 U 602/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 179.022,21EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt an verschiedenen Standorten in Deutschland Läden und Werkstätten sowie einen Online-Shop in denen gebrauchte EDV Ware (PC s, Notebooks, Drucker, Server und weiteres Zubehör) aufgearbeitet oder in Wertstoffe zerlegt werden. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrags "die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt". Nach § 3 des Gesellschaftsvertrages verfolgt die Gesellschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Nach Angaben der Klägerin wurden am 01.01.2013 159 Mitarbeitern beschäftigt. Davon waren 44,64 v.H. behinderte Menschen, darunter 40,25 v.H. aus der Zielgruppe des § 132 Abs.1 9. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX). Von den 159 Mitarbeitern waren 15 in leitender Funktion, 14 in der Verwaltung, 45 in Vertrieb, Verkauf und Logistik, 55 in Technik, Test, Zerlegung und Softwareentwicklung und 30 als Auszubildende und Praktikanten beschäftigt. Im Handelsregister (Amtsgericht Essen, Handelsregister B, HRB 21251) heißt es, das Unternehmen sei als Integrationsobjekt im Sinne des § 132 SGB IX tätig. Weiter heißt es: "Das Unternehmen betreibt keinen reinen Handel, sondern lässt alle EDV-Produkte von behinderten Menschen ‚veredeln‘." Mit Bescheid vom 26.11.2009 (Zuständigkeitsbescheid) erklärte die Beklagte ihre Zuständigkeit für das Unternehmen und veranlagte das Unternehmen innerhalb der Tarifstelle 17 mit dem Strukturschlüssel 0830 (Beschäftigungs-/ Qualifizierungsprojekte") zur Gefahrklasse 9,10. Diese Bescheide und die darauf basierenden Beitragsbescheide blieben unangefochten. Mit Veranlagungsbescheid vom 15.11.2012 wurde das Unternehmen dem Strukturschlüssel 0830 (Beschäftigungs-Qualifizierungsprojekte, Integrationsunternehmen") in der Tarifstelle 17 zugeordnet. Dieser Bescheid blieb ebenfalls unangefochten.
Unter dem 28.02.2013 beantragte die Klägerin die Überweisung des Unternehmens an die zuständige Berufsgenossenschaft. Da der Schwerpunkt im Vertrieb und in der Verwertung von EDV-Geräten liege, sei die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft (BG) für Handel und Warendistribution (jetzt BG für Handel und Warenlogistik) - der Beigeladenen - gegeben. Die Widerspruchsführerin sei kein bloßes Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekt und keine marktferne Einrichtung mit primär sozialem Charakter. Die Art der Gewinnverwendung gäbe für das Unfallgeschehen und die darauf zu gründende berufsgenossenschaftliche Zuordnung nichts her. Es handele sich um ein normales Unternehmen, das Tariflöhne zahle, sowie Steuern und Sozialabgaben entrichte. Die Feststellung der Zuständigkeit durch die Beklagte verstoße gegen höherrangiges Gesetzes- und Verfassungsrecht. Hierzu verwies die Klägerin auf §§ 132 ff. SGB IX, § 7 Allgemeines Gleichstellungsgesetz, § 33c 1. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB I), § 7 Behindertengleichstellungsgesetz sowie Artikel 3 Grundgesetz (GG). Mit Bescheid vom 22.04.2013 wurde der Antrag auf Überweisung des Unternehmens an die Beigeladene abgelehnt. Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 06.05.2013. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass sich aus der im Gesellschaftsvertrag und im Handelsregister ausgewiesenen gemeinnützigen Zweckbestimmung kein Anknüpfungspunkt für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten ableiten ließe. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2013 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Überweisung nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII seien nicht erfüllt, denn die Beklagte sei für das Unternehmen der Widerspruchsführerin sachlich zuständig. Die Feststellung der Zuständigkeit sei rechtmäßig erfolgt, denn beim Unternehmen der Klägerin handele es sich um ein Unternehmen der Wohlfahrtspflege. Gegen den Bescheid vom 22.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2013 richtet sich die am 05.10.2013 erhobene Klage, mit der die Klägerin die Überweisung an die nach ihrer Ansicht für den Unternehmensschwerpunkt "Handel und Vertrieb von wiederaufgearbeiteter EDV-Geräten" zuständige Berufsgenossenschaft erreichen möchte. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an unrichtig gewesen sei. Dieser trotz bestandskräftiger Zuständigkeitsentscheidung fortbestehende Fehler sei der Grund für das aktuelle Überweisungsbegehren gem. § 136 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VII. Nach Maßgabe der aktuellen Aufteilung der Gewerbearten und Gewerbezweige liege das Schwergewicht der Unternehmenstätigkeit der Klägerin in der Zuständigkeit der Beigeladenen. Nach Maßgabe von § 131 Abs. 2 SGB VII sei daher der Bereich Handel als Hauptunternehmen und die anderen Bestandteile (Elektro, Medien) als Nebenunternehmen anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Klägerin vom 22.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zur weiteren Veranlagung gemäß § 136 Abs.1 SGB VII an die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik zu überweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Klageerwiderung zunächst auf ihren Widerspruchsbescheid. Schwerwiegende Unzuträglichkeiten bei der Durchführung der Unfallversicherung seien von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Selbst wenn man die relativ hohe Hürde eines eindeutigen Widerspruchs gegen geltende Zuständigkeitsregelungen außer Betracht lasse, sei die derzeit bestehende Zuständigkeit der Beklagten für die Klägerin sogar eindeutig richtig. Denn die Klägerin betreibe ein Integrationsunternehmen und die Beklagte sei der sachlich zuständige Unfallversicherungsträger für Integrationsunternehmen. Wegen der fehlenden Zuständigkeitsverordnung bliebe nach § 122 Abs. 2 SGB VII jede BG für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher (d.h. bis zur Einführung des SGB VII im Jahre 1997) zuständig gewesen sei. Die zuständige BG werde nach Art und Gegenstand des Unternehmens bestimmt. Der Begriff "Wohlfahrtspflege" sei in Bezug auf den Versicherungsschutz weit auszulegen, daher müsse dies identisch auch für die Zuständigkeit der Beklagten gelten, denn Versicherungsschutz und Zuständigkeit fielen bei ihr zusammen. Da Integrationsunternehmen im SGB IX geregelt seien bestehe ein starkes Indiz dafür, Integrationsunternehmen dem Begriff "Wohlfahrtspflege" und damit der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten zuzuordnen. Die in aller Regel gewährte Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit, Mildtätigkeit oder als Zweckbetrieb unterstreiche dies zusätzlich. Der Klägerin seien vom Finanzamt Essen-Nord steuerbegünstigte Zwecke beschieden worden, auch dies hebe die Klägerin von einem normalen Handelsunternehmen ab. In der Gewerbeanmeldung werde als Unternehmenszweck die "Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt" angegeben. Es werde nicht beschrieben, dass es sich um ein Handelsunternehmen handele.
Mit Beschluss vom 31.01.2016 wurde die BG Handel und Warendistribution (jetzt BG Handel und Warenlogistik) beigeladen.
Die Beigeladene hält die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 05.09.2013 für zutreffend. Die Beklagte gehe zu Recht weiter von ihrer Zuständigkeit aus. Diese richte sich bei den gewerblichen gesetzlichen Unfallversicherungsträgern nach §§ 121, 122 SGB VII. Hierbei gehe es allerdings immer um die gesamtwirtschaftliche Ausrichtung des Unternehmens, also den Geschäftszweck insgesamt und nicht um einzelne Tätigkeiten. Die Zuständigkeit der Beigeladenen sei für Handelsunternehmen gegeben, die gewerbsmäßig den Handel und Verkauf zum Zweck der Gewinnerzielung betrieben. Gemäß dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin und der Klagebegründung sei der Zweck der Gesellschaft die Beschäftigung behinderter Menschen unter Nutzung steuerlicher Begünstigungen. Hierzu betreibe die Klägerin Läden und Werkstätten und beschäftige größtenteils schwerbehinderte Menschen. Ein übliches Handelsunternehmen, das in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen falle, sei dies nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig jedoch nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2013 ist sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Überweisung an die Beigeladene. Gemäß § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII überweist ein Unfallversicherungsträger ein Unternehmen an den zuständigen Unfallversicherungsträger, wenn die Feststellung der Zuständigkeit für das Unternehmen von Anfang unrichtig war oder die Zuständigkeit für das Unternehmen sich geändert hat. Die Feststellung der Zuständigkeit war nach § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt dagegen gemäß § 136 Abs. 2 Satz 2 SGB VII vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Anhaltspunkte für eine Änderung in den Unternehmensverhältnissen sind nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Annahme einer anfänglichen Unrichtigkeit i.S. des § 136 Abs. 1 SGB VII liegen ebenfalls nicht vor. Weder kann ein eindeutiger Widerspruch gegen Zuständigkeitsregeln angenommen werden noch würde das Festhalten an der aktuellen Zuständigkeit zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen. § 136 Abs. 1 SGB VII dient der Kontinuität und Rechtssicherheit. Dementsprechend soll die einmal begründete und praktizierte Zuständigkeit nur in einem geordneten Verfahren und unter erschwerten Bedingungen wieder geändert werden können. Mit diesen strengen Voraussetzungen der Überweisung zur Korrektur einer unrichtigen Zuständigkeitsfeststellung soll der Katasterfrieden und die Katasterstetigkeit gewahrt werden (u.a BSG, Urteile 02.04.2009 – B 2 U 20/07 R, SozR 4-2700 § 136 Nr. 5 und vom 11.08.1998 – B 2 U 31/97 R). Von einem eindeutigen Widerspruch zu den Zuständigkeitsregelungen ist daher nur ausnahmsweise auszugehen. Ein eindeutiger Widerspruch ist nur dann anzunehmen, wenn die Unrichtigkeit auf grobem Verstoß des Unfallversicherungsträgers gegen seine Ermittlungs- und Prüfungspflicht beruht, z.B. in Form von unterlassener Prüfung der Betriebsverhältnisse oder bloßer Zuständigkeitsfeststellung auf Verdacht (BSG, Urteil vom 28.11.1961, 2 RU 36/58). Derartige Unzuträglichkeiten sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Die Zuständigkeitsfeststellung - sowie sie von der Beklagten mit Bescheid vom 26.11.2009 (Zuständigkeitsbescheid) erklärte wurde - entspricht der materiellen Rechtslage. Wegen der fehlenden Zuständigkeitsverordnung bleibt nach § 122 Abs. 2 SGB VII jede BG für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher (d.h. bis Einführung des SGB VII im Jahre 1997) zuständig war (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.05.2016 – L 6 U 90/16). Erst wenn die historische Betrachtung nicht weiterführt, wird die zuständige BG nach Art und Gegenstand des Unternehmens bestimmt (BSG, Urteil vom 30.11.1975 - 2 RU 119/74, BSGE 39,112). Für das Unternehmen der Klägerin ist die Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger (§ 122 Abs. 2 SGB VII i.V. mit Abschnitt A Abs. I Buchst. a der Verordnung über Träger der Unfallversicherung vom 17.05.1929 (RGBl I, 104)). Nach § 3 ihrer Satzung ist die Beklagte zuständig für Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten) der Wohlfahrtspflege. Darunter fallen auch Einrichtungen zur Hilfe für Menschen mit Behinderungen. Das Unternehmen der Klägerin ist der Wohlfahrtspflege zuzuordnen. Der Begriff der "Wohlfahrtspflege" ist im SGB VII nicht definiert. In der Rechtsprechung (u.a. BSG, Urteil vom 26.6.1985, 2 RU 79/84, SozR 2200 § 539 Nr. 111) wird unter der Wohlfahrtspflege die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbes wegen ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete oder notleidende Mitmenschen verstanden. Davon geht die Kammer auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages aus. Denn Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages "die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt". Zudem verfolgt die Gesellschaft gem. § 3 des Gesellschaftsvertrages ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. In der Gewerbeanmeldung wird als Unternehmenszweck die "Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt" angegeben. Es wird nicht beschrieben, dass es sich um ein Handelsunternehmen handelt, worauf die Beklagte zutreffend hinweist. Angesichts dieser nach außen hin erkennbaren Indizien, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin einzig und allein im Vertrieb und in der Verwertung von EDV-Geräten liegt. Dagegen spricht auch der Umstand, dass vom Finanzamt Essen-Nord steuerbegünstigte Zwecke beschieden worden sind, auch dies hebt die Klägerin von einem normalen Handelsunternehmen ab. Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls weder ein eindeutiger Widerspruch gegen Zuständigkeitsregeln noch schwerwiegende Unzuträglichkeiten angenommen werden. Das Gesetz macht insoweit schon nach seinem Wortlaut klar, dass nicht von festen Kriterien für die Zuordnung eines Unternehmens zu einer konkreten BG ausgegangen werden kann und nicht jede Abweichung von herkömmlichen Kriterien zu Überweisung an eine andere BG führen soll. Von daher verbleibt es bei der Zuweisung der Klägerin an die Beklagte selbst dann, wenn die derzeit bestehende Zuständigkeit der Beklagten für die Klägerin nicht eindeutig richtig. Zugleich wird die Kammer damit der Aufgabe enthoben, zu prüfen, ob die bestehende die einzig richtige Zuständigkeit ist. Soweit die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung nochmals darauf verwiesen hat, Unternehmen der Wohlfahrtspflege seien anderen Bilanzierungsvorschriften als sie unterworfen, führt auch dies nicht zum Erfolg der Klage. Denn da es an allgemeingültigen Kriterien für die Zuständigkeit einer BG fehlt, können einzelne Gesichtspunkte kein solches Gewicht erlangen, dass allein sie einen eindeutigen Widerspruch der bestehenden Zuständigkeitsregelung oder eine schwere Unzuträglichkeit begründen. Letztlich bleibt zu beachten, dass Integrationsunternehmen einen "hybriden Charakter" (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2016 – L 9 U 1028/15) aufweisen, so dass die Beklagte eine Gewichtung vorzunehmen konnte. Dass die Beklagte hierbei das größere Gewicht auf die Wohlfahrtspflege gelegt hat, stellt insbesondere unter Berücksichtigung des Inhalts des Gesellschaftsvertrags und der dort geregelten eindeutigen Zweckbestimmung keinen groben Rechtsverstoß dar (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2016 – L 9 U 1028/15). Die höhere Beitragsbelastung der Klägerin – bei weiter fortbestehender Zuständigkeit der Beklagten - kann ebenfalls nicht als eine schwere Unzuträglichkeit angesehen werden (vgl. BSG, Urteil 12.12.1985 - 2 RU 57/84 - SGB 1986, 338). Ohnehin ist fraglich, ob die Beitragsstruktur der Beigeladenen bei Überweisung der Klägerin und vergleichbarer Unternehmen zukünftig noch Bestand hätte. Die Kammer weist darauf hin, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit lediglich mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz – UVMG) vom 30.10.2008 (BGBl I 2008, 2130) Veranlassung gesehen hat, die Zuständigkeitsregelungen weitergehend zu ändern bzw. zu ergänzen und dem § 136 Abs.2 SGB VII zum 05.11.2008 die Sätze 3 bis 6 angefügt hat. Durch § 136 Abs.2 Satz 3 SGB VII werden die Voraussetzungen einer wesentlichen Veränderung konkretisiert. Von einer weitergehenden Konkretisierung oder weiteren Erleichterung der Überweisung hat der Gesetzgeber bislang keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr hat er - in Kenntnis der eher restriktiven Auslegung der Kriterien für eine Überweisung durch die Unfallversicherungsträger und die Gerichte (BT-Drs. 16/9154, zu Nr.16) – keinen weiteren Reformbedarf gesehen. Zugleich hat der Gesetzgeber aber damit auch zu erkennen gegeben, dass er die restriktive Auslegung der Gerichte und Unfallversicherungsträger im Übrigen, d.h. in den von der Reform nicht erfassten Fällen, für richtig hält. Die Feststellung der Zuständigkeit durch die Beklagte verstößt nicht gegen höherrangiges Gesetzes- und Verfassungsrecht. Zusammengefasst sieht die Klägerin offenbar ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Unternehmen durch die im Vergleich zur Beigeladenen höheren Beiträge der Beklagten gefährdet. Dem kann die Kammer schon mit Blick auf die der Klägerin gewährte Steuervergünstigung nicht folgen. Zudem lässt es die Klägerin an konkreten Belegen für ihre verminderte Wettbewerbsfähigkeit fehlen. Zwar legt die Klägerin dar, dass sie bei der Beigeladenen geringere Beiträge aufbringen muss, allerdings wird die Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nicht allein durch die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung bestimmt. Insoweit bleibt ebenfalls darauf hinzuweisen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Stellung als Integrationsunternehmen steuerliche Vorteile (z.B. als Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 3c Abgabenordnung (AO)) in Anspruch nimmt und grundsätzlich Anspruch auf finanzielle Förderleistungen nach § 134 SGB IX besitzt; Vergünstigungen, die Betriebe in einem vergleichbaren unternehmerischen Segment eben nicht besitzen. Die Klägerin muss sich ferner darauf verweisen lassen, dass sie nach dem Gesellschaftsvertrag das Unternehmen eben nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen unterhält, sondern auch wegen eines übergeordneten ideellen Zwecks (vgl. insoweit auch SG Augsburg, Urteil vom 12.06.2014 – S 4 U 281/13). Wäre dies tatsächlich anders - so wenn bei der Klägerin der allein der Handel und Vertrieb im Vordergrund stände und die nur begleitende Tätigkeit der behinderten Mitarbeiter lediglich einen untergeordneten Teil der Wertschöpfung ausmachte - läge ein steuerlich privilegierter Zweckbetrieb, d.h ein Unternehmen, das sich in seiner Gesamtausrichtung nicht als Integrationsprojekt darstellt, nicht mehr vor (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2009, 9 K 411/06). Vor diesen Hintergrund vermag die Kammer die – im Übrigen lediglich pauschal behauptete - Verletzung der §§ 132 ff. SGB IX, des § 7 Allgemeines Gleichstellungsgesetz, des § 33c SGB I und des § 7 Behindertengleichstellungsgesetz (Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt, nicht nachzuvollziehen. Vielmehr lassen die Regelungen der §§ 132 ff SGB XI und die entsprechende steuerlicher Förderung von Integrationsunternehmen erkennen, dass sich der Gesetzgeber bewusst für ein Modell zur Förderung der Beschäftigung von behinderten Menschen entschieden hat, dass Integrationsunternehmen eben nicht in jeder Hinsicht mit am Markt tätigen Unternehmen gleichstellt. Insgesamt kann nicht erkannt werden, dass allein durch die – aktuell – bestehende höhere Betragslast zur gesetzlichen Unfallversicherung Behinderte benachteiligt werden. Vielmehr erscheint es sachgerecht, dass die in Integrationsunternehmen erforderliche Begleitung der Tätigkeit von behinderten Menschen im Sinne einer Wohlfahrtspflege, zur Zuständigkeit der Beklagten und damit auch zu höheren Beiträgen führt. Art. 3 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 19. 12.2012, 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1-33). Zwischen der Gruppe Integrationsunternehmen und der Gruppe der reinen Handelsunternehmen bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine Zuweisung zur Beklagten und damit eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung rechtfertigen. Denn bei ersteren tritt neben eigenwirtschaftlichen, gewinnorientierten Tätigkeit ein ideeller Zweck als Art und Gegenstand des Unternehmens hinzu, der mit der Förderung schwerbehinderter Menschen, Elemente der Wohlfahrtspflege enthält.
Die Kammer konnte es letztlich dahin stehen lassen, ob die Zuweisung der Integrationsunternehmen an die Beklagte, die Interessen der behinderten Menschen umfassend und besser fördert. Die Beklagte hat insoweit im Termin zur mündlichen Verhandlung nochmals eingehend ausgeführt, dass die Wahrung der Interessen behinderter Menschen gerade durch die Vertreter der Wohlfahrtspflege in den Selbstverwaltungsorganen der Beklagten sowie angesichts deren Erfahrungen auf dem Gebiet der Prävention und Rehabilitation im Bereich der Wohlfahrtspflege in besonderem Maße gewährleistet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGG i.V. mit § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Für die Festsetzung des Streitwerts fehlt es vorliegend nicht an hinreichenden Anhaltspunkten, da der Jahresbeitrag für 2013 der Klägerin zur Beklagten mit 59.674,07 EUR angegeben wird. Der Streitwert war daher mit dem dreifachen Jahresbeitrag Beklagten, gegen dessen Zuständigkeit sich die Klägerin wendet anzusetzen (vgl. Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage 2012).
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 179.022,21EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt an verschiedenen Standorten in Deutschland Läden und Werkstätten sowie einen Online-Shop in denen gebrauchte EDV Ware (PC s, Notebooks, Drucker, Server und weiteres Zubehör) aufgearbeitet oder in Wertstoffe zerlegt werden. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrags "die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt". Nach § 3 des Gesellschaftsvertrages verfolgt die Gesellschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Nach Angaben der Klägerin wurden am 01.01.2013 159 Mitarbeitern beschäftigt. Davon waren 44,64 v.H. behinderte Menschen, darunter 40,25 v.H. aus der Zielgruppe des § 132 Abs.1 9. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX). Von den 159 Mitarbeitern waren 15 in leitender Funktion, 14 in der Verwaltung, 45 in Vertrieb, Verkauf und Logistik, 55 in Technik, Test, Zerlegung und Softwareentwicklung und 30 als Auszubildende und Praktikanten beschäftigt. Im Handelsregister (Amtsgericht Essen, Handelsregister B, HRB 21251) heißt es, das Unternehmen sei als Integrationsobjekt im Sinne des § 132 SGB IX tätig. Weiter heißt es: "Das Unternehmen betreibt keinen reinen Handel, sondern lässt alle EDV-Produkte von behinderten Menschen ‚veredeln‘." Mit Bescheid vom 26.11.2009 (Zuständigkeitsbescheid) erklärte die Beklagte ihre Zuständigkeit für das Unternehmen und veranlagte das Unternehmen innerhalb der Tarifstelle 17 mit dem Strukturschlüssel 0830 (Beschäftigungs-/ Qualifizierungsprojekte") zur Gefahrklasse 9,10. Diese Bescheide und die darauf basierenden Beitragsbescheide blieben unangefochten. Mit Veranlagungsbescheid vom 15.11.2012 wurde das Unternehmen dem Strukturschlüssel 0830 (Beschäftigungs-Qualifizierungsprojekte, Integrationsunternehmen") in der Tarifstelle 17 zugeordnet. Dieser Bescheid blieb ebenfalls unangefochten.
Unter dem 28.02.2013 beantragte die Klägerin die Überweisung des Unternehmens an die zuständige Berufsgenossenschaft. Da der Schwerpunkt im Vertrieb und in der Verwertung von EDV-Geräten liege, sei die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft (BG) für Handel und Warendistribution (jetzt BG für Handel und Warenlogistik) - der Beigeladenen - gegeben. Die Widerspruchsführerin sei kein bloßes Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekt und keine marktferne Einrichtung mit primär sozialem Charakter. Die Art der Gewinnverwendung gäbe für das Unfallgeschehen und die darauf zu gründende berufsgenossenschaftliche Zuordnung nichts her. Es handele sich um ein normales Unternehmen, das Tariflöhne zahle, sowie Steuern und Sozialabgaben entrichte. Die Feststellung der Zuständigkeit durch die Beklagte verstoße gegen höherrangiges Gesetzes- und Verfassungsrecht. Hierzu verwies die Klägerin auf §§ 132 ff. SGB IX, § 7 Allgemeines Gleichstellungsgesetz, § 33c 1. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB I), § 7 Behindertengleichstellungsgesetz sowie Artikel 3 Grundgesetz (GG). Mit Bescheid vom 22.04.2013 wurde der Antrag auf Überweisung des Unternehmens an die Beigeladene abgelehnt. Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 06.05.2013. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass sich aus der im Gesellschaftsvertrag und im Handelsregister ausgewiesenen gemeinnützigen Zweckbestimmung kein Anknüpfungspunkt für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten ableiten ließe. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2013 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Überweisung nach § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII seien nicht erfüllt, denn die Beklagte sei für das Unternehmen der Widerspruchsführerin sachlich zuständig. Die Feststellung der Zuständigkeit sei rechtmäßig erfolgt, denn beim Unternehmen der Klägerin handele es sich um ein Unternehmen der Wohlfahrtspflege. Gegen den Bescheid vom 22.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.09.2013 richtet sich die am 05.10.2013 erhobene Klage, mit der die Klägerin die Überweisung an die nach ihrer Ansicht für den Unternehmensschwerpunkt "Handel und Vertrieb von wiederaufgearbeiteter EDV-Geräten" zuständige Berufsgenossenschaft erreichen möchte. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Feststellung der Zuständigkeit von Anfang an unrichtig gewesen sei. Dieser trotz bestandskräftiger Zuständigkeitsentscheidung fortbestehende Fehler sei der Grund für das aktuelle Überweisungsbegehren gem. § 136 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VII. Nach Maßgabe der aktuellen Aufteilung der Gewerbearten und Gewerbezweige liege das Schwergewicht der Unternehmenstätigkeit der Klägerin in der Zuständigkeit der Beigeladenen. Nach Maßgabe von § 131 Abs. 2 SGB VII sei daher der Bereich Handel als Hauptunternehmen und die anderen Bestandteile (Elektro, Medien) als Nebenunternehmen anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Klägerin vom 22.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zur weiteren Veranlagung gemäß § 136 Abs.1 SGB VII an die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik zu überweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Klageerwiderung zunächst auf ihren Widerspruchsbescheid. Schwerwiegende Unzuträglichkeiten bei der Durchführung der Unfallversicherung seien von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Selbst wenn man die relativ hohe Hürde eines eindeutigen Widerspruchs gegen geltende Zuständigkeitsregelungen außer Betracht lasse, sei die derzeit bestehende Zuständigkeit der Beklagten für die Klägerin sogar eindeutig richtig. Denn die Klägerin betreibe ein Integrationsunternehmen und die Beklagte sei der sachlich zuständige Unfallversicherungsträger für Integrationsunternehmen. Wegen der fehlenden Zuständigkeitsverordnung bliebe nach § 122 Abs. 2 SGB VII jede BG für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher (d.h. bis zur Einführung des SGB VII im Jahre 1997) zuständig gewesen sei. Die zuständige BG werde nach Art und Gegenstand des Unternehmens bestimmt. Der Begriff "Wohlfahrtspflege" sei in Bezug auf den Versicherungsschutz weit auszulegen, daher müsse dies identisch auch für die Zuständigkeit der Beklagten gelten, denn Versicherungsschutz und Zuständigkeit fielen bei ihr zusammen. Da Integrationsunternehmen im SGB IX geregelt seien bestehe ein starkes Indiz dafür, Integrationsunternehmen dem Begriff "Wohlfahrtspflege" und damit der sachlichen Zuständigkeit der Beklagten zuzuordnen. Die in aller Regel gewährte Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit, Mildtätigkeit oder als Zweckbetrieb unterstreiche dies zusätzlich. Der Klägerin seien vom Finanzamt Essen-Nord steuerbegünstigte Zwecke beschieden worden, auch dies hebe die Klägerin von einem normalen Handelsunternehmen ab. In der Gewerbeanmeldung werde als Unternehmenszweck die "Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt" angegeben. Es werde nicht beschrieben, dass es sich um ein Handelsunternehmen handele.
Mit Beschluss vom 31.01.2016 wurde die BG Handel und Warendistribution (jetzt BG Handel und Warenlogistik) beigeladen.
Die Beigeladene hält die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 05.09.2013 für zutreffend. Die Beklagte gehe zu Recht weiter von ihrer Zuständigkeit aus. Diese richte sich bei den gewerblichen gesetzlichen Unfallversicherungsträgern nach §§ 121, 122 SGB VII. Hierbei gehe es allerdings immer um die gesamtwirtschaftliche Ausrichtung des Unternehmens, also den Geschäftszweck insgesamt und nicht um einzelne Tätigkeiten. Die Zuständigkeit der Beigeladenen sei für Handelsunternehmen gegeben, die gewerbsmäßig den Handel und Verkauf zum Zweck der Gewinnerzielung betrieben. Gemäß dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin und der Klagebegründung sei der Zweck der Gesellschaft die Beschäftigung behinderter Menschen unter Nutzung steuerlicher Begünstigungen. Hierzu betreibe die Klägerin Läden und Werkstätten und beschäftige größtenteils schwerbehinderte Menschen. Ein übliches Handelsunternehmen, das in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen falle, sei dies nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig jedoch nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2013 ist sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Überweisung an die Beigeladene. Gemäß § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII überweist ein Unfallversicherungsträger ein Unternehmen an den zuständigen Unfallversicherungsträger, wenn die Feststellung der Zuständigkeit für das Unternehmen von Anfang unrichtig war oder die Zuständigkeit für das Unternehmen sich geändert hat. Die Feststellung der Zuständigkeit war nach § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB VII von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt dagegen gemäß § 136 Abs. 2 Satz 2 SGB VII vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist. Anhaltspunkte für eine Änderung in den Unternehmensverhältnissen sind nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für die Annahme einer anfänglichen Unrichtigkeit i.S. des § 136 Abs. 1 SGB VII liegen ebenfalls nicht vor. Weder kann ein eindeutiger Widerspruch gegen Zuständigkeitsregeln angenommen werden noch würde das Festhalten an der aktuellen Zuständigkeit zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen. § 136 Abs. 1 SGB VII dient der Kontinuität und Rechtssicherheit. Dementsprechend soll die einmal begründete und praktizierte Zuständigkeit nur in einem geordneten Verfahren und unter erschwerten Bedingungen wieder geändert werden können. Mit diesen strengen Voraussetzungen der Überweisung zur Korrektur einer unrichtigen Zuständigkeitsfeststellung soll der Katasterfrieden und die Katasterstetigkeit gewahrt werden (u.a BSG, Urteile 02.04.2009 – B 2 U 20/07 R, SozR 4-2700 § 136 Nr. 5 und vom 11.08.1998 – B 2 U 31/97 R). Von einem eindeutigen Widerspruch zu den Zuständigkeitsregelungen ist daher nur ausnahmsweise auszugehen. Ein eindeutiger Widerspruch ist nur dann anzunehmen, wenn die Unrichtigkeit auf grobem Verstoß des Unfallversicherungsträgers gegen seine Ermittlungs- und Prüfungspflicht beruht, z.B. in Form von unterlassener Prüfung der Betriebsverhältnisse oder bloßer Zuständigkeitsfeststellung auf Verdacht (BSG, Urteil vom 28.11.1961, 2 RU 36/58). Derartige Unzuträglichkeiten sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Die Zuständigkeitsfeststellung - sowie sie von der Beklagten mit Bescheid vom 26.11.2009 (Zuständigkeitsbescheid) erklärte wurde - entspricht der materiellen Rechtslage. Wegen der fehlenden Zuständigkeitsverordnung bleibt nach § 122 Abs. 2 SGB VII jede BG für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher (d.h. bis Einführung des SGB VII im Jahre 1997) zuständig war (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.05.2016 – L 6 U 90/16). Erst wenn die historische Betrachtung nicht weiterführt, wird die zuständige BG nach Art und Gegenstand des Unternehmens bestimmt (BSG, Urteil vom 30.11.1975 - 2 RU 119/74, BSGE 39,112). Für das Unternehmen der Klägerin ist die Beklagte der zuständige Unfallversicherungsträger (§ 122 Abs. 2 SGB VII i.V. mit Abschnitt A Abs. I Buchst. a der Verordnung über Träger der Unfallversicherung vom 17.05.1929 (RGBl I, 104)). Nach § 3 ihrer Satzung ist die Beklagte zuständig für Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten) der Wohlfahrtspflege. Darunter fallen auch Einrichtungen zur Hilfe für Menschen mit Behinderungen. Das Unternehmen der Klägerin ist der Wohlfahrtspflege zuzuordnen. Der Begriff der "Wohlfahrtspflege" ist im SGB VII nicht definiert. In der Rechtsprechung (u.a. BSG, Urteil vom 26.6.1985, 2 RU 79/84, SozR 2200 § 539 Nr. 111) wird unter der Wohlfahrtspflege die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbes wegen ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete oder notleidende Mitmenschen verstanden. Davon geht die Kammer auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages aus. Denn Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages "die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt". Zudem verfolgt die Gesellschaft gem. § 3 des Gesellschaftsvertrages ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. In der Gewerbeanmeldung wird als Unternehmenszweck die "Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt" angegeben. Es wird nicht beschrieben, dass es sich um ein Handelsunternehmen handelt, worauf die Beklagte zutreffend hinweist. Angesichts dieser nach außen hin erkennbaren Indizien, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin einzig und allein im Vertrieb und in der Verwertung von EDV-Geräten liegt. Dagegen spricht auch der Umstand, dass vom Finanzamt Essen-Nord steuerbegünstigte Zwecke beschieden worden sind, auch dies hebt die Klägerin von einem normalen Handelsunternehmen ab. Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls weder ein eindeutiger Widerspruch gegen Zuständigkeitsregeln noch schwerwiegende Unzuträglichkeiten angenommen werden. Das Gesetz macht insoweit schon nach seinem Wortlaut klar, dass nicht von festen Kriterien für die Zuordnung eines Unternehmens zu einer konkreten BG ausgegangen werden kann und nicht jede Abweichung von herkömmlichen Kriterien zu Überweisung an eine andere BG führen soll. Von daher verbleibt es bei der Zuweisung der Klägerin an die Beklagte selbst dann, wenn die derzeit bestehende Zuständigkeit der Beklagten für die Klägerin nicht eindeutig richtig. Zugleich wird die Kammer damit der Aufgabe enthoben, zu prüfen, ob die bestehende die einzig richtige Zuständigkeit ist. Soweit die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung nochmals darauf verwiesen hat, Unternehmen der Wohlfahrtspflege seien anderen Bilanzierungsvorschriften als sie unterworfen, führt auch dies nicht zum Erfolg der Klage. Denn da es an allgemeingültigen Kriterien für die Zuständigkeit einer BG fehlt, können einzelne Gesichtspunkte kein solches Gewicht erlangen, dass allein sie einen eindeutigen Widerspruch der bestehenden Zuständigkeitsregelung oder eine schwere Unzuträglichkeit begründen. Letztlich bleibt zu beachten, dass Integrationsunternehmen einen "hybriden Charakter" (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2016 – L 9 U 1028/15) aufweisen, so dass die Beklagte eine Gewichtung vorzunehmen konnte. Dass die Beklagte hierbei das größere Gewicht auf die Wohlfahrtspflege gelegt hat, stellt insbesondere unter Berücksichtigung des Inhalts des Gesellschaftsvertrags und der dort geregelten eindeutigen Zweckbestimmung keinen groben Rechtsverstoß dar (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2016 – L 9 U 1028/15). Die höhere Beitragsbelastung der Klägerin – bei weiter fortbestehender Zuständigkeit der Beklagten - kann ebenfalls nicht als eine schwere Unzuträglichkeit angesehen werden (vgl. BSG, Urteil 12.12.1985 - 2 RU 57/84 - SGB 1986, 338). Ohnehin ist fraglich, ob die Beitragsstruktur der Beigeladenen bei Überweisung der Klägerin und vergleichbarer Unternehmen zukünftig noch Bestand hätte. Die Kammer weist darauf hin, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit lediglich mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz – UVMG) vom 30.10.2008 (BGBl I 2008, 2130) Veranlassung gesehen hat, die Zuständigkeitsregelungen weitergehend zu ändern bzw. zu ergänzen und dem § 136 Abs.2 SGB VII zum 05.11.2008 die Sätze 3 bis 6 angefügt hat. Durch § 136 Abs.2 Satz 3 SGB VII werden die Voraussetzungen einer wesentlichen Veränderung konkretisiert. Von einer weitergehenden Konkretisierung oder weiteren Erleichterung der Überweisung hat der Gesetzgeber bislang keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr hat er - in Kenntnis der eher restriktiven Auslegung der Kriterien für eine Überweisung durch die Unfallversicherungsträger und die Gerichte (BT-Drs. 16/9154, zu Nr.16) – keinen weiteren Reformbedarf gesehen. Zugleich hat der Gesetzgeber aber damit auch zu erkennen gegeben, dass er die restriktive Auslegung der Gerichte und Unfallversicherungsträger im Übrigen, d.h. in den von der Reform nicht erfassten Fällen, für richtig hält. Die Feststellung der Zuständigkeit durch die Beklagte verstößt nicht gegen höherrangiges Gesetzes- und Verfassungsrecht. Zusammengefasst sieht die Klägerin offenbar ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Unternehmen durch die im Vergleich zur Beigeladenen höheren Beiträge der Beklagten gefährdet. Dem kann die Kammer schon mit Blick auf die der Klägerin gewährte Steuervergünstigung nicht folgen. Zudem lässt es die Klägerin an konkreten Belegen für ihre verminderte Wettbewerbsfähigkeit fehlen. Zwar legt die Klägerin dar, dass sie bei der Beigeladenen geringere Beiträge aufbringen muss, allerdings wird die Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens nicht allein durch die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung bestimmt. Insoweit bleibt ebenfalls darauf hinzuweisen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Stellung als Integrationsunternehmen steuerliche Vorteile (z.B. als Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 3c Abgabenordnung (AO)) in Anspruch nimmt und grundsätzlich Anspruch auf finanzielle Förderleistungen nach § 134 SGB IX besitzt; Vergünstigungen, die Betriebe in einem vergleichbaren unternehmerischen Segment eben nicht besitzen. Die Klägerin muss sich ferner darauf verweisen lassen, dass sie nach dem Gesellschaftsvertrag das Unternehmen eben nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen unterhält, sondern auch wegen eines übergeordneten ideellen Zwecks (vgl. insoweit auch SG Augsburg, Urteil vom 12.06.2014 – S 4 U 281/13). Wäre dies tatsächlich anders - so wenn bei der Klägerin der allein der Handel und Vertrieb im Vordergrund stände und die nur begleitende Tätigkeit der behinderten Mitarbeiter lediglich einen untergeordneten Teil der Wertschöpfung ausmachte - läge ein steuerlich privilegierter Zweckbetrieb, d.h ein Unternehmen, das sich in seiner Gesamtausrichtung nicht als Integrationsprojekt darstellt, nicht mehr vor (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2009, 9 K 411/06). Vor diesen Hintergrund vermag die Kammer die – im Übrigen lediglich pauschal behauptete - Verletzung der §§ 132 ff. SGB IX, des § 7 Allgemeines Gleichstellungsgesetz, des § 33c SGB I und des § 7 Behindertengleichstellungsgesetz (Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt, nicht nachzuvollziehen. Vielmehr lassen die Regelungen der §§ 132 ff SGB XI und die entsprechende steuerlicher Förderung von Integrationsunternehmen erkennen, dass sich der Gesetzgeber bewusst für ein Modell zur Förderung der Beschäftigung von behinderten Menschen entschieden hat, dass Integrationsunternehmen eben nicht in jeder Hinsicht mit am Markt tätigen Unternehmen gleichstellt. Insgesamt kann nicht erkannt werden, dass allein durch die – aktuell – bestehende höhere Betragslast zur gesetzlichen Unfallversicherung Behinderte benachteiligt werden. Vielmehr erscheint es sachgerecht, dass die in Integrationsunternehmen erforderliche Begleitung der Tätigkeit von behinderten Menschen im Sinne einer Wohlfahrtspflege, zur Zuständigkeit der Beklagten und damit auch zu höheren Beiträgen führt. Art. 3 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 19. 12.2012, 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1-33). Zwischen der Gruppe Integrationsunternehmen und der Gruppe der reinen Handelsunternehmen bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie eine Zuweisung zur Beklagten und damit eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung rechtfertigen. Denn bei ersteren tritt neben eigenwirtschaftlichen, gewinnorientierten Tätigkeit ein ideeller Zweck als Art und Gegenstand des Unternehmens hinzu, der mit der Förderung schwerbehinderter Menschen, Elemente der Wohlfahrtspflege enthält.
Die Kammer konnte es letztlich dahin stehen lassen, ob die Zuweisung der Integrationsunternehmen an die Beklagte, die Interessen der behinderten Menschen umfassend und besser fördert. Die Beklagte hat insoweit im Termin zur mündlichen Verhandlung nochmals eingehend ausgeführt, dass die Wahrung der Interessen behinderter Menschen gerade durch die Vertreter der Wohlfahrtspflege in den Selbstverwaltungsorganen der Beklagten sowie angesichts deren Erfahrungen auf dem Gebiet der Prävention und Rehabilitation im Bereich der Wohlfahrtspflege in besonderem Maße gewährleistet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V. mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGG i.V. mit § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Für die Festsetzung des Streitwerts fehlt es vorliegend nicht an hinreichenden Anhaltspunkten, da der Jahresbeitrag für 2013 der Klägerin zur Beklagten mit 59.674,07 EUR angegeben wird. Der Streitwert war daher mit dem dreifachen Jahresbeitrag Beklagten, gegen dessen Zuständigkeit sich die Klägerin wendet anzusetzen (vgl. Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage 2012).
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