L 4 AS 277/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 22 AS 3883/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 277/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger, an dessen gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und Erwerbsfähigkeit im Jahr 2008 keine Zweifel bestehen, ist am xxxxx 1948 geboren. Er bezog seit Mai 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am xxxxx 2007 verstarb die Mutter des Klägers. Das Amtsgericht Hamburg-B. stellte zunächst einen Erbschein aus, der den Kläger und seine Schwester als Miterben zu je 1/2 auswies. Nachdem ein Testament gefunden worden war, das den Kläger zum Alleinerben einsetzte, zog das Amtsgericht Hamburg-B. den gemeinschaftlichen Erbschein mit Beschluss vom 28. August 2007 ein und stellte am 7. September 2007 einen Erbschein aus, der den Kläger als Alleinerben auswies. Eine Erklärung des Klägers über die Ausschlagung des Erbes sah das Amtsgericht Hamburg-B. als unerheblich an. Der Kläger beantragte daraufhin die Einziehung des Erbscheins vom 7. September 2007, was das Amtsgericht Hamburg-B. mit Beschluss vom 22. November 2007 zurückwies (507 IV-VI 739/07). Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde wies das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 29. Januar 2008 zurück (301 T 649/07). In der Begründung führte das Landgericht aus, der Erbschein vom 7. September 2007 sei richtig, der Kläger sei Alleinerbe seiner Mutter geworden.

Der Kläger führte einen Schadensersatzprozess seiner Mutter gegen die E.-Klinik H. GmbH (im Folgenden: E.-Klinik) vor dem Landgericht Hamburg fort (303 O 307/04). Mit Urteil vom 4. April 2008 sprach das Landgericht dem Kläger einen Zahlungsanspruch in Höhe von 80.908,43 Euro nebst Zinsen zu. Der Kläger und die E.-Klinik legten Berufung beim Hanseatischen Oberlandesgericht (1 U 79/08) ein. In der Berufungsbegründung vom 24. Juli 2008 führte die E.-Klinik aus, dass die Haftung dem Grunde nach und die Verpflichtung zur Zahlung einer "unstreitigen Urteilssumme" von 38.004,82 Euro akzeptiert werde.

Die Rechtsvorgängerin des Beklagten, die H. Arbeitsgemeinschaft SGB II, bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 23. April 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Mai bis Oktober 2008. Für die Monate September und Oktober 2008 ergingen Änderungsbescheide am 17. Mai 2008 und am 4. September 2008. In dem Bescheid vom 4. September 2008 hieß es "für Sie werden Leistungen für die Zeit vom 01.09.2008 bis 31.10.2008 in folgender Höhe bewilligt [ ]. Folgende Änderungen sind eingetreten: September und Oktober 2008: Berücksichtigung eines Einkommens aus einer selbständigen Tätigkeit aufgrund der Selbsteinschätzung. Dies ist ein vorläufiger Bescheid. Nach Vorlage der monatlichen Abrechnung erfolgt eine endgültige Berechnung der Leistungen. Vorsorglich werden Sie darauf hingewiesen, dass eventuell zu viel gezahlte Leistungen erstattet werden müssen." Der Kläger hatte zuvor mitgeteilt, dass er seine selbständige Tätigkeit als Bauunternehmer/Ingenieur für Dämmtechnik wieder aufnehme.

Am 18. September 2008 wurde einem Sparkonto (S.) des Klägers bei der S.-Bank ein Zahlungseingang in Höhe von 48.713,25 Euro von der Versicherung der E.-Klinik mit dem Betreff "nicht angefochtene Urteilssumme zzgl. Zinsen" gutgeschrieben.

Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 9. Oktober 2008 (nur bzgl. Oktober 2008) und vom 6. November 2008 (bzgl. September und Oktober 2008) bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten dem Kläger für die Monate September und Oktober 2008 zuletzt jeweils Leistungen in Höhe von 618,75 Euro (351,- Euro Regelbedarf, 267,75 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung). Der Bescheid vom 9. Oktober 2008 entsprach hinsichtlich der Formulierung zur Leistungsgewährung und zur Vorläufigkeit dem Bescheid vom 4. September 2008. Der Bescheid vom 6. November 2008 enthielt keinen Hinweis auf eine Vorläufigkeit. Dort heißt es wörtlich: "für Sie werden Leistungen für die Zeit vom 01.09.2008 bis 31.10.2008 in folgender Höhe bewilligt:" und weiter "Folgende Änderungen sind eingetreten: Für die Monate September und Oktober wurde aufgrund Ihrer abgegebenen Erklärungen kein Einkommen berücksichtigt".

Bei einem Datenabgleich nach § 52 SGB II erfuhr die Rechtsvorgängerin des Beklagten Anfang November 2009 davon, dass der Kläger im Jahr 2008 Kapitalerträge in Höhe von 85,- Euro erzielt hatte. Mit Schreiben vom 9. November 2009 teilte sie dies dem Kläger mit und bat um lückenlose Belege über das Einkommen bzw. das Vermögen, das diesem Kapitalertrag zugrunde lag. Der Kläger äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 11. November 2009, 2. Dezember 2009 und 14. Dezember 2009, erläuterte die Erbschaft und den Schadensersatzprozess und teilte folgendes mit: Die Zahlung aus dem Schadenersatzprozess stünde nicht ihm allein, sondern auch seiner Schwester zu, außerdem seien hieraus Verbindlichkeiten seiner Mutter zu begleichen. Deshalb habe er die Zahlung einem Treuhandkonto zugeführt. Er könne über die Gelder erst nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits mit der E.-Klinik verfügen. Die E.-Klinik habe die gut 48.000,- Euro überwiesen, ohne hierzu aufgefordert worden zu sein und unter Bezug auf die bisherige Rechtslage. Daraus folge, dass für den Fall, dass sich im Berufungsverfahren eine andere Rechtslage ergebe, die E.-Klinik diese vorab gezahlte Summe wieder zurückfordern könne und selbstverständlich auch werde. Ihm seien außerdem insgesamt über 5.000,- Euro an Anwaltskosten aus einem Prozess mit seiner Schwester entstanden. Dieser habe folgenden Hintergrund: Seine Mutter habe ihr Haus 1988 durch Schenkung an seine Schwester übertragen. Er selbst sei damals überschuldet gewesen. Nachdem seine Mutter 2001 infolge eines ärztlichen Kunstfehlers pflegebedürftig geworden sei, sei er 2002 zu ihr in ebenjenes Haus gezogen und habe ihre Betreuung und Pflege übernommen. Seine Schwester habe ihm anlässlich dessen versprochen, dass ihm nach dem Tode der Mutter die Hälfte des Hauses zustehen solle, dies habe sie auch schriftlich bestätigt. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2007 habe die Schwester diese Vereinbarung jedoch bestritten und von ihm die Räumung des Hauses verlangt, damit sie dieses verkaufen könne. Sie habe ihm hierfür eine Frist bis 2009 gesetzt und anschließend vor dem Landgericht Hamburg vergeblich versucht, ihn aus dem Haus zu klagen.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Juni 2010 hob die Rechtsvorgängerin des Beklagten die Entscheidungen vom 23. April 2008, 17. Mai 2008, 4. September 2008, 9. Oktober 2008 und 6. November 2008 über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. September 2008 ganz auf und verlangte Erstattung der Leistungen für Regelbedarf und Kosten der Unterkunft und Heizung sowie der gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis zum 31. August 2009 in Höhe von insgesamt 9.503,60 Euro. Zur Begründung wurde angegeben, der Kläger habe über Vermögenswerte in Höhe von 48.718,- Euro verfügt und sei daher nicht hilfebedürftig gewesen. Er habe Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung seines Anspruchs geführt habe, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Im Zeitraum vom 1. September 2008 bis zum 31. August 2009 seien Leistungen zu Unrecht erbracht worden, diese seien gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung seien nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vom Kläger zu ersetzen.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2010 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. Juni 2010. Er führte aus (Schreiben vom 27.6.2010), er habe am 11. Januar 2010 einen Betrag von 4.000,- Euro an ein Sanitätshaus auf Forderungen gegenüber seiner Mutter zahlen müssen. Im Februar 2010 habe er aus seinem Vermögensfreibetrag ein Darlehen in Höhe von 3.500,- Euro gewährt, dessen Rückzahlung für September 2010 vorgesehen sei. Er habe weitere Kosten von ca. 3.100,- Euro gehabt, im Einzelnen Lagerkosten, Anwaltskosten in der Schadenersatzsache, Anwaltskosten in dem Rechtsstreit mit seiner Schwester wegen des Hauses, Steuerberaterkosten, Handwerkskammerbeitrag, Kfz-Steuer und weitere Kleinbeträge.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2010 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Juni 2010 zurück. Die Aufhebung und Erstattung für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis zum 31. August 2009 sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage sei § 48 Abs. 1 Satz Nr. 3 SGB X. Vertrauensschutzgesichtspunkte sehe diese Rechtsgrundlage nicht vor. Der Zufluss von 48.713,- Euro am 18. September 2008 stelle Einkommen dar. Die Anrechnung einer einmaligen Einnahme solle auch bei erheblichen Einnahmen einen Zeitraum von 12 Monaten nicht überschreiten. Aus der Berufungsschrift und dem Betreff des Kontoauszuges ergebe sich, dass die beklagte E.-Klinik den gezahlten Betrag anerkannt habe, sodass keine Rückforderung drohe. Bei einem Anerkenntnis kämen allenfalls Restitutionsgründe in Betracht, die nicht vorlägen. Auch das in der anerkannten Forderung enthaltene Schmerzensgeld sei zu berücksichtigen, da es aus einem körperlichen Schaden der Mutter und nicht des Klägers selbst resultiere. Mindernd wäre allenfalls der Pflichtteilsanspruch der Schwester in Höhe von 12.178,25 Euro – evt. gemindert um aufzurechnende Forderungen des Klägers gegen die Schwester – zu berücksichtigen. Selbst bei voller Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs verblieben jedoch noch 36.534,75 Euro. Verteilt auf zwölf Monate ergäbe sich daraus ein Betrag von 3.044,56 Euro monatlich, womit der Kläger seinen Bedarf habe decken können. Erst nach Ablauf der zwölf Monate sei der dann verbleibende Rest Vermögen, sodass es erst dann auf Freibetragsregelungen ankomme.

Am 25. Oktober 2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben. Er hat vorgetragen, ihm sei im Mai 2009 nach durchgeführtem Insolvenzverfahren Restschuldbefreiung erteilt worden. Das Erbe habe auch etwa 20.000,- Euro Verbindlichkeiten enthalten, die bei Erhalt der ca. 48.000,- Euro sofort hätten beglichen werden müssen. Außerdem müsse ein Abzug des Pflichtteilsanspruchs in Höhe von ca. 12.000,- Euro erfolgen. Die Schwester mache diesen Pflichtteilsanspruch auch geltend. Ihm stehe ein Anspruch auf Schonvermögen zuzüglich des Anschaffungsbetrages in Höhe von insgesamt 9.900,- Euro zu. Er habe weiterhin Kosten für den Räumungsprozess gegen seine Schwester in Höhe von etwa 6.500,- Euro gehabt. Seine Schwester habe im Jahr 2009 das Haus der Eltern, in dem der Kläger seinerzeit gewohnt habe, verkauft und den dem Kläger daraus zustehenden hälftigen Anteil unterschlagen. Der Erwerber des Hauses habe dem Kläger dann wegen Eigenbedarfs gekündigt, weshalb der Kläger 2011 zur Räumung seiner Wohnung gezwungen gewesen sei. Seine Schwester verfüge zudem über einen Titel in Höhe von ca. 16.000,- Euro gegen ihn. Er verweise bezüglich des Zahlungseingangs der ca. 48.000,- Euro darauf, dass Anerkenntnisse während eines laufenden Prozesses bei neuen Tatsachen oder Beweismitteln wegen Irrtums widerrufen werden könnten. Er gehe davon aus, dass die gesamte Summe ihm nur treuhänderisch zur Verfügung gestanden habe. Selbst wenn er sich insoweit im Irrtum befinde, habe er doch nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, es bestehe jedenfalls ein deutlicher Unterschied zu einem Lottogewinn. Er habe dem Beklagten bei Geldeingang keine Mitteilung gemacht, da er keine Verwirrung habe stiften wollen. An seine Akten aus der Zeit vor 2012 komme er wegen deren Einlagerung nicht heran. Die streitigen zugeflossenen Beträge seien letztlich sämtlich verlustig durch seinerzeit offene Verbindlichkeiten der Mutter und an ihn herangetragene prozessuale Auseinandersetzungen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dies auch belegt zu haben. Tatsächlich hat er Belege nur hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Einlagerung von Möbeln, Anwaltskosten für den Rechtsstreit mit seiner Schwester und für einen weiteren Rechtsstreit gegen einen ehemaligen Auftraggeber, über Kosten für Steuerberater, KFZ-Steuer und Handwerkskammerbeitrag sowie über eine Forderung eines Sanitätshauses gegen seine Mutter vorgelegt. Insbesondere hinsichtlich der behaupteten weiteren 20.000,- Euro an Verbindlichkeiten aus der Erbschaft sind keinerlei Nachweise erbracht worden.

Das Sozialgericht hat am 2. Dezember 2015 über die Klage mündlich verhandelt. Es hat darauf hingewiesen, dass die Aufhebungsverfügung für die Monate März und April 2009 zu hoch sei, da die diesbezüglich genannten Beträge die ursprünglich bewilligten Leistungen überstiegen. Für die Zeiträume von November 2008 bis August 2009 seien nicht alle bewilligenden Bescheide aufgehoben worden. Mit den nicht aufgehobenen Änderungsbescheiden bestünde ein Behaltensgrund für die vorläufig bewilligten Leistungen fort. Daraufhin hat der Beklagte ein Teilanerkenntnis abgeben und anerkannt, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 4. Juni 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2010 insoweit aufzuheben sei, als der Aufhebungsbetrag für den Monat März 2009 einen Betrag von 618,75 Euro übersteige, der Aufhebungsbetrag für den Monat April 2009 einen Betrag von 418,75 Euro übersteige und soweit die Erstattung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. August 2009 verfügt werde.

Mit Urteil vom 2. Dezember 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zulässiger Streitgegenstand sei nur (noch) die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Monate September und Oktober 2008 und die Erstattungsforderung für diese Monate. Hinsichtlich der Erstattungsforderung für die Monate November 2008 bis August 2009 sei die Klage infolge des Teilanerkenntnisses des Beklagten in der mündlichen Verhandlung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden. Hingegen sei eine Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Monate November 2008 bis August 2009 von vornherein nicht bzw. nicht zulässig Streitgegenstand des Verfahrens gewesen. Denn der Bescheid vom 4. Juni 2010 habe – auch in der Gestalt des Widerspruchsbescheids – eine solche Regelung nicht enthalten, da er die die Leistungen für die Monate November 2008 bis August 2009 regelnden Bewilligungsbescheide, insbesondere die zuletzt ergangenen Bescheide, nicht aufgeführt habe. Insofern gingen auch die Elemente des Teilanerkenntnisses, die sich auf die Aufhebung für März und April 2009 bezögen, ins Leere.

Die Aufhebung der Bewilligung für die Monate September und Oktober 2008 sei rechtmäßig, ebenso die Erstattungsforderung für diese Monate. Die Aufhebung finde ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II in der Fassung vom 21. Dezember 2008, § 330 Abs. 2 SGB III in der Fassung vom 20. April 2007 und § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Der Beklagte habe eine Aufhebung nach diesen Vorschriften verfügen können, dem habe insbesondere nicht entgegengestanden, dass Leistungen zuvor lediglich vorläufig bewilligt worden waren. Der Beklagte habe den Kläger vor Erlass des Bescheids vom 4. Juni 2010 zwar nicht angehört, dieser Fehler sei aber im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Die Bewilligungsbescheide hinsichtlich der Gewährung von Leistungen für die Monate September und Oktober 2008, insbesondere derjenige vom 6. November 2008, seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Der Kläger habe für diese Monate keinen Anspruch auf Leistungen gehabt, da er seinen Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen habe finanzieren können und damit nicht hilfebedürftig gewesen sei. Die Gutschrift von 48.713,25 Euro auf dem klägerischen Konto am 18. September 2008 sei Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 5. Dezember 2006. Dabei falle der Teil der Zahlung, der auf einem Schmerzensgeldanspruch der Mutter beruht habe, nicht unter die Privilegierung nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in der Fassung vom 5. Dezember 2006, da diese nur für Geschädigte selbst gelte, nicht aber für deren Rechtsnachfolger. Der Kläger habe über das zugeflossene Geld auch verfügen können. Insbesondere habe er es nicht nur treuhänderisch verwaltet. Er sei Alleinerbe seiner Mutter und damit deren Gesamtrechtsnachfolger gewesen. Ein Rückforderungsanspruch der E.-Klinik habe nicht gedroht bzw. sei unerheblich. Von der Einnahme seien die Ausgaben abzusetzen, die für den Erhalt der Erbschaft und – bei für den Kläger günstiger Auslegung – für die Durchsetzung der Schadensersatzforderung angefallen seien. Der vom Kläger geltend gemachte Pflichtteilsanspruch der Schwester könne nicht abgesetzt werden, da er bis zum Ende des Anrechnungszeitraums offensichtlich nicht beglichen worden sei. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten in Höhe von 6.500,- Euro im Zusammenhang mit dem Räumungsverfahren könnten nicht als Absetzbeträge anerkannt werden, da sie nicht direkt mit dem Erwerb der Erbschaft oder der Durchsetzung der Schadensersatzforderung verbunden seien. Die Zahlung von 4.000,- Euro auf eine Forderung eines Sanitätshauses gegenüber der Mutter sei erst im Januar 2010 und damit außerhalb des allein relevanten Anrechnungszeitraums erfolgt. Der Vortrag des Klägers, aus dem Erbe hätten ca. 20.000,- Euro Verbindlichkeiten bestanden, die er bei Eingang der Zahlung sofort habe tilgen müssen, sei über das Vorstehende hinaus weder konkretisiert noch belegt worden. Folglich habe hinreichend Einkommen zur Deckung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden. Die Berücksichtigung als Einkommen ab dem Zuflussmonat entspreche der Regelung in § 2 Abs. 4 Satz 1 Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V, in der bis 31.12.2008 geltenden Fassung), der gewählte Verteilzeitraum – 12 Monate – sei nicht zu beanstanden. Der Erlass der Bewilligungsbescheide, zumindest des letzten Bescheids vom 6. November, habe auch auf mindestens grob fahrlässig unvollständigen Angaben des Klägers beruht. Dieser habe den Eingang der Zahlung von 48.713,25 Euro nicht mitgeteilt. Die Erstattungsforderung finde ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II a.F. in Verbindung mit § 50 Abs. 1 und 3 SGB X und bzgl. der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II (in der Fassung vom 21.12.2008) in Verbindung mit § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III (in der Fassung vom 15.07.2009). Deren Voraussetzungen lägen vor. Zu erstatten seien 1.509,20 Euro.

Das Urteil wurde dem Kläger am 15. Dezember 2015 zugestellt. Am 17. Dezember 2015 hat er Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das Sozialgericht habe die tatsächlichen Sachumstände verkannt. Aus der Erbschaft hätten sich für ihn Verbindlichkeiten ergeben, die er habe erfüllen müssen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid bereits deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte ihn auf § 48 SGB X statt auf § 45 SGB X gestützt habe. Zudem sei nicht nachvollziehbar, dass er bereits für den Zeitraum vom 1. bis zum 17. September 2008 erstattungspflichtig sein solle, obwohl der Zufluss erst am 18. September 2008 erfolgte. Der Bezug auf die Alg II-VO genüge insoweit nicht, erforderlich sei eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Schließlich sei ihm – dem Kläger – auch keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Es sei nicht nachgewiesen, dass es für ihn unmittelbar einsichtig gewesen sei, dass er den Zufluss auf seinem Konto dem Beklagten habe melden müssen. Dies insbesondere, weil er davon ausgegangen sei, den Betrag zunächst nur treuhänderisch erhalten zu haben. Auch wenn es aufgrund des Anerkenntnisses im zivilgerichtlichen Schadensersatzprozess keine reale Gefahr eines Rückforderungsanspruchs der E.-Klinik gegeben habe, so sei er doch – irrtümlich – davon ausgegangen, dass ihm die zugeflossene Summe noch nicht endgültig zugestanden, sondern unter einem Rückforderungsvorbehalt gestanden habe. Ferner sei der Pflichtteilsanspruch der Schwester von der Einnahme in Abzug zu bringen gewesen. Nach Erhalt der rund 44.000,- Euro habe er 5.000,- Euro sofort an seine Schwester überwiesen, diese habe allerdings 22.000,- Euro beansprucht. Ferner habe er von dem Geld eine Reihe von Verbindlichkeiten seiner Mutter, darunter auch titulierte Forderungen, getilgt. Eine schriftliche Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gegen den Kläger seitens der Schwester liege nicht vor. Er selbst habe 2016 – vergeblich – versucht, seine Schwester bei den zuständigen Gerichten in Bayern auf Herausgabe und Schadensersatz zu verklagen, da diese ihm im Jahr 2009 seinen hälftigen Anteil am Haus unterschlagen habe. Im Jahr 2011 habe die Schwester das Haus für 170.000,- Euro verkauft und den gesamten Betrag für sich behalten, statt ihm entsprechend der zuvor getroffenen Vereinbarung die Hälfte auszukehren. Auch durch die erforderliche Räumung des Hauses seien ihm erhebliche Kosten entstanden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2015 und den Bescheid vom 4. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2010 und des Teilanerkenntnisses vom 2. Dezember 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er beruft sich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23. Februar 2017 hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt, er sei davon ausgegangen, das von der E.-Klinik überwiesene Geld lediglich treuhänderisch zu verwalten. Er habe den Zufluss dem Beklagten nicht angezeigt, um keine Verwirrung zu stiften und weil er eine Einstellung der Leistungen und damit einhergehende Auseinandersetzungen mit dem Beklagten gefürchtet habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

I. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 4. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2010 und des Teilanerkenntnisses vom 2. Dezember 2015. Dabei ist im Berufungsverfahren – nach dem erstinstanzlichen Teilanerkenntnis des Beklagten und da nur der Kläger Berufung eingelegt hat – Streitgegenstand lediglich die Aufhebung und Rückforderung der Leistungen nach dem SGB II, die dem Kläger für die Monate September und Oktober 2008 bewilligt worden waren (insgesamt 1.509,20 Euro).

II. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

III. Die Berufung ist nicht begründet. Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft und auch sonst zulässig. Die Klage ist aber nicht begründet. Der Bescheid vom 4. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2010 und des Teilanerkenntnisses vom 2. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Richtige Rechtsgrundlage für die Aufhebung der zuvor getroffenen Bewilligungsentscheidungen ist § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X in der Fassung vom 21. Dezember 2008 (a.F.) i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der Fassung vom 20. April 2007 (a.F.) und § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X und nicht – wie vom Beklagten angenommen – § 48 SGB X. Denn maßgeblich ist der letzte Änderungsbescheid vom 6. November 2008. Dieser enthält eine vollständig neue Leistungsbewilligung für die Monate September und Oktober 2008, die die zuvor ergangenen Bewilligungs- und Änderungsbescheide für diesen Zeitraum ersetzen (vgl. zur Ersetzung des ursprünglichen Bescheids durch einen Änderungsbescheid bereits das Urteil des Senats vom 23.6.2016 – L 4 AS 575/15). Der Bescheid vom 6. November 2008 erging aber nach dem hier entscheidenden Ereignis – dem Zufluss der 48.713,25 Euro im September 2008 – und war daher bereits bei seinem Erlass rechtswidrig (dazu sogleich unter 3.a.).

Auf die vom Sozialgericht ausführlich dargelegte Problematik der Anwendbarkeit der §§ 45, 48 SGB X auf die vorläufige Bewilligung von Leistungen kommt es allerdings nicht an. Denn der maßgebliche Bescheid vom 6. November 2008 enthielt keinen Vorläufigkeitsvorbehalt, sondern traf eine endgültige Entscheidung.

Zu folgen ist dem Sozialgericht darin, dass es unschädlich ist, dass der Beklagte die Aufhebungsentscheidung auf § 48 SGB X gestützt hat, obwohl richtige Rechtsgrundlage § 45 SGB X war. Da sich der Aufhebungsbescheid in seinem Verfügungssatz nicht ändert, ist nur die Begründung, nicht die Entscheidung selbst betroffen. Infolgedessen handelt es sich auch nicht um eine Umdeutung im Sinne von § 43 SGB X. Eine fehlerhafte Begründung führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids. Jedenfalls wenn die subjektiven Voraussetzungen des § 45 SGB X erfüllt sind (dazu sogleich unter 3.b.), ist der "Austausch der Rechtsgrundlage" daher unschädlich (vgl. BSG, Urteil vom 15.6.2016 – B 4 AS 41/15 R m.w.N.).

2. Die Aufhebungsentscheidung ist formell rechtmäßig. Zum Anhörungsfehler und dessen Heilung wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen, dem sich der Senat insoweit vollumfänglich anschließt.

3. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung liegen vor. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X a.F. i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. und § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X ist ein bereits bei seinem Erlass rechtswidriger Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, soweit dieser auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

a. Die Bewilligungsentscheidung vom 6. November 2008 war bei ihrem Erlass rechtswidrig. Der Kläger erfüllte zwar die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Er war in den streitgegenständlichen Monaten September und Oktober 2008 jedoch nicht hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II), da er seinen Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen sichern konnte.

Der am 18. September 2008 zugeflossene Betrag von 48.713,25 Euro stellt Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II (in der Fassung vom 5.12.2006 – a.F.) dar. Der durch einen Erbfall bewirkte wertmäßige Zuwachs beim Leistungsberechtigten ist Einkommen, wenn der Erbfall während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II eintritt (vgl. BSG, Urteil vom 25.1.2010 – B 14 AS 101/11 R). Die Zahlung basierte auf einer Forderung der verstorbenen Mutter gegen die E.-Klinik, die zur Erbmasse gehörte. Bei Eintritt des Erbfalls am xxxxx 2007 befand sich der Kläger im Leistungsbezug. Das Einkommen aufgrund des Erbfalls ist jedoch erst zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem die Einnahme dem Hilfebedürftigen tatsächlich zur Deckung seines Bedarfs zur Verfügung steht (BSG a.a.O.). Das war mit der Gutschrift des Betrags auf dem Konto des Klägers am 18. September 2008 der Fall.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht dargelegt, dass auch der auf einem Schmerzensgeldanspruch der Mutter beruhende Teil der Zahlung als Einkommen zu berücksichtigen ist, und dem § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II a.F. nicht entgegensteht. Die Privilegierung von Schmerzensgeldansprüchen soll nur dem Geschädigten selbst zugutekommen, nicht aber dessen Rechtsnachfolger (vgl. Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, § 11a Rn. 102 m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung). Der Wortlaut des § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II a.F. steht dem nicht entgegen: Für den Kläger war der Zufluss kein Schmerzensgeld, sondern Einkommen aus Erbschaft.

Dass der Schadensersatzprozess mit der E.-Klinik noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, steht einer Anrechnung der Zahlung als Einkommen nicht entgegen. Die Zahlung erfolgte aufgrund eines Anerkenntnisses der E.-Klinik, diese hat auch ihre Berufung explizit auf die diesen Betrag übersteigende Verurteilung beschränkt. Eine Rückforderung seitens der Klinik war also – entgegen der Einschätzung des Klägers – ausgeschlossen bzw. zumindest völlig unwahrscheinlich. Eine solche Forderung wäre zudem auch lediglich eine schuldrechtliche Verbindlichkeit, die grundsätzlich nicht mit dem Einkommen zu saldieren ist (dazu, dass Schulden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind, BSG, Urteil vom 30.9.2008 – B 4 AS 29/07 R und Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 33/12 R). Schließlich und entscheidend hat die E.-Klinik jedenfalls in dem Zeitraum, für den der Beklagte die Einnahme angerechnet hat (September 2008 bis August 2009), einen Rückzahlungsanspruch nicht erhoben, sodass das Geld dem Kläger tatsächlich uneingeschränkt zur Verfügung stand.

Aus diesem Grund kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, eine Anrechnung als Einkommen scheide deshalb aus, weil er die zugeflossenen 48.713,25 Euro zunächst nur treuhänderisch habe verwalten können. Der Kläger war uneingeschränkt in der Lage, diese Mittel zur Finanzierung seines Lebensunterhalts einzusetzen. Eine Verfügungsbeschränkung ergab sich weder daraus, dass der Rechtsstreit gegen die E.-Klinik noch nicht rechtskräftig beendet war noch aus einem möglichen Pflichtteilsanspruch seiner Schwester. Zutreffend hat das Sozialgericht dargelegt, dass der Pflichtteilsanspruch nicht dazu führt, dass der Erbe, der Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers ist, in seiner Verfügungsbefugnis eingeschränkt wäre. Der Pflichtteilsanspruch ist eine Nachlassverbindlichkeit, § 1967 BGB. Er ist als solche eine gewöhnliche Geldforderung gegen den Erben (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 30.5.2001 – 12 B 99.1875), d.h. ein rein schuldrechtlicher Anspruch (Herzog, in: Staudinger, BGB, 2015, § 2317 Rn. 25).

Abzusetzen waren nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II a.F. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben. Darunter können bei einer Erbschaft die Aufwendungen gefasst werden, die mit dem Erbe notwendig verbunden sind, wie Kosten für die Ausstellung des Erbscheins oder Bestattungskosten (vgl. zu den Beerdigungskosten LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9.2.2015 – L 11 AS 1352/14 B ER). Ob generell alle Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) – d.h. die vom Erblasser herrührenden Schulden und die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere solche aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen – als mit dem Erbe notwendig verbundene Kosten anzusehen sind (dagegen SG Chemnitz, Urteil vom 16.3.2016 – S 26 AS 1338/14) kann dahin gestellt bleiben. Denn jedenfalls können abgesetzt werden nur tatsächlich erfolgte Ausgaben. Ansprüche gegen den Erben, die möglicherweise bestehen, aber nicht geltend gemacht werden, oder Forderungen, die vom Erben tatsächlich nicht beglichen werden, sind hingegen nicht zu berücksichtigen. Die Absetzungsmöglichkeiten nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II a.F. sollen sicherstellen, dass nur tatsächlich für den Lebensunterhalt vorhandene Mittel berücksichtigt werden (vgl. Söhngen in: jurisPK-SGB II, § 11b Rn. 16). Hingegen dienen sie nicht dazu, eine Berücksichtigung von Schulden zu ermöglichen.

Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben wären hier Kosten für die Bestattung der Erblasserin, der Ausstellung des Erbscheins sowie Kosten im Zusammenhang mit dem gegen die E.-Klinik geführten Schadensersatzprozess in Abzug zu bringen. Derartige Kosten hat der Kläger aber nicht geltend gemacht bzw. nicht nachgewiesen. Soweit der Kläger vorträgt, er habe infolge des Erbes Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 20.000,- Euro gehabt, die er sofort auszugleichen gehabt habe, hat er diese nicht weiter konkretisiert und keine Zahlungen nachgewiesen. Eine Berücksichtigung scheidet schon deshalb aus.

Nicht in Abzug zu bringen sind die – jedenfalls teilweise durch Nachweise belegten –Anwalts- und sonstigen Prozesskosten aus den Rechtsstreiten mit seiner Schwester über die Räumung des vom Kläger bewohnten Hauses bzw. über mögliche Ansprüche des Klägers gegen seine Schwester. Entsprechendes gilt für die vom Kläger geltend gemachten Kosten, die infolge der Räumung des Hauses entstanden sind (insbesondere Umzugs- und Lagerkosten für Möbel). Diese stehen nicht in direktem Zusammenhang mit der Erbschaft. Dass der Kläger möglicherweise davon ausging, die Prozesse im Interesse seiner verstorbenen Mutter zu führen, ändert hieran nichts. Entsprechendes gilt für die vom Kläger vorgetragenen Kosten für Steuerberater, Handwerkskammer und KfZ-Steuer, bei denen keinerlei Beziehung zu der Erbschaft ersichtlich ist.

Der Kläger kann sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Einkommen um einen Pflichtteilsanspruch seiner Schwester gemäß §§ 2303 Abs. 1, 2317 BGB (1/4 der Summe, d.h. 12.178,31 Euro) zu mindern war. Dem steht schon entgegen, dass der Kläger bis heute keine entsprechende Ausgabe getätigt hat. Es ist bereits fraglich, ob die Schwester des Klägers einen Pflichtteilsanspruch überhaupt geltend macht. Der Kläger hat dies behauptet und als Beleg ein Schreiben der Schwester vom 17. August 2007 eingereicht (Bl. 54 – 55 der Prozessakte S 51 AS 4125/10 ER). Dies genügt zum Nachweis jedoch nicht. Die Schwester spricht dort nur davon, dass niemand sich bereichert, sie aber Geld gut brauchen könne, und teilt der Anwältin des Klägers mit, dass bei Obsiegen im Schadensersatzprozess 50% der zugesprochenen Summe ihr überwiesen werden solle. Zum Zeitpunkt dieses Schreibens gab es allerdings noch den Erbschein, der beide, den Kläger und seine Schwester, als Erben auswies. Die Schwester machte damit also keinesfalls einen Pflichtteilsanspruch geltend, sondern ihren vermeintlichen Erbteil. Es bleibt damit unbelegt, dass die Schwester den Pflichtteil überhaupt einfordert und nicht etwa – z.B. in Hinblick auf die vom Kläger gegen sie geltend gemachten Forderungen – darauf verzichtet. Letztlich entscheidend ist, dass der Kläger seiner Schwester bis heute den Pflichtteil nicht ausgezahlt hat. Er hatte zwar zwischenzeitlich vorgetragen, er habe ihr direkt nach Erhalt der Zahlung einen Betrag von 5.000,- Euro überwiesen, dies aber nicht belegt. Eine Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus dem Beschluss des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. Februar 2010 (L 5 AS 20/10 B ER). Dort wird lediglich festgestellt, dass das vorhandene Vermögen des Klägers den möglichen Pflichtteilsanspruch der Schwester deutlich übersteigt. Auf die Frage, ob der Pflichtteilsanspruch vom Vermögen abzuziehen ist, kam es deshalb gar nicht an. Dies gilt im Übrigen auch hier: Selbst bei einer Minderung des anzurechnenden Einkommens um den Pflichtteilsanspruch wäre der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen. Denn auch nach Abzug des Pflichtteilsanspruchs verbleibt ein Einkommen von 36.534,94 Euro. Der Kläger hatte für den Zeitraum von einem Jahr nach Einkommenszufluss, d.h. von September 2008 bis August 2009 ausgehend von den ihm bewilligten Leistungen insgesamt einen Bedarf von 6.614,25 Euro (9 x 618,75 Euro, 1 x 418,75 Euro und 2 x 626,75 Euro). Selbst bei zusätzlicher Berücksichtigung von Kosten für eine Kranken- und Pflegeversicherung hätte ein Einkommen von 36.534,94 Euro ohne weiteres ausgereicht, um diesen Bedarf zu decken.

Aus dem gleichen Grund kann offen bleiben, ob die Zahlung in Höhe von 4.000,- Euro, mit der der Kläger seinem Vortrag nach im Januar 2010 eine Forderung eines Sanitätshauses gegen seine Mutter beglichen hat, einkommensmindernd zu berücksichtigen ist, weil diese Forderung zu den Nachlassverbindlichkeiten gehört, oder ob eine Berücksichtigung nicht erfolgen darf, weil die Forderung erst deutlich nach Ablauf des Verteilzeitraums des Einkommens beglichen wurde und somit das dem Kläger im Verteilzeitraum zur Verfügung stehende Einkommen nicht gemindert hat. Denn in jedem Fall wäre auch bei einem entsprechenden Abzug vom Einkommen dieses noch ausreichend gewesen, um den klägerischen Bedarf zu decken.

Die Anrechnung des Einkommens bereits ab dem 1. September 2008 ist zu Recht erfolgt. Insbesondere war das Einkommen für den gesamten Monat September 2008 und nicht erst ab dem Tag des Zuflusses, dem 18. September, zu berücksichtigen. Die Anrechnung im Zuflussmonat ergibt sich aus § 2 Abs. 4 der Alg II-VO in der bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung (a.F.). Wenn der Kläger in der Berufungsbegründung ausführt, der Bezug auf die Alg II-VO genüge insofern nicht, vielmehr sei eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich, kann er damit nicht durchdringen. Davon abgesehen, dass dem nicht zu folgen und eine Regelung in der Verordnung als ausreichend anzusehen ist, ergibt sich die monatsweise Zuordnung des Einkommens auch aus dem Gesetz selbst. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der Fassung vom 20. Juli 2006 hat die Leistungserbringung als Monatsleistung ausgestaltet. Damit korreliert die monatsweise Berücksichtigung von Einkommen (vgl. BSG, Urteile vom 30.7.2008 – B 14 AS 26/07 R und B 14/7b AS 12/07 R).

Der vom Beklagten gewählte Verteilzeitraum der einmaligen Einnahme von zwölf Monaten ist nicht zu beanstanden. § 2 Abs. 4 Satz 3 Alg II-VO a.F. bestimmt, dass einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen sind. Eine Aufteilung auf zwölf Monate erscheint angemessen.

b. Auch die subjektiven Voraussetzungen einer rückwirkenden Aufhebung der Bewilligungsentscheidung liegen vor. Der Erlass des Bescheids vom 6. November 2008 beruhte auf Angaben, die der Kläger mindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), infolgedessen kann er sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen.

Der Kläger war verpflichtet, dem Beklagten Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, § 60 Abs. 1 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Der Kläger war über diese Obliegenheit auch unterrichtet worden, so enthielten die Bewilligungsbescheide u.a. den Hinweis auf die Verpflichtung, jede Änderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die für den Leistungsanspruch erheblich ist, mitzuteilen. Als mögliche leistungsrelevante Änderung war die "Änderung der Einkommens-/Vermögensverhältnisse" genannt.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Betroffene die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X). Das ist der Fall, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. Schütze, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 52 m.w.N.). Für die Erfüllung der groben Fahrlässigkeit reicht es also nicht aus, dass der Betroffene Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit seiner Angaben hat, sondern die Zweifel müssen so ausgestaltet sein, dass es für jeden erkennbar ist, dass hier wenigstens eine Nachfrage notwendig wäre (Padé in: jurisPK-SGB X, § 45 SGB Rn. 87). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Dass der Zufluss einer derart hohen Summe Auswirkungen auf die Leistungsberechtigung haben kann, ist unmittelbar einleuchtend. Er hätte den Kläger daher zumindest zu einer Meldung an den Beklagten im Sinne einer Nachfrage veranlassen müssen. Der Kläger kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei davon ausgegangen, die Summe jedenfalls zunächst lediglich treuhänderisch zu verwalten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich keinesfalls so verhalten hat, wie es bei tatsächlicher Annahme einer Treuhand zu erwarten gewesen wäre. Der Kläger hat von dem Geld Zahlungen getätigt und nicht nur solche, die mit der Erbschaft zusammenhingen, sondern z.B. auch seine Anwaltskosten im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit mit seiner Schwester. Vor allem aber durfte sich der Kläger nicht auf seine eigene Bewertung verlassen. Er hat zudem vorgetragen, er habe eine Mitteilung an den Beklagten unterlassen, um dort keine Verwirrung zu stiften und weil er eine Einstellung der Leistungen befürchtete und die damit einhergehenden Auseinandersetzungen mit dem Beklagten vermeiden wollte. Er war sich also durchaus bewusst, dass der Zufluss des Geldes für den Beklagten von Bedeutung war bzw. zumindest sein könnte. Angesichts dessen handelte er grob sorgfaltswidrig, als er sich ungeprüft auf seine eigene Einschätzung verließ und eine Abklärung mit dem Beklagten unterließ.

Die Nichtmitteilung des Zuflusses war schließlich auch ursächlich für die Leistungsbewilligung. Hätte der Beklagte Kenntnis von dem Einkommen gehabt, wäre eine Bewilligung nicht erfolgt.

c. Die Aufhebung erfolgte im Juni 2010 und damit innerhalb der Frist von einem Jahr ab Kenntnis der Behörde von den Tatsachen, die eine Rücknahme für die Vergangenheit rechtfertigten, § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X.

4. Die Erstattungsforderung findet ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1 SGB II a.F., § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Ist ein Verwaltungsakt aufgehoben worden, so sind danach bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Die vom Beklagten gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung sind vom Kläger nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 SGB II a.F., § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III in der Fassung vom 15. Juli 2009 zu erstatten. Die Höhe der Rückforderung gegenüber dem Kläger begegnet keinen Bedenken.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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