L 10 U 185/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KN 490/11 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 U 185/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 95/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
NZB als unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06.02.2015 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der Berufskrankheiten (BK) Nr 1315 ("Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."), Nr 4301 ("durch allergisierende Stoff verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.") und Nr 4302 ("durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.") der Anlage zur Berufkrankheiten-Verordnung (BKV).

Der 1950 geborene Kläger wurde von 1965 bis 1968 auf der Zeche P als Starkstromelektriker ausgebildet und war als solcher bis September 1969 unter Tage tätig. Danach war er von 1969 bis 1976 außerhalb des Bergbaus beschäftigt. Seit 1976 war der Kläger erneut im Bergbau tätig, zunächst als Revierelektriker auf der Zeche P im Abbau. Von 1977 bis 1979 besuchte er die Bergschule in N. Sodann war er als Elektrosteiger ausschließlich unter Tage beschäftigt, bis er im Oktober 1998 aus dem Bergbau ausschied. Eine Erwerbstätigkeit hat er seither nicht mehr ausgeübt.

Seit 2006 befand sich der Kläger in regelmäßiger lungenfachärztlicher Behandlung bei Dr. I, der 2011 eine obstruktive Atemwegserkrankung diagnostizierte, welche nach seinen Ausführungen in Ansätzen seit 2006 zu erkennen gewesen sei. Zuvor fanden lungenfachärztliche Behandlungen nicht statt. Eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in Bad S im November 1996, welche der Kläger auf eine 1996 erlittene Lungenentzündung zurückführt, erfolgte ausweislich der Einweisungsdiagnosen aufgrund uncharakteristischer, rezidivierender Hautveränderungen, belastungsabhängig rezidivierender Lendenwirbelsäulen (LWS) -beschwerden, uncharakteristischer, rezidivierender Schulter- und Kniegelenksarthralgien, Restbeschwerden nach 1972 erlittenem Wehrdienstunfall mit Schlüsselbeinfraktur links und einer deutlichen abdominellen Aortensklerose bei Fettstoffwechselstörung.

Am 02.07.2009 beantragte der Kläger durch einen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten in einem Berufungsverfahren zur Frage der Entschädigung einer BK Nr 4111 der Anlage zur BKV (L 2 KN 174/09 U, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW -) die Entschädigung einer BK Nr 4301 bzw 4302 der Anlage zur BKV.

Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 22.04.2010 unter Zugrundelegung einer Stellungnahme ihres Präventionsdienstes ab, wonach der Kläger zwar während seiner Tätigkeit im Bergbau verschiedenen Gefahrstoffen ausgesetzt gewesen sei, diese jeweils nur kurzfristigen Expositionen jedoch keinen Grenzwert überschritten hätten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers, zu dessen Begründung dieser insbesondere darauf hinwies, es hätten erhebliche Schadstoffbelastungen sowohl gegenüber Chlorbrühe als auch gegenüber Sprengungsgasen, Isocyanaten, etc stattgefunden, wies die Beklagte mit am 13.09.2010 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 07.09.2010 zurück: Der Kläger habe normale Aufsichtstätigkeiten im gesamten Grubenfeld der Schachtanlagen ausgeführt. Hierbei könne es nur zu kurzfristigen Expositionen gegenüber unterschiedlichen Gefahrstoffen gekommen sein, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgrund der reinen Aufsichtstätigkeit als gering einzustufen seien.

Der Kläger hat am 13.10.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben, zu deren Begründung er insbesondere unter Beweisantritt ausgeführt hat, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die geltend gemachten BKs lägen entgegen der Auffassung der Beklagten sehr wohl vor.

Mit einem weiteren Antrag vom 22.07.2010 machte der Kläger zudem eine BK Nr 1315 der Anlage zur BKV geltend. Nachdem der technische Aufsichtsdienst der Beklagten von nur kurzfristigen Belastungen durch Isocyanate ausging, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.01.2011 auch die Entschädigung dieser BK ab. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, es habe sehr wohl eine nennenswerte Belastung durch Isocyanate stattgefunden. So habe es Expositionen gegenüber Kabelmuffen mit isocyanathaltigen Gießmassen sowie Gebirgsverfestigern bzw Klebern gegeben. Auch diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2011 zurück: Der Kläger habe nur gelegentlich in seiner Zeit als Revierelektriker Kabelmuffen gegossen. Seit Juni 1979 habe er nur noch Aufsichtsarbeiten im gesamten Grubengelände durchgeführt. Insoweit sei es für ihn als sogenanntem Bystander zu keiner relevanten Exposition mit Isocyanaten gekommen.

Gegen diese, am 01.08.2011 zur Post gegebene, Entscheidung hat der Kläger am 05.09.2011, einem Montag, Klage erhoben, zu deren Begründung er insbesondere ausgeführt hat, die Klebekolonnen, die damals im Bergbau mit Isocyanaten befasst gewesen seien, hätten auch für die Bystander empfindliche Belastungen bedeutet. Für den Umfang der Belastung werde die Einholung eines arbeitstechnischen Sachverständigengutachtens angeregt.

Das SG hat die gegen den Bescheid vom 22.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2010 sowie gegen den Bescheid vom 28.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2011 erhobenen Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden (§ 113 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Sodann hat es ein Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. X vom 08.05.2012 eingeholt. Der Sachverständige hat beim Kläger das Vorliegen einer chronisch-obstruktiven Bronchitis diagnostiziert, diese jedoch nicht für die Folge der geltend gemachten BKen gehalten. Zur Begründung hat er sich darauf gestützt, dass der Kläger die Tätigkeit als Bergmann unter Tage nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe. Zudem sei ein zeitnaher Nachweis entsprechender lungen-funktioneller Veränderungen nicht möglich, da nach Beendigung der Unter-Tage-Tätigkeit 1998 eine ausführliche lungenfachärztliche Untersuchung erstmals 2006 durchgeführt worden sei und das lange zeitliche Intervall zwischen den in Frage stehenden Expositionen und der Sicherung der Erkrankung es nicht ermögliche, einen entsprechenden Kausalzusammenhang herzustellen. Zudem habe sich bezüglich der BK Nr 1315 der Anlage zur BKV im Rahmen einer durchgeführten Bestimmung des spezifischen IgE gegenüber Isocyanaten kein Nachweis einer Typ 1-Allergie ergeben, was zumindest als Hinweis gewertet werden könne, dass diese Gefahrstoffe nicht wesentlich zu der obstruktiven Atemwegserkrankung beigetragen hätten.

Desweiteren hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. X1, emeritierter Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der K-Universität H, Arzt für Arbeitsmedizin, Innere Medizin und Sozialmedizin, vom 08.04.2012 nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 12.05.2014 eingeholt. Prof. Dr. X1 hat ebenfalls eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers diagnostiziert. Als Ursache hierfür hat er weder die untertägig einwirkenden Isocyanate allein noch die sonstigen chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Arbeitsstoffe jeweils allein erachtet. Vielmehr hätten sowohl vier verschiedene chemisch-irritative Arbeitsstoffe, als auch die untertägig einwirkende isocyanat-haltigen Produkte und 60,53 Kohlegrubenfeinstaubjahre als Kollektiv gemeinsam zur Entstehung der Atemwegserkrankung beigetragen. Diese habe seit Februar 2011 zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH geführt.

Mit Urteil vom 06.02.2015 hat das SG die Klagen abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger die Tätigkeit als Bergmann unter Tage nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe, so dass es an dem objektiven Unterlassungszwang für die geltend gemachten BKen fehle.

Der Kläger hat gegen das ihm am 13.02.2015 zugestellte Urteil am 11.03.2015 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Prof. Dr. X1 bezieht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 06.02.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2010 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr 4301 oder 4302 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm Verletztenrente sowie Übergangsleistungen zu gewähren sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2011 zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr 1315 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm Verletztenrente sowie Übergangsleistungen zu gewähren.

Die Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zudem werde durch die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme bestätigt, dass keine der vom Kläger geltend gemachten BK anzuerkennen seien.

Der Senat hat ein Gutachten von Prof. Dr. L, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin des Universitätsklinikums B vom 13.12.2016 eingeholt. Der Sachverständige hat unter Auswertung von Lungenfunktionsprotokollen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen des Klägers während dessen Beschäftigungsverhältnisses festgestellt, dass bei dem Kläger keine der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten BKen vorlägen. Zwar leide dieser an einer obstruktiven Atemwegserkrankung und einer chronischen Bronchitis. Diese seien jedoch nicht auf die im Rahmen der geltend gemachten BKen maßgeblichen Expositionen zurückzuführen. Die für einen Zusammenhang zwischen den fraglichen Expositionen und den Atemwegserkrankungen erforderlichen typischen arbeitsplatzbezogenen Beschwerden sowie eine Manifestation der Atemwegserkrankungen in zeitlicher Assoziation zu der beruflichen Gefahrstoffexposition lägen nicht vor. Nach Auswertung aller Unterlagen ergäben sich weder Hinweise für arbeitsplatzbezogene Beschwerden, noch lasse sich eine relevante bronchopulmonale Funktionseinschränkung nachweisen. Noch 1997, kurz vor dem Ausscheiden aus der Bergbautätigkeit, habe sich bodyplethysmographisch eine unauffällige Lungenfunktion dargestellt. Zu diesem Zeitpunkt habe weder eine obstruktive noch eine restriktive Ventilationsstörung vorgelegen. Erst in den Folgejahren nach 2006 habe sich eine zunehmende obstruktive Atemwegserkrankung entwickelt. Es habe auch weder ein objektiver Unterlassungszwang vorgelegen, noch habe vor Aufgabe der Berufstätigkeit des Klägers die Gefahr bestanden, dass eine der geltend gemachten BKen entstehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide vom 22.04.2010/07.09.2010 und 28.01.2011/28.07.2011 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der BK Nr 1315, der BK Nr 4301 oder der BK Nr 4302 der Anlage zur BKV.

Da selbst beim Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Versicherungsfall der geltend gemachten BK‘en wegen der Aufgabe der Bergbautätigkeit im Oktober 1998 nicht schon vor dem Inkrafttreten des 7. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten sein kann, sind gemäß § 212 SGB VII die Vorschriften des SGB VII anzuwenden. Nach § 9 Abs 1 SGB VII sind BKen diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung als solche bezeichnet worden sind (sogenannten Listen-BKen) und die Versicherte infolge einer nach §§ 2,3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit erleiden.

Die Anerkennung der BK Nr 1315 setzt voraus, dass eine Erkrankung durch Isocyanate vorliegt, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder seien können. Die Anerkennung der BKen 4301 und 4302 setzt voraus, dass der Versicherte an einer obstruktiven Atemwegserkrankung leidet, die durch allergisierende Stoffe (BK 4301) bzw durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe (BK 4302) verursacht wurde und zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Der Kläger leidet zwar nach Feststellung aller Sachverständigen an einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Diese ist jedoch weder durch allergisierende Stoffe noch durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe bzw durch Isocyanate verursacht worden.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Verrichtungen (sachlicher Zusammenhang), diesen Verrichtungen und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) und den Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsbegründende Kausalität) erforderlich (vgl ua Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - in Juris). In beweisrechtlicher Hinsicht müssen die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtungen", "Einwirkungen" und "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Hingegen genügt für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Um eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zu bejahen, muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden und nach der geltenden ärztlichen wissenschaftlichen Lehrmeinung deutlich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht.

Vorliegend kann im Ergebnis dahinstehen, ob der Kläger bei seiner versicherten bergmännischen beruflichen Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der geltend gemachten BKen in ausreichendem Umfang ausgesetzt war. Aus diesem Grund sind weitere Ermittlungen zu den sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BKen nicht erforderlich.

Es fehlt jedenfalls an einem hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen etwaigen schädigenden Einwirkungen und der bei dem Kläger vorliegenden obstruktiven Atemwegserkrankung. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis der Ermittlungen, insbesondere aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Prof. Dr. L. Dieser hat zweifelsfrei dargelegt, dass die bei dem Kläger vorliegende Atemwegserkrankung nicht durch berufliche Expositionen hervorgerufen worden sein kann. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf die entsprechenden Ausführungen im schriftlichem Gutachten Bezug. Der Sachverständige, der erstmals auch Unterlagen aus der Zeit der Berufstätigkeit des Klägers, die Lungenfunktionsprotokolle der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, auswerten konnte, hat schlüssig dargelegt, dass eine relevante Atemwegserkrankung des Klägers während dessen Beschäftigungsverhältnis nicht vorgelegen hat. Eine konsistente obstruktive Atemwegserkrankung konnte aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht abgeleitet werden. Insbesondere lassen sich in bodyplethysmographischen Untersuchungen aus dem Jahre 1991 sowie auch kurz vor dem Ausscheiden aus der Bergbautätigkeit im Jahre 1997 keine relevanten bronchopulmonalen Einschränkungen nachweisen. Im Jahr 1997 lag sogar eine hoch normale Lungenkapazität vor. Damit ist eine restriktive bzw obstruktive Ventilationsstörung zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Soweit der Kläger auf Beeinträchtigungen durch eine 1996 durchlittene Lungenentzündung abstellt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei lediglich um eine vorübergehende behandlungsbedürftige Erkrankung handelt, die nicht zwangsläufig mit einer dauernden obstruktiven Atemwegseinschränkung einhergeht bzw eine solche nach sich zieht. Zudem wurde unmittelbar nach der Lungenentzündung während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in Bad Rothenfelde im November 1996 kein Befund bezüglich einer Atemwegserkrankung erhoben. In den Einweisungsdiagnosen findet sich eine entsprechende Erkrankung überhaupt nicht. Den Entlassungsdiagnosen ist lediglich eine akute Erkältung, keine obstruktive Atemwegserkrankung zu entnehmen.

Vor dem Jahr 2006 lagen jedenfalls überwiegend unauffällige Lungenfunktionsparameter vor. Erst in den Folgejahren danach entwickelte sich eine zunehmende obstruktive Atemwegserkrankung. Bei diesem Verlauf ist bei fehlendem Nachweise einer validen obstruktiven Atemwegserkrankung während des Beschäftigungsverhältnisses und der langen Latenzzeit von 8 Jahren zwischen der Beendigung der beruflichen Expositionen und den erstmaligen Hinweisen einer geringen peripheren obstruktiven Ventilationsstörung ein ausreichender Zusammenhang zwischen den angeschuldigten Expositionen und der nunmehr bestehenden Atemwegserkrankung nicht wahrscheinlich.

Die Einschätzung von Prof. Dr. L wird im Ergebnis auch von den Beratungsärzten der Beklagten sowie dem im Klageverfahren gehörten Sachverständigen Dr. X gestützt. Auch der Sachverständige Prof. Dr. X1 hat keinen hinreichend wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen einer der geltend gemachten BKen und der bei dem Kläger vorliegenden Atemwegserkrankung angenommen. Er führt in seinem Gutachten ausdrücklich aus, ursächlich für die Erkrankung kämen nicht die untertägig einwirkenden Isocyanate allein oder die sonstigen chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Arbeitsstoffe jeweils allein in Betracht. Soweit er darüber hinaus darauf hinweist, nach seiner Auffassung seien 60,53 Kohlegrubenfeinstaubjahre, vier verschiedene chemisch-irritative Arbeitsstoffe und Isocyanathaltige Produkte, die untertägig einwirkten, als "Kollektiv" gemeinsam zu berücksichtigen und gemeinsam als ursächlich anzusehen und deshalb das Vorliegen einer MdE annimmt, verkennt er die unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätsanforderungen. Wirken auf einen Versicherten Arbeitsstoffe mehrerer Listen-BKen ein, die im Zusammenwirken eine Erkrankung verursachen können, darf aus diesen Listen-BKen nicht eine neue "Gesamt-BK" gebildet werden. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Einwirkungen einer Listen-BK für das Entstehen der Erkrankung eine wesentliche Teilursache waren (vgl Leitsatz des Urteils des BSG vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - in Juris). Eine wesentliche Teilursächlichkeit eines der von Prof. Dr. X1 genannten Arbeitsstoffe (Kohlegrubenfeinstaub, chemisch-irritative Arbeitsstoffe und Isocyanate) für die Atemwegserkrankung des Klägers hat der Sachverständige aber gerade nicht gesehen. Darüber hinaus ist sein Gutachten aus deshalb nicht überzeugend, wird ihm die von Prof. Dr. L ausgewerteten Befundunterlagen der betriebsärztlichen Vorsorgeuntersuchungen nicht zur Verfügung standen. Diese belegen jedoch, dass während des Beschäftigungsverhältnisses eine obstruktive Atemwegserkrankung nicht vorgelegen hat. Hiervon ist Prof. Dr. X1 aber fälschlicherweise noch ausgegangen. So meint er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.05.2014, dass es aktenkundig bereits seit 1995/1996 zu einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung gekommen sei.

Da der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der von ihm geltend gemachten BKen Nr 1315, 4301 oder 4302 der Anlage zur BKV hat, kann er auch keine Verletztenrente nach § 56 SGB VII beanspruchen, denn eine solche setzt nach Absatz 1 S 1 der Vorschrift den Eintritt eines Versicherungsfalls der BK nach § 9 SGB VII voraus.

Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 BKV, denn nach der Einschätzung von Prof. Dr. L bestand bei Aufgabe der Berufstätigkeit des Klägers im Oktober 1998 nicht die Gefahr, dass eine der in Streit stehenden BKen entsteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Da reine Tatsachenfragen zu beurteilen sind, sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved