L 10 R 1285/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2725/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1285/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.03.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Die am 1959 geborene, aus der T. stammende Klägerin siedelte im Jahr 1976 in die Bundesrepublik Deutschland über. Sie war nach erstmaliger Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im September 1980 mit Unterbrechungen durch Zeiten der Kindererziehung und Arbeitslosigkeit zunächst bis September 1991 versicherungspflichtig beschäftigt. Nachfolgend war die Klägerin zunächst arbeitslos, wobei noch bis Juli 1992 Pflichtbeiträge entrichtet wurden. Im September 2000 nahm die Klägerin wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf, für die sie bis Oktober 2001 Pflichtbeiträge entrichtete. Nach einer anschließenden Zeit der Arbeitsunfähigkeit (Pflichtbeiträge bis Februar 2003) war die Klägerin bis Ende 2004 wiederum arbeitslos (Pflichtbeiträge bis Dezember 2004). Auch von Januar 2005 bis Juni 2008 weist der Versicherungsverlauf Pflichtbeiträge (wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld II) aus. Ab dem 01.06.2011 weist der Versicherungsverlauf der Klägerin (vgl. Bl. 68 VerwA) erneut Pflichtbeiträge wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung aus, wobei ab 10.01.2013 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt war und die Klägerin ab 23.04.2013 Krankengeld bezog (vgl. Bl. 71 VerwA).

Den ersten, von der Klägerin am 07.05.2003 gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2003 und der Begründung ab, sie erfülle nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Rente, da sie in den letzten fünf Jahren (07.05.1998 bis 06.05.2003) nicht die erforderlichen 36 Monate mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt habe, sondern lediglich zwei Jahre und sechs Monate.

Im Juli 2003 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, worauf die Beklagte eine gutachtliche Untersuchung durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. veranlasste, die bei der Klägerin diagnostisch u.a. eine mittelgradige depressive Episode und eine anhaltende, stark ausgeprägte somatoforme Schmerzstörung diagnostizierte. Das berufliche Leistungsvermögen beurteilte sie mit weniger als drei Stunden täglich. Sie beschrieb die Klägerin als ohne Zugang zu ihrem Gefühlsleben und "vollkommen zugemauert hinter ihren körperlich erlebten Beschwerden", weshalb sie für eine Therapie nicht erreichbar sei. Nachdem schon das von Januar bis März 2002 erfolgte stationäre Heilverfahren in der M. -Klinik keinen Erfolg gebracht und auch die ambulante Behandlung keine Besserungstendenz gezeigt habe, sei ein stationäres Heilverfahren nicht erfolgversprechend. Die getroffene Leistungseinschätzung gelte seit 30.04.2003 (Zeitpunkt der arbeitsamtsärztlichen Untersuchung; Leistungsvermögen weniger als drei Stunden). Mit Bescheid vom 16.09.2003 und Widerspruchsbescheid vom 15.04.2004 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. In dem anschließenden Klageverfahren S 8 R 1469/04 holte das Sozialgericht Reutlingen (SG) das Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. B. ein, der sich nach zweitägiger stationärer Untersuchung der Klägerin im Februar 2005 den Einschätzungen der Gutachterin S. in vollem Umfang anschloss und wegen der mangelnden Introspektions- und Reflexionsfähigkeit, der massiven Abwehr gegenüber den indizierten psychotherapeutischen Verfahren, der Fixierung auf körperliche Beschwerden und kulturellen Spezifika eine Besserungsaussicht verneinte. Mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2006 wies das SG die Klage sodann ab; die dagegen eingelegte Berufung (L 10 R 2595/06) nahm die Klägerin im Mai 2008 zurück.

Anfang Juni 2008 stellte die Klägerin erneut Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte mit Bescheid vom 18.06.2008 und der Begründung ablehnte, bei ihr liege seit 30.04.2003 ununterbrochen volle Erwerbsminderung vor, wobei sie für die beantragte Rente die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle, weil sie in den fünf Jahren zuvor (30.04.1998 bis 29.04.2003) nicht wenigstens 36 Monate mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt habe, sondern lediglich zwei Jahre und acht Monate.

Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der am 15.02.2013 gestellte weitere Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Dabei gab die Klägerin in dem Selbsteinschätzungsbogen der Beklagten an, sie habe Beschwerden im Bereich des gesamten Skeletts und könne sich nicht mehr ausreichend bewegen, um Fahrzeuge zu reinigen. Seit Jahren leide sie auch an einer depressiven Symptomatik, die sich allerdings gebessert habe, so dass sie wieder eine Erwerbstätigkeit habe aufnehmen können (Tätigkeitsaufnahme laut Versicherungsverlauf im Juni 2011). Im Zuge der medizinischen Sachaufklärung gelangten die Arztbriefe der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. vom 07.07.2009, 25.05. und 07.12.2011 sowie 08.05.2012 zur Akte, wobei der Arztbrief vom 07.07.2009 die Diagnose eines chronifizierten depressiven Syndroms und die weiteren Artbriefe ein chronifiziertes depressives Syndrom mit Somatisierungstendenzen ausweisen. Im Arztbrief vom 25.05.2011 wird über die Vorstellung der Klägerin vom 24.05.2011 berichtet, bei der sich wie immer ein deutlich jammerndes Bild der Klägerin mit Klagen über multiple körperliche Beschwerden ohne organisches Korrelat dargestellt hätten, wobei sich im Laufe der Jahre das psychopathologische Bild trotz verschiedener pharmakologischer Behandlungsversuche nicht verändert habe.

Mit Bescheid vom 09.04.2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin wiederum mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab. Die Klägerin sei seit 30.04.2003 erwerbsgemindert und habe in dem maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 30.04.1998 bis 20.04.2003 nicht die notwendigen 36 Monate, sondern nur 32 Monate mit Pflichtbeiträgen zurückgelegt. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten geltend, im Hinblick auf die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sei auf den Fünfjahreszeitraum vor der Antragstellung am 18.02.2013 abzustellen. Die Erwerbsminderung seit 30.04.3003 habe sich im Laufe der Zeit derart gebessert, dass sie zunächst teilweise und dann in Vollzeit habe arbeiten können. Arbeitgeber sei die Firma P. (Inhaber K. E. ). Die Beklagte holte den Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. K. ein, der unter dem 12.05.2013 u.a. von einem schweren depressiven Syndrom mit massiver Somatisierung auf nahezu allen Organsystemen seit mehr als zehn Jahren berichtete. Sodann veranlasste sie eine erneute Begutachtung durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. , die die Klägerin im Juni 2013 untersuchte und eine im Vergleich zu ihrem Vorgutachten aus dem Jahr 2003 unverändert bestehende Symptomatik beschrieb. Diese Symptomatik sei auch in den aktenkundigen zwischenzeitlich erstellten Berichten der behandelnden Ärztin Dr. R. beschrieben und zuletzt auch von Dr. K. bestätigt worden. Zu ihrer letzten Tätigkeit habe die Klägerin angegeben, seit ca. 2010 bei ihrem Sohn zwei bis drei Stunden gearbeitet zu haben, um die Versicherungszeiten zu erfüllen. Sie habe Autos gereinigt und Büroräume sauber gemacht. Seitens des Arbeitgebers wurde unter dem 29.07.2013 bescheinigt, dass die Klägerin seit 21.06.2011 mit einem Stundenlohn von 13,75 EUR beschäftigt sei (Fahrzeugaufbereitung, Putzarbeiten), zunächst täglich drei Stunden an fünf Tagen wöchentlich und ab 01.12.2012 acht Stunden täglich (vgl. Bl. 77 VerwA). Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 14.10.2013 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben, ihr bisheriges Vorbringen wiederholt, wonach sie zwar ab dem 30.04.2003 erwerbsgemindert gewesen sei, sich ihr Gesundheitszustand jedoch gebessert habe und sie in der Folge habe berufstätig sein können. Sie sei vollwertig tätig gewesen und nicht lediglich auf einem Schonarbeitsplatz. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Rente seien mit den Beitragszeiten aus den Jahren 2008, 2011, 2012 und 2013 erfüllt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. R. hat von psychiatrischen Behandlungen alle zwei bis drei Monate seit Juni 2009 berichtet, wobei im Vordergrund ein chronifiziertes depressives Syndrom mit deutlichen Somatisierungstendenzen gestanden habe. Diese Erkrankung liege seit Behandlungsbeginn in unveränderter Form und durchgängig ohne zeitlich abgesetzte Phasen einer signifikanten Besserung vor. Dr. K. hat von einer seit 30 Jahren bestehenden chronischen Depression und einer massiven Somatisierung in nahezu alle Organsysteme berichtet, die sich in den letzten zwei Jahren verstärkt habe. Das SG hat sodann das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. nebst ergänzenden Stellungnahmen eingeholt, der auf Grund Untersuchung der Klägerin im Januar 2015 u.a. von einer mittelgradig bis überwiegend schweren depressiven Episode bei langjährig ausgeprägter depressiver Störung, einer mittelgradigen Angststörung und einer ausgeprägten bis schweren Somatisierungsstörung mit Ganzkörperschmerzen ausgegangen ist. Unter Auswertung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen hat er die berufliche Belastbarkeit der Klägerin von 2003 bis Juli 2009 mit weniger als zwei Stunden, nachfolgend bis Januar 2014 mit drei bis unter sechs Stunden und seither mit weniger als drei Stunden eingeschätzt. Hierzu hat die Beklagte sozialmedizinische Stellungnahmen des Sozialmediziners Fischer vorgelegt. Mit Urteil vom 09.03.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei seit 30.04.2003 durchgängig voll erwerbsgemindert und zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor. Soweit die Klägerin geltend mache, sie habe ihre Erwerbsfähigkeit zumindest teilweise wiedererlangt, sei dies nicht belegt und insbesondere auch nicht durch die Arbeitsaufnahme im Unternehmen ihres Sohnes bestätigt, da sie diese Tätigkeit nur auf Kosten ihrer Gesundheit habe ausüben können.

Am 04.04.2016 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und wiederum geltend gemacht, ihr Gesundheitszustand habe sich soweit verbessert, dass sie vom 21.06.2011 bis 01.12.2012 in Teilzeit und nachfolgend bis Januar 2013 in Vollzeit habe tätig werden können. Bei der Tätigkeit im Betrieb ihres Sohnes habe es sich um ein reguläres Arbeitsverhältnis gehandelt und weder um einen Schonarbeitsplatz noch um ein fingiertes Arbeitsverhältnis. Da sie tatsächlich habe arbeiten können und auch gearbeitet habe, müsse zwangsläufig für die Dauer des Arbeitsverhältnisses auch Erwerbsfähigkeit bestanden haben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.03.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 09.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.10.2013 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 15.02.2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig; die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.10.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil ausgehend von dem bei ihr am 30.04.2003 eingetreten Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beanspruchte Rente nicht vorliegen, da in dem maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 30.04.1998 bis zum 29.04.2003 nicht - wie erforderlich - 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt sind, sondern lediglich 32 Kalendermonate. Der Senat sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung diesbezüglich aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Dass die Klägerin ausgehend von einem am 30.04.2003 eingetretenen Versicherungsfall die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente nicht erfüllt, zieht auch die Klägerin selbst nicht in Zweifel. Vor diesem Hintergrund und dem weiteren Umstand, dass die Beklagte auf dieser Grundlage bereits den von der Klägerin im Juni 2008 gestellten Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 18.06.2008 ablehnte, bedarf es insoweit keinen weiteren Ausführungen.

Soweit die Klägerin mit ihrem neuerlichen, am 18.02.2013 gestellten Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente geltend macht, Erwerbsminderung sei erneut im Jahr 2013 eingetretenen und unter Berücksichtigung der zuletzt entrichteten Pflichtbeiträge seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diese Rente erfüllt, weshalb ihr die beantragte Erwerbsminderungsrente zustehe, trifft dies nicht zu. Der Senat sieht keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die bei der Klägerin (spätestens) im April 2003 eingetretene volle Erwerbsminderung nachfolgend in einem relevanten Zeitraum behoben gewesen sein könnte, sie also ein wenigstens dreistündiges Leistungsvermögen erreichte, und dann Anfang des Jahres 2013 volle Erwerbsminderung erneut eintrat. Für eine relevante Besserung der bei der Klägerin schon 2003 und erneut im Juni 2013 durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. diagnostizierte stark ausgeprägte somatoforme Schmerzstörung, einhergehend mit einer mittelgradigen depressiven Episode, hat die durchgeführte medizinische Sachaufklärung keine belastbaren Anknüpfungspunkte erbracht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, worin diese Verbesserung im Gesundheitszustand der Klägerin bestanden haben und zu welchem Zeitpunkt sie eingetreten sein soll. Auch die Klägerin selbst hat nur ganz allgemein eine "im Laufe der Zeit" eingetretene Verbesserung behauptet, ohne den Zeitpunkt näher zu konkretisieren oder auch nur ansatzweise darzulegen, wie diese Besserung sich geäußert haben soll bzw. sich in ihrem Befinden widerspiegelte.

Im Gegensatz zu der von der Klägerin behaupteten Besserung ihrer psychischen Erkrankung weisen die aktenkundigen medizinischen Unterlagen einen über viele Jahre hinweg im Wesentlichen gleichbleibenden Gesundheitszustand aus, der angesichts der Ausführungen des Dr. K. in seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 30.01.2014 allenfalls eine Verschlechterung erfahren hat, keinesfalls jedoch eine Verbesserung. So hat Dr. K. ausgeführt, dass sich die seit 30 Jahren bestehende depressive Symptomatik kaum verändert, die Somatisierung in nahezu alle Organsysteme sich enorm verstärkt und in den letzten zwei Jahren beschleunigt habe. Auch in seinem Befundbericht vom 12.05.2013 berichtete er nicht über eine Besserung; vielmehr beschrieb er in Bezug auf die Krankheitsvorgeschichte ein seit mehr als zehn Jahren bestehendes schweres depressives Syndrom mit massiver Somatisierung. Eine Befundänderung in den letzten drei Jahren verneinte er ausdrücklich. Hieran ändert auch die von Dr. K. gegenüber dem SG formulierte Korrektur seiner sachverständigen Zeugenauskunft nichts. Denn diese Korrektur bezieht sich allein auf die Äußerung, die Klägerin sei von ihrer Familie zu einer Teilzeittätigkeit gedrängt worden. Zu Unrecht schließt die Klägerin aus diesen Äußerungen, dass Dr. K. von einer Besserung des Gesundheitszustand ausgehe. Tatsächlich hat Dr. K. über eine Verschlechterung, also gerade keine Verbesserung des Zustandes und ein aktuelles Leistungsvermögen für allenfalls zwei Stunden berichtet. Der Frage, ob das von der Gutachterin S. sowohl für das Jahre 2003 als auch für Juni 2013 angenommene Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden eine erneute Einschränkung erfahren hat (auf möglicherweise nunmehr allenfalls zwei Stunden, so Dr. K. ) ist ohne Entscheidungsrelevanz. Eine nochmalige Befragung von Dr. K. hält der Senat daher nicht für erforderlich.

Die Ausführungen des Dr. K. über eine somit im Wesentlichen unveränderte Situation lassen sich ohne weiteres in Einklang bringen mit den Darlegungen der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. in ihrem Gutachten aus dem Jahr 2003, in dem sie sich zu der fehlenden Aussicht auf eine Besserung im Rahmen einer stationären Rehabilitation äußerte und dies überzeugend damit begründete, dass die Klägerin - bei Erfolglosigkeit eines bereits durchgeführten stationären Heilverfahrens und einer ambulanten Behandlung - für eine Therapie nicht erreichbar sei, weil sie keinen Zugang zu ihrem Gefühlsleben habe und hinter ihren körperlich erlebten Beschwerden völlig zugemauert sei. Einen derartigen Zustand beschrieb der in dem Verfahren S 8 R 1469/04 hinzugezogene Sachverständige Prof. Dr. B. nachfolgend auch noch für den Zeitpunkt der stationären zweitägigen gutachtliche Untersuchung der Klägerin im Februar 2005. Nichts anderes ergibt sich für den nachfolgenden Zeitraum, in dem die Klägerin zunächst in Behandlung des Nervenarztes Dr. B. stand und dann ab Juli 2009 von dessen Praxiskollegin Dr. R. weiterbehandelt wurde. Diese hat in ihrer dem SG erteilten Auskunft und insbesondere in ihren Arztbriefen vom 07.07.2009, 25.05. und 07.12.2011 sowie 08.05.2012 ein chronifiziertes depressives Syndrom mit Somatisierungstendenzen beschrieben, wobei sich das psychopathologische Bild trotz verschiedener pharmakologischer Behandlungsversuche nicht verändert habe. Die Klägerin sei seit vielen Jahren in der Praxis mit immer demselben jammernden depressiven Bild und Klagen über multiple körperliche Beschwerden ohne Korrelat. Auch die von der Beklagten im Widerspruchsverfahren hinzugezogene Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. , die die Klägerin im Anschluss an ihre gutachtliche Untersuchung im Jahr 2003 im Juni 2013 erneut untersuchte, äußerte sich in diesem Sinne und beschrieb eine im Vergleich zu ihrem Vorgutachten im Wesentlichen unverändert bestehende Symptomatik, was sich auch in den zwischenzeitlich erstellten Berichten der behandelnden Arzte Dr. R. und Dr. K. wiederspiegele. Hinweise auf eine relevante Besserung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin finden sich daher nicht. Selbst im Arztbrief der Dr. R. vom 25.05.2011, in dem sie über die Vorstellung der Klägerin am 24.05.2011, d.h. ca. vier Wochen vor Beschäftigungsaufnahme, berichtete, beschrieb sie das Beschwerdebild "wie immer".

Anderes folgt auch nicht aus der Leistungsbeurteilung der Dr. R. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft gegenüber dem SG, auf die sich die Klägerin beruft. Abgesehen davon, dass Dr. R. ihre Annahme einer drei bis unter sechsstündigen Leistungsfähigkeit nicht begründet, steht diese Beurteilung, die sich auf den Zeitraum von 2009 bis November 2013 bezieht, im Gegensatz zur Leistungsbeurteilung der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. im Gutachten vom Juni 2013.

Dabei sieht der Senat keinen Grund, die Leistungsbeurteilung der Gutachterin S. in Zweifel zu ziehen oder gar als widerlegt anzusehen. Insbesondere ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L. nichts anderes. Soweit dieser ausgehend von den Arztbriefen der Dr. R. von Juli 2009 bis Januar 2014 auf Grund der dokumentierten Befunde das Leistungsvermögen der Klägerin anders als in dem davor liegenden und sich anschließenden Zeitraum (jeweils weniger als drei Stunden) mit drei bis unter sechs Stunden bewertet, überzeugt dies nicht. Denn dabei lässt er zum einen unberücksichtigt, dass sowohl Dr. R. als auch Dr. K. ein langjähriges, im Wesentlichen gleichbleibendes Beschwerdebild beschreiben. Zum anderen rückt er zu sehr die depressive Erkrankung der Klägerin in den Vordergrund seiner Betrachtungen, die angesichts der von Dr. R. und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. beschriebenen Befunde lediglich mittelgradig ausgeprägt sei, und bewertet dabei nicht ausreichend die somatoforme Schmerzstörung, von der ein ausgeprägter Beschwerdezustand ausgeht, dem maßgebliche Bedeutung bei der Leistungsbeurteilung zukommt. Ohnehin hat Dr. L. ausdrücklich dargelegt, dass seine retrospektive Beurteilung der psychiatrischen Symptomatik schwierig und nicht mit letzter Sicherheit abzugeben sei, (auch) eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit bei der Beurteilung könne nicht erreicht werden. Damit lässt sich aber auch mit den Ausführungen des Sachverständigen gerade nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass die Klägerin irgendwann nach dem 30.04.2003 ein wenigstens dreistündiges Leistungsvermögen erreichte. Dies geht zum Nachteil der Klägerin. Denn die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Aber selbst wenn in einem Zeitraum nach dem Jahr 2003 vorübergehend von einem Leistungsvermögen von täglich drei bis unter sechs Stunden ausgegangen würde, läge durchgehend volle Erwerbsminderung vor. Denn volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Hieran ändert die von der Klägerin angegebene Erwerbstätigkeit im Unternehmen ihres Sohnes nichts, weil diese Tätigkeit - wie sogleich darzulegen ist - lediglich in einem Umfang von täglich zwei bis drei Stunden mit zusätzlichen Pausen und damit nicht in einem Umfang ausgeübt wurde, dass von einer einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden entsprechenden Tätigkeit auszugehen wäre, so dass trotz dieser Tätigkeit der Arbeitsmarkt weiter verschlossen war.

Auch soweit die Klägerin meint, die Tätigkeit bei ihrem Sohn mit Entrichtung von Beiträgen belege eine entsprechende Verbesserung des Gesundheitszustandes, trifft dies nicht zu. Weder der Umstand einer Tätigkeit noch die Entrichtung von Pflichtbeträgen für die Dauer dieser Tätigkeit beweist, dass die Klägerin vom 21.06.2011 bis 30.11.2012 tatsächlich eine Teilzeittätigkeit von wenigstens drei Stunden und dann vom 01.12.2012 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 10.01.2013 sogar eine Vollzeittätigkeit verrichtete. Dem stehen schon die eigenen Angaben der Klägerin anlässlich ihrer gutachtlichen Untersuchung bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie S. entgegen. Denn dieser gegenüber gab die Klägerin trotz zweimaliger Nachfrage gerade zur Arbeitszeit an, für ihren Sohn lediglich zwei bis drei Stunden gearbeitet zu haben, um die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen. Sie habe Autos gereinigt und Büroräume sauber gemacht und immer wieder Pausen eingelegt. Auf Grund dieser eigenen, von der Gutachterin S. ausdrücklich hinterfragten Angaben der Klägerin geht der Senat davon aus, dass es sich lediglich um eine Tätigkeit von zwei bis drei Stunden täglich, die immer wieder von Pausen unterbrochen war, handelte. Diese Tätigkeit war somit nicht Ausdruck eines beruflichen Leistungsvermögens, das volle Erwerbsminderung ausschließt.

Hieran ändert auch die Auskunft des Sohnes der Klägerin vom 29.07.2013 gegenüber der Beklagten, mit der er für den Zeitraum vom 21.06.2011 bis 30.11.2012 eine dreistündige und im Anschluss eine täglich achtstündige Tätigkeit bescheinigte, nichts. Zum einen widerspricht dies den - wie ausgeführt - ausdrücklich hinterfragten Angaben der Klägerin gegenüber der Gutachterin S ... Zum anderen ist vor dem Hintergrund der diagnostizierten Somatisierungsstörung mit Ganzkörperschmerzen ohnehin nicht plausibel, dass eine zeitliche Aufstockung der ausgeübten Tätigkeit auf acht Stunden täglich erfolgt sein soll. Dies insbesondere auch deshalb nicht, als es sich bei den von der Klägerin verrichteten Reinigungsarbeiten um körperlich belastende Tätigkeiten handelte, denen sie in einem Umfang von acht Stunden täglich nicht gewachsen war. Damit steht fest, dass die Klägerin bei ihrem Sohn lediglich in geringfügigem Umfang beschäftigt war und Pflichtbeiträge ganz offensichtlich lediglich mit dem Ziel entrichtet wurden, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die bereits mehrfach beantragte, jedoch abgelehnte Rente wegen voller Erwerbsminderung nachträglich noch zu erfüllen, um ihr so einen Rentenanspruch zu verschaffen. Dies hat die Klägerin gegenüber der Gutachterin S. auch selbst eingeräumt. Es kann daher keine Rede davon sein, dass diese Tätigkeit bzw. die Entrichtung von Pflichtbeiträgen die Erwerbsfähigkeit der Klägerin belegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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