L 10 R 1295/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3397/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1295/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.03.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der am 1959 geborene Kläger erlernte von 1977 bis 1979 den Beruf des Maurers und arbeitete zehn Jahre in diesem Beruf (Angaben des Klägers im Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung H. vom 30.09.2013). Im Jahre 1985 erlitt er einen Arbeitsunfall, in dessen Folge das Endglied des rechten Zeigefingers amputiert wurde. Ab Dezember 1985 war der Kläger wieder arbeitsfähig (Bl. 104 SG-Akte S 15 R 1150/10) und bis 1987 als Maurer tätig (Bl. 12 SG-Akte S 15 R 1150/10). Nachdem mehrere Arbeitgeber Konkurs gegangen waren, suchte sich der Kläger andere Tätigkeitsbereiche (so die Angaben des Klägers im Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung H. vom 30.09.2013). In der Folge war er in verschiedenen Branchen tätig, zuletzt ab 1999 als Gartenbau- und Bestattungshelfer bei der Stadt H ... Hierbei handelte es sich um eine Tätigkeit mit einer Anlernzeit von sechs Monaten (vgl. Arbeitgeberauskunft Bl. 36 VA). Tariflich eingestuft war der Kläger zunächst in Lohngruppe 2 des damaligen Lohntarifvertrages, eine Lohngruppe für Arbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende fachliche Einarbeitung erforderlich war. In der Folge gelangte der Kläger durch Bewährungsaufstieg zunächst in Lohngruppe 3, 4.54 und nach weiteren drei Jahren in Lohngruppe 4, 4.22 dieses Lohntarifvertrages, wobei die Lohngruppe 4 auch Facharbeiter erfasste (Ausbildungsdauer mindestens zweieinhalb Jahre). Hinsichtlich der Einzelheiten dieser tarifvertraglichen Regelungen wird auf die Anlagen zu Bl. 23 VA Bezug genommen. Ab November 2006 war der Kläger arbeitsunfähig, in der Folgezeit endete das Arbeitsverhältnis durch Abfindung. Den letzten Pflichtbeitrag weist sein, im Übrigen seit Juli 1977 lückenlos mit Pflichtbeiträgen belegter, Versicherungsverlauf für September 2009 aus.

Den am 12.06.2009 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.07.2009 und Widerspruchsbescheid vom 02.03.2010 auf der Grundlage insbesondere eines Gutachtens des Sozialmediziners Dr. S. nach Untersuchung im Juli 2009 ab. Dr. S. diagnostizierte Belastungsbeschwerden des linken oberen Sprunggelenks nach mehrmaligen Operationen, ein Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom mit zeitweiligen Cervicobrachialgien und ein rezidivierendes Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom mit muskulärer Dysbalance und hielt den Kläger für in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Zu vermeiden seien häufiges Klettern und Steigen, häufiges Heben und Tragen von mittelschweren und schweren Lasten, Tätigkeiten auf unebenem Gelände, Dauerzwangshaltungen und vermehrte Erschütterungen/Vibrationen.

Das hiergegen beim Sozialgericht Heilbronn geführte Klageverfahren S 15 R 1150/10 endete durch gerichtlichen Vergleich, mit dem sich die Beklagte zur Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme und zu einer erneuten Entscheidung über eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab Antragstellung vom 12.06.2009 verpflichtete. In Bezug auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung erklärte der Kläger den Rechtsstreit für erledigt.

Vom 06.08. bis 10.09.2013 führte der Kläger die stationäre Maßnahme zur Rehabilitation in der Rehabilitationseinrichtung H. durch. Die dortigen Ärzte diagnostizierten eine rezidivierende depressive Episode, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einen Zustand nach Innenknöchelosteotomie, ein Schulter-Arm-Syndrom und eine Adipositas und hielten den Kläger für in der Klage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Auszuschließen seien überwiegendes Gehen auf unebenem Gelände, Zwangshaltungen, besondere Anforderungen an die Konzentration und das Reaktionsvermögen sowie Tätigkeiten mit komplexen Arbeitsvorgängen.

Mit Bescheid vom 27.03.2014 lehnte die Beklagte in Bezug auf den gerichtlichen Vergleich die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab und sie verneinte auch einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Widerspruch hiergegen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2014 zurückgewiesen.

Das hiergegen am 06.10.2014 erneut angerufene Sozialgericht Heilbronn hat zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. hat trotz u.a. bestehender depressiver Störung und somatoformer Störung leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich für möglich erachtet. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B. hat wegen der chronischen Schmerzen die Leistungsfähigkeit auf weniger als drei Stunden täglich eingeschätzt. Der Diplompsychologe F. ist aus psychologischer Sicht von einem unter vollschichtigen Leistungsvermögen ausgegangen.

Daraufhin hat das Sozialgericht zunächst das nervenärztliche Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. eingeholt. Sie hat eine rezidivierende depressive Episode, mittelschwer, auf dem Boden einer Anpassungsstörung, ein chronisch-rezidivierendes HWS-Syndrom mit Cervicobrachialgien und ein chronisch-rezidivierendes LWS-Syndrom ohne neurologische Ausfälle diagnostiziert und leichte körperliche Tätigkeiten (Heben und Tragen von Lasten bis maximal 10 kg) im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen oder überwiegend sitzend mit der Möglichkeit zur Positionsänderung noch mindestens sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet. Ausgeschlossen hat sie Tätigkeiten in Zwangshaltung, insbesondere häufige Rumpfvorneige oder Überkopfarbeiten, häufiges Bücken, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit, permanent stehend oder permanent gehend und Tätigkeiten, die besonders hohe Anforderungen an Konzentration, Merkfähigkeit, Anpassungs- und Umstellungsvermögen stellen, Tätigkeiten mit Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge sowie mit besonders hoher Verantwortung. Möglich wären - so die Sachverständige - Pförtnertätigkeiten, eine Tätigkeit als Registrator oder Poststellenmitarbeiter. Einschränkungen der Wegefähigkeit hat sie verneint. Im Gutachten hat sie dokumentiert, dass der Kläger in den psychologischen Testverfahren Auffälligkeiten gezeigt hat und im Wartezimmer immer wieder eingeschlafen ist. Hierzu hat der Kläger gegenüber Dr. E. angegeben, am Morgen der Untersuchung auf Anraten der Hausärztin ein Medikament eingenommen zu haben, das die Sachverständige in der Folge, da der Kläger es nicht hat benennen können, als Doxepin, ein leicht sedierendes trizyklisches Antidepressivum, identifiziert hat (vgl. die ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen, Bl. 106 f. SG-Akte) und das eigentlich zum abendlichen Einschlafen verordnet worden ist (Bl. 92 f. SG-Akte). Angesichts dieser Medikation am Morgen der Untersuchung hat die Sachverständige die bestehende Müdigkeit ebenso wie ein vermindertes Konzentrationsvermögen hierauf zurückgeführt (Bl. 93 SG-Akte) und im Übrigen auf unauffällige mnestische Funktionen in der Untersuchung sowie die sich hieraus ergebenden Widersprüche zu den Testergebnissen hingewiesen.

In der Folge hat das Sozialgericht ein orthopädisches Gutachten bei Dr. W. eingeholt, demgegenüber der Kläger angegeben hat, gelegentlich Schmerzmittel einzunehmen und ab und zu Tabletten für seine Psyche zu nehmen, aber nicht regelmäßig. Dr. W. hat eine Sprunggelenksarthrose links nach operativer Behandlung einer Osteochondrosis dissecans des Sprungbeines, ein LWS-Syndrom bei mäßig degenerativen Veränderungen, ohne überdauernde periphere Nervenwurzelreizerscheinungen, eine Schulterfunktionsstörung links mit Engpasssymptomatik und Sehnendegeneration, eine leichte Handfunktionsstörung rechts nach Zeigefingerendgliedamputation und Mittelfingerendgliedreplantation sowie beginnende Kniegelenksarthrosen ohne Bewegungseinschränkung und ohne überdauernde Reizerscheinungen diagnostiziert und den Kläger für in der Lage erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg überwiegend im Sitzen bzw. in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Ausgeschlossen hat er mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten, mehr als gelegentliches Arbeiten in gebückter Haltung, Schwingungsbelastungen im Sitzen, Arbeiten im Knien oder in der Hocke, Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die Standsicherheit, auf Leitern und Gerüsten sowie über Schulterhöhe links. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat er verneint.

Nachdem das Sozialgericht noch eine sachverständige Zeugenauskunft des Kardiologen Dr. R. (Belastung bis 125 Watt, Abbruch wegen Kniegelenksbeschwerden, leichte körperliche Tätigkeiten seien möglich, eine Einschränkung aus kardiologischer Sicht bestehe nicht) eingeholt hat, hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 06.03.2017 die Klage abgewiesen. Es hat sich den Sachverständigen Dr. E. und Dr. W. angeschlossen und auch - auf Grund der Zeugenaussage von Dr. R. - eine Einschränkung aus kardiologischer Sicht verneint. Der Beurteilung des Dr. B. ist es nicht gefolgt, weil dieser im Wesentlichen die Angaben des Klägers seiner Beurteilung zu Grunde gelegt und sich auf orthopädische Leiden gestützt habe, wozu aber das Gutachten des Dr. W. ein anderes Ergebnbis erbracht habe. Dem von Dr. R. geäußerten Verdacht auf eine Schlafapnoe hat es keine Entscheidungsrelevanz beigemessen. Einen besonderen Berufsschutz des Klägers hat das Sozialgericht verneint, weil der Kläger auch nach dem Arbeitsunfall im Jahre 1985 noch weiterhin als Maurer tätig war und sich somit nicht aus gesundheitlichen Gründen vom Beruf des Maurers gelöst habe und weil die Tätigkeit des Garten- und Bestattungshelfers weder nach der Anlernzeit von sechs Monaten noch nach der tariflichen Einstufung einen besonderen Berufsschutz vermittle.

Gegen den ihm am 09.03.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 03.04.2017 Berufung eingelegt. Er rügt, dass die Sachverständige Dr. E. nicht durch einen Medikamentenspiegel geklärt habe, welches Medikament er am Morgen der Untersuchung tatsächlich eingenommen habe und sie könne deshalb auch nicht sicher auf verfälschte Testergebnisse, die immerhin eine leichte Demenz ergeben hätten, schließen. Auch die von Dr. R. angesprochene Schlafapnoe sei nicht geklärt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.03.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2014 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier begehrte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 43 Abs. 2, § 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI -) dargelegt und ebenso zutreffend und wohl begründet ausgeführt, dass der Kläger noch zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von den Sachverständigen Dr. E. und Dr. W. aufgeführten qualitativen Einschränkungen ausüben kann und keinen besonderen Berufsschutz genießt, sodass ihm auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht, obwohl der Kläger wegen der bei im vorliegenden Gesundheitsstörungen weder den erlernten Beruf des Maurers noch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Gartenbau- und Bestattungshelfers noch ausüben kann. Der Senat sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers ist zu ergänzen, dass die Sachverständige Dr. E. eine wesentliche Einschränkung der geistigen Funktionen und Fähigkeiten überzeugend verneint hat. Zwar ist im Rahmen der psychometrischen Testung sowohl der Minimal-Status-Test (leichte Demenz) als auch der Dem Tect-Test (leichte kognitive Beeinträchtigung) auffällig gewesen (Bl. 83 f SG-Akte) und der Kläger ist im Wartezimmer eingeschlafen (Bl. 92, 107 SG-Akte). Allerdings hat die Sachverständige hierzu geklärt, dass der Kläger am Morgen des Untersuchungstages (Bl. 84, 92 SG-Akte) das von der zwischenzeitlichen Hausärztin Steinhauer eigentlich für den Abend verordnete Doxepin (Bl. 78, 92 f., 106 Rs. SG-Akte), ein leicht sedierendes trizyklisches Antidepressivum, auf Anweisung der Hausärztin (Bl. 107 SG-Akte) zur Beruhigung eingenommen hat und sie hat dies nachvollziehbar als Erklärung für die demonstrierte Müdigkeit angesehen (Bl. 93 SG-Akte). Zu Unrecht rügt der Kläger in diesem Zusammenhang, dass die Sachverständige keinen Medikamenten-Spiegel bestimmt hat um zu klären, welches Medikament der Kläger an diesem Morgen tatsächlich eingenommen hat. Zum einen hat der Kläger selbst den Namen des Medikamentes nicht angeben können (so die Sachverständige in ihrer ergänzenden Stellungnahme, Bl. 107 SG-Akte), sodass eine Medikamenten-Testung zu diesem Zeitpunkt nicht angezeigt gewesen ist. Zum anderen hat die Sachverständige tatsächlich auf andere Weise geklärt, um welches Medikament es sich gehandelt hat. Der Kläger bestreitet die Einnahme des Doxepin am Morgen der Untersuchung auch nicht. Soweit der Kläger in der Berufung rügt, nicht erkennen zu können, woher diese Information, insbesondere die Medikamentenauflistung stamme, vermag der Senat dies angesichts der Ausführungen von Dr. E. nicht nachzuvollziehen. Zum einen hat die Sachverständige durch wörtliche Wiedergabe dokumentiert, dass der Kläger die Medikamenteneinnahme selbst angegeben hat (Bl. 84, 92 SG-Akte) und dies in der ergänzenden Stellungnahme nochmals als Aussage des Klägers wiedergegeben (Bl. 106 Rs. SG-Akte), ebenso dass der Kläger den Namen des Medikamentes nicht hat benennen können (Bl. 107 SG-Akte), so dass sich die dokumentierte Rückfrage (Bl. 92 SG-Akte) nur auf die verordnende Hausärztin beziehen kann.

Soweit der Kläger nach Eingang des Gutachtens der Dr. E. behauptet hat (Bl. 112 SG-Akte), dieses Medikament eigentlich regelmäßig (auch) morgens einnehmen zu müssen, ist dies angesichts der Darstellung von Dr. E. (eine Rückfrage habe ergeben, dass Doxepin zum Schlafen in einer Dosierung von 50 mg verordnet worden sei, Bl. 92 f. SG-Akte) nicht nachvollziehbar. Im Übrigen kommt den Nebenwirkungen dieses Medikaments für die Beurteilung der täglichen Leistungsfähigkeit des Klägers keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn der Kläger hat zugleich eingeräumt (Bl. 112 SG-Akte), das Medikament nicht regelmäßig zu nehmen. Auch gegenüber Dr. W. hat der Kläger angegeben, Medikamente für die Psyche nur ab und zu einzunehmen (Bl. 127 SG-Akte).

Schließlich hat die Sachverständige Dr. E. ausgeführt, dass das Medikament zum einen in nur sehr geringer Dosierung (pro Dosis 50 mg bei einer Tagesmaximaldosis von 300 mg) verordnet sei, was ein regelmäßiges Einschlafen tagsüber ohnehin nicht erkläre, dass zum anderen aber auch Inkonsistenzen in der Untersuchung aufgetreten sind. So haben sich in der Untersuchung die in der psychometrischen Testung dargebotenen Einschränkungen gerade nicht gezeigt; die mnestischen Funktionen sind unauffällig gewesen (Bl. 80, 107 SG-Akte). Außerdem - so die Sachverständige (Bl. 106 Rs. SG-Akte) - haben sich im Rahmen der Testung selbst auch Hinweise auf ein suboptimales Antwortverhalten ergeben. Schließlich lässt sich das tägliche Verhalten des Klägers mit einer demenziellen Entwicklung nicht in Einklang bringen. Hierzu hat die Sachverständige überzeugend dargelegt, dass eine Demenz die Benutzung eines Computers, einschließlich Bildbearbeitung, unwahrscheinlich macht. Soweit der Kläger dies nachfolgend (Bl. 112 SG-Akte) dadurch zu relativieren versucht hat, indem er auf eine nur einfache Nutzung abhebt, ändert dies nichts daran, dass der Kläger in der Lage ist, einen Computer über viele Stunden täglich zu bedienen und sich damit zu beschäftigen.

Sonstige Hinweise auf eine rentenrelevante Einschränkung von Konzentration und geistigen sonstigen Fähigkeiten über die im Reha-Entlassungsbericht und im Gutachten der Dr. E. beschriebenen qualitativen Einschränkungen hinaus liegen nicht vor. Im Übrigen hat auch der den Kläger behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. keine rentenrelevante Einschränkung des Leistungsvermögens angenommen. Soweit der Diplompsychologe Feucht ein unter halbschichtiges Leistungsvermögen angenommen hat, hat er diese Beurteilung nicht näher begründet und sie im Wesentlichen auch lediglich auf die Angaben des Klägers gestützt. Einschränkungen der Konzentration und der Aufmerksamkeit hat aber auch der Diplompsychologe Feucht nicht berichtet.

Im Ergebnis folgt deshalb auch der Senat der Einschätzung der Sachverständigen Dr. Elze, dass keine wesentliche Einschränkung der mnestischen Funktionen vorliegt.

Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass sich auch aus dem Verhalten des Klägers im Termin zur Erörterung des Sachverhalts keinerlei Hinweise auf weitergehende Einschränkungen, als von Dr. E. beschrieben, ergeben. Der Kläger hat sich im Termin durchaus anhaltend konfliktbereit und -fähig dargestellt. Er hat einerseits seinen rechtlichen Standpunkt eindeutig und eindrücklich beschrieben (u.a.: es interessiere ihn die vom Gesetzgeber für die Minderung der Erwerbsfähigkeit definierte Sechs-Stunden-Grenze nicht) und andererseits die aus seiner Sicht insoweit erforderlichen Maßnahmen erkannt (er werde schon einen Arzt finden, der ein nur zweistündiges Leistungsvermögen bescheinigt), er hat die für ihn maßgebenden Argumente vorgebracht (u.a.: er habe immerhin 35 Jahre schwer gearbeitet und viel durchgemacht, mit Hinweis auf die dem Sozialgericht vorgelegte mehrseitige Darstellung seines Lebens, Bl. 117 ff. SG-Akte), er hat appellativ-manipulative Verhaltensweisen eingebracht (u.a. bei erfolglosem Verlauf werde er alle Medikamente auf einmal einnehmen) und er war auch zu verbalen Spitzen gegen den den Termin leitenden Richter in der Lage (er verzichte nicht auf mündliche Verhandlung, der Richter brauche Arbeit, sonst sei er arbeitslos). Diese, über 40 Minuten vom Kläger dokumentierten Fähigkeiten der Aufmerksamkeit, Reaktion und Diskussionsfähigkeit in Verbindung mit der sowohl gegenüber Dr. E. als auch gegenüber Dr. W. beschriebenen nahezu ganztägigen Beschäftigung am Computer mit der Bearbeitung eigener Bilder, im Internet surfen und fernsehen, unterbrochen mit der Zubereitung des Mittagessens im Wechsel mit der Ehefrau, bestätigen aus Sicht des Senats die Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen und damit die Fähigkeit, leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, auch z.B. als Poststellenmitarbeiter (Dr. E.) oder im Büro (Dr. W., Bl. 143 SG-Akte), mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Soweit der Kläger die von Dr. R. angegebene mittelgradige Schlafapnoe als in ihren Auswirkungen nicht geklärt rügt, veranlasst auch dies den Senat nicht zu weiterer Sachaufklärung. Bereits das Sozialgericht hat darauf hingewiesen, dass insoweit noch nicht einmal eine gesicherte Diagnose, geschweige denn eine fachärztliche Behandlung bekannt ist. Hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen. Insbesondere hat er nicht dargelegt, inwieweit und durch wen diese Schlafapnoe diagnostiziert gesichert worden ist, welche Therapien mit welchem Erfolg durchgeführt worden sind und welche Auswirkungen diese Schlafapnoe bei ihm überhaupt haben soll. Für Ermittlungen ins Blaue hinein besteht daher kein Anlass.

In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht gelangt daher auch der Senat zu dem Ergebnis, dass der Kläger nach wie vor in der Lage ist, zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. E. und Dr. W. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Er ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie der Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.

Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass sich die Verpflichtung der Beklagten im gerichtlichen Vergleich vom 07.05.2013 zur Neubescheidung lediglich auf den geltend gemachten Anspruch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bezog. Die Klage in Bezug auf einen damals auch verfolgten Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung erklärte der Kläger im gerichtlichen Vergleich für erledigt. Damit war der den Rentenantrag vom 12.06.2009 insoweit ablehnende Bescheid vom 14.07.2007 - was den Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung anbelangt - bestandskräftig und der Rentenantrag vom 12.06.2009 damit bestandskräftig beschieden. Entsprechend bestand keine Verpflichtung der Beklagten mehr, über diesen Rentenantrag erneut zu entscheiden. Soweit sie im Bescheid vom 27.03.2014 einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung verneinte, ist dies schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der Kläger insoweit keinen neuen Antrag stellte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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