Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 4188/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2449/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts M. vom 7. Mai 2013 wird abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die für S. M. in der Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 4. Dezember 2010 gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 40,53 Euro zu erstatten.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der von ihr in der Zeit vom 28. März 2007 bis zum 4. Dezember 2010 in Höhe von 12.140,33 EUR erbrachten Sozialhilfeaufwendungen für S. M. (M.) gegen den Beklagten bzw. den Beigeladenen hat.
Die am 5. Dezember 1995 geborene M. lebte im Jahr 2006 im Haushalt ihrer Mutter im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen in O., H.-Straße. Am 4. Mai 2006 wurde sie von ihrer Mutter bei dem Polizeiposten B. F. als vermisst gemeldet; M. sei seit dem 4. April 2006 nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Ausweislich des Ermittlungsberichts der Polizeidirektion H. hatte die Mutter angegeben, M. sei mit einer Frau ständig unterwegs und würde den Aufenthalt wechseln, um dadurch zu verhindern, dass sie wieder zur Mutter zurückgebracht werde. Am 16. Februar 2007 sei der aktuelle Aufenthaltsort von M. ermittelt worden, und zwar bei ihrem Halbbruder M. L. (L.) in M., P.-Allee. Durch das Jugendamt H. sei bereits im Vorfeld signalisiert worden, dass M. dort belassen werden könne, solange für das Kindeswohl keine Gefahr bestehe. Die Mutter, welche auch das Sorgerecht habe, sei mit dieser Entscheidung einverstanden. Auf Grund der bisherigen Ermittlungen stehe fest, dass sich M. freiwillig an dem nun ermittelten Aufenthaltsort befinde. Bisher stehe nicht fest, wo und bei welchen Personen sich das vermisste Kind zwischenzeitlich aufgehalten habe.
Am 28. Februar 2007 wurde M. durch L. in M. polizeilich gemeldet. Als Tag des Einzugs wurde der 1. Januar 2007 angegeben. Die Mutter von M. erklärte unter dem 2. Februar 2009, sie sei damit einverstanden, dass M. bei L. lebe. Sie übertrage alle Rechte und Pflichten für M. auf diesen. In der Folgezeit wohnte M. bei L. und dessen Partnerin bzw. jetzigen Ehefrau. Für die Wohnung war im Jahr 2007 eine Bruttowarmmiete i.H.v. 644,71 EUR monatlich zu entrichten; darin enthalten waren Kosten für einen Stellplatz i.H.v. 35,79 EUR. Zum 1. November 2009 erfolgte bei gleichbleibender Stellplatzmiete eine Mieterhöhung auf 714,71 EUR. Im September 2009 war eine Nebenkostennachforderung von 483,25 EUR zu zahlen.
Am 28. März 2007 stellte L. beim Jobcenter M. den Antrag auf Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und gab hierbei M. als mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebende weitere Person an. Unter Hinweis darauf, dass M. nicht zum Haushalt des L. gehöre, wurden für diese vom Jobcenter M. keine Leistungen bewilligt.
Mit Bescheid vom 10. November 2010 bewilligte die Klägerin der M. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 16. August 2010 bis 4. Dezember 2010 (August 2010: 162,11 EUR, September 2010: 314,10 EUR; Oktober 2010: 410,87 EUR; November 2010: 314,10 EUR; Dezember 2010: 40,53 EUR).
Hiergegen legte M. am 3. Dezember 2010 Widerspruch ein mit der Begründung, ein Antrag auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sei bereits im Januar 2007 gestellt worden. Mit Abhilfebescheid vom 20. Juni 2011 sowie Änderungsbescheid vom 26. Juli 2011 bewilligte die Klägerin der M. Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 28. März 2007 bis 15. August 2010.
Mit Schreiben vom 17. November 2010 machte die Klägerin gegenüber dem Beigeladenen Kostenerstattung gemäß § 107 SGB XII für die seit dem 16. August 2010 erbrachten Leistungen geltend. Mit Schreiben vom 26. Juli 2011 erinnerte die Klägerin den Beigeladenen an den Erstattungsanspruch und teilte weiter mit, es seien zudem Leistungen vom 28. März 2007 bis 15. August 2010 gewährt worden. Hierfür werde ebenfalls Erstattung gemäß § 107 SGB XII geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 13. September 2011 lehnte der Beigeladene eine Erstattung ab mit der Begründung, eine dortige Zuständigkeit wäre nur dann gegeben, wenn M. innerhalb eines Monats nach Verziehen Sozialhilfe erhalten hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall. M. habe bereits am 20. April 2006 den Bezirk des Beigeladenen verlassen. Ihr zwischenzeitlicher Aufenthalt sei nicht bekannt. Erst im Februar 2007 sei ermittelt worden, dass sie sich seit wenigstens 1. Januar 2007 bei ihrem "Onkel" im Zuständigkeitsbereich der Klägerin aufhalte.
Daraufhin machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 30. November 2011, bei diesem am 3. Dezember 2011 eingegangen, einen Erstattungsanspruch gemäß § 107 SGB XII für die an M. für die Zeit von März 2007 bis 4. Dezember 2010 erbrachten Leistungen nach dem SGB XII geltend. M. habe sich seit dem 20. April 2006 nicht mehr im Haushalt der Mutter befunden, sondern ständig den Aufenthalt gewechselt, ohne einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung ab. Gemäß § 107 SGB XII würden § 98 Abs. 2 und § 106 SGB XII entsprechend gelten, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei seinen Eltern oder bei einem Elternteil untergebracht sei. Für die örtliche Zuständigkeit bei einer solchen "Fremdunterbringung" oder mehreren Fremdunterbringungen sei der gewöhnliche Aufenthalt vor Beginn der Fremdunterbringung bzw. der letzte gewöhnliche Aufenthalt in den zwei Monaten davor maßgebend. Ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt habe M. bis zum 20. April 2006 bei ihrer Mutter gehabt. In der Folgezeit habe sie sich bei Angehörigen der S.-Gemeinschaft aufgehalten. Damit habe die "Fremdunterbringung" im Sinne des § 107 SGB XII am 20. April 2006 begonnen; somit sei der gewöhnliche Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt entscheidend. Dieser habe im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen gelegen.
Am 27. Dezember 2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben und die Erstattung der in der Zeit vom 28. März 2007 bis 4. Dezember 2010 an M. gewährten Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 12.140,33 EUR geltend gemacht. Nach Beiladung des Landkreises H. (Beiladungsbeschluss vom 8. Februar 2013) hat das SG Mannheim mit Urteil vom 7. Mai 2013 die Klage abgewiesen. Ein Erstattungsanspruch bestehe weder gegen den Beklagten noch gegen den Beigeladenen. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1, § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sei für die Sozialhilfe grundsätzlich der örtliche Träger zuständig, wobei für die Bestimmung des konkret örtlich zuständigen Trägers in aller Regel an den tatsächlichen Aufenthalt der leistungsberechtigten Person angeknüpft werde. M. habe im Erstattungszeitraum ihren tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Klägerin gehabt. Eine hiervon abweichende sachliche oder örtliche Zuständigkeit könne sich nur ergeben, wenn M. nach § 107 SGB XII seinerzeit in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei (ihren) Eltern oder bei einem Elternteil untergebracht gewesen wäre. Eine Unterbringung im Sinne des § 107 SGB XII liege jedoch nur vor, wenn die Familienpflege als Leistung des SGB XII erbracht werde. Hierzu enthalte § 54 Abs. 3 SGB XII nähere Regelungen. Wenn die Familienpflege dagegen unter dem Regime des Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) ausgeführt oder wenn sie ohne sozialhilferechtliche Grundlage durchgeführt werde, gelte § 107 SGB XII nicht. Denn die Rechtsfolgen des § 107 SGB XII seien ersichtlich von der gesetzgeberischen Zielsetzung getragen, die Einrichtungsorte zu schützen. Ähnlich wie beispielsweise bei Frauenhäusern, Übergangswohnheimen oder Einrichtungen der Sucht- und Drogenhilfe sollten diejenigen Sozialhilfeträger, in deren Bezirk sich die genannten Einrichtungen befänden, vor den finanziellen Folgen, die sich aus der "Sogwirkung" solcher Einrichtungen über den jeweiligen Sozialhilfebezirk hinaus ergäben, geschützt werden. Darüber hinaus solle vermieden werden, dass Sozialhilfeträger wegen solcher externer Kosten davon absähen, entsprechende Einrichtungen vorzuhalten. § 107 SGB XII sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Deshalb sei § 107 SGB XII nur dann anzuwenden, wenn tatsächlich eine Einrichtung vorhanden sei, die eine solche "Sogwirkung" entfalten könne. Auch der Wortlaut der Norm deute darauf hin, dass der Tatbestand der Unterbringung nicht schon bei einem entsprechenden tatsächlichen Aufenthalt eines Kindes mit dort erfolgender Erziehung, Betreuung und Versorgung erfüllt sei. Denn eine "Unterbringung" meine im allgemeinen Sprachgebrauch stets die Einbindung der "untergebrachten" Person in eine organisatorisch bzw. institutionell vorgegebene "Einrichtung". Der Begriff "Unterbringung" beziehe sich auch seinem Wortsinn nach nur auf solche Einrichtungen bzw. Orte, die grundsätzlich für eine unbestimmte Vielzahl von Personen offen stünden. Jedenfalls dann, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher ohne Beteiligung eines Amtes innerhalb der Familie freiwillig bei einem anderen Familienmitglied außerhalb des Elternhaushalts unterkomme und dort (innerhalb der Familie im weiteren Sinne) betreut, versorgt und erzogen werde, sei § 107 SGB XII nicht anzuwenden. Denn dieser "Familienhaushalt" könne nicht als schutzwürdige "Einrichtung" im oben dargestellten Sinne aufgefasst werden. Die "Unterbringung" der M. im Haushalt ihres Halbbruders stelle letztlich eine private bzw. verwandtschaftliche Hilfe dar, die ohne jede Beteiligung einer öffentlichen Stelle erfolgt sei. Unbeachtlich in diesem Zusammenhang sei die Übertragung des Sorgerechts bzw. die familienrechtliche Übereinkunft zwischen der Mutter und dem Halbbruder von M. zur faktischen Ausübung der elterlichen Sorge. Denn die hierdurch begründete "Familienpflege" sei für das funktionale Verständnis von § 107 SGB XII ohne jede Bedeutung.
Gegen das ihr am 15. Mai 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. Juni 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die vom SG Mannheim vorgenommene Auslegung des § 107 SGB XII stehe in Widerspruch zur herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur. Durch die normative Beschränkung der Begrifflichkeit "untergebracht (sein)" ausschließlich auf Lebenssachverhalte, in denen die Unterbringung eines Kindes im Rahmen der Hilfe nach dem SGB XII - konkret der Eingliederungshilfe - erfolge, widerspreche dem eigentlichen Sinn und Zweck der Vorschrift, dem Schutz des Sozialhilfeträgers am Unterbringungsort vor einer zufälligen Kostenverlagerung. Auch die historische Interpretation der Vorschrift anhand der Entstehungsgeschichte und die hierzu ergangene Rechtsprechung spreche gegen die Auslegung durch das SG. Sie verstoße auch methodisch gegen die Grundsätze der Auslegung, da sie über den Wortlaut hinaus als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer Familienpflege der Eingliederungshilfe voraussetze. Das Erfordernis des Vorliegens einer konkreten Hilfeart könne dem Wortlaut des § 107 SGB XII nicht entnommen werden. Schließlich sei durch die vom SG Mannheim vorgenommene Auslegung des § 107 SGB XII auch Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) verletzt. Durch die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 107 SGB XII auf Fallkonstellationen, in denen zugleich eine Familienhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe erbracht werde, würden alle jene Gebietskörperschaften im Rahmen der Kostenerstattung benachteiligt, in deren Zuständigkeitsbereich statt formeller Familienpflegestellen viele oder überwiegend "informelle Familienpflegestellen" bestünden. Da viele Teile der Bevölkerung eher dazu neigten, eine Familienunterbringung ohne die Einschaltung öffentlicher Stellen durchzuführen, würden durch die durch das SG Mannheim vorgenommene Auslegung des § 107 SGB XII Gebietskörperschaften, in denen sich große Teile dieser Bevölkerungsgruppen aufhielten, strukturell benachteiligt. Der Schutzzweck der Vorschrift sei weitergehend als vom SG Mannheim vorgenommen dahingehend auszulegen, auch Sozialhilfeträger vor zufälligen Kostenverlagerungen zu schützen, in denen "Familienverbünde" formlos rein zivilrechtlich und ohne Beteiligung der Behörden für eine Unterbringung im Sinne des § 107 SGB XII außerhalb der Herkunftsfamilie sorgten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Mai 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die für S. M. in der Zeit vom 28. März 2007 bis zum 4. Dezember 2010 gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 12.140,33 EUR zu erstatten, hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, die für S. M. in der Zeit vom 28. März 2007 bis zum 4. Dezember 2010 gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 12.140,33 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, selbst wenn die vom SG Mannheim vertretene Rechtsauffassung unzutreffend wäre, komme allein eine Kostenerstattung durch den Beigeladenen in Betracht. Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach § 107 SGB XII sei, dass ein Minderjähriger in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei seinen Eltern oder bei einem Elternteil untergebracht sein müsse. Hierunter falle jede nicht nur kurzfristige Unterbringung eines Minderjährigen außerhalb des eigenen Elternhauses zum Zweck der Erziehung, Betreuung und Beaufsichtigung. Eine solche Unterbringung der M. habe bereits seit 20. April 2006 im Zusammenleben mit der S.- und Roma-Gemeinschaft vorgelegen mit der Folge, dass Anknüpfungspunkt für einen gewöhnlichen Aufenthalt der mütterliche Haushalt im Landkreis H. sei.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat vorgetragen, jedenfalls sei das Vorbringen des Beklagten unzutreffend, eine "Fremdunterbringung" im Sinne des § 107 SGB XII habe bereits am 20. April 2006 begonnen. M. sei vielmehr über mehrere Monate ohne festen Aufenthalt gewesen und habe sich wohl an unterschiedlichen nicht bekannten Orten und bei nicht bekannten Personen aufgehalten, bevor sie erst im Januar 2007 bei L. untergekommen sei.
M. hat auf Anfrage des Senats unter dem 1. März 2017 schriftlich mitgeteilt, sie könne sich nicht mehr erinnern, wo sie sich in der Zeit vom 20. April 2006 bis 31. Dezember 2006 aufgehalten habe. Das einzige, woran sie sich erinnern könne, sei, dass sie "sehr viel rumgeflogen" sei. Mit wem, wo oder wie lange wisse sie nicht mehr.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beteiligten, der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten des Jobcenter M. ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat lediglich im tenorierten Umfang Erfolg.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten (§ 124 Abs. 2 SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Erstattung der an M. erbrachten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 28. März 2007 bis 4. Dezember 2010 in Höhe von insgesamt 12.140,33 EUR. Das Erstattungsbegehren verfolgt sie statthaft mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 107 SGB XII. Danach gelten § 98 Abs. 2 SGB XII und § 106 SGB XII entsprechend, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei seinen Eltern oder bei einem Elternteil untergebracht ist.
Die Vorschrift des § 107 SGB XII hat den bis zum 31. Dezember 2004 geltenden § 104 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) inhaltsgleich übernommen (so auch die amtliche Begründung in BT-Drs. 15/1514), ebenso wie die Vorschrift des § 98 SGB XII im Wesentlichen inhaltsgleich den bisherigen § 97 BSHG übernommen hat. Deshalb kann insoweit auf die Rechtsprechung zu den bisherigen Vorschriften des BSHG zurückgegriffen werden (vgl. Verwaltungsgericht (VG) Bayreuth, Urteil vom 22. Juni 2009 - 3 K 08.788 – juris Rdnr. 36). Bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte zu den Vorgängerregelungen der § 107 SGB XII und § 98 Abs. 2 SGB XII entschieden, § 104 BSHG bestimme die entsprechende Geltung des § 97 Abs. 2 BSHG nicht beschränkt auf und für eine besondere Unterbringung eines Kindes oder Jugendlichen als Maßnahme der Sozialhilfe, sondern allein abhängig von der tatsächlichen Unterbringung, also ungeachtet ihres sozialhilfe-, jugendhilfe- bzw. familienrechtlichen Grundes. Die Zuständigkeitsbestimmung nach § 104 in Verbindung mit § 97 Abs. 2 BSHG setze demnach nicht voraus, dass die die örtliche Sozialhilfezuständigkeit begründende Unterbringung des Kindes oder Jugendlichen bereits ihrerseits eine sozialhilferechtliche Maßnahme sei. Die in entsprechender Anwendung des § 97 Abs. 2 BSHG begründete Zuständigkeit erfasse alle Sozialhilfeleistungen in der Zeit, in der das Kind oder der Jugendliche in einer Pflegefamilie oder bei einer Pflegeperson untergebracht sei (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2003 - 5 C 14/02 - BVerwGE 119, 356 - juris Rdnr. 17). Das BVerwG hatte weiter entschieden, im Rahmen der Hilfe zur Erziehung sei der Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen außerhalb des Elternhauses (§ 39 Abs. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB) VIII) auch dann sicherzustellen, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher von nahen Verwandten oder anderen Personen, die keiner Pflegeerlaubnis bedürften (wie z. B. der Vormund gem. § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII), betreut werde (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1995 - 5 C 2/94 – BVerwGE 100, 178 - juris). Von § 107 SGB XII umfasst ist danach jede nicht nur kurzfristige Unterbringung eines Minderjährigen außerhalb des eigenen Elternhauses zum Zwecke der Erziehung, Betreuung und Beaufsichtigung (Klinge in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 03/12, § 107 Rdnr. 5; vgl. weiter Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 107 Rdnrn 5 ff.; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 107 Rdnr. 3; Schoch in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 107 Rdnr. 9).
Der vom SG Mannheim vertretenen Auffassung, die Gleichstellung mit stationären Leistungen im Sinne des § 107 SGB VII könne bei der Familienpflege von Kindern und Jugendlichen nur dann zum Tragen kommen, wenn die Familienpflege als Leistung des SGB XII erbracht werde (vgl. auch Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand 01.05.2014, § 107 Rdnr. 22), schließt sich der Senat nicht an. Der Anwendungsbereich des § 107 SGB XII wäre dann allein auf Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Betreuung in einer Pflegefamilie nach § 54 Abs. 3 SGB XII beschränkt, somit allein auf Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem dort zitierten Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg vom 19. Mai 2003 (12 LC 291/02 - juris Rdnr. 32), wonach § 97 BSHG (bzw. § 107 SGB XII) nicht einschlägig sei, wenn die Hauptmaßnahme der Unterbringung in einer anderen Familie als Jugendhilfemaßnahme nach § 33 SGB VIII zu bewerten sei, weil dann die Zuständigkeitsvorschriften der §§ 86 ff. SGB VIII zur Anwendung gelangten. Denn dies ist vorliegend nicht der Fall, die Unterbringung ist nicht als Jugendhilfemaßnahme erfolgt. Für die vorliegend vertretene Auffassung spricht auch eine teleologische Auslegung. Zwar ist es zutreffend, dass mit § 107 SGB XII der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Familienpflegestelle befindet, bei Kindern und Jugendlichen, die aus dem Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers der Sozialhilfe stammen, von der endgültigen Kostentragung entlastet werden und so der Unterbringungsort vor übermäßigen Belastungen geschützt werden soll (Böttiger a.a.O. Rdnr. 26). Hieraus kann jedoch nicht eine Einschränkung des Begriffs der Unterbringung abgeleitet werden. Vielmehr soll nach Sinn und Zweck der Regelung der Sozialhilfeträger des mit Zufälligkeiten des Ortes der Unterbringungsfamilie verknüpften tatsächlichen Aufenthaltsorts entlastet werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Februar 2011 - L 20 SO 110/08 - juris Rdnr. 79).
Auch die Auffassung, wegen der zivilrechtlichen Beschränkungen für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen außerhalb der eigenen Familie (§§ 1631b, 1906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) sei für die Anwendbarkeit von § 107 SGB XII regelmäßig erforderlich, dass für die Unterbringung eine gerichtliche bzw. jedenfalls behördliche Anordnung oder Genehmigung vorliege (vgl. BeckOK SozR/Adams, 44. Aufl. 1.3.2017, SGB XII, § 107 Rdnr. 6), steht der vorliegend vertretenen Auslegung nicht entgegen. Denn der Aufenthalt der M. bei L. war nach behördlicher Prüfung erfolgt. M. war, entgegen der Auffassung des SG M., auch nicht ohne Beteiligung eines Amtes bei einem anderen Familienmitglied außerhalb des Elternhauses untergekommen. Ausweislich des Ermittlungsberichts der Polizeidirektion H. war bereits im Vorfeld durch das Jugendamt H. signalisiert worden, dass M. bei L. belassen werden könne, solange für das Kindeswohl keine Gefahr bestehe. Auch war eine Überprüfung durch das örtlich zuständige Jugenddezernat durchgeführt und hierbei festgestellt worden, dass M. bei L. gut untergebracht sei. Dem hatte das Jugendamt H. zugestimmt.
M. war im Erstattungszeitraum bei L. und damit in einer anderen Familie untergebracht. Eine Unterbringung liegt vor, wenn die Erziehung, Betreuung und Aufsicht des Minderjährigen durch eine andere Person als die Eltern oder einen Elternteil geleistet werden (Schoch, a.a.O., § 107 Rdnr. 9). Hierzu zählen auch Verwandte (Wahrendorf, a. a. O., § 108 Rdnr. 4). M. lebte bei ihrem Stiefbruder, der ihre Erziehung, Versorgung und Betreuung im streitigen Zeitraum wahrgenommen hat.
M. hat während des Aufenthalts bei ihrem Stiefbruder auch keinen - erstattungsrechtlich relevanten - gewöhnlichen Aufenthalt begründet, weil auf Grund der entsprechend für anwendbar erklärten Regelungen der §§ 98 Abs. 2 und 106 SGB XII auch die Fiktion des § 109 SGB XII automatisch mit eingeschlossen ist (vgl. Schellhorn, a.a.O., § 107 Rdnrn. 3, 4, 19; Klinge, a.a.O., § 107 Rdnrn. 2, 6; Böttiger, a.a.O., § 107 Rdnrn. 4, 38 ff.).
Die Erstattungspflicht des Beklagten beruht auf § 106 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII. Ist danach in den Fällen des § 98 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB XII ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln und war für die Leistungserbringung ein örtlicher Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig, sind diesem die aufgewendeten Kosten von dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört (§ 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII).
Entgegen der Auffassung der Beklagten lag in der Zeit ab dem Verlassen des Elternhauses am 20. April 2006 bis zum Zuzug bei L. Anfang des Jahres 2007 keine Fremdunterbringung vor mit der Folge, dass eine Kostenerstattungspflicht des Beigeladenen in Betracht käme. Dem steht schon entgegen, dass M. gegen den Willen der Mutter sich nicht mehr an deren Wohnsitz aufgehalten hat. Auch war das Zusammenleben nicht vom Zwecke der Erziehung, Betreuung und Beaufsichtigung geprägt. M. sollte vielmehr der personenberechtigten Mutter entzogen werden.
Ein gewöhnlicher Aufenthalt der M. kann in der Zeit vor dem Zuzug zu L. nicht ermittelt werden. Nach der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) hat eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts sind die mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung (Prognoseentscheidung) festzustellen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - B 8 SO 19/13 R - juris Rdnr. 15; BSG SozR 4-3500 § 109 Nr. 1 (Rdnr. 13)). Der Senat entnimmt dies der schriftlichen Zeugenaussage der M. Danach konnte sie keine Angaben zu konkreten Aufenthaltsorten nach dem Verlassen der elterlichen Wohnung oder zu Personen machen, bei denen sie sich aufhielt. Nach ihrer Erinnerung war sie nur sehr viel unterwegs. Auch dem Ermittlungsbericht der Polizeidirektion H. kann entnommen werden, dass sich M. nach dem Verlassen der elterlichen Wohnung an wechselnden Orten aufgehalten hatte. Damit lässt sich in den zwei Monaten vor dem Zuzug zu L. auch ein gewöhnlicher Aufenthalt der M. nicht feststellen. Deshalb ist der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs. 3 SGB XII; § 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 1. Juli 2004 - GBl. 2004, 469, 534) gem. § 106 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII erstattungspflichtig.
Dahingestellt bleiben kann, ob der Anspruch der M. letztlich auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt werden kann (vgl. dazu Mönch-Kalina/Voelzke in jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Stand 18.11.2016, § 16 Rdnr. 38 m.w.N.). Entscheidend ist vielmehr, ob ein materiell-rechtlicher Anspruch der Hilfeempfängerin auf Sozialhilfe bestanden hat (BSG, Urteil vom 24. März 2009 - B8 SO 34/07 R - juris Rdnr. 16). M. hat am 28. März 2007 einen Antrag auf Leistungen gestellt, wenn auch nicht bei der Klägerin, sondern beim Jobcenter M. und damit bei einem unzuständigen Leistungsträger. Dieser war gem. § 16 Abs. 2 SGB I verpflichtet, den Antrag an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Dies hatte er unterlassen. Zwar ist die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht von einem förmlichen Antrag abhängig. § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I meint aber nicht nur förmliche Anträge, sondern jedes erkennbare und einigermaßen spezifizierte Leistungsbegehren. Nach Sinn und Zweck des Weiterleitungsgebots darf der Leistungsberechtigte mit seinem Begehren nicht an den Zuständigkeitsabgrenzungen der gegliederten Sozialverwaltung scheitern. Deshalb hat der unzuständige Leistungsträger das Begehren unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsgrundsatzes" dahin auszulegen, dass über den Wortlaut hinaus alle Sozialleistungen begehrt werden, die dem Bürger den größten Nutzen bringen (Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 09/15, § 18 Rdnr. 9). Das Begehren der M. war unmissverständlich auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gerichtet. Damit war die durch den Antrag bei einer unzuständigen Stelle vermittelte und nach § 18 SGB XII für das Einsetzen der Sozialhilfe erforderliche Kenntnis von dem Hilfefall für die Klägerin als zuständigem Sozialhilfeträger in dem Zeitpunkt gegeben, in dem der Antrag bei der unzuständigen Stelle eingegangen war (BSG, Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 18/07 R - juris Rdnrn. 22f.). Auch war ein Folgeantrag nicht erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 13/08 R - BSGE 104, 207 - juris Rdnr. 15f.).
Die Klägerin hat die geltend gemachten Aufwendungen auch hinsichtlich ihres Umfangs weitgehend rechtmäßig erbracht. Nach § 110 Abs. 1 SGB XII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Leistung diesem Buch entspricht. Dabei gelten die am Aufenthaltsort der Leistungsberechtigten zur Zeit der Leistungserbringung bestehenden Grundsätze für die Leistung der Sozialhilfe.
Die Klägerin hat – ausgehend von der Aufwandsaufstellung Bl. 48 der SG-Akten – das Kindergeld in jeweils zutreffender Höhe bedarfsmindernd berücksichtigt. Sie hat auch den Regelsatz in jeweils zutreffender Höhe zugrunde gelegt. Bei dem für Juni 2009 aufgeführten Betrag von 251,00 EUR handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler, da die Summe von 258,59 EUR einer Regelleistung von 211,00 EUR - wie in den Vormonaten – entspricht. Auch der Regelsatz für Dezember 2009 ist zutreffend berechnet, da M. am 4. Dezember 2009 das 14. Lebensjahr vollendet und damit ab diesem Datum einen Anspruch in Höhe von 80 vom Hundert des Eckregelsatzes hatte (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 Regelsatzverordnung in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung).
Allerdings hat die Klägerin teilweise zu hohe Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdUH) erbracht. Die Bruttowarmmiete für die von L., seiner Partnerin und M. bewohnten Wohnung betrug im Jahr 2007 monatlich 644,71 EUR. Hierin enthalten sind Kosten für eine Garage in Höhe von 35,79 EUR, die nicht als Unterkunftskosten zu berücksichtigen sind. Von dem verbleibenden Betrag von 608,92 EUR war ein Drittel als kopfanteiliger Anspruch der Klägerin, somit 202,97 EUR zu berücksichtigen. Hiervon abzusetzen war die Warmwasserpauschale (für Leistungen nach dem SGB XII vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2016 – B 8 SO 13/14 R – juris), da die Kosten für die Warmwasserbereitung in den Nebenkosten enthalten waren. Danach sind die Kosten der Warmwasserbereitung mit 30 % des im sozialhilferechtlichen Regelsatz enthaltenen Betrags für Haushaltsenergie anzusetzen, somit für die Zeit bis Juni 2008 monatlich 3,73 EUR, für Juli 2008 bis Juni 2009 monatlich 3,80 EUR und für Juli bis Oktober 2009 monatlich 4,53 EUR. Der Anspruch auf KdUH betrug somit von Dezember 2007 bis Juni 2008 199,14 EUR, von Juli 2008 bis Juni 2009 199,17 EUR und ab Juli 2009 198,44 EUR.
Danach ergibt sich folgende Berechnung: Bis November 2007 hat die Klägerin Unterkunftskosten in Höhe von monatlich maximal 161,13 EUR zugrunde gelegt, obwohl M. einen diesen Betrag übersteigenden Anspruch hatte. Im Dezember 2007 hatte M. einen Anspruch auf Unterkunftskosten in Höhe von 199,14 EUR, somit 13,28 EUR weniger als von der Klägerin geleistet. Von Januar bis Juni 2008 betrug der monatliche Anspruch auf Unterkunftskosten gleichfalls 199,14 EUR, so dass monatlich 12,45 EUR bzw. insgesamt 74,70 EUR zu viel geleistet wurden. Von Juli 2008 bis Juni 2009 betrug der monatliche Anspruch 199,17 EUR, so dass eine Überzahlung von monatlich 12,42 EUR bzw. insgesamt 149,04 EUR erfolgt ist. Von Juli bis Oktober 2009 bestand mit Ausnahme des Monats September 2009 ein Anspruch auf KdUH in Höhe von monatlich 198,44 EUR, so dass eine monatliche Überzahlung von 13,07 EUR bzw. insgesamt 39,21 EUR erfolgt ist. Im September 2009 war eine Nebenkostennachzahlung in Höhe von 486,25 EUR zu leisten. Deshalb bestand in diesem Monat ein Anspruch mindestens in der bewilligten Höhe. Eine Verteilung der Nachzahlung auf die vorherigen Monate hat jedoch nicht zu erfolgen, da der entsprechende Anspruch nur in dem Monat besteht, in dem die Nachzahlung fällig ist. Nach der Mieterhöhung im November 2009 überstiegen die angemessenen Unterkunftskosten der M. den bewilligten Betrag. Damit ergibt sich eine Überzahlung von insgesamt 276,23 EUR.
Einem Erstattungsanspruch für die bis zum 30. November 2010 erbrachten Leistungen steht jedoch die Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entgegen. Danach ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. § 111 SGB X begründet eine von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche Ausschlussfrist, so dass der Erstattungsanspruch nach Ablauf der Ausschlussfrist untergeht (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2000 - B 8 KN 3/98 U R - SozR 3-1300 § 111 Nr. 8 - juris Rdnr. 20).
Da nach § 37 SGB I das SGB I und das SGB X für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs gelten, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt, gilt die Ausschlussfrist grundsätzlich auch für die in den besonderen Teilen des SGB geregelten Erstattungsansprüche. § 111 SGB X ist mithin auch auf Erstattungsansprüche in der Sozialhilfe nach den §§ 106 bis 108 SGB XII anwendbar (BSG, Urteil vom 14. April 2011 - B 8 SO 23/09 R - juris Rdnr. 19; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 12/13, § 111 Rdnr. 15 m.w.N; Kater in Kasseler Kommentar, Stand 1. März 2017, § 111 SGB X Rdnr. 10; Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand 13.05.2015, § 106 Rdnr. 177). Durch die Regelungen der §§ 102 bis 114 SGB X wollte der Gesetzgeber Lücken in den besonderen Teilen des SGB schließen. Diese Absicht ist in der Regierungsbegründung des SGB X ausdrücklich hervorgehoben worden; ihr ist der Gesetzgeber dadurch gefolgt, dass er aus Abschnitt 9 BSHG u.a. die Regelung des § 112 BSHG über die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen innerhalb einer Ausschlussfrist gestrichen hat, weil dafür das SGB X umfassende Regelungen enthält. Eine ergänzende Anwendung kann nur dann nicht angenommen werden, wenn ausdrückliche Regelungen oder die Grundsätze und Prinzipien des Sozialhilferechts dem entgegenstehen (vgl. Schellhorn, a.a.O., § 106 SGB XII Rdnr. 5). Solche Regelungen liegen hier nicht vor.
Die Anwendung des § 111 Satz 1 SGB X ist vorliegend auch nicht nach § 111 Satz 2 SGB X ausgeschlossen. Danach beginnt der Lauf der Frist nach Satz 1 frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht gegenüber dem Leistungsberechtigten Kenntnis erlangt. Eine den Fristlauf hinausschiebende Kenntnisnahme liegt jedoch nicht vor, wenn der Erstattungspflichtige eine materiell-rechtliche Entscheidung über Leistungen, wie sie der Erstattungsberechtigte bereits erbracht hat, überhaupt nicht mehr treffen kann und darf (BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - juris Rdnr. 22; BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 13/07 R - juris Rdnr. 14 ff.; Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 111 Rdnr. 8). So ist es vorliegend, denn der ggf. erstattungspflichtige überörtliche Sozialhilfeträger ist gegenüber dem Leistungsberechtigten nach dem SGB XII von vornherein nicht selbst leistungspflichtig, sondern nur nach § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gegenüber dem zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe erstattungspflichtig (vgl. zur gleichgelagerten Konstellation nach dem Asylbewerberleistungsgesetz LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Juni 2012 - L 20 AY 8/10 - juris Rdnr. 67).
Die Ausschlussfrist von einem Jahr beginnt deshalb nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde. Auf den Tag, "an" dem die Leistung erbracht wurde, kommt es demgegenüber nicht an (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 13/07 R - juris Rdnr. 12). Bei wiederkehrenden Leistungen, die für bestimmte Leistungszeiträume erbracht werden, entstehen die Erstattungsansprüche sukzessive nach Ablauf eines jeden Leistungszeitraums (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. März 2016 - L 2 SO 67/14 - juris Rdnr. 43). Auch auf den - oft längeren - Bewilligungszeitraum kommt es nicht an (Mutschler in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 1. Aufl. 2013, Stand 11. Mai 2016, § 111 SGB X Rdnr. 29; vgl. dort auch Rdnr. 30 zur Kritik an der Bestimmung des Leistungszeitraums). Vorliegend ist deshalb kein einheitlicher Leistungszeitraum vom 28. März 2007 bis 4. Dezember 2010 gegeben. Leistungszeitraum war vielmehr der jeweilige Kalendermonat, für den Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt worden ist. Die Klägerin hat den Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten erst am 3. Dezember 2011 geltend gemacht. Da die Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 SGB X jeweils mit dem Ende des Monats, für den die jeweiligen monatlichen Leistungen erbracht worden sind, beginnt, steht sie der Erstattung von Leistungen, die für Leistungszeiträume bis zum 30. November 2000 erbracht worden sind, entgegen. Somit hat die Klägerin nur den Erstattungsanspruch für Dezember 2010 in Höhe von 40,53 EUR unter Wahrung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt das nur geringe Obsiegen der Klägerin, die im vorliegenden Erstattungsstreit nicht von Gerichtskosten freigestellt ist (§ 197a Abs. 3 SGG; vgl. BSG, Beschluss vom 28. Januar 2016 - B 13 SF 3/16 S - juris Rdnr. 8). Der Beigeladene hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung, da er keinen Antrag gestellt hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die für S. M. in der Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 4. Dezember 2010 gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 40,53 Euro zu erstatten.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der von ihr in der Zeit vom 28. März 2007 bis zum 4. Dezember 2010 in Höhe von 12.140,33 EUR erbrachten Sozialhilfeaufwendungen für S. M. (M.) gegen den Beklagten bzw. den Beigeladenen hat.
Die am 5. Dezember 1995 geborene M. lebte im Jahr 2006 im Haushalt ihrer Mutter im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen in O., H.-Straße. Am 4. Mai 2006 wurde sie von ihrer Mutter bei dem Polizeiposten B. F. als vermisst gemeldet; M. sei seit dem 4. April 2006 nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Ausweislich des Ermittlungsberichts der Polizeidirektion H. hatte die Mutter angegeben, M. sei mit einer Frau ständig unterwegs und würde den Aufenthalt wechseln, um dadurch zu verhindern, dass sie wieder zur Mutter zurückgebracht werde. Am 16. Februar 2007 sei der aktuelle Aufenthaltsort von M. ermittelt worden, und zwar bei ihrem Halbbruder M. L. (L.) in M., P.-Allee. Durch das Jugendamt H. sei bereits im Vorfeld signalisiert worden, dass M. dort belassen werden könne, solange für das Kindeswohl keine Gefahr bestehe. Die Mutter, welche auch das Sorgerecht habe, sei mit dieser Entscheidung einverstanden. Auf Grund der bisherigen Ermittlungen stehe fest, dass sich M. freiwillig an dem nun ermittelten Aufenthaltsort befinde. Bisher stehe nicht fest, wo und bei welchen Personen sich das vermisste Kind zwischenzeitlich aufgehalten habe.
Am 28. Februar 2007 wurde M. durch L. in M. polizeilich gemeldet. Als Tag des Einzugs wurde der 1. Januar 2007 angegeben. Die Mutter von M. erklärte unter dem 2. Februar 2009, sie sei damit einverstanden, dass M. bei L. lebe. Sie übertrage alle Rechte und Pflichten für M. auf diesen. In der Folgezeit wohnte M. bei L. und dessen Partnerin bzw. jetzigen Ehefrau. Für die Wohnung war im Jahr 2007 eine Bruttowarmmiete i.H.v. 644,71 EUR monatlich zu entrichten; darin enthalten waren Kosten für einen Stellplatz i.H.v. 35,79 EUR. Zum 1. November 2009 erfolgte bei gleichbleibender Stellplatzmiete eine Mieterhöhung auf 714,71 EUR. Im September 2009 war eine Nebenkostennachforderung von 483,25 EUR zu zahlen.
Am 28. März 2007 stellte L. beim Jobcenter M. den Antrag auf Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und gab hierbei M. als mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebende weitere Person an. Unter Hinweis darauf, dass M. nicht zum Haushalt des L. gehöre, wurden für diese vom Jobcenter M. keine Leistungen bewilligt.
Mit Bescheid vom 10. November 2010 bewilligte die Klägerin der M. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 16. August 2010 bis 4. Dezember 2010 (August 2010: 162,11 EUR, September 2010: 314,10 EUR; Oktober 2010: 410,87 EUR; November 2010: 314,10 EUR; Dezember 2010: 40,53 EUR).
Hiergegen legte M. am 3. Dezember 2010 Widerspruch ein mit der Begründung, ein Antrag auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sei bereits im Januar 2007 gestellt worden. Mit Abhilfebescheid vom 20. Juni 2011 sowie Änderungsbescheid vom 26. Juli 2011 bewilligte die Klägerin der M. Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 28. März 2007 bis 15. August 2010.
Mit Schreiben vom 17. November 2010 machte die Klägerin gegenüber dem Beigeladenen Kostenerstattung gemäß § 107 SGB XII für die seit dem 16. August 2010 erbrachten Leistungen geltend. Mit Schreiben vom 26. Juli 2011 erinnerte die Klägerin den Beigeladenen an den Erstattungsanspruch und teilte weiter mit, es seien zudem Leistungen vom 28. März 2007 bis 15. August 2010 gewährt worden. Hierfür werde ebenfalls Erstattung gemäß § 107 SGB XII geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 13. September 2011 lehnte der Beigeladene eine Erstattung ab mit der Begründung, eine dortige Zuständigkeit wäre nur dann gegeben, wenn M. innerhalb eines Monats nach Verziehen Sozialhilfe erhalten hätte. Dies sei jedoch nicht der Fall. M. habe bereits am 20. April 2006 den Bezirk des Beigeladenen verlassen. Ihr zwischenzeitlicher Aufenthalt sei nicht bekannt. Erst im Februar 2007 sei ermittelt worden, dass sie sich seit wenigstens 1. Januar 2007 bei ihrem "Onkel" im Zuständigkeitsbereich der Klägerin aufhalte.
Daraufhin machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 30. November 2011, bei diesem am 3. Dezember 2011 eingegangen, einen Erstattungsanspruch gemäß § 107 SGB XII für die an M. für die Zeit von März 2007 bis 4. Dezember 2010 erbrachten Leistungen nach dem SGB XII geltend. M. habe sich seit dem 20. April 2006 nicht mehr im Haushalt der Mutter befunden, sondern ständig den Aufenthalt gewechselt, ohne einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung ab. Gemäß § 107 SGB XII würden § 98 Abs. 2 und § 106 SGB XII entsprechend gelten, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei seinen Eltern oder bei einem Elternteil untergebracht sei. Für die örtliche Zuständigkeit bei einer solchen "Fremdunterbringung" oder mehreren Fremdunterbringungen sei der gewöhnliche Aufenthalt vor Beginn der Fremdunterbringung bzw. der letzte gewöhnliche Aufenthalt in den zwei Monaten davor maßgebend. Ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt habe M. bis zum 20. April 2006 bei ihrer Mutter gehabt. In der Folgezeit habe sie sich bei Angehörigen der S.-Gemeinschaft aufgehalten. Damit habe die "Fremdunterbringung" im Sinne des § 107 SGB XII am 20. April 2006 begonnen; somit sei der gewöhnliche Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt entscheidend. Dieser habe im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen gelegen.
Am 27. Dezember 2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben und die Erstattung der in der Zeit vom 28. März 2007 bis 4. Dezember 2010 an M. gewährten Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 12.140,33 EUR geltend gemacht. Nach Beiladung des Landkreises H. (Beiladungsbeschluss vom 8. Februar 2013) hat das SG Mannheim mit Urteil vom 7. Mai 2013 die Klage abgewiesen. Ein Erstattungsanspruch bestehe weder gegen den Beklagten noch gegen den Beigeladenen. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1, § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sei für die Sozialhilfe grundsätzlich der örtliche Träger zuständig, wobei für die Bestimmung des konkret örtlich zuständigen Trägers in aller Regel an den tatsächlichen Aufenthalt der leistungsberechtigten Person angeknüpft werde. M. habe im Erstattungszeitraum ihren tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Klägerin gehabt. Eine hiervon abweichende sachliche oder örtliche Zuständigkeit könne sich nur ergeben, wenn M. nach § 107 SGB XII seinerzeit in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei (ihren) Eltern oder bei einem Elternteil untergebracht gewesen wäre. Eine Unterbringung im Sinne des § 107 SGB XII liege jedoch nur vor, wenn die Familienpflege als Leistung des SGB XII erbracht werde. Hierzu enthalte § 54 Abs. 3 SGB XII nähere Regelungen. Wenn die Familienpflege dagegen unter dem Regime des Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) ausgeführt oder wenn sie ohne sozialhilferechtliche Grundlage durchgeführt werde, gelte § 107 SGB XII nicht. Denn die Rechtsfolgen des § 107 SGB XII seien ersichtlich von der gesetzgeberischen Zielsetzung getragen, die Einrichtungsorte zu schützen. Ähnlich wie beispielsweise bei Frauenhäusern, Übergangswohnheimen oder Einrichtungen der Sucht- und Drogenhilfe sollten diejenigen Sozialhilfeträger, in deren Bezirk sich die genannten Einrichtungen befänden, vor den finanziellen Folgen, die sich aus der "Sogwirkung" solcher Einrichtungen über den jeweiligen Sozialhilfebezirk hinaus ergäben, geschützt werden. Darüber hinaus solle vermieden werden, dass Sozialhilfeträger wegen solcher externer Kosten davon absähen, entsprechende Einrichtungen vorzuhalten. § 107 SGB XII sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Deshalb sei § 107 SGB XII nur dann anzuwenden, wenn tatsächlich eine Einrichtung vorhanden sei, die eine solche "Sogwirkung" entfalten könne. Auch der Wortlaut der Norm deute darauf hin, dass der Tatbestand der Unterbringung nicht schon bei einem entsprechenden tatsächlichen Aufenthalt eines Kindes mit dort erfolgender Erziehung, Betreuung und Versorgung erfüllt sei. Denn eine "Unterbringung" meine im allgemeinen Sprachgebrauch stets die Einbindung der "untergebrachten" Person in eine organisatorisch bzw. institutionell vorgegebene "Einrichtung". Der Begriff "Unterbringung" beziehe sich auch seinem Wortsinn nach nur auf solche Einrichtungen bzw. Orte, die grundsätzlich für eine unbestimmte Vielzahl von Personen offen stünden. Jedenfalls dann, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher ohne Beteiligung eines Amtes innerhalb der Familie freiwillig bei einem anderen Familienmitglied außerhalb des Elternhaushalts unterkomme und dort (innerhalb der Familie im weiteren Sinne) betreut, versorgt und erzogen werde, sei § 107 SGB XII nicht anzuwenden. Denn dieser "Familienhaushalt" könne nicht als schutzwürdige "Einrichtung" im oben dargestellten Sinne aufgefasst werden. Die "Unterbringung" der M. im Haushalt ihres Halbbruders stelle letztlich eine private bzw. verwandtschaftliche Hilfe dar, die ohne jede Beteiligung einer öffentlichen Stelle erfolgt sei. Unbeachtlich in diesem Zusammenhang sei die Übertragung des Sorgerechts bzw. die familienrechtliche Übereinkunft zwischen der Mutter und dem Halbbruder von M. zur faktischen Ausübung der elterlichen Sorge. Denn die hierdurch begründete "Familienpflege" sei für das funktionale Verständnis von § 107 SGB XII ohne jede Bedeutung.
Gegen das ihr am 15. Mai 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. Juni 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die vom SG Mannheim vorgenommene Auslegung des § 107 SGB XII stehe in Widerspruch zur herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur. Durch die normative Beschränkung der Begrifflichkeit "untergebracht (sein)" ausschließlich auf Lebenssachverhalte, in denen die Unterbringung eines Kindes im Rahmen der Hilfe nach dem SGB XII - konkret der Eingliederungshilfe - erfolge, widerspreche dem eigentlichen Sinn und Zweck der Vorschrift, dem Schutz des Sozialhilfeträgers am Unterbringungsort vor einer zufälligen Kostenverlagerung. Auch die historische Interpretation der Vorschrift anhand der Entstehungsgeschichte und die hierzu ergangene Rechtsprechung spreche gegen die Auslegung durch das SG. Sie verstoße auch methodisch gegen die Grundsätze der Auslegung, da sie über den Wortlaut hinaus als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer Familienpflege der Eingliederungshilfe voraussetze. Das Erfordernis des Vorliegens einer konkreten Hilfeart könne dem Wortlaut des § 107 SGB XII nicht entnommen werden. Schließlich sei durch die vom SG Mannheim vorgenommene Auslegung des § 107 SGB XII auch Verfassungsrecht (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) verletzt. Durch die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 107 SGB XII auf Fallkonstellationen, in denen zugleich eine Familienhilfe im Rahmen der Eingliederungshilfe erbracht werde, würden alle jene Gebietskörperschaften im Rahmen der Kostenerstattung benachteiligt, in deren Zuständigkeitsbereich statt formeller Familienpflegestellen viele oder überwiegend "informelle Familienpflegestellen" bestünden. Da viele Teile der Bevölkerung eher dazu neigten, eine Familienunterbringung ohne die Einschaltung öffentlicher Stellen durchzuführen, würden durch die durch das SG Mannheim vorgenommene Auslegung des § 107 SGB XII Gebietskörperschaften, in denen sich große Teile dieser Bevölkerungsgruppen aufhielten, strukturell benachteiligt. Der Schutzzweck der Vorschrift sei weitergehend als vom SG Mannheim vorgenommen dahingehend auszulegen, auch Sozialhilfeträger vor zufälligen Kostenverlagerungen zu schützen, in denen "Familienverbünde" formlos rein zivilrechtlich und ohne Beteiligung der Behörden für eine Unterbringung im Sinne des § 107 SGB XII außerhalb der Herkunftsfamilie sorgten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Mai 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die für S. M. in der Zeit vom 28. März 2007 bis zum 4. Dezember 2010 gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 12.140,33 EUR zu erstatten, hilfsweise den Beigeladenen zu verurteilen, die für S. M. in der Zeit vom 28. März 2007 bis zum 4. Dezember 2010 gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 12.140,33 EUR zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, selbst wenn die vom SG Mannheim vertretene Rechtsauffassung unzutreffend wäre, komme allein eine Kostenerstattung durch den Beigeladenen in Betracht. Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach § 107 SGB XII sei, dass ein Minderjähriger in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei seinen Eltern oder bei einem Elternteil untergebracht sein müsse. Hierunter falle jede nicht nur kurzfristige Unterbringung eines Minderjährigen außerhalb des eigenen Elternhauses zum Zweck der Erziehung, Betreuung und Beaufsichtigung. Eine solche Unterbringung der M. habe bereits seit 20. April 2006 im Zusammenleben mit der S.- und Roma-Gemeinschaft vorgelegen mit der Folge, dass Anknüpfungspunkt für einen gewöhnlichen Aufenthalt der mütterliche Haushalt im Landkreis H. sei.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat vorgetragen, jedenfalls sei das Vorbringen des Beklagten unzutreffend, eine "Fremdunterbringung" im Sinne des § 107 SGB XII habe bereits am 20. April 2006 begonnen. M. sei vielmehr über mehrere Monate ohne festen Aufenthalt gewesen und habe sich wohl an unterschiedlichen nicht bekannten Orten und bei nicht bekannten Personen aufgehalten, bevor sie erst im Januar 2007 bei L. untergekommen sei.
M. hat auf Anfrage des Senats unter dem 1. März 2017 schriftlich mitgeteilt, sie könne sich nicht mehr erinnern, wo sie sich in der Zeit vom 20. April 2006 bis 31. Dezember 2006 aufgehalten habe. Das einzige, woran sie sich erinnern könne, sei, dass sie "sehr viel rumgeflogen" sei. Mit wem, wo oder wie lange wisse sie nicht mehr.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beteiligten, der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten des Jobcenter M. ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat lediglich im tenorierten Umfang Erfolg.
Die statthafte sowie form- und fristgerecht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten (§ 124 Abs. 2 SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Erstattung der an M. erbrachten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 28. März 2007 bis 4. Dezember 2010 in Höhe von insgesamt 12.140,33 EUR. Das Erstattungsbegehren verfolgt sie statthaft mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch ist § 107 SGB XII. Danach gelten § 98 Abs. 2 SGB XII und § 106 SGB XII entsprechend, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher in einer anderen Familie oder bei anderen Personen als bei seinen Eltern oder bei einem Elternteil untergebracht ist.
Die Vorschrift des § 107 SGB XII hat den bis zum 31. Dezember 2004 geltenden § 104 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) inhaltsgleich übernommen (so auch die amtliche Begründung in BT-Drs. 15/1514), ebenso wie die Vorschrift des § 98 SGB XII im Wesentlichen inhaltsgleich den bisherigen § 97 BSHG übernommen hat. Deshalb kann insoweit auf die Rechtsprechung zu den bisherigen Vorschriften des BSHG zurückgegriffen werden (vgl. Verwaltungsgericht (VG) Bayreuth, Urteil vom 22. Juni 2009 - 3 K 08.788 – juris Rdnr. 36). Bereits das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte zu den Vorgängerregelungen der § 107 SGB XII und § 98 Abs. 2 SGB XII entschieden, § 104 BSHG bestimme die entsprechende Geltung des § 97 Abs. 2 BSHG nicht beschränkt auf und für eine besondere Unterbringung eines Kindes oder Jugendlichen als Maßnahme der Sozialhilfe, sondern allein abhängig von der tatsächlichen Unterbringung, also ungeachtet ihres sozialhilfe-, jugendhilfe- bzw. familienrechtlichen Grundes. Die Zuständigkeitsbestimmung nach § 104 in Verbindung mit § 97 Abs. 2 BSHG setze demnach nicht voraus, dass die die örtliche Sozialhilfezuständigkeit begründende Unterbringung des Kindes oder Jugendlichen bereits ihrerseits eine sozialhilferechtliche Maßnahme sei. Die in entsprechender Anwendung des § 97 Abs. 2 BSHG begründete Zuständigkeit erfasse alle Sozialhilfeleistungen in der Zeit, in der das Kind oder der Jugendliche in einer Pflegefamilie oder bei einer Pflegeperson untergebracht sei (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2003 - 5 C 14/02 - BVerwGE 119, 356 - juris Rdnr. 17). Das BVerwG hatte weiter entschieden, im Rahmen der Hilfe zur Erziehung sei der Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen außerhalb des Elternhauses (§ 39 Abs. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB) VIII) auch dann sicherzustellen, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher von nahen Verwandten oder anderen Personen, die keiner Pflegeerlaubnis bedürften (wie z. B. der Vormund gem. § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII), betreut werde (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1995 - 5 C 2/94 – BVerwGE 100, 178 - juris). Von § 107 SGB XII umfasst ist danach jede nicht nur kurzfristige Unterbringung eines Minderjährigen außerhalb des eigenen Elternhauses zum Zwecke der Erziehung, Betreuung und Beaufsichtigung (Klinge in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 03/12, § 107 Rdnr. 5; vgl. weiter Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 107 Rdnrn 5 ff.; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 107 Rdnr. 3; Schoch in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 107 Rdnr. 9).
Der vom SG Mannheim vertretenen Auffassung, die Gleichstellung mit stationären Leistungen im Sinne des § 107 SGB VII könne bei der Familienpflege von Kindern und Jugendlichen nur dann zum Tragen kommen, wenn die Familienpflege als Leistung des SGB XII erbracht werde (vgl. auch Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand 01.05.2014, § 107 Rdnr. 22), schließt sich der Senat nicht an. Der Anwendungsbereich des § 107 SGB XII wäre dann allein auf Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Betreuung in einer Pflegefamilie nach § 54 Abs. 3 SGB XII beschränkt, somit allein auf Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem dort zitierten Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg vom 19. Mai 2003 (12 LC 291/02 - juris Rdnr. 32), wonach § 97 BSHG (bzw. § 107 SGB XII) nicht einschlägig sei, wenn die Hauptmaßnahme der Unterbringung in einer anderen Familie als Jugendhilfemaßnahme nach § 33 SGB VIII zu bewerten sei, weil dann die Zuständigkeitsvorschriften der §§ 86 ff. SGB VIII zur Anwendung gelangten. Denn dies ist vorliegend nicht der Fall, die Unterbringung ist nicht als Jugendhilfemaßnahme erfolgt. Für die vorliegend vertretene Auffassung spricht auch eine teleologische Auslegung. Zwar ist es zutreffend, dass mit § 107 SGB XII der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Familienpflegestelle befindet, bei Kindern und Jugendlichen, die aus dem Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers der Sozialhilfe stammen, von der endgültigen Kostentragung entlastet werden und so der Unterbringungsort vor übermäßigen Belastungen geschützt werden soll (Böttiger a.a.O. Rdnr. 26). Hieraus kann jedoch nicht eine Einschränkung des Begriffs der Unterbringung abgeleitet werden. Vielmehr soll nach Sinn und Zweck der Regelung der Sozialhilfeträger des mit Zufälligkeiten des Ortes der Unterbringungsfamilie verknüpften tatsächlichen Aufenthaltsorts entlastet werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Februar 2011 - L 20 SO 110/08 - juris Rdnr. 79).
Auch die Auffassung, wegen der zivilrechtlichen Beschränkungen für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen außerhalb der eigenen Familie (§§ 1631b, 1906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) sei für die Anwendbarkeit von § 107 SGB XII regelmäßig erforderlich, dass für die Unterbringung eine gerichtliche bzw. jedenfalls behördliche Anordnung oder Genehmigung vorliege (vgl. BeckOK SozR/Adams, 44. Aufl. 1.3.2017, SGB XII, § 107 Rdnr. 6), steht der vorliegend vertretenen Auslegung nicht entgegen. Denn der Aufenthalt der M. bei L. war nach behördlicher Prüfung erfolgt. M. war, entgegen der Auffassung des SG M., auch nicht ohne Beteiligung eines Amtes bei einem anderen Familienmitglied außerhalb des Elternhauses untergekommen. Ausweislich des Ermittlungsberichts der Polizeidirektion H. war bereits im Vorfeld durch das Jugendamt H. signalisiert worden, dass M. bei L. belassen werden könne, solange für das Kindeswohl keine Gefahr bestehe. Auch war eine Überprüfung durch das örtlich zuständige Jugenddezernat durchgeführt und hierbei festgestellt worden, dass M. bei L. gut untergebracht sei. Dem hatte das Jugendamt H. zugestimmt.
M. war im Erstattungszeitraum bei L. und damit in einer anderen Familie untergebracht. Eine Unterbringung liegt vor, wenn die Erziehung, Betreuung und Aufsicht des Minderjährigen durch eine andere Person als die Eltern oder einen Elternteil geleistet werden (Schoch, a.a.O., § 107 Rdnr. 9). Hierzu zählen auch Verwandte (Wahrendorf, a. a. O., § 108 Rdnr. 4). M. lebte bei ihrem Stiefbruder, der ihre Erziehung, Versorgung und Betreuung im streitigen Zeitraum wahrgenommen hat.
M. hat während des Aufenthalts bei ihrem Stiefbruder auch keinen - erstattungsrechtlich relevanten - gewöhnlichen Aufenthalt begründet, weil auf Grund der entsprechend für anwendbar erklärten Regelungen der §§ 98 Abs. 2 und 106 SGB XII auch die Fiktion des § 109 SGB XII automatisch mit eingeschlossen ist (vgl. Schellhorn, a.a.O., § 107 Rdnrn. 3, 4, 19; Klinge, a.a.O., § 107 Rdnrn. 2, 6; Böttiger, a.a.O., § 107 Rdnrn. 4, 38 ff.).
Die Erstattungspflicht des Beklagten beruht auf § 106 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII. Ist danach in den Fällen des § 98 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB XII ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln und war für die Leistungserbringung ein örtlicher Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig, sind diesem die aufgewendeten Kosten von dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe zu erstatten, zu dessen Bereich der örtliche Träger gehört (§ 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII).
Entgegen der Auffassung der Beklagten lag in der Zeit ab dem Verlassen des Elternhauses am 20. April 2006 bis zum Zuzug bei L. Anfang des Jahres 2007 keine Fremdunterbringung vor mit der Folge, dass eine Kostenerstattungspflicht des Beigeladenen in Betracht käme. Dem steht schon entgegen, dass M. gegen den Willen der Mutter sich nicht mehr an deren Wohnsitz aufgehalten hat. Auch war das Zusammenleben nicht vom Zwecke der Erziehung, Betreuung und Beaufsichtigung geprägt. M. sollte vielmehr der personenberechtigten Mutter entzogen werden.
Ein gewöhnlicher Aufenthalt der M. kann in der Zeit vor dem Zuzug zu L. nicht ermittelt werden. Nach der Legaldefinition des § 30 Abs. 3 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) hat eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts sind die mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung (Prognoseentscheidung) festzustellen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - B 8 SO 19/13 R - juris Rdnr. 15; BSG SozR 4-3500 § 109 Nr. 1 (Rdnr. 13)). Der Senat entnimmt dies der schriftlichen Zeugenaussage der M. Danach konnte sie keine Angaben zu konkreten Aufenthaltsorten nach dem Verlassen der elterlichen Wohnung oder zu Personen machen, bei denen sie sich aufhielt. Nach ihrer Erinnerung war sie nur sehr viel unterwegs. Auch dem Ermittlungsbericht der Polizeidirektion H. kann entnommen werden, dass sich M. nach dem Verlassen der elterlichen Wohnung an wechselnden Orten aufgehalten hatte. Damit lässt sich in den zwei Monaten vor dem Zuzug zu L. auch ein gewöhnlicher Aufenthalt der M. nicht feststellen. Deshalb ist der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs. 3 SGB XII; § 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 1. Juli 2004 - GBl. 2004, 469, 534) gem. § 106 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII erstattungspflichtig.
Dahingestellt bleiben kann, ob der Anspruch der M. letztlich auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt werden kann (vgl. dazu Mönch-Kalina/Voelzke in jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Stand 18.11.2016, § 16 Rdnr. 38 m.w.N.). Entscheidend ist vielmehr, ob ein materiell-rechtlicher Anspruch der Hilfeempfängerin auf Sozialhilfe bestanden hat (BSG, Urteil vom 24. März 2009 - B8 SO 34/07 R - juris Rdnr. 16). M. hat am 28. März 2007 einen Antrag auf Leistungen gestellt, wenn auch nicht bei der Klägerin, sondern beim Jobcenter M. und damit bei einem unzuständigen Leistungsträger. Dieser war gem. § 16 Abs. 2 SGB I verpflichtet, den Antrag an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Dies hatte er unterlassen. Zwar ist die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht von einem förmlichen Antrag abhängig. § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I meint aber nicht nur förmliche Anträge, sondern jedes erkennbare und einigermaßen spezifizierte Leistungsbegehren. Nach Sinn und Zweck des Weiterleitungsgebots darf der Leistungsberechtigte mit seinem Begehren nicht an den Zuständigkeitsabgrenzungen der gegliederten Sozialverwaltung scheitern. Deshalb hat der unzuständige Leistungsträger das Begehren unter Berücksichtigung des "Meistbegünstigungsgrundsatzes" dahin auszulegen, dass über den Wortlaut hinaus alle Sozialleistungen begehrt werden, die dem Bürger den größten Nutzen bringen (Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 09/15, § 18 Rdnr. 9). Das Begehren der M. war unmissverständlich auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gerichtet. Damit war die durch den Antrag bei einer unzuständigen Stelle vermittelte und nach § 18 SGB XII für das Einsetzen der Sozialhilfe erforderliche Kenntnis von dem Hilfefall für die Klägerin als zuständigem Sozialhilfeträger in dem Zeitpunkt gegeben, in dem der Antrag bei der unzuständigen Stelle eingegangen war (BSG, Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 18/07 R - juris Rdnrn. 22f.). Auch war ein Folgeantrag nicht erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 13/08 R - BSGE 104, 207 - juris Rdnr. 15f.).
Die Klägerin hat die geltend gemachten Aufwendungen auch hinsichtlich ihres Umfangs weitgehend rechtmäßig erbracht. Nach § 110 Abs. 1 SGB XII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Leistung diesem Buch entspricht. Dabei gelten die am Aufenthaltsort der Leistungsberechtigten zur Zeit der Leistungserbringung bestehenden Grundsätze für die Leistung der Sozialhilfe.
Die Klägerin hat – ausgehend von der Aufwandsaufstellung Bl. 48 der SG-Akten – das Kindergeld in jeweils zutreffender Höhe bedarfsmindernd berücksichtigt. Sie hat auch den Regelsatz in jeweils zutreffender Höhe zugrunde gelegt. Bei dem für Juni 2009 aufgeführten Betrag von 251,00 EUR handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler, da die Summe von 258,59 EUR einer Regelleistung von 211,00 EUR - wie in den Vormonaten – entspricht. Auch der Regelsatz für Dezember 2009 ist zutreffend berechnet, da M. am 4. Dezember 2009 das 14. Lebensjahr vollendet und damit ab diesem Datum einen Anspruch in Höhe von 80 vom Hundert des Eckregelsatzes hatte (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 Regelsatzverordnung in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung).
Allerdings hat die Klägerin teilweise zu hohe Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdUH) erbracht. Die Bruttowarmmiete für die von L., seiner Partnerin und M. bewohnten Wohnung betrug im Jahr 2007 monatlich 644,71 EUR. Hierin enthalten sind Kosten für eine Garage in Höhe von 35,79 EUR, die nicht als Unterkunftskosten zu berücksichtigen sind. Von dem verbleibenden Betrag von 608,92 EUR war ein Drittel als kopfanteiliger Anspruch der Klägerin, somit 202,97 EUR zu berücksichtigen. Hiervon abzusetzen war die Warmwasserpauschale (für Leistungen nach dem SGB XII vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2016 – B 8 SO 13/14 R – juris), da die Kosten für die Warmwasserbereitung in den Nebenkosten enthalten waren. Danach sind die Kosten der Warmwasserbereitung mit 30 % des im sozialhilferechtlichen Regelsatz enthaltenen Betrags für Haushaltsenergie anzusetzen, somit für die Zeit bis Juni 2008 monatlich 3,73 EUR, für Juli 2008 bis Juni 2009 monatlich 3,80 EUR und für Juli bis Oktober 2009 monatlich 4,53 EUR. Der Anspruch auf KdUH betrug somit von Dezember 2007 bis Juni 2008 199,14 EUR, von Juli 2008 bis Juni 2009 199,17 EUR und ab Juli 2009 198,44 EUR.
Danach ergibt sich folgende Berechnung: Bis November 2007 hat die Klägerin Unterkunftskosten in Höhe von monatlich maximal 161,13 EUR zugrunde gelegt, obwohl M. einen diesen Betrag übersteigenden Anspruch hatte. Im Dezember 2007 hatte M. einen Anspruch auf Unterkunftskosten in Höhe von 199,14 EUR, somit 13,28 EUR weniger als von der Klägerin geleistet. Von Januar bis Juni 2008 betrug der monatliche Anspruch auf Unterkunftskosten gleichfalls 199,14 EUR, so dass monatlich 12,45 EUR bzw. insgesamt 74,70 EUR zu viel geleistet wurden. Von Juli 2008 bis Juni 2009 betrug der monatliche Anspruch 199,17 EUR, so dass eine Überzahlung von monatlich 12,42 EUR bzw. insgesamt 149,04 EUR erfolgt ist. Von Juli bis Oktober 2009 bestand mit Ausnahme des Monats September 2009 ein Anspruch auf KdUH in Höhe von monatlich 198,44 EUR, so dass eine monatliche Überzahlung von 13,07 EUR bzw. insgesamt 39,21 EUR erfolgt ist. Im September 2009 war eine Nebenkostennachzahlung in Höhe von 486,25 EUR zu leisten. Deshalb bestand in diesem Monat ein Anspruch mindestens in der bewilligten Höhe. Eine Verteilung der Nachzahlung auf die vorherigen Monate hat jedoch nicht zu erfolgen, da der entsprechende Anspruch nur in dem Monat besteht, in dem die Nachzahlung fällig ist. Nach der Mieterhöhung im November 2009 überstiegen die angemessenen Unterkunftskosten der M. den bewilligten Betrag. Damit ergibt sich eine Überzahlung von insgesamt 276,23 EUR.
Einem Erstattungsanspruch für die bis zum 30. November 2010 erbrachten Leistungen steht jedoch die Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entgegen. Danach ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. § 111 SGB X begründet eine von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche Ausschlussfrist, so dass der Erstattungsanspruch nach Ablauf der Ausschlussfrist untergeht (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2000 - B 8 KN 3/98 U R - SozR 3-1300 § 111 Nr. 8 - juris Rdnr. 20).
Da nach § 37 SGB I das SGB I und das SGB X für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs gelten, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt, gilt die Ausschlussfrist grundsätzlich auch für die in den besonderen Teilen des SGB geregelten Erstattungsansprüche. § 111 SGB X ist mithin auch auf Erstattungsansprüche in der Sozialhilfe nach den §§ 106 bis 108 SGB XII anwendbar (BSG, Urteil vom 14. April 2011 - B 8 SO 23/09 R - juris Rdnr. 19; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 12/13, § 111 Rdnr. 15 m.w.N; Kater in Kasseler Kommentar, Stand 1. März 2017, § 111 SGB X Rdnr. 10; Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Stand 13.05.2015, § 106 Rdnr. 177). Durch die Regelungen der §§ 102 bis 114 SGB X wollte der Gesetzgeber Lücken in den besonderen Teilen des SGB schließen. Diese Absicht ist in der Regierungsbegründung des SGB X ausdrücklich hervorgehoben worden; ihr ist der Gesetzgeber dadurch gefolgt, dass er aus Abschnitt 9 BSHG u.a. die Regelung des § 112 BSHG über die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen innerhalb einer Ausschlussfrist gestrichen hat, weil dafür das SGB X umfassende Regelungen enthält. Eine ergänzende Anwendung kann nur dann nicht angenommen werden, wenn ausdrückliche Regelungen oder die Grundsätze und Prinzipien des Sozialhilferechts dem entgegenstehen (vgl. Schellhorn, a.a.O., § 106 SGB XII Rdnr. 5). Solche Regelungen liegen hier nicht vor.
Die Anwendung des § 111 Satz 1 SGB X ist vorliegend auch nicht nach § 111 Satz 2 SGB X ausgeschlossen. Danach beginnt der Lauf der Frist nach Satz 1 frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht gegenüber dem Leistungsberechtigten Kenntnis erlangt. Eine den Fristlauf hinausschiebende Kenntnisnahme liegt jedoch nicht vor, wenn der Erstattungspflichtige eine materiell-rechtliche Entscheidung über Leistungen, wie sie der Erstattungsberechtigte bereits erbracht hat, überhaupt nicht mehr treffen kann und darf (BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - juris Rdnr. 22; BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 13/07 R - juris Rdnr. 14 ff.; Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 111 Rdnr. 8). So ist es vorliegend, denn der ggf. erstattungspflichtige überörtliche Sozialhilfeträger ist gegenüber dem Leistungsberechtigten nach dem SGB XII von vornherein nicht selbst leistungspflichtig, sondern nur nach § 106 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gegenüber dem zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe erstattungspflichtig (vgl. zur gleichgelagerten Konstellation nach dem Asylbewerberleistungsgesetz LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Juni 2012 - L 20 AY 8/10 - juris Rdnr. 67).
Die Ausschlussfrist von einem Jahr beginnt deshalb nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde. Auf den Tag, "an" dem die Leistung erbracht wurde, kommt es demgegenüber nicht an (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 13/07 R - juris Rdnr. 12). Bei wiederkehrenden Leistungen, die für bestimmte Leistungszeiträume erbracht werden, entstehen die Erstattungsansprüche sukzessive nach Ablauf eines jeden Leistungszeitraums (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. März 2016 - L 2 SO 67/14 - juris Rdnr. 43). Auch auf den - oft längeren - Bewilligungszeitraum kommt es nicht an (Mutschler in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 1. Aufl. 2013, Stand 11. Mai 2016, § 111 SGB X Rdnr. 29; vgl. dort auch Rdnr. 30 zur Kritik an der Bestimmung des Leistungszeitraums). Vorliegend ist deshalb kein einheitlicher Leistungszeitraum vom 28. März 2007 bis 4. Dezember 2010 gegeben. Leistungszeitraum war vielmehr der jeweilige Kalendermonat, für den Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt worden ist. Die Klägerin hat den Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten erst am 3. Dezember 2011 geltend gemacht. Da die Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 SGB X jeweils mit dem Ende des Monats, für den die jeweiligen monatlichen Leistungen erbracht worden sind, beginnt, steht sie der Erstattung von Leistungen, die für Leistungszeiträume bis zum 30. November 2000 erbracht worden sind, entgegen. Somit hat die Klägerin nur den Erstattungsanspruch für Dezember 2010 in Höhe von 40,53 EUR unter Wahrung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt das nur geringe Obsiegen der Klägerin, die im vorliegenden Erstattungsstreit nicht von Gerichtskosten freigestellt ist (§ 197a Abs. 3 SGG; vgl. BSG, Beschluss vom 28. Januar 2016 - B 13 SF 3/16 S - juris Rdnr. 8). Der Beigeladene hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung, da er keinen Antrag gestellt hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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