S 14 KA 126/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 126/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 14/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Tatbestand:

Streitig ist, die teilweise Aufhebung von Honorarbescheiden und die Rückforderung von Honorarbestandteilen.

Mit Bescheid vom 08.03.2001 hob die Beklagte den Honorarbescheid für das Quartal 3/2000 teilweise auf und forderte 26.134,34 DM Honorar vom Kläger zurück.

Im Bescheid führte die Beklagte hierzu aus:

Die Abrechnungen der Quartale 4/1998 bis 2/2000 seien zwischenzeitlich korrigiert worden. Der Rückzahlungsbetrag, der sich aus den entsprechenden Korrekturen ergab, sei im Rahmen eines Vergleiches mit dem Kläger vereinbart worden. Die Abrechnung des Quartals 3/2000 werde im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung für diese Quartalsabrechnung ebenfalls korrigiert. Im Rahmen der Honorarberichtigung für die Quartale 4/1998 bis 2/2000 sei jeweils von der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe des Klägers (Allgemeinärzte) ausgegangen worden. Außerdem sei der klägerischen Praxis ein Zuschlag von 80 % auf diesen Wert zugebilligt worden. Seit dem 01.07.2000 sei Frau Nina Haag als Weiterbildungsassistentin ganztags in der Praxis des Klägers beschäftigt. Im Quartal 3/2000 habe der Kläger 2.423 budgetrelevante Fälle abgerechnet. Die Durchschnittsfallzahl der Allgemeinärzte habe in diesem Quartal 948 Fälle betragen. Zuzüglich eines 80 %igen Aufschlages, sei der Praxis des Klägers eine Fallzahl von 1.706 Fällen zuzuerkennen. Da sich die Fallzahl im Quartal 3/2000 im Rahmen der abgerechneten Fallzahlen der Quartale 4/1998 bis 2/2000 bewegten und sich keine erheblichen Veränderungen bezüglich der angeführten Leistungsziffern ergäben, sei davon auszugehen, dass auch aus diesem Quartal Tagesarbeitszeiten der Weiterbildungsassistentin von bis zu 20 Stunden resultierten. Das bestätige die Auffassung, dass die Beschäftigung der Weiterbildungsassistentin der Aufrechterhaltung eines überdurchschnittlichen Praxisumfanges diene.

Dies bestritt der Kläger mit dem fristgerecht eingelegten Widerspruch und führte außerdem aus: Das Honorar dürfe nicht gekürzt werden, weil die Leistungen - auch unter Mitarbeit der Weiterbildungsassistentin - ordnungsgemäß erbracht worden seien. Der Hinweis der Beklagten auf die übergroße Praxis habe keine Bedeutung, weil sie den Einsatz der Weiterbildungsassistentin genehmigt habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2001 zurück. Sie begründet dies damit, dass der Praxis des Klägers ein Zuschlag über dem Durchschnitt der Fachgruppe von 80 % zugebilligt worden sei. Die Praxis sei damals noch eine Gemeinschaftspraxis gewesen, der nach § 101 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) lediglich ein Zuschlag in Höhe von 3 % vom Durchschnitt der Fachgruppe zugestanden hätte. Das Ausscheiden des ehemaligen Gemeinschaftspartners habe nicht - wie erwartet - zum Rückgang der Fallzahl geführt. Daraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass die Beschäftigung der Weiterbildungsassistentin zur Aufrechterhaltung der hohen Fallzahlen diene. Das verstoße gegen die Vorschrift des § 32 Abs. 3 der Zulassungsordnung für Vertragsärzte (ZV-Ärzte) und rechtfertige die Honorarrückforderung.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 13.07.2001 Klage erhoben und während des anhängigen Verfahrens die Klage um die Honorarrückbehaltungen aus den Quartalen 4/00, 1/01 und 4/01 erweitert.

Er trägt vor: Die Beklagte könne die Honorarrückforderung nicht auf § 32 ZV-Ärzte stützen. Hierfür biete diese Vorschrift keine Ermächtigungsgrundlage. Aus dem Charakter der Vorschrift könne sich nur die Frage stellen, ob die Beklagte die Beschäftigung der Weiterbildungsassistentin hätte genehmigen dürfen. Das habe die Beklagte aber getan, und zwar in Kenntnis der Größe seiner Praxis.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 08.03.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2001 und die Bescheide vom 23.04.2001 und vom 16.04.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die einbehaltenen Gelder an den Kläger auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: Aus dem Umfang einer Zweierpraxis könne nicht das Recht abgeleitet werden, dass diese auch von dem verbliebenen Einzelarzt ausgefüllt werden könne, und zwar auch nicht bei Beschäftigung einer Weiterbildungsassistentin. Die Genehmigung der Weiterbildungsassistentin beinhalte nicht die Genehmigung für einen übergroßen Praxisumfang.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Rechtsvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Sie ist auch statthaft in Hinblick auf die Erweiterung des Klageantrages auf die Aufhebung der Honorarbescheide für die Quartale 4/2000, 1/2001 und 2/2001. Diese Erweiterung ist auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, weil es sich hierbei nur um eine Erweiterung des Klageantrages (§ 99 Abs. 3 Zif. 2 SGG) und nicht um eine Klageänderung handelt.

Die Klage ist aber unbegründet.

Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 08.03.2001 (Quartal 3/00) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2001 sowie die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide vom 24.04.2001 (Quartal 4/00), vom 24.07.2001 (Quartal 1/01) und vom 16.04.2002 (Quartal 2/01) sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.

Zu Recht ist der Kläger der Auffassung, dass der § 32 der ZV-Ärzte nicht die Anspruchsgrundlage für die (Teil-)Aufhebung der Honorarbescheide für die streitbefangenen Quartale ist.

Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 45 Abs. 2 des Bundesmantelvertrages Ärzte und 34 Abs. 4 des Bundesmantelvertrages Ärzte (Ersatzkassen). In diesen Bestimmungen heißt es ungefähr gleichlautend:

Der Kassenärztlichen Vereinigung obliegt die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Sie berichtigt die fehlerhaften Honorarforderungen der Ärzte.

Die Einbindung dieser Bestimmungen in die normsetzenden Bundesmantelverträge bedeutet, dass sie verbindlich sind für die Vertragsärzte sowie für die Kassenärztlichen Vereinigungen. § 45 Abs. 2 und § 34 Abs. 4 der Bundesmantelverträge sind Sondervorschriften für die Aufhebung von Verwaltungsakten, die im Rahmen der Abrechung vertragsärztlicher Leistungen ergehen. Sie verdrängen die allgemeinen Vorschriften über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte (§ 45 SGB X).

Im Rahmen der Prüfung nach den §§ 45 Abs. 2 und 34 Abs. 4 der Bundesmantelverträge ist in diesem Fall auf § 32 Abs. 3 ZV-Ärzte als materiell-rechtlicher Hintergrund Bezug zu nehmen.

Dass die Honorarforderungen für die streitigen Quartale (teilweise) rechtsfehlerhaft sind, weil die Beschäftigung der Weiterbildungsassistentin zur Aufrechterhaltung einer übergroßen Praxis gedient hat (§ 32 Abs. 3 ZV-Ä), ist auch die Auffassung des Gerichts. Die Beklagte hat nachgewiesen, dass trotz Einräumung erheblicher Toleranzen die Fallzahl der klägerischen Praxis weit im überdurchschnittlichen Bereich liegt und sich die hohen Fallzahlen nach dem Ausscheiden des Gemeinschaftspartners nicht verringert haben. Daher ist der Schluss zwingend, dass statt des Gemeinschaftspartners nunmehr die Wei- terbildungsassistentin die Versorgung der vielen Patienten mit übernommen hat, was § 32 Abs. 3 ZV-Ärzte gerade verhindern will.

Bei Betrachtung der Differenz zwischen der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe und der Fallzahl der klägerischen Praxis besteht kein Zweifel, dass es sich um eine übergroße Praxis handelt. Das Bundessozialgericht hat eine Praxis als übergroß angesehen, die zweieinhalb so viel Scheine abgerechnet hatte wie die Vergleichspraxen (BSG Urteil vom 29.10.1963, Az: 6 Rka 7/61). Im Fall der klägerischen Praxis wird diese Differenz erreicht. Das ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe von 948 budgetrelevanten Fällen und der entsprechenden Fallzahl der klägerischen Praxis von 2.423 abgerechneten Fällen.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte in Kenntnis seiner großen Praxis die Beschäftigung der Weiterbildungsassistentin genehmigt habe und deshalb den Umfang der Praxis akzeptieren müsse. Die Genehmigung ist erfolgt, weil die Voraussetzungen hierfür in der Person der Weiterbildungsassistentin gegeben waren. Sie beinhaltet nicht die Befreiung von Fallzahlbegrenzungsvorschriften oder von Beschränkungen der Vergütungsvolumina.

Zwar beruht die Rechtsfehlerhaftigkeit der Abrechnung nicht auf einem Fehler im engeren Bereich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der Kläger hat nicht die Bedeutung einer Leistungslegende oder ähnliches verkannt. Die Rechtswidrigkeit der (teil-) aufgehobenen Honorarbescheide ergibt sich aus der Fallzahlüberschreitung. Rechtlich kommt dem aber keine Bedeutung zu. Die

§§ 45 Abs. 2 und 34 Abs. 4 der Bundesmantelverträge gelten nach Auffassung des Fachsenates des Bundessozialgerichts für alle Unrichtigkeiten der Honorarbescheide und berechtigen zur Rücknahme der Honorarbescheide, soweit diese dadurch unrichtig waren (BSG Urteil vom 31.10.2001 - Az: B 6 KA 16/00 R).

Damit sind die Voraussetzung für die Aufhebung der Honorarbescheide für die streitigen Quartale gemäß den §§ 45 Abs. 2 und 34 Abs. 4 der Bundesmantelverträge erfüllt. Der Honorarrückforderung steht keine Vorschrift über einen Vertrauensschutz des Betroffenen entgegen. § 45 des Sozialgesetzbuches X ist in dieser Fallkonstellation nicht anwendbar.

Aus diesen Gründen konnte dem Begehren des Klägers nicht stattgegeben werden. Die Klage war daher abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
Saved