Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 1210/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2959/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.07.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt den Erlass von Beitragsverbindlichkeiten und Säumniszuschlägen.
Der im Jahr 1953 geborene Kläger betrieb seit 1995 ein selbstständiges Handelsunternehmen im Bereich der Medizintechnik. Er war vom 01.01.1992 - 31.10.2011 mit einer Unterbrechung wegen des Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei der Beklagten, seit dem 01.01.2004 ohne Anspruch auf Krankengeld, freiwillig krankenversichert. Seit dem 01.11.2011 ist der Kläger pflichtversichertes Mitglied der Beklagten.
Aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Betriebes kam es immer wieder zu Beitragsrückständen bei der Beklagten. Die Beklagte mahnte wiederholt die Beitragszahlungen an, schloss Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem Kläger und leitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein. Mit Schreiben vom 03.08.2007 teilte die Beklagte dem Kläger und seiner mitversicherten Ehefrau mit, dass der Krankenversicherungsschutz ab dem 08.08.2007 aufgrund der Beitragsrückstände ruhe. Ausgenommen seien u.a. Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Ein vom Kläger in den Jahren 2009/2010 deswegen geführtes gerichtliches Verfahren um die Feststellung des Krankenversicherungsschutzes verlief für ihn erfolglos (klageabweisender Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen [SG] vom 01.02.2010; berufungszurückweisendes Urteil des erkennenden Senats vom 12.12.2012 - L 5 KR 1012/10 -). In einem weiteren Verfahren vor dem SG (- S 6 KR 2179/13 -) um die Ermäßigung der Beiträge für die Zeit vom 01.01.1999 - 31.12.2009 schlossen die Beteiligten einen Vergleich des Inhalts, dass sich die Beklagte bereit erklärt hat, nach Vorlage weiterer Unterlagen, eine Beitragsentlastung zu gewähren. Die Beklagte setzte den Vergleich mit Bescheid vom 17.04.2014 um und entlastete das Beitragskonto betr. die Zeit vom 01.04.2007 - 31.12.2009 um 1.975,24 EUR. Sie bezifferte die an diesem Tag bestehende Forderung auf 12.578,21 EUR.
Mit Schreiben vom 20.12.2013 beantragte der Kläger den Erlass evtl. noch bestehender Beitragsverbindlichkeiten.
Mit Bescheid vom 30.12.2013 entschied die Beklagte, dass bezogen auf die noch offenen Beiträge dem Antrag auf Erlass nicht stattgegeben werden könne. Das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderungen bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013 (BGBl. I 2423) sehe zwar vor, dass die für die Vergangenheit erhobenen Säumniszuschläge von 5 auf 1 Prozent zu ermäßigen seien, woraus sich nach Korrektur des klägerischen Beitragskontos noch offene Forderungen von 18.821,26 EUR ergäben, der Erlass von Beitragsforderungen gegen freiwillig Versicherte sei jedoch im Gesetz nicht normiert.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er geltend machte, dass in dem Bescheid kein Forderungsstand angezeigt sei. Ferner sei die Frage verweigerter ärztlicher Konsultationen und die Berechnungspraxis der Beklagten in der Zeit vom 01.01.2009 - 31.01.2012 nicht geklärt. In der Sitzung des bei der Beklagten eingerichteten Widerspruchsausschusses, an der der Kläger teilgenommen hat, brachte er ferner vor, trotz dessen, dass ab dem Jahr 2009 die Leistungsansprüche ruhten, seien von der Beklagten Beiträge erhoben worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2014 entschied die Beklagte, dem Widerspruch nicht stattzugeben. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Beklagte aus, ein Erlass von Beitragsschulden sei im Gesetz vom 15.07.2013 nicht vorgesehen. Dort sei lediglich eine Ermäßigung der Säumniszuschläge von 5 % auf 1 % normiert.
Am 14.05.2014 erhob der Kläger hiergegen Klage zum SG, mit der er die Prüfung seines Beitragskontos und den Erlass von Beitragsschulden und Säumniszuschlägen geltend machte. Aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen sei, so der Kläger begründend, nicht ersichtlich, wie hoch die Höhe der angeblich noch offenen Forderungen sei. Er fordere daher eine transparente Forderungsaufstellung betr. die Zeit ab dem 25.08.2008 ein. Auch könne er der Einschätzung der Beklagten betr. die Auslegung des Beitragsschuldengesetzes nicht folgen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie legte hierzu u.a. eine Forderungsaufstellung ab Mai 2000 vom 18.07.2014 vor und teilte mit, dass das Forderungskonto zum 30.04.2000 ausgeglichen gewesen sei. Unter Aufschlüsselung der Bemessungsgrundlagen, der monatlichen anfallenden Beiträge zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegepflichtversicherung, der betr. die Zeit ab dem 01.04.2007 ermäßigten Säumniszuschläge sowie der vom Kläger (teilweise) geleisteten Zahlungen bezifferte die Beklagte die offenen Forderungen für das Jahr 2000 auf 832,30 EUR, für das Jahr 2001 auf 1.416,44 EUR, für das Jahr 2002 auf 1.225,40 EUR, für das Jahr 2003 auf 695,44 EUR, für das Jahr 2006 auf 1.304,37 EUR, für das Jahr 2007 auf 1.768,32 EUR, für das Jahr 2009 auf 1.538,41 EUR und für das Jahr 2010 auf 975,66 EUR. Für die Jahre 2004, 2005 und 2008 seien Guthaben von 601,58 EUR, 622,10 EUR und 2.443,16 EUR zu verzeichnen. Aus den hiernach offenen Beitragsforderungen sowie Rücklastschriftgebühren von 4,53 EUR, Mahn- und Vollstreckungskosten von 421,40 EUR sowie den bereinigten Säumniszuschlägen von 6.609.65 EUR ergebe sich eine Gesamtforderung i.H.v. 12.578,21 EUR.
Der Kläger entgegnete hierauf, entgegen der Mitteilung der Beklagten sei zum 30.04.2004 ein Guthaben zu seinen Gunsten i.H.v. 401,31 EUR zu verzeichnen gewesen. Ferner habe er diverse Fehlbuchungen festgestellt. So seien Zahlungen von ihm nicht oder nicht in der richtigen Höhe verbucht worden. Die Mahn- und Vollstreckungskosten könne er nicht akzeptieren, da die Beklagte diesbezüglich wenig Kooperationsbereitschaft gezeigt habe und insbesondere überhöhte Zwangshypotheken in seinen damaligen Besitz habe eintragen lassen.
Mit Beitragsbescheid vom 26.03.2015 setzte die Beklagte, auch namens der Pflegekasse, zur Unterbrechung der Verjährung die Gesamtschuld für die Zeit vom 01.01. - 31.03.2007, 01.10. - 31.12.2008, 01.01. - 31.08.2009, 01.01. - 21.04.2010, 01.10. - 25.10.2010 und 01.04. - 31.10.2011 auf 13.394,81 EUR (Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 6.818,57 EUR, Säumniszuschläge 6.576,24 EUR) fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Mit weiterem Beitragsbescheid vom 11.05.2015 ersetzte die Beklagte, auch namens der Pflegekasse, den Beitragsbescheid vom 26.03.2015 und stellte nunmehr eine Gesamtschuld i.H.v. 10.920,12 EUR (Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 4.937,17 EUR, Säumniszuschläge 5.982,95 EUR) fest. Zur Begründung teilte sie mit, an dem Beitragskonto seien die noch ausstehenden Änderungen vorgenommen worden.
Mit Bescheid vom 08.01.2015 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Erstattung auf im Jahr 2014 geleistete Zuzahlungen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2015 zurück.
Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.07.2016 ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, die Klage sei bereits unzulässig, soweit der Kläger die "Prüfung seines Beitragskontos" begehre. Eine allgemeine Überprüfung des Beitragskontos losgelöst von einer konkreten Überprüfung eines Beitragsbescheides könne, so das SG unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12.12.2012 (a.a.O.) nicht zulässigerweise im Klageweg geltend gemacht werden. Der Kläger könne sich vielmehr gegen die Beitragsansprüche im Wege des Widerspruchs und gegebenenfalls durch eine nachfolgende Anfechtungsklage gegen die Beitragsbescheide der Beklagten wehren. Soweit der Kläger Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend mache, sei die Klage vor dem Sozialgericht ebenfalls unzulässig. Für Schadensersatzansprüche außerhalb öffentlich-rechtlicher Vertragsverhältnisse, insb. für Amtshaftungsansprüche seien die ordentlichen Gerichte zuständig. Soweit sich der Kläger gegen die Ablehnung des Erlasses der Beitragsforderung wende, sei die Klage zwar zulässig, der Bescheid vom 30.12.2013 (Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014) sei jedoch rechtmäßig, soweit darin der Erlass von Beiträgen abgelehnt und die Säumniszuschläge auf ein Prozent ermäßigt worden seien. Nach § 256a Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderungen bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung (a.a.O.) habe die Krankenkasse für die Mitglieder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sowie für freiwillige Mitglieder noch nicht gezahlte Säumniszuschläge in Höhe der Differenz zwischen dem nach § 24 Abs. 1 a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in der bis zum eine 31.07.2013 geltenden Fassung erhobenen Säumniszuschlag (Säumniszuschlag im Umfang von 5 v.H. des rückständigen Beitrags) und dem sich bei Anwendung des § 24 Abs. 1 SGB IV ergebenden Säumniszuschlag (Säumniszuschlag im Umfang von 1 v.H. des rückständigen Beitrags) zu erlassen. Daneben sehe die gesetzliche Regelung für freiwillig Versicherte keinen weitergehenden Erlass rückständiger Beiträge oder Säumniszuschläge vor. Der streitgegenständliche Bescheid sei, so das SG weiter, auch nicht deshalb rechtswidrig, weil er keine Aufstellung der noch zu zahlenden Beiträge enthalte. Der Kläger sei im Übrigen in diesem detailliert über das bestehende Beitragskonto informiert worden. Einwendungen gegen die Höhe der ausstehenden Beträge seien in dem noch anhängigen Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.03.2015 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 11.05.2015 geltend zu machen. Das SG führte ferner aus, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid, in denen sie ausdrücklich eine Beitragsentlastung nach § 256a SGB V geprüft habe, den Antrag des Klägers vom 20.12.2013 nicht umfassend erledigt habe. Der geltend gemachte Erlass sei auch anhand der Regelung des § 76 Abs. 2 SGB IV zu prüfen gewesen. Nach dieser Vorschrift dürfe der Versicherungsträger Beiträge erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig sei. Hierüber sei nach pflichtgemäßem Ermessen durch schriftlichen Verwaltungsakt zu entscheiden. Von einer (teilweisen) Verweisung des Begehrens auf Schadensersatz und Schmerzensgeld an die Zivilgerichtsbarkeit habe es, das SG, abgesehen, da der Antrag im sozialgerichtlichen Verfahren rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei. Der Kläger habe die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte bereits - erfolglos - bei den ordentlichen Gerichten geltend gemacht. Das insofern angegangene Landgericht R. habe, bestätigt durch das Oberlandesgericht St. (OLG), die beabsichtigte Klage betreffend der Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderung teilweise für unzulässig und teilweise für unbegründet erachtet. Da der Kläger im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich seine pauschalen Anschuldigungen, die Beklagte sei für seine schlechte wirtschaftliche Situation verantwortlich, wiederholt habe, sei im Versuch, auf dem Umweg über die Sozialgerichtsbarkeit, eine erneute Befassung der Zivilgerichtsbarkeit zu erreichen, als treuwidrig anzusehen. Da dem Kläger dies bekannt sei, sei der Antrag auf Verweisung rechtsmissbräuchlich.
Gegen den am 29.07.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.08.2016 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das SG habe die fehlerhafte Verwaltungsleistung der Beklagten und deren Auswirkungen auf ihn nicht gewürdigt. Er wiederholt seine Einschätzung betr. die Höhe der offenen Beiträge und regt an, einen Gutachter einzusetzen, der die Höhe der Beiträge unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit überprüfe. Gegen eine Reihe von Beitragsbescheiden habe er Widerspruch erhoben, eine Entscheidung hierüber habe er jedoch nicht erhalten. Aufgrund der fehlerhaften Beitragserhebung bestehe Anlass, die Schadensersatzforderung als Teil des Verfahrens vor dem zuständigen Zivilgericht (- L 6 O 8 /13 -) anzusehen und selbiges in den vorigen Stand zu versetzen. Auf Anfrage des Senats hat der Kläger hierzu mitgeteilt, dass das im gegebenen Zusammenhang von ihm angestrengte Verfahren vor den Zivilgerichten nach der Verweigerung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beendet sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.07.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014 zu verurteilen, gegen ihn noch bestehende Beitragsansprüche einschließlich Säumniszuschläge zu erlassen,
den Rechtsstreit in Bezug auf Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld an das zuständige Zivilgericht zu verweisen.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2017 geworden sind, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2017 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, da der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,- EUR bei dem begehrten Erlass von Beitragsschulden und Säumniszuschlägen von mehreren tausend Euro überschritten wird (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung führt jedoch für den Kläger nicht zum Erfolg. Das SG hat die Klage in nicht zu beanstandender Weise abgewiesen.
Klagegegenstand ist gemäß § 95 SGG der Bescheid der Beklagten vom 30.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014. Weitere Bescheide, insb. die Beitragsbescheide vom 26.03.2015 und vom 11.05.2015 sowie der Bescheid vom 08.01.2015 (Widerspruchsbescheid vom 30.07.2015) sind nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden, da sie den angefochtenen Verwaltungsakt weder abgeändert noch ersetzt haben.
Mithin wird der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahren durch den im Verfügungssatz zum Ausdruck kommenden Inhalt des Bescheides vom 30.12.2013 (Widerspruchsbescheid vom 16.04.2014) bestimmt. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte (ausschließlich) den Antrag des Klägers auf "Schuldbefreiung" abgelehnt. Bereits hieraus folgt, dass im vorliegenden Verfahren ausschließlich gegenständlich ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Beitragsschulden und die erhobenen Säumniszuschläge (weitergehend) zu erlassen. Der Umstand, dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 16.04.2014 auch Ausführungen zur Beitragserhebung bei freiwilligen Mitgliedern und zur Beitragspflicht während des Ruhens von Leistungsansprüchen getätigt hat, bedingt keine Erweiterung des Streitgegenstandes, da dies lediglich zur Begründung der dortigen Entscheidung, dem Widerspruch nicht stattzugeben, erfolgt ist.
Nicht gegenständlich ist die vom Kläger in den Vordergrund seines Vorbringen gestellte Frage, ob überhaupt bzw. ob in rechtmäßiger Höhe Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegepflichtversicherung erhoben worden sind. Diese Frage ist vom Inhalt des angefochtenen Bescheides nicht erfasst. Im Übrigen ist, was der erkennenden Senat in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil vom 12.12.2012 (a.a.O.) bereits ausgeführt hat, eine von der konkreten Rechtmäßigkeitsprüfung belastender Verwaltungsentscheidungen losgelöste allgemeine Überprüfung des Krankenversicherungsverhältnisses des Klägers, der aufgelaufenen Beitragsrückstände und der von ihm behaupteten Rückerstattungsansprüche ist nicht möglich.
Der Bescheid der Beklagten vom 30.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014 ist nicht zu beanstanden, der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Erlass der Beitragsforderung der Beklagten und einen weitergehenden Erlass der Säumniszuschläge.
Nach § 256a Abs. 3 SGB V in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderungen bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013 (BGBl. I 2423) hat die Krankenkasse für Mitglieder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sowie für freiwillige Mitglieder noch nicht gezahlte Säumniszuschläge in Höhe der Differenz zwischen dem nach § 24 Abs. 1a SGB IV in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung erhobenen Säumniszuschlag und dem sich bei Anwendung des in § 24 Abs.1 SGB V ergebenden Säumniszuschlag zu erlassen. Nach § 24 Abs. 1a SGB IV in der zum 31.07.2013 geltenden Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 12.11.2009 (BGBl. I 3710) hatten freiwillig Versicherte für Beiträge, mit denen sie länger als einen Monat säumig waren, für jeden weiteren angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 5 v.H. des rückständigen, auf 50,- EUR nach unten abgerundeten Beitrages zu zahlen. Nachdem der Gesetzgeber § 24 Abs. 1a SGB IV in der benannten Fassung zum 01.08.2013 durch Art. 2 des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderungen bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013 aufgehoben hat, galt fortan für freiwillig Versicherte nach § 24 Abs. 1 SGB IV in der insofern seither unveränderten Fassung, dass für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf 50,- EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen ist. Der Regelungsgehalt des § 256a Abs. 3 SGB V erschöpft sich hiernach auf den Erlass noch nicht entrichteter Säumniszuschläge um 4 v.H. Hinsichtlich dieser Entscheidung hat die Krankenkasse keinerlei Entscheidungsspielraum; es handelt sich um eine gebundene Verwaltungstätigkeit. Auch hinsichtlich der Höhe des Erlasses hat der Gesetzgeber selbst entschieden: Die Säumniszuschläge sind i.H.v. 4 v.H. zu erlassen, d.h. die Krankenkasse ist nicht berechtigt, höhere Säumniszuschläge zu erheben. Dies wurde von der Beklagten zutreffend umgesetzt. Ein weitergehender Erlass betr. die Säumniszuschläge ist in § 256a SGB V nicht vorgesehen. Von den weiteren Regelungen des § 256a SGB V, insb. dessen Abs. 1 und die dort normierte "angemessene" Ermäßigung nachzuzahlender Beiträge, werden nach dem eindeutigen Gesetzeswortlau nur Versicherte nach § 5 Abs.1 Nr. 13 SGB V, nicht jedoch freiwillig Versicherte erfasst. Der Gesetzeswortlaut des § 256a SGB V ist insoweit eindeutig und nicht auslegungsfähig. Allein Absatz 3 der Vorschrift bezieht freiwillige Mitglieder in die Regelung mit ein, insoweit jedoch nur hinsichtlich der noch nicht gezahlten Säumniszuschläge (so auch Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 06.01.2016 - L 5 KR 209/15 B ER -, in juris).
Der Kläger kann einen Erlass nach § 256a SGB V hiernach nicht beanspruchen.
Soweit das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid darauf hingewiesen hat, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid nur einen Erlass nach § 256a SGB V geprüft und hiermit den Antrag des Klägers, der eine Prüfung aus jedem Rechtsgrund beantragt habe, nicht vollständig "erledigt" habe, führt dies vorliegend nicht dazu, dass der Berufung stattzugeben ist. Zwar sieht § 88 Abs. 1 SGG vor, dass wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist, die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig ist. Der Kläger hat bis einschließlich zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21.06.2017 nicht erkennen lassen, dass er eine Verpflichtung der Beklagten zur weiteren Bescheidung begehrt. Dem Senat ist es insofern nach § 123 SGG verwehrt, eine entsprechende Verurteilung der Beklagten auszusprechen.
Soweit der Kläger die Verweisung der Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld an die ordentliche Gerichtsbarkeit geltend macht, ist diesem Antrag nicht zu entsprechen. Wird der streitgegenständliche Anspruch auch auf eine Amtspflichtverletzung gestützt, darf das Gericht der Sozialgerichtsbarkeit darüber grundsätzlich nicht entscheiden, denn nach § 17 Abs. 2 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) bleibt Art. 34 Satz 3 Grundgesetz unberührt. Rechtfertigen jedoch die übrigen Anspruchsgrundlagen, wie vorliegend, kein stattgebendes Urteil, ist eine Verweisung wegen des geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs nicht zulässig, da das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der geltend gemachten Ansprüche zuständig ist und eine Teilverweisung an die ordentlichen Gerichte ausgeschlossen ist (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 5437/11 B -, in juris m.w.N.). Im Übrigen hat der Kläger wegen der geltend gemachten Amtshaftungsansprüche bereits ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten geführt. Selbiges ist nach der Entscheidung des OLG vom 10.09.2014 - 4 W 3 /14 - rechtskräftig abgeschlossen. Wenn der Kläger nunmehr die (teilweise) Verweisung betr. vermeintlicher Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen geltend macht, begehrt im Kern, wie aus seinem Schriftsatz vom 15.09.2016 und der dortigen Formulierung " neue Erkenntnisse , welche zum Zeitpunkt der Entscheidungen ... noch nicht vorlagen", deutlich wird, das abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen. Da mithin im Vorbringen des Klägers im Kern lediglich ein Wiederaufnahmeantrag zu erblicken ist, insofern keine Verweisung nach § 17a GVG auszusprechen ist, ist dem klägerischen Antrag auch deswegen nicht stattzugeben. Dem Kläger steht es vielmehr frei, die begehrte Wiederaufnahme des abgeschlossen Verfahrens selbst beim zuständigen Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu beantragen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.07.2016 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt den Erlass von Beitragsverbindlichkeiten und Säumniszuschlägen.
Der im Jahr 1953 geborene Kläger betrieb seit 1995 ein selbstständiges Handelsunternehmen im Bereich der Medizintechnik. Er war vom 01.01.1992 - 31.10.2011 mit einer Unterbrechung wegen des Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei der Beklagten, seit dem 01.01.2004 ohne Anspruch auf Krankengeld, freiwillig krankenversichert. Seit dem 01.11.2011 ist der Kläger pflichtversichertes Mitglied der Beklagten.
Aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Betriebes kam es immer wieder zu Beitragsrückständen bei der Beklagten. Die Beklagte mahnte wiederholt die Beitragszahlungen an, schloss Ratenzahlungsvereinbarungen mit dem Kläger und leitete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein. Mit Schreiben vom 03.08.2007 teilte die Beklagte dem Kläger und seiner mitversicherten Ehefrau mit, dass der Krankenversicherungsschutz ab dem 08.08.2007 aufgrund der Beitragsrückstände ruhe. Ausgenommen seien u.a. Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Ein vom Kläger in den Jahren 2009/2010 deswegen geführtes gerichtliches Verfahren um die Feststellung des Krankenversicherungsschutzes verlief für ihn erfolglos (klageabweisender Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen [SG] vom 01.02.2010; berufungszurückweisendes Urteil des erkennenden Senats vom 12.12.2012 - L 5 KR 1012/10 -). In einem weiteren Verfahren vor dem SG (- S 6 KR 2179/13 -) um die Ermäßigung der Beiträge für die Zeit vom 01.01.1999 - 31.12.2009 schlossen die Beteiligten einen Vergleich des Inhalts, dass sich die Beklagte bereit erklärt hat, nach Vorlage weiterer Unterlagen, eine Beitragsentlastung zu gewähren. Die Beklagte setzte den Vergleich mit Bescheid vom 17.04.2014 um und entlastete das Beitragskonto betr. die Zeit vom 01.04.2007 - 31.12.2009 um 1.975,24 EUR. Sie bezifferte die an diesem Tag bestehende Forderung auf 12.578,21 EUR.
Mit Schreiben vom 20.12.2013 beantragte der Kläger den Erlass evtl. noch bestehender Beitragsverbindlichkeiten.
Mit Bescheid vom 30.12.2013 entschied die Beklagte, dass bezogen auf die noch offenen Beiträge dem Antrag auf Erlass nicht stattgegeben werden könne. Das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderungen bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013 (BGBl. I 2423) sehe zwar vor, dass die für die Vergangenheit erhobenen Säumniszuschläge von 5 auf 1 Prozent zu ermäßigen seien, woraus sich nach Korrektur des klägerischen Beitragskontos noch offene Forderungen von 18.821,26 EUR ergäben, der Erlass von Beitragsforderungen gegen freiwillig Versicherte sei jedoch im Gesetz nicht normiert.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er geltend machte, dass in dem Bescheid kein Forderungsstand angezeigt sei. Ferner sei die Frage verweigerter ärztlicher Konsultationen und die Berechnungspraxis der Beklagten in der Zeit vom 01.01.2009 - 31.01.2012 nicht geklärt. In der Sitzung des bei der Beklagten eingerichteten Widerspruchsausschusses, an der der Kläger teilgenommen hat, brachte er ferner vor, trotz dessen, dass ab dem Jahr 2009 die Leistungsansprüche ruhten, seien von der Beklagten Beiträge erhoben worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2014 entschied die Beklagte, dem Widerspruch nicht stattzugeben. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Beklagte aus, ein Erlass von Beitragsschulden sei im Gesetz vom 15.07.2013 nicht vorgesehen. Dort sei lediglich eine Ermäßigung der Säumniszuschläge von 5 % auf 1 % normiert.
Am 14.05.2014 erhob der Kläger hiergegen Klage zum SG, mit der er die Prüfung seines Beitragskontos und den Erlass von Beitragsschulden und Säumniszuschlägen geltend machte. Aus den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen sei, so der Kläger begründend, nicht ersichtlich, wie hoch die Höhe der angeblich noch offenen Forderungen sei. Er fordere daher eine transparente Forderungsaufstellung betr. die Zeit ab dem 25.08.2008 ein. Auch könne er der Einschätzung der Beklagten betr. die Auslegung des Beitragsschuldengesetzes nicht folgen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie legte hierzu u.a. eine Forderungsaufstellung ab Mai 2000 vom 18.07.2014 vor und teilte mit, dass das Forderungskonto zum 30.04.2000 ausgeglichen gewesen sei. Unter Aufschlüsselung der Bemessungsgrundlagen, der monatlichen anfallenden Beiträge zur freiwilligen Kranken- und zur Pflegepflichtversicherung, der betr. die Zeit ab dem 01.04.2007 ermäßigten Säumniszuschläge sowie der vom Kläger (teilweise) geleisteten Zahlungen bezifferte die Beklagte die offenen Forderungen für das Jahr 2000 auf 832,30 EUR, für das Jahr 2001 auf 1.416,44 EUR, für das Jahr 2002 auf 1.225,40 EUR, für das Jahr 2003 auf 695,44 EUR, für das Jahr 2006 auf 1.304,37 EUR, für das Jahr 2007 auf 1.768,32 EUR, für das Jahr 2009 auf 1.538,41 EUR und für das Jahr 2010 auf 975,66 EUR. Für die Jahre 2004, 2005 und 2008 seien Guthaben von 601,58 EUR, 622,10 EUR und 2.443,16 EUR zu verzeichnen. Aus den hiernach offenen Beitragsforderungen sowie Rücklastschriftgebühren von 4,53 EUR, Mahn- und Vollstreckungskosten von 421,40 EUR sowie den bereinigten Säumniszuschlägen von 6.609.65 EUR ergebe sich eine Gesamtforderung i.H.v. 12.578,21 EUR.
Der Kläger entgegnete hierauf, entgegen der Mitteilung der Beklagten sei zum 30.04.2004 ein Guthaben zu seinen Gunsten i.H.v. 401,31 EUR zu verzeichnen gewesen. Ferner habe er diverse Fehlbuchungen festgestellt. So seien Zahlungen von ihm nicht oder nicht in der richtigen Höhe verbucht worden. Die Mahn- und Vollstreckungskosten könne er nicht akzeptieren, da die Beklagte diesbezüglich wenig Kooperationsbereitschaft gezeigt habe und insbesondere überhöhte Zwangshypotheken in seinen damaligen Besitz habe eintragen lassen.
Mit Beitragsbescheid vom 26.03.2015 setzte die Beklagte, auch namens der Pflegekasse, zur Unterbrechung der Verjährung die Gesamtschuld für die Zeit vom 01.01. - 31.03.2007, 01.10. - 31.12.2008, 01.01. - 31.08.2009, 01.01. - 21.04.2010, 01.10. - 25.10.2010 und 01.04. - 31.10.2011 auf 13.394,81 EUR (Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 6.818,57 EUR, Säumniszuschläge 6.576,24 EUR) fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Mit weiterem Beitragsbescheid vom 11.05.2015 ersetzte die Beklagte, auch namens der Pflegekasse, den Beitragsbescheid vom 26.03.2015 und stellte nunmehr eine Gesamtschuld i.H.v. 10.920,12 EUR (Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 4.937,17 EUR, Säumniszuschläge 5.982,95 EUR) fest. Zur Begründung teilte sie mit, an dem Beitragskonto seien die noch ausstehenden Änderungen vorgenommen worden.
Mit Bescheid vom 08.01.2015 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Erstattung auf im Jahr 2014 geleistete Zuzahlungen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2015 zurück.
Nach Anhörung der Beteiligten wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27.07.2016 ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, die Klage sei bereits unzulässig, soweit der Kläger die "Prüfung seines Beitragskontos" begehre. Eine allgemeine Überprüfung des Beitragskontos losgelöst von einer konkreten Überprüfung eines Beitragsbescheides könne, so das SG unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12.12.2012 (a.a.O.) nicht zulässigerweise im Klageweg geltend gemacht werden. Der Kläger könne sich vielmehr gegen die Beitragsansprüche im Wege des Widerspruchs und gegebenenfalls durch eine nachfolgende Anfechtungsklage gegen die Beitragsbescheide der Beklagten wehren. Soweit der Kläger Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend mache, sei die Klage vor dem Sozialgericht ebenfalls unzulässig. Für Schadensersatzansprüche außerhalb öffentlich-rechtlicher Vertragsverhältnisse, insb. für Amtshaftungsansprüche seien die ordentlichen Gerichte zuständig. Soweit sich der Kläger gegen die Ablehnung des Erlasses der Beitragsforderung wende, sei die Klage zwar zulässig, der Bescheid vom 30.12.2013 (Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014) sei jedoch rechtmäßig, soweit darin der Erlass von Beiträgen abgelehnt und die Säumniszuschläge auf ein Prozent ermäßigt worden seien. Nach § 256a Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderungen bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung (a.a.O.) habe die Krankenkasse für die Mitglieder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sowie für freiwillige Mitglieder noch nicht gezahlte Säumniszuschläge in Höhe der Differenz zwischen dem nach § 24 Abs. 1 a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in der bis zum eine 31.07.2013 geltenden Fassung erhobenen Säumniszuschlag (Säumniszuschlag im Umfang von 5 v.H. des rückständigen Beitrags) und dem sich bei Anwendung des § 24 Abs. 1 SGB IV ergebenden Säumniszuschlag (Säumniszuschlag im Umfang von 1 v.H. des rückständigen Beitrags) zu erlassen. Daneben sehe die gesetzliche Regelung für freiwillig Versicherte keinen weitergehenden Erlass rückständiger Beiträge oder Säumniszuschläge vor. Der streitgegenständliche Bescheid sei, so das SG weiter, auch nicht deshalb rechtswidrig, weil er keine Aufstellung der noch zu zahlenden Beiträge enthalte. Der Kläger sei im Übrigen in diesem detailliert über das bestehende Beitragskonto informiert worden. Einwendungen gegen die Höhe der ausstehenden Beträge seien in dem noch anhängigen Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26.03.2015 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 11.05.2015 geltend zu machen. Das SG führte ferner aus, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid, in denen sie ausdrücklich eine Beitragsentlastung nach § 256a SGB V geprüft habe, den Antrag des Klägers vom 20.12.2013 nicht umfassend erledigt habe. Der geltend gemachte Erlass sei auch anhand der Regelung des § 76 Abs. 2 SGB IV zu prüfen gewesen. Nach dieser Vorschrift dürfe der Versicherungsträger Beiträge erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig sei. Hierüber sei nach pflichtgemäßem Ermessen durch schriftlichen Verwaltungsakt zu entscheiden. Von einer (teilweisen) Verweisung des Begehrens auf Schadensersatz und Schmerzensgeld an die Zivilgerichtsbarkeit habe es, das SG, abgesehen, da der Antrag im sozialgerichtlichen Verfahren rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei. Der Kläger habe die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte bereits - erfolglos - bei den ordentlichen Gerichten geltend gemacht. Das insofern angegangene Landgericht R. habe, bestätigt durch das Oberlandesgericht St. (OLG), die beabsichtigte Klage betreffend der Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderung teilweise für unzulässig und teilweise für unbegründet erachtet. Da der Kläger im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich seine pauschalen Anschuldigungen, die Beklagte sei für seine schlechte wirtschaftliche Situation verantwortlich, wiederholt habe, sei im Versuch, auf dem Umweg über die Sozialgerichtsbarkeit, eine erneute Befassung der Zivilgerichtsbarkeit zu erreichen, als treuwidrig anzusehen. Da dem Kläger dies bekannt sei, sei der Antrag auf Verweisung rechtsmissbräuchlich.
Gegen den am 29.07.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.08.2016 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das SG habe die fehlerhafte Verwaltungsleistung der Beklagten und deren Auswirkungen auf ihn nicht gewürdigt. Er wiederholt seine Einschätzung betr. die Höhe der offenen Beiträge und regt an, einen Gutachter einzusetzen, der die Höhe der Beiträge unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit überprüfe. Gegen eine Reihe von Beitragsbescheiden habe er Widerspruch erhoben, eine Entscheidung hierüber habe er jedoch nicht erhalten. Aufgrund der fehlerhaften Beitragserhebung bestehe Anlass, die Schadensersatzforderung als Teil des Verfahrens vor dem zuständigen Zivilgericht (- L 6 O 8 /13 -) anzusehen und selbiges in den vorigen Stand zu versetzen. Auf Anfrage des Senats hat der Kläger hierzu mitgeteilt, dass das im gegebenen Zusammenhang von ihm angestrengte Verfahren vor den Zivilgerichten nach der Verweigerung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beendet sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.07.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014 zu verurteilen, gegen ihn noch bestehende Beitragsansprüche einschließlich Säumniszuschläge zu erlassen,
den Rechtsstreit in Bezug auf Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld an das zuständige Zivilgericht zu verweisen.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2017 geworden sind, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2017 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, da der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,- EUR bei dem begehrten Erlass von Beitragsschulden und Säumniszuschlägen von mehreren tausend Euro überschritten wird (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung führt jedoch für den Kläger nicht zum Erfolg. Das SG hat die Klage in nicht zu beanstandender Weise abgewiesen.
Klagegegenstand ist gemäß § 95 SGG der Bescheid der Beklagten vom 30.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014. Weitere Bescheide, insb. die Beitragsbescheide vom 26.03.2015 und vom 11.05.2015 sowie der Bescheid vom 08.01.2015 (Widerspruchsbescheid vom 30.07.2015) sind nicht nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden, da sie den angefochtenen Verwaltungsakt weder abgeändert noch ersetzt haben.
Mithin wird der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahren durch den im Verfügungssatz zum Ausdruck kommenden Inhalt des Bescheides vom 30.12.2013 (Widerspruchsbescheid vom 16.04.2014) bestimmt. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte (ausschließlich) den Antrag des Klägers auf "Schuldbefreiung" abgelehnt. Bereits hieraus folgt, dass im vorliegenden Verfahren ausschließlich gegenständlich ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Beitragsschulden und die erhobenen Säumniszuschläge (weitergehend) zu erlassen. Der Umstand, dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 16.04.2014 auch Ausführungen zur Beitragserhebung bei freiwilligen Mitgliedern und zur Beitragspflicht während des Ruhens von Leistungsansprüchen getätigt hat, bedingt keine Erweiterung des Streitgegenstandes, da dies lediglich zur Begründung der dortigen Entscheidung, dem Widerspruch nicht stattzugeben, erfolgt ist.
Nicht gegenständlich ist die vom Kläger in den Vordergrund seines Vorbringen gestellte Frage, ob überhaupt bzw. ob in rechtmäßiger Höhe Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegepflichtversicherung erhoben worden sind. Diese Frage ist vom Inhalt des angefochtenen Bescheides nicht erfasst. Im Übrigen ist, was der erkennenden Senat in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil vom 12.12.2012 (a.a.O.) bereits ausgeführt hat, eine von der konkreten Rechtmäßigkeitsprüfung belastender Verwaltungsentscheidungen losgelöste allgemeine Überprüfung des Krankenversicherungsverhältnisses des Klägers, der aufgelaufenen Beitragsrückstände und der von ihm behaupteten Rückerstattungsansprüche ist nicht möglich.
Der Bescheid der Beklagten vom 30.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014 ist nicht zu beanstanden, der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Erlass der Beitragsforderung der Beklagten und einen weitergehenden Erlass der Säumniszuschläge.
Nach § 256a Abs. 3 SGB V in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderungen bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013 (BGBl. I 2423) hat die Krankenkasse für Mitglieder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sowie für freiwillige Mitglieder noch nicht gezahlte Säumniszuschläge in Höhe der Differenz zwischen dem nach § 24 Abs. 1a SGB IV in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung erhobenen Säumniszuschlag und dem sich bei Anwendung des in § 24 Abs.1 SGB V ergebenden Säumniszuschlag zu erlassen. Nach § 24 Abs. 1a SGB IV in der zum 31.07.2013 geltenden Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch vom 12.11.2009 (BGBl. I 3710) hatten freiwillig Versicherte für Beiträge, mit denen sie länger als einen Monat säumig waren, für jeden weiteren angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag von 5 v.H. des rückständigen, auf 50,- EUR nach unten abgerundeten Beitrages zu zahlen. Nachdem der Gesetzgeber § 24 Abs. 1a SGB IV in der benannten Fassung zum 01.08.2013 durch Art. 2 des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderungen bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013 aufgehoben hat, galt fortan für freiwillig Versicherte nach § 24 Abs. 1 SGB IV in der insofern seither unveränderten Fassung, dass für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 v.H. des rückständigen, auf 50,- EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen ist. Der Regelungsgehalt des § 256a Abs. 3 SGB V erschöpft sich hiernach auf den Erlass noch nicht entrichteter Säumniszuschläge um 4 v.H. Hinsichtlich dieser Entscheidung hat die Krankenkasse keinerlei Entscheidungsspielraum; es handelt sich um eine gebundene Verwaltungstätigkeit. Auch hinsichtlich der Höhe des Erlasses hat der Gesetzgeber selbst entschieden: Die Säumniszuschläge sind i.H.v. 4 v.H. zu erlassen, d.h. die Krankenkasse ist nicht berechtigt, höhere Säumniszuschläge zu erheben. Dies wurde von der Beklagten zutreffend umgesetzt. Ein weitergehender Erlass betr. die Säumniszuschläge ist in § 256a SGB V nicht vorgesehen. Von den weiteren Regelungen des § 256a SGB V, insb. dessen Abs. 1 und die dort normierte "angemessene" Ermäßigung nachzuzahlender Beiträge, werden nach dem eindeutigen Gesetzeswortlau nur Versicherte nach § 5 Abs.1 Nr. 13 SGB V, nicht jedoch freiwillig Versicherte erfasst. Der Gesetzeswortlaut des § 256a SGB V ist insoweit eindeutig und nicht auslegungsfähig. Allein Absatz 3 der Vorschrift bezieht freiwillige Mitglieder in die Regelung mit ein, insoweit jedoch nur hinsichtlich der noch nicht gezahlten Säumniszuschläge (so auch Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 06.01.2016 - L 5 KR 209/15 B ER -, in juris).
Der Kläger kann einen Erlass nach § 256a SGB V hiernach nicht beanspruchen.
Soweit das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid darauf hingewiesen hat, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid nur einen Erlass nach § 256a SGB V geprüft und hiermit den Antrag des Klägers, der eine Prüfung aus jedem Rechtsgrund beantragt habe, nicht vollständig "erledigt" habe, führt dies vorliegend nicht dazu, dass der Berufung stattzugeben ist. Zwar sieht § 88 Abs. 1 SGG vor, dass wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist, die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig ist. Der Kläger hat bis einschließlich zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21.06.2017 nicht erkennen lassen, dass er eine Verpflichtung der Beklagten zur weiteren Bescheidung begehrt. Dem Senat ist es insofern nach § 123 SGG verwehrt, eine entsprechende Verurteilung der Beklagten auszusprechen.
Soweit der Kläger die Verweisung der Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld an die ordentliche Gerichtsbarkeit geltend macht, ist diesem Antrag nicht zu entsprechen. Wird der streitgegenständliche Anspruch auch auf eine Amtspflichtverletzung gestützt, darf das Gericht der Sozialgerichtsbarkeit darüber grundsätzlich nicht entscheiden, denn nach § 17 Abs. 2 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) bleibt Art. 34 Satz 3 Grundgesetz unberührt. Rechtfertigen jedoch die übrigen Anspruchsgrundlagen, wie vorliegend, kein stattgebendes Urteil, ist eine Verweisung wegen des geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs nicht zulässig, da das angerufene Gericht zumindest für einen Teil der geltend gemachten Ansprüche zuständig ist und eine Teilverweisung an die ordentlichen Gerichte ausgeschlossen ist (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.10.2012 - B 13 R 5437/11 B -, in juris m.w.N.). Im Übrigen hat der Kläger wegen der geltend gemachten Amtshaftungsansprüche bereits ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten geführt. Selbiges ist nach der Entscheidung des OLG vom 10.09.2014 - 4 W 3 /14 - rechtskräftig abgeschlossen. Wenn der Kläger nunmehr die (teilweise) Verweisung betr. vermeintlicher Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen geltend macht, begehrt im Kern, wie aus seinem Schriftsatz vom 15.09.2016 und der dortigen Formulierung " neue Erkenntnisse , welche zum Zeitpunkt der Entscheidungen ... noch nicht vorlagen", deutlich wird, das abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen. Da mithin im Vorbringen des Klägers im Kern lediglich ein Wiederaufnahmeantrag zu erblicken ist, insofern keine Verweisung nach § 17a GVG auszusprechen ist, ist dem klägerischen Antrag auch deswegen nicht stattzugeben. Dem Kläger steht es vielmehr frei, die begehrte Wiederaufnahme des abgeschlossen Verfahrens selbst beim zuständigen Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu beantragen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.07.2016 ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved