S 12 KA 769/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 769/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
S 4 KA 30/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ansprüche aus der Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen einschließlich von Nachzahlungen sind nicht zu verzinsen.
Bemerkung
Parallelverfahren zu S 12 KA 760/16
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Verzinsung der Nachvergütung von Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Beklagten für die 24 Quartale III/06 bis II/12.

Der 1938 geb. und jetzt 78-jährige Kläger war seit dem 01.01.1970 zur vertragsärztlichen Versorgung in Hessen zugelassen. Als solcher unterlag er den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten. Nach Beendigung seiner Zulassung aus Altersgründen zum 31.03.2005 bezieht der Kläger seit 01.04.2005 Leistungen der EHV. Mit Datum vom 31.10.2005 hat die Beklagte seinen Anspruch an der EHV ab 01.04.2005 mit dem Anspruchssatz von 18,0000 % anerkannt.

Die Beklagte setzte jeweils mit Bescheid den EHV-Anspruch des Klägers für die Quartale III/06 bis II/12 quartalsweise fest.

Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts zum sog. Nachhaltigkeitsfaktor (vgl. BSG, Urt. v. 19.02.2014 - B 6 KA 10/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 79) fasste die Beklagte die Grundsätze der EHV neu und nahm mit quartalsbezogenen Bescheiden vom 27.11.2015 eine Neuberechnung für die Quartale III/06 bis II/12 vor.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 13.01.2016 die Verzinsung der EHV-Leistungen ab dem Quartal III/06 gemäß der Neuberechnung vom 27.11.2015. Die nachgezahlten EHV-Leistungen seien Sozialleistungen gem. § 11 SGB I und seien deshalb gem. § 44 SGB I nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit zu verzinsen. Die EHV-Leistungen seien spätestens in dem Zeitpunkt fällig geworden, indem der Leistungsbescheid seinerzeit ergangen sei.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.07.2016 den Antrag auf Verzinsung der Nachvergütung der EHV-Leistungen ab dem Quartal III/06 ab, weil es sich bei den EHV-Leistungen nicht um Sozialleistungen nach § 11 SGB I handele, sondern nach der Rechtsprechung des LSG Hessen um Honoraransprüche. Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe für Honoraransprüche kein Anspruch auf Zinsen.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 26.07.2016 Widerspruch ein. Er trug vor, die Leistungen der EHV seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eigentumsgeschützt und zwar deshalb, weil es sich materiell um Versorgung handele. Daraus ergebe sich, dass § 44 SGB I Anwendung finden müsse. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dazu, dass ausnahmsweise Honorarnachzahlungen nicht zu verzinsen seien, könne auf die EHV, die einen anderen Zweck verfolge, nicht angewandt werden.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2016 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie verwies auf rechtskräftige Urteile des LSG Hessen vom 14.07.2005 sowie 15.03.2006. Das LSG habe hier festgestellt, dass die "weitere Teilnahme" der inaktiven Vertragsärzte an der hessischen EHV zwar einer Sozialleistung ähnele, in ihrem Rechtscharakter jedoch Honorarverteilung bleibe. In den Urteilen werde darauf hinwiesen, dass die Kassenärztliche Vereinigung nicht zu den Leistungsträgern nach § 12 SGB I gehöre und die Honoraransprüche der Vertragsärzte nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I dienten. Vielmehr handele es sich insoweit um Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen. Dies gelte auch für Ansprüche ausgeschiedener Vertragsärzte auf Teilnahme an der EHV, bei denen es sich ebf. um Honoraransprüche und nicht um Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I handele. Geldleistungen nach § 44 SGB I seien lediglich die Sozialleistungen nach § 11 SGB I. Im Übrigen habe die Rechtsprechung Zinsansprüche nur anerkannt, soweit sie in dem Sozialversicherungsgesetz ausdrücklich zugebilligt würden.

Hiergegen hat der Kläger am 13.12.2016 die Klage erhoben. Er ist weiterhin der Auffassung, die Nachzahlungen sei nach § 44 Abs. 1 SGB I zu verzinsen. Auf einen Antrag komme es nicht an, da die Leistungen der EHV antragsunabhängig zu zahlen seien. Das Bundessozialgericht habe bereits im Urteil vom 16.07.2008 - B 6 KA 38/07 R - klargestellt, dass es sich hierbei um eine Sozialleistung handele und nicht um bloßes kassenärztliches Honorar. Noch deutlicher habe das Bundessozialgericht dies im Urteil vom 19.02.2014 klargestellt, wo es heiße, dass die Anforderungen an die normativen Regelungen sich insb. in der aktiven Phase aus Art. 14 Abs. 1 GG ergäben. Diese Entscheidungen bewiesen, dass es sich bei dem EHV-Honorar nicht um Honorar im Sinne des § 85 SGB V handele, sondern um eine Sozialleistung eigener Art, die als Geldleistung im Sinne des § 44 SGB I anzusehen und dementsprechend auch zu verzinsen sei. Der Gesetzgeber habe mit § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung i. d. F. vom 14.12.2009 die Beklagte gezielt zu einem "Sozialleistungsträger" gemacht. Die Beklagte habe Restzahlungen jeweils 4,5 Monate nach Abschluss des Quartals erbracht. Diese Restzahlungen hätten zeitlich häufig vor Zustellung des Bescheids über die Höhe der Leistungen aus der EHV im einzelnen Quartal gelegen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Leistung aus der EHV fällig gewesen, so dass der Zinsanspruch einen Monat danach beginne. Das Zinsende sei zum Zeitpunkt der Nachzahlung eingetreten. Auch wenn das Nettohonorar zu verzinsen sei, sei von den Angaben auf dem Kontoauszug auszugehen, weil im Streit sei, ob die Beklagte zu Recht Verwaltungskosten in diesem Umfang angefordert habe.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Zinsen gemäß § 44 Abs. 1 SGB I in Höhe von 4 Prozent ab dem 15.03.2007 aus einen Betrag von 849,76(3/2006),
ab dem 15.06.2007 aus einem Betrag von 857,30 EUR (4/2006),
ab dem 15.09.2007 aus einem Betrag von 928,27 EUR (1/2007),
ab dem 15.12.2007 aus einem Betrag von 1.010,58 EUR (2/2007),
ab dem 15.03.2008 aus einem Betrag von 942,33 EUR (3/2007),
ab dem 15.06.2008 aus einem Betrag von 1.036,15 EUR (4/2007),
ab dem 15.09.2008 aus einem Betrag von 1.034,50 EUR (1/2008),
ab dem 15.12.2008 aus einem Betrag von 1.084,11 EUR (2/2008),
ab dem 15.03.2009 aus einem Betrag von 994,90 EUR (3/2008),
ab dem 15.03.2009 aus einem Betrag von 1.107,11 EUR (4/2008),
ab dem 15.09.2009 aus einem Betrag von 1.197,78 EUR (1/2009),
ab dem 15.12.2009 aus einem Betrag von 1.132,67 EUR (2/2009),
ab dem 15.03.2010 aus einem Betrag von 1.109,36 EUR (3/2009),
ab dem 15.06.2010 aus einem Betrag von 1.135,17 EUR (4/2009),
ab dem 15.09.2010 aus einem Betrag von 1.174,91 EUR (1/2010),
ab dem 15.12.2010 aus einem Betrag von 1.216,96 EUR (2/2010),
ab dem 15.03.2011 aus einem Betrag von 1.236,51 EUR (3/2010),
ab dem 15.06.2011 aus einem Betrag von 1.316,23 EUR (4/2010),
ab dem 15.09.2011 aus einem Betrag von 1.372,94 EUR (1/2011),
ab dem 15.12.2011 aus einem Betrag von 1.352,84 EUR (2/2011),
ab dem 15.03.2012 aus einem Betrag von 1.389,50 EUR (3/2011),
ab dem 15.06.2012 aus einem Betrag von 1.089,60 EUR (4/2011),
ab dem 15.09.2012 aus einem Betrag von 1.079,86 EUR (1/2012),
ab dem 15.12.2012 aus einem Betrag von 1.034,48 EUR (2/2012),
jeweils bis zum 25.11.2015 zu zahlen,
ab dem 15.03.2012 aus einem Betrag von 165,86 Euro (3/2011),
ab dem 15.06.2012 aus einem Betrag von 157,20 Euro (4/2011),
ab dem 15.09.2012 aus einem Betrag von 214,34 Euro (1/2012),
ab dem 15.12.2012 aus einem Betrag von 157,48 Euro (2/2012),
jeweils bis zum 15.03.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, bei den EHV-Leistungen handele es sich nicht um verzinsbare Sozialleistungen, sondern um Honoraransprüche, für die es keinen Anspruch auf Zinsen gebe. Ferner sei der Antrag erst mit Schriftsatz vom 13.01.2016 gestellt worden, sodass auch der beantragte Zeitpunkt, von dem an die Verzinsung erfolgen solle, nicht zutreffend sei. Fälligkeit könne frühestens mit dem jeweiligen EHV-Bescheid eintreten. Gegen die Bescheide für die Quartale III und IV/06 zur Neuberechnung des EHV-Anspruchs habe der Kläger am 18.12.2015 Widerspruch eingelegt. Bzgl. der Quartale I/07 bis II/12 seien Widerspruchsverfahren gegen die ursprünglichen EHV-Bescheide anhängig, die Neuberechnungen würden Gegenstand dieser laufenden Widerspruchsverfahren nach § 86 SGG werden. Die Zinsberechnung könne nur für das Nettohonorar erfolgen. Im Übrigen verweist sie auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2016 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verzinsung der Nachvergütung der EHV-Leistungen für die Quartale III/06 bis II/12. Die Klage war abzuweisen.

Es besteht kein Anspruch auf Verzinsung der Nachvergütung der EHV-Leistungen für die Quartale III/06 bis II/12 nach § 44 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I), weil es sich um keine Sozialleistungen handelt. Eine andere Rechtsgrundlage für einen Verzinsungsanspruch der EHV-Nachzahlung ist nicht ersichtlich.

Nach § 44 Abs. 1 und 2 SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

Bei den EHV-Nachzahlungen handelt es sich nicht um nach § 44 SGB I verzinsbare Sozialleistungen. Nach § 11 Satz 1 SGB I sind Gegenstand der sozialen Rechte die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen). Nur Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I sind grundsätzlich zu verzinsen (vgl. BSG, Urt. v. 13.10.1983 - 11 RA 49/82 - BSGE 56, 1 = SozR 1200 § 44 Nr. 9, juris Rdnr. 10 ff.; Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 44 SGB I, Rdnr. 4).

Bei den EHV-Nachzahlungen handelt es sich aber wie bei EHV-Ansprüchen und Zahlungen überhaupt nicht um Sozialleistungen i. S. des § 11 Satz 1 SGB I. Ebenso wie vertragsärztliches Honorar keine Sozialleistung ist (vgl. BSG, Urt. v. 18.03.1998 - B 6 KA 16/97 R - BSGE 82, 50 = SozR 3-1300 § 44 Nr. 23, juris Rdnr. 13 ff.; BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 21/04 R - SozR 4-1300 § 44 Nr. 6, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 07.02.2007 - B 6 KA 6/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 31 = BSGE 98, 89, juris Rdnr. 16), handelt es sich auch bei Ansprüchen aus der EHV nicht um eine Sozialleistung i. S. d. § 44 SGB I und § 11 Satz 1 SGB I.

Nach der Rechtsprechung des LSG Hessen, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung hat, gehört eine Kassenärztliche Vereinigung nicht zu den Leistungsträgern nach § 12 SGB I und dienen die Honoraransprüche der Kassen- bzw. Vertragsärzte nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I. Vielmehr handelt es sich insoweit um Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen. Dies gilt auch für Ansprüche ausgeschiedener Vertragsärzte auf Teilnahme an der EHV, bei denen es sich ebf. um Honoraransprüche und nicht um Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I handelt. Das auf mitgliedschaftlicher Beziehung beruhende Verhältnis des Vertragsarztes zu seiner Kassenärztlichen Vereinigung unterscheidet sich wesentlich von dem Rechtsverhältnis eines möglichen Leistungsempfängers gegenüber einem Sozialleistungsträger i. S. des § 12 SGB I (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 14.12.2005 - L 4 KA 41/05 - juris Rdnr. 20; im Anschluss hieran SG Marburg, Urt. v. 05.10.2011 - S 12 KA 403/11 - juris Rdnr. 24; SG Marburg, Urt. v. 05.10.2011 - S 12 KA 397/11 - juris Rdnr. 24; SG Marburg, Urt. v. 07.03.2007 - S 12 KA 36/06 - juris Rdnr. 20). Dies gilt im Grundsatz auch für das Verhältnis zwischen der geschiedenen Ehefrau eines Vertragsarztes, deren Anspruch auf Teilnahme an der EHV auf einem durchgeführten Versorgungsausgleich beruht. Die Leistungen aus der EHV werden damit nicht zu einer Sozialleistung im Sinne von § 11 SGB I und die Kassenärztliche Vereinigung nicht zu einem Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 27.06.2012 - L 4 KA 63/11 - juris Rdnr. 18, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 29.01.2013 - B 6 KA 33/12 B -). Von daher scheidet auch Kostenfreiheit im sozialgerichtlichen Verfahren aus, da es sich bei der EHV um keine Leistungen mit ähnlicher oder vergleichbarer (Schutz-)Funktion wie bei echten Sozialleistungen i. S. des § 11 SGB I handelt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 27.06.2012 - L 4 KA 63/11 - juris Rdnr. 26). Die sog. weitere Teilnahme der inaktiven Vertragsärzte an der EHV ähnelt zwar einer Sozialleistung zur Alterssicherung, in ihrem Rechtscharakter bleibt sie jedoch Honorarverteilung. Anders als bei üblichen Versicherungen, bei denen personenbezogen eine Anwartschaft durch eine Kapitaldeckung abgesichert wird und anders als bei der durch Beiträge – und öffentliche Leistungen – finanzierten Sozialversicherung ist die EHV umlagefinanziert. Sie ist in der Höhe variabel, weil sie abhängig ist von der Höhe der jeweiligen Gesamtvergütung und damit dem Umfang des von allen hessischen Vertragsärzten erwirtschafteten Gesamthonorars. Die Höhe des jeweiligen individuellen EHV-Betrages richtet sich nicht nach der Höhe geleisteter Beiträge, sondern ist zum einen abhängig von dem Verhältnis des zu aktiven Zeiten erwirtschafteten Honorars zu dem Durchschnittshonorar und zum anderen von der Höhe des jeweiligen Durchschnittshonorars der aktiven Vertragsärzte. Somit ist sowohl die Quotierung der Punktwerte der aktiven Ärzte zur Finanzierung der EHV als auch die Berechnung der individuellen Höhe der ausgeschütteten EHV-Beträge untrennbar mit der allgemeinen Honorarverteilung verbunden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 15.03.2006 - L 4 KA 8/05 - juris Rdnr. 20). Entsprechend hat die Kammer zuletzt entschieden, dass es sich bei der EHV nicht um eine Sozialleistung handelt, wenn auch die Ausgestaltung und die Funktion der Ansprüche eine sozialleistungsähnliche Funktion haben. Unter Berücksichtigung der Unterschiede können daher Verwaltungskosten weiterhin abgezogen werden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 05.11.2014 - S 12 KA 84/13 - juris Rdnr. 49, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 85/14 -; SG Marburg, Urt. v. 05.11.2014 - S 12 KA 331/13 - juris Rdnr. 48, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 87/14 -; SG Marburg, Urt. v. 05.11.2014 - S 12 KA 83/13 - juris Rdnr. 48, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 82/14 -; SG Marburg, Urt. v. 21.12.2011 - S 12 KA 172/11 - juris Rdnr. 25).

§ 8 KVHG in der Fassung des hessischen Landesgesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen vom 14.12.2009, GVBl. 2009, Teil I, 662, in Kraft getreten am 23.12.2009, hat hieran nichts geändert. Danach sorgt die Kassenärztliche Vereinigung Hessen zunächst wie bisher im Rahmen ihrer Satzung für eine wirtschaftliche Sicherung der invaliden und alten Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte und der Hinterbliebenen von Vertragsärztinnen oder Vertragsärzten. Diese Sicherung kann auch durch besondere Honorarverteilungsgrundsätze geregelt werden (Abs. 1). Zur Sicherung der nach Abs. 1 errichteten Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen werden neben der Gesamtvergütung sämtliche Vergütungen für Leistungen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung, die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte an gesetzlich krankenversicherten Patienten erbringen und die nicht unmittelbar über die Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ausgezahlt werden, der Erweiterten Honorarverteilung unterworfen. Dies gilt unabhängig von der Rechtsgrundlage der Vergütung auch für die Vergütung aus Direktverträgen zwischen den Vertragsärztinnen und Vertragsärzten und den gesetzlichen Krankenkassen oder aus Verträgen zur Integrierten Versorgung (Abs. 2). Die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sind verpflichtet, den Umsatz, den sie aufgrund der Abrechnung für Leistungen nach Abs. 2 erhalten, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen offenzulegen. Sofern sie dieser Verpflichtung nicht innerhalb von drei Monaten nachkommen, ist die Kassenärztliche Vereinigung Hessen befugt, die Vergütung für Leistungen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung, die die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt an gesetzlich krankenversicherten Patienten erbracht hat und die nicht unmittelbar über die Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ausgezahlt wurden, zu schätzen. Gegen diese Verfügung ist binnen eines Monats gegen über der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen Widerspruch unter Vorlage der vollständigen Unterlagen zulässig. Die Vollständigkeit ist an Eides statt zu erklären (Abs. 3). Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen ist berechtigt, durch Satzung die Einbeziehung der Umsätze für Leistungen nach Abs. 2 zu regeln. Durch Satzung werden auch die Anforderungen an Form und Inhalt der Offenlegung nach Abs. 3 geregelt (Abs. 4).

Das Gesetz geht zurück auf einen Gesetzentwurf der Fraktion der SPD vom 09.06.2009 (LTag-Drs. 18/767; zu den eingegangene Stellungnahmen zu der schriftlichen Anhörung s. Ausschussvorlage AFG 18/6, Teil 1 und Teil 2 mit Stand: 26.08.2009, abrufbar über die Parlamentsdatenbank unter http://starweb.hessen.de/starweb/LIS/Pd Eingang.htm), nachdem ein erster Entwurf vom 06.07.2004 (LTag-Drs. 16/2469) im Landtag nach dem Ablehnungsvorschlag des Sozialpolitischen Ausschusses (LTag-Drs. 16/3200) von der Regierungsfraktion CDU abgelehnt worden war (PlPr 16/53 v. 26.11.2004, S. 3621-3626; zur ersten Lesung s. PlPr 16/42 v. 14.07.2004, S. 2786-2789). Im Gesetzentwurf vom 09.06.2009 weist die SPD-Fraktion auf die Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V bis zum 30.06.2009 durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008, BGBl. I, S. 2426 hin. Hierdurch würden Leistungen, die bisher von zugelassenen Vertragsärzten im System der gesetzlichen Krankenversicherung für die Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten erbracht worden sind und über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen als Gesamtvergütung abgerechnet wurden, aus diesem Abrechnungskreislauf ausgegliedert werden. Dies führe zu dem Problem, dass aus der Gesamtvergütung herausgebrochene Teile auch nicht ohne weiteres in die Berechnung der Umlage für die EHV zur Deckung der bereits erworbenen Ansprüche und Anwartschaften der Altersversorgung einbezogen werden könnten. Im Ergebnis werde die Bemessungsgrundlage für die EHV deutlich verringert. Deshalb sei eine Änderung des § 8 KVHG dringend erforderlich. Im Hinblick auf die, auch durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Juli 2008 (- B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 43 = USK 2008-65) erforderlich gewordene, anstehende Gesamtdiskussion über die Zukunft der EHV stelle die vorgeschlagene Änderung des § 8 KVHG eine Zwischenlösung dar. Die Entscheidung hierüber sollte aber der Gesamtdiskussion vorangestellt werden, da ansonsten eine Erfüllung der bereits erworbenen Ansprüche und Anwartschaften voraussichtlich bereits im Quartal III/09 nicht mehr gewährleistet werden könne. Die Änderung sei auch erforderlich, da das BSG in seinem bereits erwähnten Urteil eine Regelungspflicht des Landesgesetzgebers für die Anpassung der EHV an Änderungen der Vertragslandschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung erkannt habe. Gegenüber dem Entwurf wurde in Abs. 2 der Verweis auf Verträge insb. nach §§ 73b und 73c SGB V herausgenommen und es bei der Bezugnahme auf die Vergütung aus Direktverträgen belassen und es wurden ausdrücklich auch Verträge zur Integrierten Versorgung aufgenommen. Die Entwurfsfassung sah in Abs. 3 zunächst neben der Offenlegungspflicht des Arztes einen Auskunftsanspruch der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gegenüber den Krankenkassen über die Vergütungshöhe des einzelnen Arztes vor, was dann durch die Ermächtigung zur Schätzung nach Abs. 3 Satz 2 bis 4 ersetzt wurde. Die Endfassung geht zunächst weitgehend auf den nicht weiter begründeten Änderungsantrag der SPD-Fraktion vom 16.09.2009 (LTag-Drs. 18/1104; zu den eingegangene Stellungnahmen zu der schriftlichen Anhörung s. Ausschussvorlage AFG 18/6, Teil 1 mit Stand: 11.11.2009) zurück. Der Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit empfahl dann dem Plenum mit den Stimmen der Fraktion der SPD bei Enthaltung der übrigen Fraktionen, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags in zweiter Lesung anzunehmen (LTagDrs. 18/1610 v. 27.11.2009). In einem weiteren, ebf. nicht begründeten Änderungsantrag vom 08.12.2009 (LTag-Drs. 18/1682) schlug die SPD-Fraktion dann die verabschiedete Fassung vor (zur parlamentarischen Beratung s. PlPr 18/14 v. 17.06.2009, S.874-879; 18/29 v. 09.12.2009, S.2085-2087).

Der Landesgesetzgeber hat damit auf das sinkende Niveau der Bemessungsgrundlage und damit letztlich der Bezugsgröße für die EHV-Ansprüche verwiesen. Seine Reform reagiert auf die geänderten Verhältnisse, um den Bezug auf die Honorarentwicklung zu erhalten. Eine grundlegende Änderung des EHV-Systems oder die Einbeziehung der EHV in das Sozialleistungssystem des SGB war damit nicht beabsichtigt. Die EHV wurde damit nicht zur Sozialleistung und die Beklagte wurde nicht zum Sozialleistungsträger.

Honoraransprüche und damit auch Ansprüche aus der EHV einschließlich von Nachzahlungen sind aber nicht zu verzinsen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung sieht, sind vertragsärztliche Honorarforderungen im Falle des Obsiegens weder nach § 44 SGB I noch nach anderen Vorschriften zu verzinsen (vgl. BSG, Urt. v. 20.12.1983 - 6 RKa 19/82 - BSGE 56, 116, 117, 118 = SozR 1200 § 44 Nr.10, juris Rdnr. 10 ff.; BSG, Urt. v. 09.05.1985 - 6 RKa 2/84 - USK 85185, juris Rdnr. 9 ff.; BSG, Urt. v. 13.11.1996 - 6 RKa 78/95 - USK 96160, juris Rdnr. 22; BSG, Beschl. v. 11.03.2009 - B 6 KA 31/08 B - juris Rdnr. 26; BSG, Urt. v. 30.10.2013 - B 6 KA 1/13 R - SozR 4-2500 § 81 Nr. 8, juris Rdnr. 35; BSG, Urt. v. 23.03.2011 - B 6 KA 14/10 R - BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 62, juris Rdnr. 30; BSG, Urt. v. 17.08.2011 - B 6 KA 24/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 64, juris Rdnr. 22). Die Verzinsungsvorschriften des BGB sind auf öffentlich-rechtliche Verträge des Sozialrechts nicht entsprechend anwendbar (vgl. BSG, Urt. v. 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R - SozR 4-2500 § 83 Nr. 2 = BSGE 95, 141, juris Rdnr. 32 m. w. N.).

Eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen kann auch nicht aus § 288 BGB i. V. m. § 69 Satz 3 SGB V (in der durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22. Dezember 1999 - BGBl I 2626 - eingeführten, ab 1. Januar 2000 geltenden Fassung) abgeleitet werden. Nach der letztgenannten Vorschrift gelten für die Rechtsbeziehung zwischen den Krankenkassen und ihren Verbänden zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten und sonstigen Leistungserbringern im Übrigen die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem 4. Kapitel des SGB V vereinbar sind. Dies hat das Bundessozialgericht ausdrücklich für das Verhältnis zwischen den Gesamtvertragsparteien klargestellt (vgl. BSG, Urt. v. 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R - a.a.O., Rdnr. 33). Die vom Bundessozialgericht entwickelten systematischen Gründe gelten auch für das Verhältnis zwischen einem Vertragsarzt und einer Kassenärztlichen Vereinigung. Die abweichende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts betrifft Bereicherungsansprüche bei rechtsgrundlos gewährten Leistungen, die an Stelle von vertraglichen Vergütungsansprüchen treten, und kann auf das Vertragsarztrecht nicht übertragen werden (vgl. BSG, Urt. v. 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R - a.a.O., Rdnr. 36).

Hinzu kommt, dass eine Verzinsung die Bestimmtheit und Fälligkeit des Betrages voraussetzt. Von daher wäre eine Verzinsung auch frühestens mit Festsetzung des Betrages durch die Beklagte im Bescheid vom 27.11.2015 in Betracht gekommen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 26.11.2008 - S 12 KA 27/08 - juris Rdnr. 21, Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urt. v. 24.06.2009 - L 4 KA 3/09 -).

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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