S 95 SO 965/17 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
95
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 SO 965/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
• Auch nach der seit 29.12.2016 geltenden Rechtslage haben erwerbsfähige Unionsbürger, die nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB II (§ 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II a.F.) von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, grundsätzlich keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.
• Die Ausschlusstatbestände für (EU-)Ausländer in der Fassung des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl. I, 3155) begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
• Es ist daher auch nicht zwingend geboten, erwerbsfähigen Unionsbürgern, die nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB II (§ 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II a.F.) von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, aufgrund der Befassung des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvL 4/16 ) mit der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusstatbestandes in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II a.F. nach § 41a Abs. 7 SGB II vorläufig existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
• Ein verfestigter Aufenthalt i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II kann erst nach Ablauf von fünf Jahren nach der ordnungsbehördlichen Meldung vorliegen. Denn nach § 7 Abs. 1 S. 5 SGB II beginnt die Fünfjahresfrist mit Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Die ordnungsbehördliche Meldung ist nach dem Willen des Gesetzgebers Voraussetzung für den Lauf der Fünfjahresfrist; durch die verpflichtende Meldung bei der Meldebehörde dokumentieren die Betroffenen ihre Verbindung zu Deutschland, die Voraussetzung für eine Aufenthaltsverfestigung ist (BT-Drs. 18/10211, S. 14).
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die bei Gericht am 25.06.2017 eingegangenen sinngemäßen Anträge des 1977 geborenen Antragstellers mit rumänischer Staatsangehörigkeit,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig ab dem 25.06.2017 bis zum 31.12.2017, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache,

• Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) i.H.v. 359 EUR monatlich zur Deckung des Regelbedarfs und Leistungen für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren, • dem Antragsteller eine Wohnunterkunft zuzuweisen, • einstweilen die Kosten für einen Unterkunftsplatz zu übernehmen,

hilfsweise

das beigeladene Jobcenter im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig ab dem 25.06.2017 bis zum 31.12.2017, längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, existenzsichernde Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) zu gewähren und eine Kostenübernahmeerklärung für einen Unterkunftsplatz auszustellen.

waren abzulehnen, denn ein Anordnungsanspruch ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Voraussetzung ist mithin das Vorliegen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes, wobei der Anordnungsanspruch den materiellen Anspruch auf die Regelung an sich beinhaltet und der Anordnungsgrund ein besonderes Eilbedürfnis, also die Dringlichkeit der begehrten Regelung für den Antragsteller voraussetzt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass durch eine einstweilige Anordnung grundsätzlich keine endgültige Entscheidung vorweggenommen werden darf. Sowohl Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen.

Der Antragsteller hat hier jedoch im Ergebnis weder einen Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachten, aber für erwerbsfähige Hilfebedürftige eigentlich vorrangigen existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II gegenüber dem Beigeladenen (hierzu sogleich unter 1.) noch einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII gegen den Antragsgegner (hierzu unter 2.) glaubhaft gemacht. Im Einzelnen:

1.
Ein Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II gegenüber dem nach § 75 SGG beigeladenen Jobcenter ist nicht erkennbar. Vielmehr ist der Antragsteller als ein aktuell lediglich zur Arbeitssuche im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigter Unionsbürger von solchen Leistungen rechtlich ausgeschlossen.

Der am 03.10.1977 geborene Antragsteller, der rumänischer Staatsangehöriger ist, hat zwar seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II, und ist auch ein im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, denn er hat das 15. Lebensjahr vollendet, zugleich die für ihn nach § 7a SGB II maßgebliche Altersgrenze noch nicht erreicht hat, und ist mangels hinreichender entgegenstehender Anhaltspunkte in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, was ihm als Unionsbürger in Deutschland auch erlaubt ist (vgl. § 8 SGB II).

Der Antragsteller ist jedoch nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB II von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, da er sich nach seinem eigenem Vortrag zur Arbeitssuche im Bundesgebiet aufhält. Alternative Aufenthaltsgründe nach dem SGB II, dem FreizügG/EU oder dem Aufenthaltsgesetz, die den Antragsteller zum legalen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigen und zugleich dazu führen würden, dass ein Aufenthaltsrecht nicht nur zur Arbeitssuche vorläge und damit der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB II im Ergebnis nicht durchgreifen würde (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2013, B 4 AS 54/12 R, Rn. 27; juris), wurden – trotz Hinweises und entsprechender Auflage des Vorsitzenden vom 03.07.2017 – bis zuletzt nicht glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller ist aktuell insbesondere weder Arbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziff. 1 FreizügG/EU noch selbständig tätig im Sinne von § 2 Abs. 2 Ziff. 2 FreizügG/EU; es greift zu seinen Gunsten auch kein Fortwirkungstatbestand des § 2 Abs. 3 S. 1 FreizügG/EU ein. Der Arbeitnehmerstatus aufgrund seiner letzten abhängigen Beschäftigung, einer innerhalb der Probezeit durch den Arbeitgeber gekündigten Tätigkeit als Helfer in einem Hotel, die der Antragsteller vom 08.07.2016 bis 24.09.2016 ausübte, wirkt gegenwärtig nicht mehr fort.

Beim Antragsteller liegt auch kein verfestigter Aufenthalt i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II vor. Nach § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II, der seit dem 29.12.2016 u.a. eine Rückausnahme vom Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB II für nur arbeitssuchende Unionsbürger vorsieht, erhält u.a. Leistungen nach dem SGB II, wer seit mindestens fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, sofern kein Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 Freizüg/EU festgestellt wurde. Nach § 7 Abs. 1 S. 5 SGB II beginnt die Fünfjahresfrist mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Die ordnungsbehördliche Meldung ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut wie auch nach dem aus den Materialien ersichtlichen Willen des Gesetzgebers konstitutive Voraussetzung für den Lauf der Fünfjahresfrist, denn "durch die verpflichtende Meldung bei der Meldebehörde dokumentieren die Betroffenen ihre Verbindung zu Deutschland, die Voraussetzung für eine Aufenthaltsverfestigung ist" (BT-Drs. 18/10211, S. 14).

Beim Antragsteller fehlt es jedoch an der Erfüllung der zeitlichen Voraussetzung eines mindestens fünfjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet. Ausweislich der durch den Antragsteller selbst zur Akte gereichten erweiterten Meldebescheinigung des Bezirksamtes Neukölln von Berlin vom 24.01.2017 ist der Antragsteller erstmals am 27.11.2013 mit einem Wohnsitz in Berlin angemeldet worden. Selbst wenn man, entgegen der Vorgabe in § 7 Abs. 1 S. 5 SGB II, auf die Voraussetzung einer behördlichen Meldung verzichten wollte, ist hier kein für die Erfüllung der Fünfjahresfrist ausreichender Beginn des tatsächlichem Aufenthalts im Bundesgebiet glaubhaft gemacht, denn der Antragsteller hat selbst gegenüber dem Beigeladenen im Antrag vom 10.01.2017 angegeben, von Juni bis August 2012 als Wachmann in Rumänien tätig gewesen zu sein, und in der Antragsschrift wird ein Aufenthalt in Deutschland lediglich seit Dezember 2012 vorgetragen.

Mangels eines fünfjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet scheidet auch die Annahme eines Daueraufenthalts i.S.d. § 4a Freizüg/EU im Ergebnis aus.

Dem Antragsteller waren auch nicht aufgrund der Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusstatbestandes in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB II nach § 41a Abs. 7 SGB II (mWv 01.08.2016 durch G. v. 26.07.2016 BGBl. I S. 1824 eingefügt; früher § 328 Abs. 1 SGB III iVm § 40 SGB II) vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.

Zwar kann nach § 41a Abs. 7 SGB II über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen u.a. dann vorläufig entschieden werden, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches mit höherrangigem Recht, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht ist.

Die im hiesigen Verfahren entscheidungserhebliche Vorschrift, § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB II, ist jedoch gegenwärtig nicht Gegenstand eines Verfahrens am BVerfG, weswegen ein Anspruch in unmittelbarer Anwendung des § 41a Abs. 7 SGB II bereits aus diesem Grund ausscheiden dürfte (so auch SG München, Beschluss v. 26.05.2017, S 46 AS 843/17 ER).

Beim Bundesverfassungsgerichts ist aktuell (dortiges Az. 1 BvL 4/16) nur ein Verfahren anhängig zu der Frage, ob die Vorgängerregelung in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II a.F. mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar ist. Selbst wenn man dies angesichts der "Deckungsgleichheit" von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB II und § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II a.F. ausreichen lassen wollte, so könnte sich angesichts des in § 41a Abs. 7 SGB II vorgesehenen Ermessens ein Anspruch auf Leistungen nur dann ergeben, wenn eine Ermessensreduktion "auf Null" vorläge.

Für die Annahme einer Ermessensreduktion "auf Null" besteht kein Anlass. Insbesondere folgt diese nicht "automatisch" aus dem Existenzsicherungscharakter der in Rede stehenden Leistungen. Denn obgleich der Gesetzgeber um den existenzsichernden Charakter der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wusste und unterstellt werden darf, dass ihm die Auffassung, die wegen des existenzsichernden Charakters der Leistungen eine Ermessensreduktion "auf Null" bereits auf Grundlage des § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 40 SGB II annahm, bekannt war, hat er die Regelung des § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III in § 41a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II wieder als Ermessensnorm ausgestaltet.

Zudem ist nicht erkennbar, dass sich in Rechtsprechung und Literatur auch nur eine überwiegende Meinung dahingehend ausgebildet haben könnte, dass der Leistungsausschluss für arbeitssuchende EU-Bürger im SGB II – ohne Rückgriffmöglichkeit auf Leistungen der Sozialhilfe nach § 23 Abs. 1 SGB XII – verfassungswidrig ist. Der dies im Ergebnis zur Vorgängerregelung § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II a.F. unterstellenden Rechtsprechung des BSG seit dem 03.12.2015 waren von Anfang an zahlreiche Kammern und mindestens neun LSG-Senate ausdrücklich nicht gefolgt (siehe etwa SG Berlin, Urt. v. 11.12.2015, S 149 AS 7191/13; SG Berlin, Urt. v. 14.01.2016, S 26 AS 12515/13; SG Halle, Beschl. v. 22.01.2016, S 5 AS 4299/15 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.01.2016, L 29 AS 20/16 B ER; SG Dortmund, Beschl. v. 11.02.2016, S 35 AS 5396/15 ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.02.2016, L 3 AS 668/15 B ER; SG Berlin, Beschl. v. 22.02.2016, S 95 SO 3345/15 ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 22.02.2016, L 9 AS 1335/15 B ER; SG Berlin, Beschl. v. 02.03.2016, S 205 AS 1365/16 ER; LSG NRW, Beschl. v. 07.03.2016, L 12 SO 79/16 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen (Beschl. v. 07.03.2016, L 15 AS 185/15 B ER; SG Berlin, Beschl. v. 07.04.2016, S 92 SO 359/16 ER; SG Freiburg, Beschl. v. 14.04.2016, S 7 SO 773/16 ER; LSG Hamburg, Beschl. v. 14.04.2016, L 4 AS 76/16 B ER; SG Dortmund, Beschl. v. 18.04.2016, S 32 AS 380/16 ER; SG Berlin, Urt. v. 23.05.2016, S 135 AS 3655/13;· LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 07.07.2016, L 9 SO 12/16 B ER, L 9 SO 13/16 B PKH; SG Halle, Beschl. v. 08.08.2016, S 16 AS 2316/16 ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.08.2016, L 3 AS 376/16 B ER, Hessisches LSG, Beschl. v. 29.09.2016, L 9 AS 427/16 B).

Die 95. Kammer des Sozialgerichts Berlin ist vielmehr von der Verfassungsmäßigkeit der Ausschlussregelung in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB II – auch ohne Rückgriffmöglichkeit auf Leistungen der Sozialhilfe nach § 23 Abs. 1 SGB XII – überzeugt (so i.E. auch SG München, Beschl. v. 30.01.2017, S 40 AS 3074/16 ER; SG Dortmund, Beschl. v. 31.01.2017, S 62 SO 628/16 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.02.2017, L 23 SO 30/17 B ER; LSG NRW, Beschl. v. 16.03.2017, L 19 AS 190/17 B ER; SG Gelsenkirchen, Beschl. v. 07.03.2017, S 31 AS 370/ER; SG Köln, Beschl. v. 23.03.2017, S 4 AS 478/17 ER; SG München, Beschl. v. 26.05.2017, S 46 AS 843/17 ER), zumal der Gesetzgeber seit dem 29.12.2016 in § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII eigens besondere Überbrückungsleistungen bis zur Ausreise vorgesehen hat. Für die Bewilligung vorläufiger Leistungen besteht daher kein zwingender Grund. Dies gilt insbesondere für Unionsbürger, die grundsätzlich auf die Möglichkeit der Rückreise in den Herkunftsstaat zur Inanspruchnahme dortiger Sozialleistungen verwiesen werden können (LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.03.2017, L 5 AS 449/17 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 18.04.2017, L 13 AS 113/17 B ER; a.A. wohl LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 16.02.2017, L 8 SO344/16 B ER).

Ansprüche auf existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II scheiden daher insgesamt aus.

2.
Ebenso wenig sind Ansprüche des Antragstellers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, "Zuweisung" einer Wohnunterkunft oder Übernahme der Kosten für einen Unterkunftsplatz glaubhaft gemacht.

Einem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts steht nach Überzeugung der Kammer zum einen § 21 S. 1 SGB XII entgegen, denn der 39jährige Antragsteller ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte erwerbsfähig und damit dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. § 21 S. 1 SGB XII versperrt jedoch allen grundsätzlich erwerbsfähigen und deshalb eigentlich dem SGB II zuzuordnenden Leistungsberechtigten den Zugang zu Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (vgl. statt vieler SG Berlin, Beschl. v. 22.02.2016, S 95 SO 3345/15 ER, juris, Rn. 16 ff., mwN).

Zum anderen steht dem geltend gemachten SGB XII-Anspruch, spätestens seit dem 28.12.2016, § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII entgegen. Denn durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch" vom 22.12.2016 (BGBl. I, 3155) wurde – als Gegenreaktion auf die Rechtsprechungslinie des Bundessozialgerichts (insb. Urteile v. 03.12.2015, B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R, B 4 AS 43/15 R sowie Urteile v. 16.12.2015, B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R sowie Urt. v. 20.01.2016, B 14 AS 15/15 R), wonach u.a. den nur arbeitssuchenden Unionsbürgern auf Grundlage von § 23 Abs.1 S. 1 oder S. 3 SGB XII existenzsichernde Sozialhilfeleistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu gewähren sein sollten – nunmehr ausdrücklich in § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII klargestellt, dass u.a. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Nr. 2), keine Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII, mithin insbesondere keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, erhalten können.

Die Voraussetzungen für das Eingreifen der Rückausnahme bei einem mindestens fünfjährigen tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 23 Abs. 3 S. 7 SGB XII liegen, wie oben bereits zu § 7 Abs. 1 S. 4 SGB II ausgeführt, nicht vor.

Der Antragsteller kann daher im Ergebnis auch nicht vom Antragsgegner verlangen, dass er ihm eine Wohnunterkunft zuweist und die Kosten für diese Unterkunft übernimmt. Denn der Antragsteller kann als nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII insbesondere von dauerhaft existenzsichernden Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII und dem Vierten Kapitel des SGB XII ausgeschlossene Person gerade nicht beanspruchen, dass ihm zur Ermöglichung eines weiteren Daueraufenthalts eine Wohnunterkunft vermittelt und hierfür die laufenden Kosten übernommen werden. Ein Anspruch auf Zuweisung einer konkreten Wohnunterkunft ergibt sich insbesondere auch nicht aus §§ 67 ff. SGB XII als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Der Antragsteller könnte hierüber – unterstellt die übrigen Voraussetzungen des §§ 67 ff. SGB XII wären im Falle des Antragstellers erfüllt – allenfalls Unterstützung bei der Wohnungssuche erhalten. Dies hat er jedoch nicht begehrt.

Der Antragsteller könnte hier allenfalls nach § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII die Übernahme bestehender Unterkunftskosten als kurzfristige Überbrückungsleistungen (d.h. regelhaft für maximal einen Monat) bis zur Ausreise verlangen. Solche zur Überbrückung des Zeitraums bis zur Ausreise vorübergehend existenzsichernd wirkenden Leistungen gemäß § 23 Abs. 3 S. 3 bis S. 6 SGB XII sind hier, trotz Hinweises des Vorsitzenden mit der Eingangsbestätigung vom 26.06.2017, jedoch ebenso wenig beantragt worden, wie eine (darlehensweise) Kostenübernahme für die Rückreise gemäß § 23 Abs. 3a SGB XII. Da Überbrückungsleistungen gegenüber der Gewährung von laufenden existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII ein "aliud" und kein "minus" darstellen, können sie auch nicht ohne Weiteres in den Antrag auf Gewährung laufender Leistungen nach dem SGB XII "hineingelesen" werden (SG Dortmund, Beschl. v. 31.01.2017, S 62 SO 628/16 ER, juris). Dessen ungeachtet wären sie hier jedoch auch selbst bei einer entsprechenden Antragstellung nicht zu gewähren gewesen, da der Anspruch auf Überbrückungsleistungen zumindest einen Ausreisewillen voraussetzt (SG München, Beschl. v. 30.01.2017, S 40 AS 3074/16 ER, juris). Der hiesige Antragsteller will hier jedoch gerade nicht ausreisen. Er möchte vielmehr dauerhaft in Deutschland bleiben und auch seinen Unterkunftsbedarf dauerhaft decken.

3.
Abweichendes ergibt sich weder aus unions-, völker- oder verfassungsrechtlichen Vorgaben.

Der mit der Vorgängerregelung § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 a.F. SGB II identische Leistungsausschluss nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 lit. b n. F. SGB II ist unionsrechtskonform; dies ist seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache Alimanovic (Urt. v. 15.09.2015, C 67/14) abschließend geklärt.

Ein Anspruch auf Leistungen ergibt sich auch nicht aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, 564). Der Antragsteller ist als rumänischer Staatsbürger bereits nicht Angehöriger eines EFA-Vertragsstaates.

Die Kammer sieht auch keinen Anlass, an der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b SGB II zu zweifeln (so i.E. auch, SG München, Beschl. v. 30.01.2017, S 40 AS 3074/16 ER; SG Dortmund, Beschl. v. 31.01.2017, S 62 SO 628/16 ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.02.2017, L 23 SO 30/17 B ER; LSG NRW, Beschl. v. 16.03.2017, L 19 AS 190/17 B ER; SG Gelsenkirchen, Beschl. v. 07.03.2017, S 31 AS 370/ER; SG Köln, Beschl. v. 23.03.2017, S 4 AS 478/17 ER; SG München, Beschl. v. 26.05.2017, S 46 AS 843/17 ER; a.A. offenbar SG Kassel, Beschl. v. 15.02.2017, S 11 SO 9/17 ER, infoalso 2017, 134).

Der Gesetzgeber hat mit dem Leistungsausschluss von laufenden Leistungen für Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben oder die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, die Nachrangigkeit des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal Leistungsansprüche für diese Personengruppe damit nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich auf solche Hilfen beschränkt werden, die erforderlich sind, um die Betroffenen in die Lage zu versetzen, existenzsichernde Leistungen ihres Heimatlandes in Anspruch zu nehmen.

Der Gesetzgeber bewegt sich mit dieser Regelung innerhalb des Spielraums, welcher ihm bei der Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG eingeräumt ist.

Anders als dem Personenkreis, für den das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einen Anspruch auf laufende existenzsichernde Leistungen vermittelt, ist es Personen insbesondere aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Regel ohne weiteres möglich, kurzfristig in ihren Heimatstaat zurück zu reisen, um dort anderweitige Hilfemöglichkeiten zu aktivieren. Anders als bei Asylbewerbern kann sich bei Unionsbürgern daher die Gewährleistungsverpflichtung darin erschöpfen, sie bei ihren Selbsthilfebemühungen durch eingeschränkte Leistungen (z. B. Überbrückungsleistungen, Übernahme der Kosten der Rückreise) zu unterstützen. Denn für diese Ausländer liegt die Grundsicherungsverantwortung noch beim Herkunftsstaat (Hänlein, in Gagel, SGB II / SGB III, 65. EL März 2017, § 7 SGB II Rn. 73).

Die beiden wesentlichen gegen den Leistungsausschluss vorgebrachten Argumente (vgl. für eine umfassende Darstellung SG Mainz, Vorlagebeschl. v. 18.04.2016, S 3 AS 149/16, m. w. Nachw.), freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger könnten, wenn bzw. weil sie nicht ausgewiesen werden dürfen, nicht auf die Inanspruchnahme von Leistungen ihres Herkunftsmitgliedstaates verwiesen werden, und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG, Urt. v. 18.07.2012, 1 BvL 10/10) sei die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde nicht migrationspolitisch zu relativieren, vermögen die 95. Kammer des Sozialgerichts Berlin nach wie vor nicht zu überzeugen.

Der erste Einwand blendet insbesondere aus, dass die Freizügigkeitsberechtigung arbeitssuchender Unionsbürger nicht etwa verfassungsrechtlich, sondern vielmehr unionsrechtlich vermittelt wird.

Nach Unionsrecht aber war und ist es gerade zulässig, arbeitssuchende Unionsbürger von dauerhaft existenzsichernden Sozialleistungen im Aufnahmemitgliedstaat auszuschließen. Hierauf hatten sich die Mitgliedsstaaten, denen nach wie vor die originäre (Fürsorge-)Verantwortung für ihre eigenen Staatsbürger zukommt, durch Aufnahme der Ausnahmeregelungen des Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 in der sog. Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) geeinigt, denn mit der Inanspruchnahme von Freizügigkeit zum Zwecke der Arbeitssuche sollte nach dem Willen aller Mitgliedstaaten gerade nicht automatisch auch ein Anspruch auf Existenzsicherung einhergehen. Den pauschalen Leistungsausschluss für nur arbeitssuchende Unionsbürger hat der EuGH (Urt. v. 15.09.2015, C 67/14, "Alimanovic", insb. Rn. 57 f.) explizit als unionsrechtlich zulässig anerkannt.

Dass Unionsbürger, die nicht zugleich Arbeitnehmer oder Selbständige im Aufnahmemitgliedstaat sind, bei Inanspruchnahme ihres Freizügigkeitsrechts zur Arbeitssuche nicht in dem gleichen Umfang mit existenzsichernden Sozialleistungen versorgt werden müssen, wie Bürger des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats, hat seine Grundlage also in einem Übereinkommen aller Mitgliedsstaaten, und dürfte – wie sich u.a. an Bedingungen, wie der eigenen Fähigkeit zur Existenzsicherung bei längeren Aufenthalten als drei Monate (Art. 7 Abs. 1 lit. b der RL 2004/38/EG), oder der Maßgabe, dass Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch genommen werden sollten (vgl. Erwägungsgrund 10 und 16 der RL 2004/38/EG) deutlich zeigt – auch gleichsam "Geschäftsgrundlage" für die Freizügigkeitsgewährleistungen selbst gewesen sein.

Wer mithin als Angehöriger eines anderen Mitgliedstaates von seinem Freizügigkeitsrecht in diesem konkreten, durch das Unionsrecht gewährten Umfange – und das bedeutet im Falle eines Aufenthalts nur zur Arbeitssuche: kein Anspruch auf Sozialleistungen – Gebrauch machen möchte, der kann gerade nicht erwarten, dass der Aufnahmemitgliedstaat ihm dauerhaft existenzsichernde Sozialleistungen gewährt; es sei denn, der jeweilige Aufnahmemitgliedstaat hätte dies in seinen nationalen Gesetzen so vorgesehen. Deutschland hat dies nicht.

Der deutsche Gesetzgeber hat vielmehr die unionsrechtlich vorgesehenen Ausnahmen in der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) mit Aufnahme des Ausschlusstatbestands § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a.F. SGB II, heute § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. b n.F. SGB II, umsetzen wollen und auch umgesetzt (vgl. bereits BT-Drucks 16/5065 S. 234; BT-Drucks 16/688 S. 13).

Dies wurde, als Reaktion auf eine dieses gesetzgeberische Ziel konterkarierende Rechtsprechungslinie des Bundessozialgerichts, und unter Rekurs auf – auch unionsrechtlich (vgl. Erwägungsgrund 10, 16 der RL 2004/38/EG) legitime – fiskalische Gründe (BT-Drs. 18/10211, S. 1 f.) zuletzt nochmals klargestellt durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl. I, 3155).

Die unionsrechtlich legitimierte Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, seine Gewährleistungsverantwortung nicht in vollem Umfang auf lediglich zur Arbeitssuche aufhältige Unionsbürger zu erstrecken und diese nicht wie eigene Staatsbürger mit existenzsichernden Sozialleistungen zu versorgen, haben Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten zu respektieren, wenn sie zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen. Zumindest aber machen sie sehenden Auges von ihrer Freizügigkeit unter dieser – unionsrechtlich zulässigen – Prämisse, nämlich einer nur eingeschränkten Sozialleistungsberechtigung, Gebrauch.

Vor diesem Hintergrund vermag es nicht einzuleuchten, weswegen es per se unzulässig sein sollte, einem erwerbsfähigen arbeitssuchenden Unionsbürger grundsätzlich keine einen Daueraufenthalt in Deutschland ermöglichenden existenzsichernden Sozialleistungen zur Verfügung zu stellen, sondern ihn zur Sicherstellung seines verfassungsrechtlich zu gewährleistenden Existenzminimums nur noch insoweit mit solchen Leistungen zu versorgen, wie dies zur Organisation und Durchführung der Rückreise unerlässlich ist, und ihn im Übrigen auf die Inanspruchnahme der Sozialleistungen seines Herkunftsstaates zu verweisen (so auch u.a. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 07.07.2016, L 9 SO 12/16 B ER LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 17.03.2016, L 9 AS 1580/15 B ER; LSG NRW, Beschl. v. 07.03.2016, L 12 SO 79/16 B ER). Auch nach der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG ist der Verweis auf eine Bedarfsdeckung im Ausland zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums keine a priori ausgeschlossene Option (BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 04.10.2016, 1 BvR 2778/13, Rn. 8, juris).

Der zweite Einwand, der auf die Vorgabe des BVerfG hinweist, wonach die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde nicht migrationspolitisch zu relativieren sei, blendet aus, in welchem Kontext diese Aussage steht bzw. entstanden ist.

Gegenstand der Entscheidung des BVerfG war die seinerzeitige (unzureichende) Leistungshöhe des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG). Das BVerfG war in seiner Entscheidung zu der Einschätzung gelangt, dass die Höhe der Geldleistungen nach § 3 AsylbLG evident unzureichend seien, weil sie seit 1993 nicht verändert worden waren und im Übrigen auch unter dem Niveau von existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII lagen. In diesem Kontext führte das BVerfG in Rn. 95 der Entscheidung aus, dass es nicht zulässig sei, Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden; das Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum sei damit nicht zu rechtfertigen.

Diese Erwägungen im Hinblick auf die Leistungshöhe des AsylbLG a.F. teilt die Kammer. Allerdings ergeben sich nach Überzeugung der Kammer hieraus weder für den Gesetzgeber, noch für die Gerichte konkrete verfassungsrechtliche Vorgaben im Hinblick auf das "ob" einer Leistungsgewährung an lediglich zur Arbeitssuche aufhältige Unionsbürger.

Denn die Situation eines Unionsbürgers, der von seiner Freizügigkeit zur Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedstaat Gebrauch macht, ist bereits deshalb nicht mit der eines Asylbewerbers oder Flüchtlings vergleichbar, da ersterer nicht vor Krieg oder individueller Verfolgung flieht und regelmäßig ohne Gefahr für Leib und Leben in sein Herkunftsland zurückkehren kann, um dort existenzsichernde Leistungen zu beziehen. Auch derjenige, der allein wegen Abschiebungshindernissen (z. B. Passlosigkeit) weiter im Bundesgebiet verbleibt und deshalb Leistungen nach dem AsylbLG bezieht, befindet sich evident in einer anderen Situation als ein Unionsbürger, der jederzeit ohne bürokratische Hürden den Grenzübertritt bewältigen kann.

Aus der vorgenannten Rechtsprechung des BVerfG zum AsylbLG lassen sich daher wegen des spezifischen Kontexts der dort getroffenen Aussagen und der fehlenden Vergleichbarkeit der betroffenen Personengruppen keine zwingenden Vorgaben für die Frage nach der SGB II- oder SGB XII-Leistungsberechtigung von Unionsbürgern herleiten; insbesondere ergibt sich keine Notwendigkeit für eine verfassungskonforme Auslegung der im SGB II und SGB XII geregelten Ausschlusstatbestände (so auch u.a. LSG NRW, Beschl. v. 07.03.2016, L 12 SO 79/16 B ER, LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 11.08.2016, L 3 AS 376/16 B ER; LSG Hamburg, Beschl. v. 14.04.2016, L 4 AS 76/16 B ER).

Auch dem hiesigen Antragsteller steht es offen, Sozialleistungen seines Herkunftsmitgliedsstaates Rumänien in Anspruch zu nehmen. Dies ist ihm auch zuzumuten. Denn bei Rumänien handelt es sich um einen EU-Mitgliedstaat, dem bei Geltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nach Art. 43 seiner Verfassung (www.verfassungen.eu/ro) die Gewährleistung eines "anständigen Lebensniveaus" für seine Staatsbürger obliegt und der dem Grunde nach verpflichtet ist, ärztlichen Beistand und Arbeitslosenunterstützung zu leisten. Es erschiene widersprüchlich, einerseits Rumänien als Mitgliedstaat der EU als sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a Abs. 2 Asylgesetzes einzuordnen und demnach eine Abschiebung von Asylbewerbern in diesen Staat und deren Aufenthalt dort grundsätzlich für zumutbar zu halten, andererseits aber für rumänische Staatsangehörige – die sich regelmäßig allein qua originärer Sprach- und Kulturkenntnisse in Rumänien besser zurecht finden dürften als Asylbewerber aus anderen, regelmäßig außereuropäischen Staaten – annehmen zu müssen, dass diesen unzumutbare Nachteile drohen, wenn sie zum Zwecke der Existenzsicherung in ihren Herkunftsstaat zurückkehren und nicht existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII im Bundesgebiet beziehen dürfen (s. i.E. bereits SG Halle (Saale), Beschl. v. 22.01.2016, S 5 AS 4299/15 ER, Rn. 22, juris). Überlegungen, inwiefern ein Hilfebedürftiger in seinem Herkunftsland das Existenzminimum nach deutschen Maßstäben sichern kann, sind in diesem Zusammenhang nicht anzustellen (LSG NRW, Beschl. v. 07.03.2016, L 12 SO 79/16 B ER, Rn. 36, juris); auch im Ausländerrecht führt eine nachteilige wirtschaftliche Situation im Herkunftsland nicht automatisch zur Gewährung eines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet oder einem Schutz vor Abschiebung (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 06.09.2007, 11 A 633/05 A -, Rn. 28 ff., juris, zur Zumutbarkeit einer Abschiebung nach Sierra Leone trotz fehlender sozialer Sicherungssysteme und einer Arbeitslosenquote von 65-70 %).

Nach alledem konnten die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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