S 133 SF 900/16 E

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
133
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 133 SF 900/16 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die auf Grund eines noch nicht rechtskräftigen Kostenfestsetzungsbeschlusses (vorläufig) erstatteten Kosten sind, sofern nach Abänderung oder Aufhebung im Erinnerungsverfahren eine geringere Kostenerstattung festgesetzt wird, im Umfang der tatsächlichen Überzahlung im vereinfachten Kosten(rück)festsetzungsverfahren nach § 197 SGG i.V.m. § 104 ZPO der (Rück)festsetzung fähig.

Materiell-rechtliche Einwendungen sind auch im Kosten(rück)festsetzungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich.

Allein entscheidend ist, dass der erstattungsberechtigte Beteiligte die Kosten im Verlaufe des Rechtsstreits tatsächlich gezahlt hat. Auf die genaueren Umstände der Zahlung, wie z.B. einer förmlichen Festsetzung oder einem Rückforderungsvorbehalt kommt es nicht an.

In den Fällen, in denen der Rechtsanwalt nach § 126 Abs. 1 ZPO die Kostenfestsetzung im eigenen Namen betrieben hat, findet die Kosten(rück)festsetzung ebenfalls in diesem Rechtsverhältnis statt und der Rechtsanwalt hat die Kosten an den Gegner zu erstatten.
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts vom 2. August 2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor klarstellend wie folgt gefasst wird: "Die von dem Kläger [hier: Erinnerungsführer] dem Beklagten [hier: Erinnerungsgegner] zu erstattenden Kosten werden auf 303,62 EUR festgesetzt. Dieser Betrag ist ab dem 9. Juni 2016 mit Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen." Kosten für das Erinnerungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Erinnerungsführer führte unter anwaltlicher Vertretung durch seinen Prozessbevollmächtigten u.a. das vormalige Klageverfahren zum Az. S 34 AS 15392/12. Mit der am 12. Juni 2012 erhobenen Klage begehrte er die Aufhebung des den Antrag auf Erstattung von Kosten für die Anreise zu einem Bewerbungsgespräch ablehnenden Bescheides sowie die Verpflichtung des Erinnerungsgegners zu einer Neubescheidung seines Antrages. Mit Schriftsatz vom 30. September 2013 hob der Erinnerungsgegner den angegriffenen Ablehnungsbescheid nach richterlichem Hinweis aus formalen Gründen auf. Daraufhin teilte der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2013 mit, er nehme "das Anerkenntnis" an und erklärte "das Verfahren insoweit für erledigt". Mit Schriftsatz vom 11. November 2013 (eingegangen bei Gericht am 13. November 2013) erkannte der Erinnerungsgegner seine Kostentragungspflicht dem Grunde nach an. Bereits unter dem 31. Oktober 2013 hatte der Erinnerungsführer durch seinen Prozessbevollmächtigten die Kostenerstattung wie folgt beantragt:

Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG 240,00 EUR Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG 40,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) 123,50 EUR Summe 773,50 EUR

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts setzte mit Beschluss vom 28. April 2014 die zu erstattenden Kosten wie beantragt fest. Am 8. Juli 2014 zahlte der Erinnerungsgegner, nachdem der Erinnerungsführer eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses beantragt hatte, einen Betrag in Höhe von 795,78 EUR (773,50 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 22,28 EUR für die Zeit 13. November 2013 bis 8. Juli 2014) an den Erinnerungsführer. Auf die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegte Erinnerung des Erinnerungsgegners vom 20. Mai 2014 wurden im Verfahren zum Az. S 187 SF 3015/14 E mit Beschluss vom 8. April 2016 die zu erstattenden Kosten später auf insgesamt 478,38 EUR wie folgt festgesetzt, wobei die Kammer die Bemessung ausdrücklich auf die "erheblich unterdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit" mit einem Begehren von "Fahrtkosten für eine einfache Fahrt von 25 km" gestützt hat:

Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG 140,00 EUR Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 102,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 120,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG 40,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) 76,38 EUR Summe 478,38 EUR

Dieser Beschluss ist rechtskräftig. Im Folgenden lehnte es der Erinnerungsführer ab, die so entstandene Überzahlung an den Erinnerungsgegner wieder auszukehren.

Hierauf beantragte der Erinnerungsgegner unter dem 3. Juni 2016 (eingegangen am 9. Juni 2016) die Kosten(rück)festetzung. Der Erinnerungsführer habe Anspruch auf lediglich 492,16 EUR (478,39 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 13,78 EUR für die Zeit vom 13. November 2013 bis 8. Juli 2014). Unter Berücksichtigung der früher erfolgten Zahlung in Höhe von 795,78 EUR ergebe sich ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 303,62 EUR. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts folgte diesem Antrag und setzte die Kosten(rück)erstattungsverpflichtung des Erinnerungsführers zu Gunsten des Erinnerungsgegners mit Beschluss vom 2. August 2016 entsprechend fest. Hiergegen legte der Erinnerungsführer unter dem 29. August 2016 Erinnerung ein. Er trägt hierzu vor, der Anspruch des Erinnerungsgegners sei nach § 107 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) verfallen, da mehr als ein Monat zwischen dem herabsetzenden Beschluss im Verfahren zum Az. S 187 SF 3015/14 E und dem (Rück)fest¬setzungsantrag gelegen habe.

II.

Die zulässige Erinnerung vom 29. August 2016 hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat der angegriffene Beschluss den Erinnerungsführer im Wege der Kosten(rück)festsetzung zur Zahlung von 303,62 EUR nebst Zinsen an den Erinnerungsgegner verpflichtet.

Nach Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts kann der Begünstigte –wie hier geschehen- sofort die Auszahlung verlangen bzw. die Zwangsvollstreckung betreiben, ohne dass Rechtskraft abzuwarten wäre. Die Einlegung der Erinnerung hat keine aufschiebende Wirkung, da diese vom Gesetz nicht vorgesehen ist, vgl. §§ 199 Abs. 1 Nr. 4; 197 i.V.m. 178, 175 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Für die Fälle, in denen es im nachfolgenden Erinnerungsverfahren –wie hier- sodann zu einer geringeren Festsetzung der zu erstattenden Kosten kommt, hat der zunächst seiner (vorläufigen) Zahlungsverpflichtung nachkommende Beteiligte dann materiellrechtlich einen Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Beträge nach § 717 Abs. 2 ZPO.

Neben den Möglichkeiten der klageweisen Geltendmachung nach den Alternativen des § 717 Abs. 2 ZPO war auch vor der erfolgten Neuregelung des § 91 ZPO mit Anfügung des Absatzes 4 mit dem Ersten Gesetz zu Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl. I, Seite 2198ff.) in der Rechtsprechung weitgehend anerkannt, dass für die überzahlten Beträge ein entsprechender Festsetzungstitel auch in einem vereinfachten Kosten(rück)fest-setzungsverfahren geschaffen werden kann. Diesem Institut ist mit Wirkung vom 1. September 2004 durch § 91 Abs. 4 ZPO eine gesetzliche Grundlage gegeben und dessen Anwendung neu geregelt worden.

Die Regelung des § 91 Abs. 4 ZPO bewirkt nunmehr, dass zu den Kosten des Rechtsstreits, die von § 103 ZPO gedeckt sind und damit der vereinfachten Kostenfestsetzung nach §§ 104ff. ZPO fähig sind, auch diejenigen Kosten zählen, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat. Ohne diese Regelung fehlte für die Rückforderung im Festsetzungsverfahren nach §§ 103ff. ZPO der erforderliche Titel, der letztlich durch die Klage nach § 717 Abs. 2 ZPO hätte erlangt werden müssen. Die Kostengrund¬entscheidung hat vor Einführung des § 91 Abs. 4 ZPO die überzahlten Beträge nicht umfasst, da mit der Kostenfestsetzung nach § 103ff. ZPO nur die Kosten des antragstellenden Beteiligten titulierbar gewesen sind. Die vorläufig gezahlten und zur Rückerstattung anstehenden Beträge waren bis zur Neuregelung des § 91 Abs. 4 ZPO eben keine Kosten des Rechtsstreits, also solche, die zur eigenen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nach § 91 ZPO aufgewendet wurden. Bei den überzahlten Beträgen handelt es sich indes um die Kosten des Gegners (Schmidt-Räntsch, MDR 2004, 1329, 1330 m.w.N.).

Da der Gesetzgeber keinen sachlichen Grund darin sah, weshalb der Gläubiger seinen Kostenerstattungsanspruch auf Grund eines vorläufig vollstreckbaren Titels im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren geltend machen kann und dem vorläufig zahlenden Schuldner nach Änderung dieses Titels mit (Teil)stattgabe im Erinnerungsverfahren dieser einfache Weg versperrt und er auf die Klage nach § 717 Abs. 2 ZPO zu verweisen sein soll, um an den nach § 103 Abs. 1 ZPO erforderlichen Titel zu gelangen (vgl. BT-Drs. 15/1508, S. 16), ist mit § 91 Abs. 4 ZPO das "übergeordnete Prinzip der Waffengleichheit" (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. November 2012, Az. VI ZB 64/11; Schmidt-Räntsch, MDR 2004, 1329) eingeführt worden. Dies bedeutet gleichzeitig, dass auch die Geltendmachung materiell-rechtlicher Einreden im Kosten(rück)festsetzungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen sind, da diese bei der Kostenfestsetzung ebenfalls grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (vgl. Oberlandesgericht München, Beschluss vom 30. August 2005, Az. 11 W 1695/05 und 11 W 1696/05; Schmidt-Räntsch, MDR 2004, 1329, 1331; Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 104 ZPO, Rn. 21; Jaspersen in: BeckOK ZPO, § 104 ZPO Rn. 83 m.w.N.).

Danach sind die auf Grund eines Kostenfestsetzungsbeschlusses, der nachfolgend im Erinnerungsverfahren abgeändert oder gar aufgehoben wird, (vorläufig) erstatteten Kosten nach § 91 Abs. 4 ZPO nunmehr von der Kostengrundentscheidung des Rechtsstreits umfasst, so dass auch hierfür eine Kostengrundentscheidung und damit ein Titel nach § 103 Abs. 1 ZPO vorliegt. In Folge dessen kann der zunächst zahlende Kostenschuldner die letztlich überzahlten Beträge nach §§ 104ff. ZPO (rück)festsetzen lassen. Das (Rück)festsetzungsverfahren ist somit das Spiegelbild zur vormaligen Festsetzung.

Vorliegend hat der Erinnerungsgegner an den Erinnerungsführer im Zuge der Kostenfestsetzung vom 28. April 2014 einen Betrag in Höhe von 795,78 EUR (773,50 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 22,28 EUR für die Zeit vom 13. November 2013 bis 8. Juli 2014) gezahlt. Anspruch hat der Erinnerungsführer nach dem rechtskräftigen Beschluss im Erinnerungsverfahren zum Az. S 187 SF 3015/14 E vom 8. April 2016 lediglich auf 492,16 EUR (478,39 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 13,78 EUR für die Zeit vom 13. November 2013 bis 8. Juli 2014). Damit ergibt sich eine Differenz in Höhe von 303,62 EUR, die von dem Erinnerungsführer an den Erinnerungsgegner zurückzahlen und daher hier festzusetzen ist.

Entsprechend hätte der Rechtsanwalt, der die (vorläufige) Einziehung der Kostenerstattung in eigenem Namen nach § 126 Abs. 1 ZPO betrieben hat –was hier nicht der Fall war-, nach Rückfestsetzung gegen ihn die überzahlten Beträge an den Gegner zu erstatten (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. November 2012, Az. VI ZB 64/11).

Mit der Geltendmachung des Verfalls nach § 107 Abs. 2 ZPO kann der Erinnerungsführer hier nicht gehört werden. Danach ist in Fällen in denen nach der Kostenfestsetzung eine Entscheidung ergeht, durch die der Wert des Streitgegenstandes festgesetzt wird, falls diese Entscheidung von der Wertberechnung abweicht, die der Kostenfestsetzung zugrunde liegt, auf Antrag die Kostenfestsetzung entsprechend abzuändern. Dieser Antrag ist binnen der Frist von einem Monat anzubringen. Ein solcher Fall liegt hier indes schon deshalb nicht vor, weil in Fällen wie dem vorliegenden ein Streitwert nicht festzusetzen ist, da Betragsrahmengebühren entstehen, § 3 Abs. 1 Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) i.V.m. § 183 SGG.

Auch ist es für eine Kosten(rück)festsetzung nicht erforderlich, dass sich der nunmehr erstattungsberechtigte Beteiligte die Rückforderung bei Zahlung vorbehalten hat oder nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung oder auf Grund einer solchen gezahlt hat. Nach dem Wortlaut des § 91 Abs. 4 ZPO ist ausreichend, dass es sich um Kosten handelt, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits tatsächlich gezahlt hat (so auch: Oberlandesgericht München, Beschluss vom 30. August 2005, Az. 11 W 1695/05 und 11 W 1696/05; Schmidt-Räntsch, MDR 2004, 1329, 1331). Die genaueren Umstände der Zahlung, z.B. ob überhaupt eine förmliche Festsetzung erfolgte, sind dabei unerheblich (so auch: Jaspersen in: BeckOK ZPO, § 104 ZPO Rn. 82.1). Ebenso unerheblich ist es, ob die ursprüngliche Kostenfestsetzung, die zu einer vorläufigen Zahlung führte, rechtlich beanstandungsfrei gewesen ist (vgl. Schmidt-Räntsch, MDR 2004, 1329, 1331). Ob die ursprüngliche Kostenfestsetzung hier rechtsfehlerfrei war, könnte durchaus zweifelhaft sein, weil eine sog. fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziffer 3. VV RVG gar nicht entstanden sein dürfte (vgl. zu dieser Frage die ständige Rechtsprechung der mit Kostensachen befassten Kammern des Sozialgerichts Berlin in: Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 26. Januar 2009, Az. S 165 SF 15/09 E). Das Verfahren endete nicht durch Annahme eines vollständigen Anerkenntnisses, sondern wurde nach lediglich teilweiser Entsprechung (es erfolgte nur die Aufhebung des angegriffenen Bescheides, ohne dass die begehrte Neubescheidung weiterverfolgt wurde) des Begehrens durch den Erinnerungsgegner einseitig durch den Erinnerungsführer für erledigt erklärt. Hierauf kommt es indes für die Rückfestsetzung nicht an.

Die Zinsentscheidung beruht auf § 197 Abs. 1 S. 2 SGG i.V.m. § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung für das Erinnerungsverfahren beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens. Anhaltspunkte für eine abweichende Entscheidung sind nicht ersichtlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 197 Abs. 2, 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved