S 4 SB 1221/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 SB 1221/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 SB 410/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin (d. Kl.) begehrt von der Beklagten (d. Bekl.) die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 30.

Am 01.03.2013 beantragte d. Kl. die Feststellung eines GdB nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) IX.

Mit Bescheid vom 17.05.2013 erklärte d. Bekl. nach Beiziehung von Berichten der behandelnden Ärzte , dass ein (Gesamt-) GdB von 30 gegeben sei.

Hiergegen erhob d. Kl. Widerspruch.

Den Widerspruch wies d. Bekl. durch Widerspruchsbescheid vom 25.06.2013 zurück. D. Bekl. beurteilte dabei (ausweislich Blatt 8 der Verwaltungsakte) die Erkrankungen d. Kl. wie folgt: - seelische Erkrankung Einzel-GdB 20 - Bluthochdruck Einzel-GdB 20 Gesamt-GdB 30 ab Antrag.

Dagegen hat d. Kl. am 11.07.2013 Klage erhoben.

D. Kl. begründet die Klage damit, die vorliegenden Erkrankungen insbesondere auf internistischem und nervenärztlichem Gebiet seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Den Berichten der behandelnden Ärzte und Therapeuten würde nicht ausreichend Rechnung getragen.

D. Kl. beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Bekl. unter Abänderung des Bescheides vom 01.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2013 zu verpflichten, ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50, hilfsweise mehr 30 zuzuerkennen. D. Bekl. beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

D. Bekl. hält die getroffenen Entscheidungen für zutreffend. Sie seien durch alle gutachterlichen Feststellungen bestätigt worden.

Das Gericht hat informatorisch gemäß §§ 103, 106 SGG Befundberichte der d. Kl. behandelnden Ärzte beigezogen.

Das Gericht hat gutachterlichen Beweis erhoben (§ 106 Abs. 3 SGG, §§ 402 ff ZPO).

Es ließ dazu d. Kl. zunächst begutachten durch den Internisten G (als Hauptgutachter) und den Facharzt für Psychiatrie L. Diese Sachverständigen stellten folgende Diagnosen: - Hypertensive Herzerkrankung mit erhaltener systolischer Herzfunktion Einzel-GdB 20 - Leichtgradige rezidivierende depressive Störung mit phasenweise auftretenden Befürchtungsängsten Einzel-GdB 20 Daraus ergäbe sich ein Gesamt-GdB von 30.

In ergänzenden Stellungnahmen sind G und Herr L bei ihren Beurteilungen geblieben.

Das Gericht hat ein weiteres Gutachten eingeholt, nun von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie S. Er stellt folgende Diagnosen: - Angst und Depression, gemischt (F41.2), als leichtere psychische Störung Einzel-GdB 20 - Fachfremd, wie im Gutachten des Herrn G vom 22.04.2014 (Blatt 43 ff. GA beschrieben: Hypertensive Herzerkrankung mit erhaltener systolischer Herzfunktion, Einzel-GdB 20. Der Gesamtgrad der Behinderung werde auf 30 geschätzt.

D. Kl. trug vor, es sei jetzt noch ein Nierenleiden hinzugetreten.

Eine vom Gericht daraufhin angeordnete weitere internistische Begutachtung, nun durch den Arzt T, lehnte d. Kl. ab, auch nach Hinweis des Gerichtes, dass allein Berichte behandelnder Ärzte nicht geeignet seien, einen höheren GdB ausreichend objektiv zu beweisen. Sie möchte keine weiteren Gutachtertermine.

D. Kl. teilte des weiteren mit, gegenüber einem Bericht vom Oktober 2015 habe sich an ihren Laborwerten nichts geändert.

Das Gericht hat daraufhin ein weiteres internistisches Gutachten, nun nach Aktenlage, eingeholt von dem Arzt für Innere und Allgemeine sowie Sport - Medizin P. Dieser stellt folgende Diagnosen:

1. Bluthochdruck-Erkrankung mit Rückwirkung auf das Herz (ICD: I10.90) 2. Diabetes mellitus, mit Diät behandelt (IDC: E11.90) 3. Nieren-Leistungsschwäche (ICD: N 18.89) 4. Angst und Depression gemischt, leichte psychische Störung

Daraus ergäben sich folgende Einzel-GdB, auch nach Funktionssystemen:

1. Funktionssystem Herz/Kreislauf GdB 20 (Bluthochdruck-Erkrankung mit Rückwirkung auf das Herz GdB 20) 2. Funktionssystem Stoffwechsel GdB 0 (Diabetes mellitus, mit Diät behandelt GdB 0) 3. Funktionssystem Ableitende Harnwege GdB 0 (Nieren-Leistungsschwäche GdB 0) 4. Funktionssystem Gehirn / Psyche GdB 20 (Angst und Depression gemischt, leichte psychische Störung GdB 20)

Daraus folge (weiterhin) ein Gesamt-GdB von 30.

Mit Schreiben vom 15.09.2016 hat das Gericht die Beteiligten dazu angehört, durch Gerichtsbescheid entscheiden und die Klage abweisen zu wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid wie angekündigt entscheiden, nachdem die Beteiligten zu dieser Entscheidungsmöglichkeit angehört wurden und Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Die Einwände d. Kl. begründen kein Vetorecht.

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.

Die Klage ist jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist nämlich rechtmäßig und verletzt d. Kl. nicht in ihren Rechten, soweit d. Bekl. die Feststellung eines höheren (Gesamt-) GdB als 30 abgelehnt hat. D. Kl. hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren (Gesamt-) GdB, der mehr als 30 beträgt.

Zur Meidung unnötiger Wiederholungen nimmt das Sozialgericht gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug auf die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden, erklärt diese für richtig und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend führt das Gericht noch folgendes aus:

Nach § 69 Abs. 2 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten (bis 14.01.2015 nach der Rechtsprechung auch ohne ausdrückliche Regelung) die im Rahmen des § 30 Abs 1 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) festgelegten Maßstäbe entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Den Entscheidungen gemäß § 69 SGB IX waren im Einzelnen bis zum 31.12.2008 die " Anhaltspunkte" für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht" - AHP – zugrundezulegen, und sind ab dem 01.01.2009 die Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VMG – (abgedruckt als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin - Verordnung vom 10.12.2008, BGBl. I Nr. 57 vom 15.12.2008, in den Fassungen der Zweiten Verordnung zur Änderung vom 14.7.2010,BGBl. 2010, Teil I Nr. 37 vom 21.7.2010 und der Dritten Verordnung zur Änderung vom 17.12.2010,BGBl. 2010 Teil I Nr. 66 vom 22.12.2010 und der Vierten Verordnung vom 28.10.2011,BGBl. 2011 Teil I Nr. 55 vom 04.11.2011 und der Fünften Verordnung vom 11.10.2012,BGBl. 2012 Teil I Nr. 47 vom 16.10.2012) zugrunde zu legen (den Gesetzescharakter der VMG , auch bezüglich Teil A und B – also bezüglich des GdB - und bezüglich Teil D – also bezüglich der Merkzeichen , – ausdrücklich klarstellend jetzt auch § 70 Abs. 2, § 159 Abs. 7 SGB IX in der ab 15.01.2015 geltenden Fassung vom 07.01.2015).

Nach den VMG (vgl. hierzu im Einzelnen Teil A Nr. 3, S. 10) ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die einzelnen Werte dürfen jedoch nicht addiert werden. Zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen regelmäßig nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Vorliegend ist mit den bei d. Kl. vorliegenden Leiden und damit verbundenen Funktionseinschränkungen, wie sie sich im Wesentlichen und im Einzelnen aus den Gutachten ergeben, ein (Gesamt-) GdB von 30 gegeben. Dies hat sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Gesamtergebnis des Verwaltungs- und Streitverfahrens ergeben, insbesondere aus den schlüssigen und überzeugend begründeten Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen. Die Gutachten von G, Herrn L und S sind aufgrund umfassender Untersuchung d. Kl. nach ausführlicher Anamnese- und Befunderhebung und unter Berücksichtigung sämtlicher in den Akten befindlicher medizinischer Unterlagen erstellt worden. Der weitere Gutachter P hat den gesamten Sachverhalt dann nochmals unter Berücksichtigung sämtlicher Unterlagen nach Aktenlage untersucht und beurteilt, nachdem d. Kl. weitere Untersuchungen trotz Hinweisen des Gerichts ablehnte, und nun auch die neueren Unterlagen zum Nierenleiden berücksichtigt. Das Gericht hatte letztlich keine Bedenken mehr, sich den Ausführungen der nunmehr 4 (vier) Sachverständigen vollinhaltlich anzuschließen und sie zur Grundlage seiner medizinischen Beurteilung zu machen, zumal sie alle im Wesentlichen zur gleichen Beurteilung kommen, welche Erkrankungen und Funktionseinschränkungen und GdB jeweils vorliegen. Die Gutachter sind dem Gericht zudem als besonders erfahrene Sachverständige auf dem Gebiet der Beurteilung nach dem Schwerbehindertenrecht bekannt. Die Bewertung - der Einzel-Grade der Behinderungen, wie auch die Bildung des Gesamt-GdB - orientiert sich auch zutreffend an Teil A und B der VMG.

Aus den obigen Ausführungen folgt so zunächst, dass die gutachterlich festgestellten Einzel-GdB von lediglich 10 (oder weniger) an der Bildung des Gesamt-GdB schon nicht teilhaben. Die inzwischen hinzugetretene Nierenschwäche begründet also derzeit noch keinen relevanten Einzel-GdB, wie sich aus dem Gutachten des P – insoweit noch Einzel-GdB 0 (Null) - ergibt, und vermag deshalb den Gesamt-GdB nicht zu beeinflussen bzw,. zu erhöhen.

Es liegen damit hier nur 2 wesentliche Einzel-GdB - von 20 für das Funktionssystem Herz/Kreislauf und 20 für das Funktionssystem Gehirn/Psyche - vor, aus denen wegen des oben genannten Additionsverbotes kein höherer Gesamt-GdB als 30 gebildet werden kann. Die Bewertung der Einzel-GdB für diese internistischen und neurologisch-psychiatrischen Leiden mit jeweils 20 ist auch nicht zu beanstanden; inzwischen sind schon vier unabhängige Gutachter zu denselben Ergebnissen gekommen, so dass die Bewertung behandelnder Ärzte und Therapeuten zurückzutreten hat. Zur nicht ausschlaggebenden (bzw. gerichtlichen Gutachten nur untergeordneten) Bedeutung von Berichten behandelnder Ärzte wird im Übrigen Bezug genommen auf den Artikel von Hausotter (Deut¬sches Ärzteblatt 1996, Heft 22, 04.06.1999).

Den im Einzelnen begründeten Gutachten ist d. Kl. somit mit der Behauptung, den Gesamt-GdB bzw. die einzelnen GdB für fehlbewertet zu halten, nicht substanziiert entgegengetreten. Durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Gutachten liegen daher nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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