L 1 KR 120/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 82/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 120/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RE 4/17 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht.

Die 1968 geborene Klägerin ist approbierte Tierärztin und seit dem 1. Mai 2013 Pflichtmitglied der Landestierärztekammer Hessen (Beigeladene zu 3.) und des Versorgungswerkes der Landestierärztekammer Hessen (Beigeladene zu 1.).

Die Beigeladene zu 2.) ist ein pharmazeutisches Unternehmen, produziert und vertreibt weltweit eine breite Palette von plasmabasierten und rekombinanten Therapeutika und hat sich auf die Herstellung und Entwicklung von Plasmaprotein-Biotherapeutika spezialisiert, die u.a. in den Indikationsgebieten Gerinnungsstörungen, Immundefekte, Wundheilung und Intensivmedizin eingesetzt werden.

Am 15. Januar 2013 schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 2.) einen Arbeitsvertrag. Danach war die Klägerin ab 1. Mai 2013 bei der Beigeladenen zu 2.) als Teamleiterin für die Qualitätssicherung und Sicherheit bei der Herstellung von Blutgerinnungsmitteln in Form so genannter rekombinanter Blutgerinnungsfaktoren beschäftigt ("Senior Manager, Biotech Quality Team Lead (Leitende Position im Qualitätsmanagement für Biotech Produkte", nachfolgende Funktionsbezeichnung: "Biotech Quality Team Lead/Gruppenleiterin Biotech Quality"). Der Klägerin obliegt es, die nationalen und europäischen Sicherheits- und Qualitätsstandards bei der Herstellung rekombinanter Blutgerinnungsfaktoren zu überwachen. Rekombinante Blutgerinnungsfaktoren sind gentechnologisch hergestellte Analoga von im menschlichen Blut vorkommenden Gerinnungsfaktoren. Die Herstellung rekombinanter Gerinnungsfaktoren erfolgt mit Zellen, denen das menschliche Gen für die Expression des entsprechenden Gerinnungsfaktors eingesetzt wurde. Besonders geeignet sind etwa Nierenzellen des Babyhamsters (BHK-21-Zellen) oder Ovarialzellen des chinesischen Hamsters (CHO-Zellen) (wikipedia). Die Klägerin hat dabei im Einzelnen folgende Aufgaben: - Sicherstellung von Qualität und Sicherheit der biotechnologischen Produkte zum Wohle der Patienten durch die Sicherstellung der "current Good Manufacturing Practices (cGMP)" und weiteren regulatorischen Anforderungen, - Verbesserung und Nachverfolgung der "Corrective And Preventive Actions (CAPA)" im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems für die biotechnologischen Produkte, - Einführung und Überwachung qualitätsverbessernder Maßnahmen für die biotechnologischen Produkte innerhalb des Unternehmens und gemeinsam mit dritten Parteien, - Unterstützung hinsichtlich Qualitäts- und Compliance-Aspekten für Projekte und Standorte, die biotechnologische Herstellungsverfahren zum Gegenstand haben, - Überprüfung und Freigabe der chargenbezogenen Dokumentation im Einklang mit den nationalen und internationalen Anforderungen, - Sicherstellung der Umsetzung von behördlichen Anforderungen und Industriestandards und konzerneigener Vorgaben im GMP-Bereich, - Unterstützung von beauftragten Lohnherstellern (Contract Manufacturing Organisations, CMO) bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von behördlichen Inspektionen, ggf. auch direkte Interaktion mit den Inspektoren, - Prüfung und Unterstützung von Anträgen auf Erteilung der arzneimittelrechtlichen Zulassung. Die Tätigkeit der Klägerin umfasst neben der Gruppenleitung für die biotechnologischen Produkte insbesondere auch die Verantwortlichkeit für die generelle Sicherung der GMP (Good Manufacturing Practice)-Compliance, die qualitätssichernde Betreuung der zuständigen Bereiche durch adäquate und zeitgerechte Bearbeitung von Abweichungen und die Prüfung, Bewertung und Genehmigung von Änderungskontroll-, Qualifizierungs- und Validierungsdokumenten sowie die Leitung und Koordinierung von internen und standortübergreifenden Projekten. Im Rahmen der Qualitätssicherung der Klägerin steht der Schutz des Menschen vor Krankheitserregern, die ggf. von den eingesetzten tierischen Zellen ausgehen.

Die Klägerin beantragte am 18. März 2013 bei der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) ab dem 1. Mai 2013 und legte eine englischsprachige Stellenbeschreibung und den Arbeitsvertrag vom 15. Januar 2013 vor. Aus der Stellenbeschreibung ging u.a. hervor, dass diese sich an einen Pharmazeuten oder einen Absolventen eines anderen akademischen Studiengangs einer verwandten Naturwissenschaft (Biochemie, Biotechnologie, Biologie, Chemie, Human- oder Veterinärmedizin) richtet. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25. Juli 2013 den Befreiungsantrag ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 2.) nicht berufsspezifisch tätig sei, da für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2.) das tierärztliche Studium und die Approbation keine unabdingbaren Zugangsvoraussetzungen seien. Aus der Stellenbeschreibung ergebe sich, dass auch Absolventen anderer naturwissenschaftlicher Studiengänge die Voraussetzungen erfüllt hätten. Den Widerspruch der Klägerin vom 12. August 2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2014 zurück. Eine Befreiungsberechtigung könne nur aus einer berufsspezifischen Tätigkeit als Tierärztin, auf der die Pflichtmitgliedschaft beruhe, hergeleitet werden. Die Befreiungsfähigkeit beurteile sich bei Tierärzten/innen danach, ob für die konkrete Tätigkeit die Berufsausbildung notwendige Zugangsvoraussetzung sei, was jedenfalls im Fall der Heilkunde am Tier der Fall sei. Im Einzelfall könne sich die Befreiung auch auf solche Tätigkeiten erstrecken, die zwingend die Approbation als Tierarzt erforderten, was vorliegend schon aufgrund der Stellenausschreibung ersichtlich nicht der Fall sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 26. Februar 2014 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Klagebegründung hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen: Bei der von ihr ausgeübten Tätigkeit handele es sich um eine tierärztliche Tätigkeit im Sinne der maßgeblichen einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Vorschriften. Aus diesen ergebe sich ihre Pflichtmitgliedschaft in der Landestierärztekammer Hessen und im Versorgungswerk der Landestierärztekammer Hessen. Maßgeblich hierfür seien die Approbation und die Ausübung des tierärztlichen Berufs im Bundesland Hessen. Für die Auffassung der Beklagten, dass die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auf eine "approbationspflichtige Tätigkeit" beschränkt sei, gebe es keine rechtliche Grundlage. Die Beklagte habe offenbar überholte Vorstellungen der Tätigkeit eines Tierarztes und der zugrundeliegenden Hochschulausbildung. Insbesondere sei eine Tätigkeit in der pharmazeutischen Industrie keine berufsfremde Tätigkeit. Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass es für die Pflichtmitgliedschaft in den tierärztlichen Berufskammern nach den einschlägigen kammerrechtlichen Regelungen nicht zwingend auf die Ausübung des Tierarztberufs ankomme, sondern die Approbation als Tierarzt und eine Berufsausübung in Hessen genüge. Der Tatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfordere jedoch eine Schnittmenge dergestalt, dass die rentenrechtlich in Frage stehende Beschäftigung auch dem mit dem Status des Tierarztes verbundenen Tätigkeitsbereich zugehören müsse. Dementsprechend liege eine befreiungsfähige Tierarzttätigkeit nur vor, wenn die Tätigkeit objektiv zwingend die Approbation als Tierarzt voraussetze und gleichzeitig dem typischen, durch die Hochschulausbildung und den entsprechenden Hochschulabschluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich des Tierarztes entspreche. Anders als im Beitragsrecht der Kammern sei eine berufsspezifische Tätigkeit danach nicht bereits gegeben, wenn noch Kenntnisse und Fähigkeiten der tierärztlichen Ausbildung mit verwendet würden, vielmehr müsse es sich um eine "approbationspflichtige Tätigkeit" handeln. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Dass sie Kenntnisse aus dem tiermedizinischen Studium verwende und die tiermedizinische Qualifikation von großem Vorteil sei, reiche zur Annahme einer tierärztlichen Tätigkeit i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht aus. Anderslautende Urteile der Sozial- und Landessozialgerichte stellten Einzelfallentscheidungen dar. Der Beigeladene zu 1.) hat vorgetragen, dass die Klägerin aufgrund der von ihr ausgeübten Tätigkeit zwingend Pflichtmitglied der Landestierärztekammer Hessen und im Versorgungswerk sei und zur Begriffsbestimmung der tierärztlichen Tätigkeit auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum Beitragsrecht der Kammern verwiesen. Im Übrigen sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht jeder approbierte Tierarzt, der in Hessen (irgendeinen) Beruf ausübe, Pflichtmitglied in der Kammer, sondern nur die Tätigkeit als Tierärztin oder Tierarzt führe zur Pflichtmitgliedschaft. Die Beigeladene zu 2.) hat darauf verwiesen, dass die Klägerin bei ihr eine tierärztliche Tätigkeit im Sinne der versorgungs- und kammerrechtlichen Vorschriften ausübe. Die Beklagte sei an das kammerrechtliche Verständnis der tierärztlichen Berufsausübung gebunden und habe die Klägerin - auch zur Vermeidung einer beitrags- bzw. abgabenbezogenen Doppelbelastung - von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.

Das Sozialgericht Gießen hat mit Beschluss vom 23. September 2014 das Versorgungswerk der Landestierärztekammer Hessen und mit weiterem Beschluss vom 14. Januar 2016 die Arbeitgeberin der Klägerin, die C., notwendig und Landestierärztekammer einfach zum Verfahren beigeladen. Das Gericht hat außerdem im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2017 die Klägerin zum Umfang ihrer Tätigkeit informatorisch befragt. Wegen ihrer Einlassungen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19. Januar 2017 (Bl. 249-251 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Das Sozialgericht Gießen hat mit Urteil vom 19. Januar 2017 der Klage unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Mai 2013 die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Tätigkeiten als Senior Manager, Biotech Quality Team Lead (Leitende Position im Qualitätsmanagement für Biotech-Produkte) bzw. Biotech Quality Team Lead/Gruppenleiterin Biotech Quality bei der Fa. C. zu erteilen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung. Gemäß § 6 Abs. 1 SGB VI würden Beschäftigte und selbstständig Tätige von der Versicherungspflicht für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer seien, wenn a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden habe, b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen seien und c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst würden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen sei. Die Befreiung sei auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt (§ 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI). Allein streitig sei vorliegend, ob die Klägerin eine Beschäftigung ausübe, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sei. Die weiteren Voraussetzung gemäß § 6 Abs. 1 SGB VI lägen unstreitig vor. Ob ein Beschäftigter oder selbstständig Tätiger wegen der streitigen Beschäftigung bzw. Tätigkeit Pflichtmitglied einer Versorgungseinrichtung und einer berufsständigen Kammer sei, sei anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen. Dabei komme es nicht auf die abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten an. Maßgeblich sei vielmehr die Klassifikation der Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt werde (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 3/11 R, juris, Rn. 34; Hessisches LSG, Urteil vom 6. Februar 2014, L 1 KR 8/13, juris; Urteil vom 28. April 2016, L 1 KR 347/15, juris). Das Recht zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI stehe zudem nur solchen Personen zu, die eine berufsspezifische, d.h. eine für den in der jeweiligen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung pflichtversicherten Personenkreis typische Berufstätigkeit im Beschäftigungsverhältnis oder selbstständig ausübten (vgl. Boecken in: Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung, hrsg. v. Ruland/Försterling, § 6 Rn. 49 m.w.N.). Voraussetzung für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei nämlich, dass die Pflichtmitgliedschaft wegen der Beschäftigung bestehe. Angesichts dieser sprachlichen Verknüpfung sei ein kausaler Zusammenhang zwischen der Beschäftigung und der Mitgliedschaft in den berufsständischen Körperschaften nötig (vgl. BSG, Urteil vom 3. April 2014, B 5 RE 13/14 R, juris, Rn. 27). Mit anderen Worten sei unter Berücksichtigung von § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI der Inhalt des jeweiligen konkreten Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich und nicht etwa nur die Berufsbezeichnung, die berufliche Qualifikation oder der berufliche Status (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012 - B 12 R 3/11 R -, juris Rn. 18, 34). Die Befreiungsmöglichkeit bestehe daher nicht für Personen, die zwar Pflichtmitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung seien, jedoch einer berufsfremden Tätigkeit nachgingen (zur Vereinbarkeit der gleichzeitigen Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung und in einem berufsständigen Versorgungswerk mit Art. 3 Abs. 1 GG s. BVerwG, Beschluss vom 23. März 2000, 1 B 15/00; vgl. außerdem: Hess. LSG, Urteil vom 6. Februar 2014, a.a.O.). Ausgang der Prüfung einer Befreiung seien daher zunächst die versorgungs- und kammerrechtlichen Normen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Hessisches Heilberufsgesetz (in der Fassung vom 7. Februar 2003, GVBl. I 2003, 66) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Satzung der Landestierärztekammer Hessen (LTK) gehörten alle Tierärzte der LTK an, die ihren Beruf in Hessen ausüben; von der Mitgliedschaft ausgenommen seien die bei der Aufsichtsbehörde tätigen Tierärzte (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Tierärzte, die ihren Beruf nicht oder nicht mehr ausübten, könnten gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung freiwillig Mitglieder werden. Gemäß § 5a Abs. 1 Hessisches Heilberufsgesetz in Verbindung mit § 7 der Satzung des Versorgungswerkes der LTK Hessen seien Pflichtmitglieder des Versorgungswerkes alle Kammerangehörigen, soweit sie nicht gemäß § 8 von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen seien. Gemäß § 8 Abs. 1 a) seien von der Pflichtmitgliedschaft zum Versorgungswerk Kammerangehörige ausgenommen, die eine tierärztliche Tätigkeit nicht ausübten. Tierärztliche Tätigkeit werde darin beschrieben als jede Tätigkeit, bei der die während des veterinärmedizinischen Studiums erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten verwertet würden. Gemäß § 8 Abs. 1 i) seien die freiwilligen Mitglieder der LTK von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen. Nach § 3 der Berufsordnung der LTK (in der Fassung vom 18. Juli 2012) habe der Tierarzt die Aufgabe, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen ( ) und den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen. Der Tierarzt habe ebenso die Aufgabe, zum Schutz des Verbrauchers und der Umwelt die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln ( ) sicherzustellen. Gemäß § 4 Abs. 1 der Berufsordnung sei unter tierärztlicher Berufsausübung jede Tätigkeit zu verstehen, bei der während des veterinär-medizinischen Studiums erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten verwertet werden. Die Berufsbezeichnung "Tierarzt" dürfe führen, wer als Tierarzt approbiert oder entsprechend befugt sei, § 27 der Berufsordnung. Der niedergelassene Tierarzt könne sich als "praktischer Tierarzt" bezeichnen, § 28 der Berufsordnung (vgl. insg. Hess. LSG, a.a.O.). Lege man diese Maßgaben zugrunde, sei die Klägerin, die Pflichtmitglied in der Hessischen Tierärztekammer und dem entsprechenden Versorgungswerk und für die Beigeladene zu 2.) tierärztlich tätig sei, von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu befreien. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin liege in der Qualitätssicherung und sicherheit bei der Herstellung von aus tierischen Zellen gewonnener rekombinanter Gerinnungsfaktoren, bei welchen es sich um Arzneimittel gemäß § 2 Arzneimittelgesetz (AMG) handele. Die Klägerin sei insbesondere verantwortlich für die Einhaltung der Qualitäts- und Sicherheitsstandard nach nationalen und europäischen Vorgaben. Hierzu zählten die "Good Manufacturing Practices" (GMP), die ihre Grundlage im europäischen Recht und eine Umsetzung in das nationale Recht erführen und die Qualitätssicherung in den Produktionsabläufen und der pharmazeutischen Herstellungsumgebung bei der Produktion und Prüfung von Arzneimitteln zum Gegenstand hätten. Um die entsprechenden Aufgaben der hier maßgeblichen beruflichen Tätigkeit der Klägerin verantwortlich wahrnehmen zu können, seien entsprechende Kenntnisse erforderlich, die unter anderem im Rahmen eines veterinärmedizinischen Studiums erworben würden. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten (TAppV) sollten in der Ausbildung zum Tierarzt/zur Tierärztin die grundlegenden veterinärmedizinischen, naturwissenschaftlichen, fächerübergreifenden und methodischen Kenntnisse, praktische Fertigkeiten, geistige und ethische Grundlagen und die dem Wohle von Mensch, Tier und Umwelt verpflichtete berufliche Einstellung vermittelt werden, derer es bedürfe, den tierärztlichen Beruf in seiner gesamten Breite verantwortlich unter besonderer Berücksichtigung der Qualitätssicherung auszuüben. Gemäß Anlage 1 der TAppV seien u.a. Physik, Chemie, Physiologie und Biochemie, Pharmakologie und Toxikologie einschließlich Klinischer Pharmakologie; Arznei- und Betäubungsmittelrecht, Arzneiverordnungs- und -anfertigungslehre, Rückstandsbildung und -vermeidung, Risikoerfassung, Bakteriologie, Mykologie, Virologie, Parasitologie, Immunologie, Tierseuchenbekämpfung, Epidemiologie, allgemeine Pathologie, spezielle pathologische Anatomie und Histologie einschließlich Obduktionen, Lebensmittelkunde einschließlich Lebensmittelhygiene, Technologie und Qualitätssicherung, Lebensmitteltoxikologie, Rückstandsbeurteilung, Lebensmittelrecht und Untersuchung von Lebensmitteln; Milchkunde einschließlich Technologie und Qualitätssicherung, Mikrobiologie der Milch und Milchuntersuchungen; Fleisch- und Geflügelfleischhygiene einschließlich Technologie und Qualitätssicherung Inhalt der veterinärmedizinischen Ausbildung. Kenntnisse in diesen Disziplinen seien zur verantwortlichen Aufgabenwahrnehmung der Klägerin unabdingbar. Die Tätigkeit eines/r Senior Manager, Biotech Quality Team Lead (Leitende Position im Qualitätsmanagement für Biotech-Produkte) bzw. Biotech Quality Team Lead/Gruppenleiterin Biotech Quality erfordere die Qualifikation von Hochschulabsolventen mit umfassenden medizinischen, biochemischen und immunologischen Kenntnissen. Dies ergebe sich für das Gericht überzeugend aus den schriftsätzlichen Ausführungen der Klägerin als auch ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung. Gestützt werde dies auch durch die Ausführungen der Beigeladenen zu 2.) sowie durch die vorliegende Stellenbeschreibung. Im Bereich der Qualitätssicherung von Arzneimitteln, die aus tierischen Zellen gewonnen würden, seien die Fachkenntnisse auch von Tierärzten elementar. Im Rahmen der Qualitätssicherung sei insbesondere der Schutz des Menschen vor Krankheitserregern bedeutend, die potentiell von dem Ausgangsmaterial tierischer Herkunft auf den Menschen übertragen werden könnten (sog. Zoonosen). Auch die Bewertung der Auswirkungen von Abweichungen während des Produktionsprozesses auf die Unbedenklichkeit des Endprodukts für den Patienten erfordere die im tiermedizinischen Studium vermittelten Kenntnisse. Dies stelle auch die Beklagte vorliegend nicht in Abrede, die ausführe, dass die von der Tätigkeit der Klägerin umfassten Aufgabenbereiche mit Kenntnissen und Fähigkeiten aus einem veterinärmedizinischen Studium bewältigt werden könnten, diese also entsprechende Kenntnisse erfordere. Soweit die Beklagte dies aber für eine berufsspezifische Tätigkeit i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht ausreichen lasse und eine approbationspflichtige Tätigkeit zur Voraussetzung machen wolle, überspanne sie die gesetzlichen Anforderungen. Zwar sei der Beklagten zuzustimmen, dass die Funktion eines Senior Manager, Biotech Quality Team Lead (Leitende Position im Qualitätsmanagement für Biotech-Produkte) bzw. Biotech Quality Team Lead/Gruppenleiterin Biotech Quality - anders als die Tätigkeit eines niedergelassenen Tierarztes - nicht dem "typischen" oder "gängigen" Berufsbild eines Tierarztes entspreche. Nach § 3 der Berufsordnung der LTK habe ein Tierarzt jedoch nicht nur die Aufgabe, Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen ( ). Er habe vielmehr auch die Aufgabe, zum Schutz des Verbrauchers und der Umwelt die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln sicherzustellen. Das von der Beklagten vertretene Verständnis des Berufsbildes des Tierarztes und die einschränkende Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auf "approbationspflichtige Tätigkeiten" sei folglich zu eng. Zudem finde sich hierfür kein Anknüpfungspunkt in den gesetzlichen Regelungen. Nach den oben angeführten Normen sei es gerade nicht erforderlich, dass es sich um die Tätigkeit eines niedergelassenen Tierarztes oder eine damit vergleichbare Tätigkeit handeln müsse. Dies folge zum einen aus §§ 27 f. der Berufsordnung. Zum anderen werde aus der Vielzahl der Fachtierarztausbildungen die Vielfalt der Tätigkeiten von Tierärzten deutlich (z.B. Epidemiologie, Laboratoriumsdiagnostik, Lebensmittelhygiene, Pharmakologie und Toxikologie), die für die Tätigkeit eines niedergelassenen Tierarztes weniger relevant seien. Ähnliches gelte für die gemäß § 29 der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten vorgesehenen Prüfungsfächer (wie z.B. Pharmakologie und Toxikologie) (vgl. Hess. LSG, Urteil vom 6. Februar 2014, a.a.O.; vgl. zur Verneinung einer approbationspflichtigen Tätigkeit bei Apothekern u.a. auch Hess. LSG, Urteil vom 28. April 2016, a.a.O.; SG München, Urteil vom 12.10.2016, S 15 R 328/16, jeweils abrufbar in juris). Damit liege vorliegend eine für eine Tierärztin berufsspezifische Tätigkeit vor. Ob auch andere naturwissenschaftliche Akademiker wie Humanmediziner, Pharmazeuten oder Biologen die Tätigkeit ausüben könnten, sei - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht entscheidungserheblich. Eine entsprechende Begrenzung sei den maßgeblichen Vorschriften nicht zu entnehmen. Zudem komme es nicht auf die abstrakte berufliche Qualifikation des Beschäftigten an. Maßgeblich sei vielmehr die Klassifikation der Tätigkeit, für welche die Befreiung begehrt werde (s. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 12 R 3/11 R, juris, Rn. 34; Hess. LSG, a.a.O.). Zwar stelle § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI eine Ausnahmevorschrift dar. Allerdings eröffne diese Vorschrift dennoch gerade die Möglichkeit, bei Ausübung eines sog. freien Berufs in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu erlangen. Dass in der Industrie und in weltweit operierenden Gesundheits- und Pharmakonzernen nicht immer Tätigkeiten der Berufsgruppen der einzelnen Fachrichtungen wie Human-, Veterinärmedizin, Pharmazie und Biologie etc. im klassischen Sinne ausgeübt würden, erscheine bei einem von interdisziplinärer Zusammenarbeit geprägten Arbeitsumfeld augenscheinlich. Dies könne aber nicht zur Folge haben, dass allein aufgrund von Überschneidungen der Berufsgruppen im Einzelfall keine berufsspezifische Tätigkeit vorliege. Unabhängig davon, ob die Beigeladene zu 2.) bei der Einstellung der Klägerin die Qualifikation als Veterinärmedizinerin vorausgesetzt habe oder ob auch Absolventen anderer wissenschaftlicher Studiengänge die Voraussetzungen erfüllt hätten, stelle sich der Aufgabenbereich der Tätigkeit der Klägerin in Übereinstimmung mit der Berufsordnung der LTK als berufsspezifisch dar. Die Klägerin habe ihren Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bereits vor Aufnahme der Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2.) gestellt, so dass die Befreiung ab Beginn der Tätigkeit am 1. Mai 2013 zu erteilen sei (§ 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI).

Die Beklagte hat gegen das ihr am 30. Januar 2017 zugestellte Urteil am 13. Februar 2017 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht erhoben. Zur Berufungsbegründung wiederholt sie das erstinstanzliche Vorbringen und trägt ergänzend vor: Unter Berücksichtigung des Urteils des Bundessozialgerichts zu den Syndikusanwälten vom 3. April 2014 (B 5 RE 13/14 R) sei auf die konkrete ausgeübte berufsspezifische Tätigkeit abzustellen, die zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zwingend eine approbationspflichtige Tätigkeit als Tierarzt voraussetze und gleichzeitig dem typischen durch die Hochschulausbildung und den entsprechenden Hochschulabschluss geprägten Berufsbild und Tätigkeitsbereich entsprechen müsse. Das Urteil des Sozialgerichts sei fehlerhaft. Es würde im Ergebnis bedeuten, dass auch berufsfremde Tätigkeiten eines Tierarztes, die in keinerlei Zusammenhang mit der Tierarztausbildung und veterinärmedizinischen Fachkenntnissen stünden, eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht rechtfertigten. Hingegen könne die in § 4 Abs. 1 der Berufsordnung der Landestierärztekammer Hessen enthaltene Definition für die Frage, ob eine gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI befreiungsfähige Beschäftigung vorliege, nicht maßgeblich sein, denn dann käme es nur darauf an, ob irgendwelche Kenntnisse und Fähigkeiten aus dem tiermedizinischen Studium eingesetzt würden. So würden auch Tätigkeiten, die ohne Approbation ausgeführt werden könnten, zur Befreiung berechtigen. Dies widerspreche dem Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Die Tätigkeit der Klägerin als "Senior Manager, Biotech Quality Team Lead (Leitende Position im Qualitätsmanagement für Biotech-Produkte)" bzw. "Biotech Quality Team Lead/Gruppenleiterin Biotech Quality" bestehe in erster Linie in Qualitätsmanagementaufgaben. Auch wenn die veterinärmedizinischen Kenntnisse der Klägerin für diese Tätigkeit hilfreich oder auch unentbehrlich seien, erfordere die nur teilweise berufsspezifisch tiermedizinische Tätigkeit keine Kenntnisse, über welche nur eine approbierte Tierärztin verfüge. Denn es genügten auch die Kenntnisse z.B. aus einem Studium der Biologie, Biochemie oder Biotechnologie; jedenfalls liege der Schwerpunkt der Tätigkeit nicht auf veterinärmedizinischem Gebiet. Eine Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgung bestehe für die Tätigkeit der Klägerin daher nicht. Im Übrigen halte auch die überwiegende Mehrzahl der Landessozialgerichte es nicht für maßgeblich, ob nach den Kammergesetzen bzw. Satzungen der Versorgungseinrichtungen eine Tätigkeit noch eine Pflichtmitgliedschaft begründen könne (z.B. Bayerisches LSG, Urteile vom 8. September 2015, L 19 R 554/11 und vom 10. Juli 2014, L 14 R 1207/13; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 23. Januar 2009, L 4 R 738/06, vom 8. Oktober 2010, L 4 KR 5196/08, vom 23. Januar 2013, L 5 R 4971/10; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. August 2011, L 3 R 142/09; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Mai 2010, L 4 R 168/09; Hess. LSG, Urteil vom 29. März 2007, L 1 KR 344/04). Die Beklagte verweist ergänzend auf Urteile von Sozialgerichten und Landessozialgerichten, die für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ihrerseits eine approbationspflichtige Tätigkeit voraussetzen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. Januar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen weise in seiner Entscheidung zur Tätigkeit eines Arztes vom 30. September 2016 (L 4 R 238/14) zutreffend darauf hin, dass die Schaffung einer Bezugnahme in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI in dem von der Beklagten gewünschten Sinn allein im Bereich gesetzgeberischer Kompetenz läge. Ebenso habe das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 9. November 2016 (L 2 R 3151/15) entschieden, dass der Begriff der (tier-)ärztlichen Tätigkeit gerade nicht mit einer approbationspflichtigen Tätigkeit gleichzusetzen sei. Maßgeblich sei allein eine tierärztliche Tätigkeit im Sinne der versorgungs- und kammerrechtlichen Normen. Dies habe das Sozialgericht im Fall der Klägerin zutreffend bejaht. Im Bereich der Qualitätssicherung von Arzneimitteln, die aus tierischen Zellen gewonnen würden, seien die Fachkenntnisse eines Tierarztes - wie vom Sozialgericht dargestellt - elementar. Außerdem sei festzustellen, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit auch unter der Bezeichnung "Industrietierarzt" geführt werde. Unter diesem Begriff würden sich Tierärzte verbergen, die im Produktmarketing, im wissenschaftlichen Technical Service, im wissenschaftlichen Außendienst, im Vertrieb, im Marketing oder in der Forschung und Entwicklung bzw. Arzneimittelzulassung arbeiteten. Als Arbeitsgebiete würden Produktmanagement, Technical Service, Wissenschaftlicher Außendienst, Verkauf von Produkten, Forschung und Entwicklung, Qualitätskontrolle, Zulassung und Marketing genannt. Arbeitgeber sind u.a. veterinär- und humanpharmazeutische Unternehmen, Medizinproduktehersteller, Futtermittelhersteller, Lebensmittelindustrie und -forschung, Hersteller von Medizintechnik und Dienstleister für Tierärzte (vgl. www.beruftierarzt.de/berufsprofile/industrie.html; zit. nach LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. November 2016, L 2 R 3151/15). Genau diesem Zweig des Berufsbildes eines Tierarztes sei auch die Tätigkeit der Klägerin zuzuordnen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich alle Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht Gießen hat der Klage mit Urteil vom 19. Januar 2017 zu Recht stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die Tätigkeiten als Senior Manager, Biotech Quality Team Lead (Leitende Position im Qualitätsmanagement für Biotech-Produkte) bzw. Biotech Quality Team Lead/Gruppenleiterin Biotech Quality bei der Beigeladenen zu 2.) ab 1. Mai 2013. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollumfänglich Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts Gießen im Urteil vom 19. Januar 2017; diese sind überzeugend und würdigen alle fallentscheidenden Aspekte vollständig.

Lediglich ergänzend ist anzumerken: § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI verweist in der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung auf die Gesetze, die die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer (bzw. Versorgungseinrichtung) begründen können. Dies sind ausschließlich die versorgungs- und kammerrechtlichen Normen. Ob "die überwiegende Mehrzahl der Landessozialgerichte es für nicht maßgeblich halte, ob nach den Kammergesetzen bzw. Satzungen der Versorgungseinrichtungen eine Tätigkeit noch eine Pflichtmitgliedschaft begründe" - wie die Beklagte meint - ist für den Senat nicht entscheidend. Maßgeblich sind allein der Wortlaut der Norm und die höchstrichterliche Rechtsprechung (BSG, Urteile vom 15. Dezember 2016, B 5 RE 7/16 R, Rn. 20 juris; vom 3. April 2014, B 5 RE 13/14 R, Rn. 28, 29 juris; vom 31. Oktober 2012 und B 12 R 3 /11 R Rn. 34, juris), die allein auf die versorgungs- und kammerrechtlichen Normen abstellen.

Der Begriff der tierärztlichen Tätigkeit ist nicht mit einer approbationspflichtigen Tätigkeit gleichzusetzen, wie es die Beklagte fordert. Sofern - wie hier - ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führt, ist bereits damit der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI eröffnet (BSG, Urteil vom 3. April 2014 - B 5 RE 3/14 R - juris Rn. 25).

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Befreiung von Syndikusanwälten lässt sich - entgegen der Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung - auf die Ausübung einer tierärztlichen Tätigkeit nicht übertragen. Die Klägerin ist nach den einschlägigen Satzungsbestimmungen der Beigeladenen zu 1.) und 3.) nur deshalb dort Pflichtmitglied geworden, weil sie eine Tätigkeit ausübt, die tierärztliche Fachkenntnisse erfordert (tätigkeitsbezogene Pflichtmitgliedschaft). Damit ist das Kriterium des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, dass eine Pflichtmitgliedschaft wegen dieser angestellten Tätigkeit eingetreten ist, bei der Klägerin anders als bei einem Syndikusanwalt, erfüllt. Bei letzterem tritt die Pflichtmitgliedschaft nämlich gerade nicht wegen seiner angestellten Tätigkeit, sondern gemäß § 4 BRAO als personenbezogene Pflichtmitgliedschaft ausschließlich und allein für seine davon unabhängig und zusätzlich ausgeübte anwaltschaftliche Tätigkeit ein. Lassen sich die Fallgestaltungen aber nicht vergleichen, kommt eine "analoge" Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Syndikusanwälten auf Ärzte nicht in Betracht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. September 2016, L 4 R 238/15).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese keine Anträge gestellt haben.

Der Senat hat die Revision zugelassen. Die Frage der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für verkammerte Berufe bedarf insbesondere im Licht der Rechtsprechung des 5. Senats des Bundessozialgerichts aufgrund der Urteile vom 3. April 2014 (B 5 RE 3/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 13/14 R) der näheren Konkretisierung, wie weit der Begriff der ärztlichen, zahnärztlichen, tierärztlichen und pharmazeutischen Tätigkeit zu fassen ist; Revisionen sind bereits anhängig (B 5 RE 5/16 R; Vorinstanz: LSG Darmstadt, L 1 KR 347/15: "Setzt die Befreiung eines Apothekers von der Rentenversicherungspflicht die Ausübung einer approbationspflichtigen Tätigkeit voraus?"; B 5 RE 10/16 R, Vorinstanz: LSG Stuttgart, L 2 R 3151/15: "Setzt die Befreiung eines Tierarztes von der Rentenversicherungspflicht die Ausübung einer approbationspflichtigen Tätigkeit voraus?").
Rechtskraft
Aus
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