Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 221/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4169/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft (BGHW) eine Verletztenrente wegen einer als Berufskrankheit (BK) anerkannten Lärmschwerhörigkeit.
Der 1952 geborene Kläger wohnt im Inland. Er war von 1967 bis 1972 als Metzger tätig, zunächst als Lehrling, dann als Geselle. Von 1972 bis 1974 war er in einem Sägewerk beschäftigt. Es schloss sich eine Umschulung bis 1976 an. Danach war der Kläger von 1977 bis 1986 nochmals als Metzger berufstätig. Es schloss sich eine Tätigkeit bis 1991 im Einzelhandel an. Von 1991 bis 2001 war in dem Unternehmen seines Bruders, das im Holzhandel und im gewerblichen Güterverkehr tätig ist, als Maschinenführer beschäftigt. In jener Tätigkeit war der Kläger bei einer der Rechtsvorgängerinnen der Berufsgenossenschaft (im Folgenden einheitlich: Beklagte) gesetzlich unfallversichert. Ab März 2001 war der Kläger als Produktionsarbeiter an einer Schneidemaschine in einem Unternehmen der Papierindustrie tätig.
Auf Grund eines Arbeitsunfalls vom 26. Januar 1998 bezieht der Kläger wegen der Folgen einer Verletzung des rechten Arms von der Beklagten seit 1. Dezember 2000 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um anfangs 20 v.H. (Bescheid vom 23. November 2000), die durch Bescheid vom 28. August 2001) rückwirkend auf 30 v.H. erhöht wurde.
Im August 2000 zeigte Dr. H. der Beklagten den Verdacht auf eine Lärmschwerhörigkeit an, die erstmals 1994 diagnostiziert worden sei. In dem damaligen Verwaltungsverfahren wurden das Gutachten von Dr. M. und eine Stellungnahme der Staatlichen Gewerbeärztin G. eingeholt, die zu unterschiedlichen Einschätzungen kamen. Das weiterhin erhobene Gutachten von Dr. Sch. vom 24. März 2002 ging dann von einer lärmbedingten Hörschädigung aus. Er hielt - wegen einseitiger Lärmbelastung - auch die unterschiedliche Ausprägung der Hörminderung auf beiden Ohren für nachvollziehbar, führte aber Teile der - stärkeren - Hörminderung rechts auf andere Ursachen zurück, vor allem einen Hörsturz im Jahre 1996. Nach damaliger Einschätzung hatte die Lärmexposition mit dem Stellenwechsel 2001 geendet. Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 2002 eine "geringfügige Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beiderseits, rechts mehr als links" als BK Nr. 2301 (Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV) an. Die daneben bestehende "Schwerhörigkeit in den mittleren und tiefen Frequenzbereichen mit Zustand nach Mittelohrentzündung 1994" wurde ausdrücklich nicht anerkannt. Ein Anspruch auf Rente wurde abgelehnt. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch und sodann Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, Az. S 10 U 98/03). In jenem Verfahren erhob das SG das Gutachten von Dr. F. vom 12. Juni 1993, die ebenso wie die Beklagte die Voraussetzungen der BK bejahte, aber die MdE unter 10 v.H. einschätzte. Die damalige Klage wurde daraufhin mit Urteil vom 27. Mai 2004 abgewiesen.
Am 24. Oktober 2013 zeigte Dr. H. bei der Verwaltungs-BG erneut den Verdacht auf eine beruflich bedingte Hörstörung an. Der Antrag wurde im November 2013 der BG ETEM weitergeleitet, von dieser an die Verwaltungs-BG rückübermittelt und sodann im Dezember 2013 an die BG RCI übersandt, weil diese für die nunmehr innegehabte Beschäftigung des Klägers in der Papierindustrie verbandszuständig sei. Diese BG erhob bei dem Kläger den Fragebogen "BK 2301", den dieser im Juli 2014 ausgefüllt zurücksandte. Ferner holte sie bei der Beklagten die Unterlagen zu dem Arbeitsunfall 1998 ein. Dabei gelangte ihr auch der Bescheid vom 26. Juli 2002 über die Anerkennung der BK 2301 zur Kenntnis. Auf ihre Nachfrage teilte der Kläger in einem Schriftsatz vom 18. November 2014 mit, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass bei ihm bereits eine Lärmschwerhörigkeit anerkannt sei.
Die BG RCI erhob daraufhin die Arbeitsplatzexposition ihres Präventionsdienstes vom 1. Dezember 2014 über die Lärmbelastungen des Klägers an seinem jetzt innegehabten Arbeitsplatz. Darin war ausgeführt, er sei in seiner nunmehr 13,75 Jahren andauernden Tätigkeit Lärmpegeln von bis zu 90 dB(A) ausgesetzt gewesen, die also knapp über der maßgeblichen Grenze von 85 db(A) gelegen hätten.
Nachdem die BG RCI auch die Beklagte informiert hatte, dass sich womöglich die schon anerkannte BK verschlimmert habe, erhob diese das Nachuntersuchungsgutachten vom 20. Januar 2015 bei Dr. F ... Die Gutachterin teilte mit, es liege eine gering- bis mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts sowie eine kombinierte, beginnende Schwerhörigkeit links im Hochtonbereich vor. Auf Grund dieser Diagnose äußerte Dr. F. auch Zweifel daran, dass bei dem Kläger überhaupt eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit vorliege und die BK 2301 zu Recht anerkannt sei. Nunmehr seien sprachaudiometrisch Hörverluste von 40 % bzw. (gewichtet) 50 % rechts und 10 % links zu verzeichnen. Insgesamt habe sich das Hörvermögen seit ihrer letzten Begutachtung 2003 deutlich verschlechtert. Da diese Verschlechterung während einer Berufstätigkeit aufgetreten sei, in welcher der Kläger bei konsequentem Tragen individuell angepassten Gehörschutzes nur noch marginal potenziell gehörschädigenden Lärmeinwirkungen ausgesetzt gewesen sei, könne die Verschlechterung nicht berufsbedingt sein, sondern sei degenerativ verursacht. Die MdE für den beruflich bedingten Anteil der Schwerhörigkeit schätzte Dr. F. weiterhin auf unter 10 v.H. Sie verwies auch darauf, dass der Kläger nach seinen Angaben immer wieder unter Entzündungen des linken Ohrs leide, auch aktuell sah sie dort den Verdacht auf eine (bakterielle) Pseudomonas-Infektion. Ursache für das deutliche Voranschreiten der Hörminderung rechts könne vor allem der Hörsturz im Jahre 1996 sein.
In einem Aktenvermerk der Beklagten ohne Datum wird ausgeführt, der Kläger sei in seiner bis 2001 ausgeübten Berufstätigkeit höheren Lärmeinwirkungen ausgesetzt gewesen als Dr. F. angenommen habe, Genaueres könne nicht mehr festgestellt werden, da die damaligen Akten vernichtet worden seien. Jedenfalls sei daher davon auszugehen, dass die damalige Anerkennung der BK 2301 ohne Rentenanspruch rechtmäßig gewesen sei. Hinsichtlich der Verschlimmerung seit 2001 sei jedoch Dr. F. zu folgen.
Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 9. März 2015 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente wegen der anerkannten BK 2301 ab. Die Verschlechterung des Hörvermögens seit 2001 könne nicht mehr auf berufliche Einwirkungen zurückgeführt werden. Der Kläger erhob Widerspruch und teilte mit, er habe während seines gesamten Arbeitslebens unter einer erheblichen Lärmexposition gestanden.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Oktober 2015 führte der Präventionsdienst der Beklagten aus, der Kläger sei seit 2001 Tagesexpositionspegeln zwischen 85 und 86 db(A) ausgesetzt gewesen. Dabei seien auch die Papierschneidemaschinen berücksichtigt worden. Er sei nunmehr ab Ende Mai 2015 im Vorruhestand und daher keinem Lärm mehr ausgesetzt. Die Beklagte erließ sodann den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2015, mit dem sie den Widerspruch wegen der Verletztenrente zurückwies.
Hiergegen hat der Kläger am 15. Januar 2016 Klage beim SG erhoben, welches von Amts wegen das HNO-ärztliche Gutachten bei Dr. D. vom 4. Mai 2016 eingeholt hat. Der Sachverständige hat mitgeteilt, der Kläger sei seit Mitte 2015 mit Hörgeräten versorgt. Er ist zu der Einschätzung gekommen, bei diesem bestehe eine rechtsbetonte Schallempfindungsschwerhörigkeit im Sinne einer degenerativen Erkrankung mit Betonung der rechten Seite nach stattgehabtem Hörsturz rechts. Der Verlauf der Hörkurve sei insgesamt lärmuntypisch, an beiden Ohren fehle eine umschriebene C4-Senke. Vor allem rechts seien die mittleren und tiefen Frequenzen deutlich beeinträchtigt. Die Hörverluste rechts und links betrügen sprachaudiometrisch 20 % und 10 % sowie tonaudiometrisch 30 % und 10 %. Hieraus ergäben sich MdE-Schätzwerte von unter bzw. gerade eben 10 v. H ... Insgesamt könne allenfalls ein Teil der Schwerhörigkeit links auf berufliche Einwirkungen bezogen werden, während die Hörminderung rechts vor allem dem Hörsturz 1996 anzuschuldigen sei.
Auf Einwand des Klägers, es sei ungeklärt, ob der Hörsturz 1996 nicht seinerseits berufsbedingt gewesen sei und deshalb doch berücksichtigt werden müsse, hat Dr. D. ergänzend ausgeführt, nach aktuellem wissenschaftlichem Erkenntnisstand würden in erster Linie Prozesse im Bereich der Sinneszellen des Innenohrs als Ursache von Hörstürzen vermutet, die im Zusammenhang mit viralen Infekten, autoimmunologischen Störungen und Beeinträchtigungen der Mikromechanik diskutiert würden. Hier könne der Hörsturz schon deshalb nicht auf eine - akute - Lärmeinwirkung zurückgeführt werden, da er nur einseitig aufgetreten sei, was die "Symmetrieregel" nicht zulasse. Aus den Akten von damals ergäben sich auch keine Hinweise auf ein einseitiges Lärmtrauma.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Versicherungsfall sei anerkannt. Im Hinblick auf die laufende Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls als "Stützrente" könne der Kläger von der Beklagten eine Verletztenrente schon bei einer MdE um 10 v.H. verlangen. Eine solche liege jedoch nicht vor. Dr. D. habe überzeugend dargelegt, dass allenfalls ein Teil der Schwerhörigkeit links der BK angeschuldigt werden könne, während die weitergehende Gesundheitsstörung lärmunabhängig verursacht sein müsse und wahrscheinlich auf den Hörsturz 1996 zurückzuführen sei, der seinerseits nicht berufsbedingt gewesen sei. Insoweit sei entsprechend der Königsteiner Empfehlung von einer MdE von unter 10 v.H. auszugehen.
Hiergegen hat der Kläger am 10. November 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er trägt vor, der Gerichtsbescheid des SG halte weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht einer Überprüfung stand. Diese habe sich zu Unrecht auf die Feststellungen und Schlussfolgerungen von Dr. D. gestützt. Es lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass hier ein unzutreffendes Gutachten erstattet worden sei. Der Sachverständige habe verkannt, dass die Schwerhörigkeit - auch - rechts ausschließlich durch berufsbedingten Lärm verursacht worden sei. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum in seinem Falle beide Ohren unterschiedlich starken Lärmeinwirkungen ausgesetzt gewesen seien. Insoweit sei ein Wahlgutachten bei Prof. Dr. P. einzuholen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Oktober 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 9. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit eine Verletztenrente seit Oktober 2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass Dr. D. zutreffenderweise die Symmetrieregel zu Grunde gelegt habe. Ferner bleibe es dabei, dass die für Lärmschwerhörigkeiten typische C4-Senke beidseits fehle.
Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört und die Sach- und Rechtslage mit beiden Beteiligten erörtert. Im Einzelnen wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 25. April 2017 verwiesen. In jenem Erörterungstermin haben sich beide Seiten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers im Einvernehmen mit den Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Eine Entscheidung in der Sache ist möglich. Gründe für weitere Ermittlungen von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG) sieht der Senat nicht, nachdem die tatsächlichen Umstände, die für die Bewertung mit einer MdE vonnöten sind, insbesondere in dem Gutachten von Dr. D. umfassend dargelegt worden sind. Den in der Berufungsschrift angekündigten bzw. gestellten Antrag, bei Prof. Dr. P. ein Wahlgutachten nach § 109 Abs. 1 SGG einzuholen, hat der Kläger nicht aufrecht erhalten, als er einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt hat. Aus diesem Grunde ist der Antrag erledigt (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leithe¬rer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 109 Rz. 8 m.w.N.; Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 - L 6 U 124/14 - juris, Rz. 61; Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 1. September 1999 - B 9 V 42/99 B, juris, Rz. 5).
Die Berufung ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft. Insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Der Kläger begehrt zwar eine Geldleistung im Sinne dieser Vorschrift, jedoch dabei eine laufende Leistung für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist frist- und formgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben worden. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII.) Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier einer BK - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§ 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 16 m.w.N.). Die dazu in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 – L 6 U 1013/15 –, juris, Rz. 84).
Zu diesen Erfahrungssätzen gehört die "Königsteiner Empfehlung", eine durch ein sachverständig besetztes Gremium erarbeitete allgemeine Handreichung zur sozialmedizinischen Beurteilung der BK 2301, die als antizipiertes Sachverständigengutachten eingestuft werden kann (vgl. dazu Urteil des Senats vom 9. März 2017 – L 6 U 152/15 –, juris, Rz. 35). Hiernach (S. 29) sind abgrenzbare Teile einer - kombinierten - Gehörserkrankung, die nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine arbeitsbedingte Lärmeinwirkung zurückgeführt werden können, bei der Bewertung auch der MdE außer Betracht zu lassen (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Oktober 2013 – L 5 U 25/09 –, juris, Rz. 63).
Ein solcher Fall liegt her vor. Bei dem Kläger ist als Folge der anerkannten BK 2301 auf Grund des - nach wie vor bindenden (§ 77 SGG) - Bescheids vom 26. Juli 2002 - nur - die geringfügige Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beiderseits, rechts mehr als links, anerkannt. Die weiteren bestehenden Hörschädigungen sind schon damals ausdrücklich von der Anerkennung ausgenommen worden. Es handelt sich insoweit um einen abgrenzbaren Teil der Hörschädigung. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. In dem jetzigen Verfahren haben die Behördengutachterin Dr. F., deren Gutachten der Senat als öffentliche Urkunde nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) heranzieht, und der Gerichtssachverständige Dr. D. (§§ 402 ff. ZPO) überzeugend dargestellt, dass weiterhin nur ein Teil der Schwerhörigkeit, nämlich die Lärmschwerhörigkeit im Hochtonbereich, der BK angeschuldigt werden kann. Die Hörminderungen in den tiefen und mittleren Frequenzen, wie sie der Kläger vor allem am rechten Ohr zeigt, sind keine Folgen beruflicher Lärmexposition. Hierzu hat Dr. D. nach dessen umfassender Untersuchung überzeugend dargelegt, dass die audiologische Zusatzdiagnostik, in diesem Falle ein "SISI-Test", eine Geräuschaudiometrie nach Langenbeck und eine Messung der otoakustischen Emissionen (S. 9 Gutachten), kein eindeutig lärmtypisches Untersuchungsbild ergeben hätten. Hinsichtlich der starken Hörschädigungen im mittleren und unteren Bereich haben beide Gutachter auf Alternativursachen hingewiesen, wobei Dr. F. die rezidivierenden Entzündungen des Klägers im Ohrbereich in den Vordergrund gerückt hat, Dr. D. dagegen stärker auf den Hörsturz von 1996 abgestellt hat. Für die hier maßgebende Frage der beruflichen Verursachung müssen jedoch keine Alternativursachen ausgeschlossen werden, sondern ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang mit einer beruflichen Einwirkung muss festgestellt werden. Dies ist nach den für den Senat schlüssigen Ausführungen der beiden Gutachten nicht möglich. Insbesondere muss entgegen der Ansicht des Klägers nicht abschließend geklärt werden, ob der Hörsturz 1996 seinerseits berufsbedingt war. Selbst wenn es ein Trauma mit einer Ohrschädigung gegeben haben sollte, das in der Folge zu diesem Hörsturz geführt hätte, wäre die daraus entstandene Hörminderung nicht der bereits anerkannten BK anzuschuldigen, sondern einem Arbeitsunfall. Dies wäre ein anderer Versicherungsfall gewesen (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Unabhängig davon ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Hörsturz berufsbedingt gewesen ist. Der Kläger hat keinerlei Angaben zu einem Knall- oder Explosionstrauma im Betrieb gemacht, ein solches ist auch nirgendwo in den Akten verzeichnet. Ferner hat Dr. D. überzeugend darauf hingewiesen, dass nach aktuellem wissenschaftlichem Erkenntnisstand Hörstürze auf mehrere verschiedene Ursachen wie virale Infekte, autoimmunologische Störungen und Beeinträchtigungen der Mikromechanik zurückgeführt werden. In diesem Zusammenhang ist bei dem Kläger auf die - von Dr. F. beschriebenen - regelmäßigen Infekte hinzuweisen, die allerdings bakteriell bedingt sind.
Hiernach wäre die MdE an sich nur aus dem abgrenzbaren, beruflich bedingten Hörverlust im Hochtonbereich zu ermitteln. Welche sich daraus ergäbe, kann aber offen bleiben. Selbst die gesamte Hörminderung des Klägers über alle Frequenzen führt nicht zu einer MdE von 10 v.H., die hier - im Hinblick auf den Stützrententatbestand auf Grund der laufenden Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 26. Januar 1998 - ausreichen würde. Die MdE liegt vielmehr insgesamt unter 10 v.H.
Der Senat legt hierbei die Hörverluste zu Grunde, die Dr. D. in seinem Gutachten vom 4. Mai 2016 durch ein Sprach- und ein Tonaudiogramm ermittelt hat. Sprachaudiometrisch unter Berücksichtigung des gewichteten Gesamtwortverstehens (nach Bönninghaus und Röder 1973) liegt der Hörverlust bei 20 % rechts und 10 % links. In der Tonaudiometrie (Röser 1980) hat Dr. D. rechts einen stärkeren Hörverlust von 30 % ermittelt, während sich links ebenfalls 10 % ergeben haben. Diese Differenz entspricht der Erwartung, dass sich im Tonaudiogramm zumeist ein etwas höherer prozentualer Hörverlust als aus dem Sprachaudiogramm ergibt (Königsteiner Empfehlung, S. 33). In solchen Fällen ist die MdE aus dem sprachaudiometrisch ermittelten Hörverlust zu entwickeln, da für die Bemessung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII bei Erwachsenen die Verhältnisse des allgemeinen Arbeitsmarktes relevant sind. Auf diesem Gebiet führen erst Einschränkungen des Hörvermögens mit Auswirkungen auf das Sprachverständnis zu qualitativen Leistungseinbußen. Allenfalls in - bestimmten - Fällen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII, etwa bei Musikern oder in technischen Berufen wie z.B. bei Prüfern, kann die Erwerbsfähigkeit bereits durch nur tonaudiometrisch messbare Hörverluste eingeschränkt sein. Nur dann, wenn sich nach dem Sprachaudiogramm unter Verwendung des gewichteten Gesamtwortverstehens ein Hörverlust von weniger als 20 % ergibt, ist für die Entscheidung, ob eine versicherungsrechtlich relevante Schwerhörigkeit vorliegt oder nicht, auch zur Beurteilung der "allgemeinen" Erwerbsfähigkeit das Tonaudiogramm heranzuziehen. Ergibt sich aus dem Tonaudiogramm bei Anwendung der Drei-Frequenz-Tabelle (Röser 1980) ein prozentualer Hörverlust von 20 % oder mehr und kann sicher ausgeschlossen werden, dass die tonaudiometrischen Werte durch Messfehler (z.B. Aggravation) verfälscht sind, so ist dann eine versicherungsrechtlich relevante Schwerhörigkeit entsprechend einem prozentualen Hörverlust von 20 %, aber auch nicht mehr, anzunehmen (zu allem Königsteiner Empfehlung, S. 31, 32). Bei dem Kläger nun hat sich aus dem Sprachaudiogramm für rechts ein Hörverlust von genau 20 % ergeben, sodass ein Rückgriff auf das Tonaudiogramm nicht statthaft ist.
Aus Hörverlusten von 20 % auf der einen Seite (Grenze zwischen Normalhörigkeit und geringgradiger Schwerhörigkeit) und 10 % auf der anderen Seite (Normalhörigkeit) folgt nach der Tabelle von Feldmann (1995) eine MdE von 0 v.H. Eine MdE von 10 v.H. kommt erst bei Hörverlusten von 20 % beidseits (Zwischenwert) oder z.B. einem Hörverlust von mehr als 40 % auf dem schlechteren Ohr in Betracht. Eine MdE von 15 v.H. setzt z.B. eine geringgradige Schwerhörigkeit (also Hörverluste von mehr als 20 %) auf beiden Ohren voraus (vgl. zu allem Königsteiner Empfehlung, S. 34).
Für eine Erhöhung dieser MdE auf medizinischem Gebiet wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit ist bei dem Kläger kein Anhaltspunkt ersichtlich (vgl. zu den besonderen Voraussetzungen Urteil des Senats vom 28. März 2015 - L 6 U 3485/13 -, juris, Rz. 38).
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft (BGHW) eine Verletztenrente wegen einer als Berufskrankheit (BK) anerkannten Lärmschwerhörigkeit.
Der 1952 geborene Kläger wohnt im Inland. Er war von 1967 bis 1972 als Metzger tätig, zunächst als Lehrling, dann als Geselle. Von 1972 bis 1974 war er in einem Sägewerk beschäftigt. Es schloss sich eine Umschulung bis 1976 an. Danach war der Kläger von 1977 bis 1986 nochmals als Metzger berufstätig. Es schloss sich eine Tätigkeit bis 1991 im Einzelhandel an. Von 1991 bis 2001 war in dem Unternehmen seines Bruders, das im Holzhandel und im gewerblichen Güterverkehr tätig ist, als Maschinenführer beschäftigt. In jener Tätigkeit war der Kläger bei einer der Rechtsvorgängerinnen der Berufsgenossenschaft (im Folgenden einheitlich: Beklagte) gesetzlich unfallversichert. Ab März 2001 war der Kläger als Produktionsarbeiter an einer Schneidemaschine in einem Unternehmen der Papierindustrie tätig.
Auf Grund eines Arbeitsunfalls vom 26. Januar 1998 bezieht der Kläger wegen der Folgen einer Verletzung des rechten Arms von der Beklagten seit 1. Dezember 2000 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um anfangs 20 v.H. (Bescheid vom 23. November 2000), die durch Bescheid vom 28. August 2001) rückwirkend auf 30 v.H. erhöht wurde.
Im August 2000 zeigte Dr. H. der Beklagten den Verdacht auf eine Lärmschwerhörigkeit an, die erstmals 1994 diagnostiziert worden sei. In dem damaligen Verwaltungsverfahren wurden das Gutachten von Dr. M. und eine Stellungnahme der Staatlichen Gewerbeärztin G. eingeholt, die zu unterschiedlichen Einschätzungen kamen. Das weiterhin erhobene Gutachten von Dr. Sch. vom 24. März 2002 ging dann von einer lärmbedingten Hörschädigung aus. Er hielt - wegen einseitiger Lärmbelastung - auch die unterschiedliche Ausprägung der Hörminderung auf beiden Ohren für nachvollziehbar, führte aber Teile der - stärkeren - Hörminderung rechts auf andere Ursachen zurück, vor allem einen Hörsturz im Jahre 1996. Nach damaliger Einschätzung hatte die Lärmexposition mit dem Stellenwechsel 2001 geendet. Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 2002 eine "geringfügige Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beiderseits, rechts mehr als links" als BK Nr. 2301 (Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV) an. Die daneben bestehende "Schwerhörigkeit in den mittleren und tiefen Frequenzbereichen mit Zustand nach Mittelohrentzündung 1994" wurde ausdrücklich nicht anerkannt. Ein Anspruch auf Rente wurde abgelehnt. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch und sodann Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG, Az. S 10 U 98/03). In jenem Verfahren erhob das SG das Gutachten von Dr. F. vom 12. Juni 1993, die ebenso wie die Beklagte die Voraussetzungen der BK bejahte, aber die MdE unter 10 v.H. einschätzte. Die damalige Klage wurde daraufhin mit Urteil vom 27. Mai 2004 abgewiesen.
Am 24. Oktober 2013 zeigte Dr. H. bei der Verwaltungs-BG erneut den Verdacht auf eine beruflich bedingte Hörstörung an. Der Antrag wurde im November 2013 der BG ETEM weitergeleitet, von dieser an die Verwaltungs-BG rückübermittelt und sodann im Dezember 2013 an die BG RCI übersandt, weil diese für die nunmehr innegehabte Beschäftigung des Klägers in der Papierindustrie verbandszuständig sei. Diese BG erhob bei dem Kläger den Fragebogen "BK 2301", den dieser im Juli 2014 ausgefüllt zurücksandte. Ferner holte sie bei der Beklagten die Unterlagen zu dem Arbeitsunfall 1998 ein. Dabei gelangte ihr auch der Bescheid vom 26. Juli 2002 über die Anerkennung der BK 2301 zur Kenntnis. Auf ihre Nachfrage teilte der Kläger in einem Schriftsatz vom 18. November 2014 mit, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass bei ihm bereits eine Lärmschwerhörigkeit anerkannt sei.
Die BG RCI erhob daraufhin die Arbeitsplatzexposition ihres Präventionsdienstes vom 1. Dezember 2014 über die Lärmbelastungen des Klägers an seinem jetzt innegehabten Arbeitsplatz. Darin war ausgeführt, er sei in seiner nunmehr 13,75 Jahren andauernden Tätigkeit Lärmpegeln von bis zu 90 dB(A) ausgesetzt gewesen, die also knapp über der maßgeblichen Grenze von 85 db(A) gelegen hätten.
Nachdem die BG RCI auch die Beklagte informiert hatte, dass sich womöglich die schon anerkannte BK verschlimmert habe, erhob diese das Nachuntersuchungsgutachten vom 20. Januar 2015 bei Dr. F ... Die Gutachterin teilte mit, es liege eine gering- bis mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts sowie eine kombinierte, beginnende Schwerhörigkeit links im Hochtonbereich vor. Auf Grund dieser Diagnose äußerte Dr. F. auch Zweifel daran, dass bei dem Kläger überhaupt eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit vorliege und die BK 2301 zu Recht anerkannt sei. Nunmehr seien sprachaudiometrisch Hörverluste von 40 % bzw. (gewichtet) 50 % rechts und 10 % links zu verzeichnen. Insgesamt habe sich das Hörvermögen seit ihrer letzten Begutachtung 2003 deutlich verschlechtert. Da diese Verschlechterung während einer Berufstätigkeit aufgetreten sei, in welcher der Kläger bei konsequentem Tragen individuell angepassten Gehörschutzes nur noch marginal potenziell gehörschädigenden Lärmeinwirkungen ausgesetzt gewesen sei, könne die Verschlechterung nicht berufsbedingt sein, sondern sei degenerativ verursacht. Die MdE für den beruflich bedingten Anteil der Schwerhörigkeit schätzte Dr. F. weiterhin auf unter 10 v.H. Sie verwies auch darauf, dass der Kläger nach seinen Angaben immer wieder unter Entzündungen des linken Ohrs leide, auch aktuell sah sie dort den Verdacht auf eine (bakterielle) Pseudomonas-Infektion. Ursache für das deutliche Voranschreiten der Hörminderung rechts könne vor allem der Hörsturz im Jahre 1996 sein.
In einem Aktenvermerk der Beklagten ohne Datum wird ausgeführt, der Kläger sei in seiner bis 2001 ausgeübten Berufstätigkeit höheren Lärmeinwirkungen ausgesetzt gewesen als Dr. F. angenommen habe, Genaueres könne nicht mehr festgestellt werden, da die damaligen Akten vernichtet worden seien. Jedenfalls sei daher davon auszugehen, dass die damalige Anerkennung der BK 2301 ohne Rentenanspruch rechtmäßig gewesen sei. Hinsichtlich der Verschlimmerung seit 2001 sei jedoch Dr. F. zu folgen.
Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 9. März 2015 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente wegen der anerkannten BK 2301 ab. Die Verschlechterung des Hörvermögens seit 2001 könne nicht mehr auf berufliche Einwirkungen zurückgeführt werden. Der Kläger erhob Widerspruch und teilte mit, er habe während seines gesamten Arbeitslebens unter einer erheblichen Lärmexposition gestanden.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Oktober 2015 führte der Präventionsdienst der Beklagten aus, der Kläger sei seit 2001 Tagesexpositionspegeln zwischen 85 und 86 db(A) ausgesetzt gewesen. Dabei seien auch die Papierschneidemaschinen berücksichtigt worden. Er sei nunmehr ab Ende Mai 2015 im Vorruhestand und daher keinem Lärm mehr ausgesetzt. Die Beklagte erließ sodann den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2015, mit dem sie den Widerspruch wegen der Verletztenrente zurückwies.
Hiergegen hat der Kläger am 15. Januar 2016 Klage beim SG erhoben, welches von Amts wegen das HNO-ärztliche Gutachten bei Dr. D. vom 4. Mai 2016 eingeholt hat. Der Sachverständige hat mitgeteilt, der Kläger sei seit Mitte 2015 mit Hörgeräten versorgt. Er ist zu der Einschätzung gekommen, bei diesem bestehe eine rechtsbetonte Schallempfindungsschwerhörigkeit im Sinne einer degenerativen Erkrankung mit Betonung der rechten Seite nach stattgehabtem Hörsturz rechts. Der Verlauf der Hörkurve sei insgesamt lärmuntypisch, an beiden Ohren fehle eine umschriebene C4-Senke. Vor allem rechts seien die mittleren und tiefen Frequenzen deutlich beeinträchtigt. Die Hörverluste rechts und links betrügen sprachaudiometrisch 20 % und 10 % sowie tonaudiometrisch 30 % und 10 %. Hieraus ergäben sich MdE-Schätzwerte von unter bzw. gerade eben 10 v. H ... Insgesamt könne allenfalls ein Teil der Schwerhörigkeit links auf berufliche Einwirkungen bezogen werden, während die Hörminderung rechts vor allem dem Hörsturz 1996 anzuschuldigen sei.
Auf Einwand des Klägers, es sei ungeklärt, ob der Hörsturz 1996 nicht seinerseits berufsbedingt gewesen sei und deshalb doch berücksichtigt werden müsse, hat Dr. D. ergänzend ausgeführt, nach aktuellem wissenschaftlichem Erkenntnisstand würden in erster Linie Prozesse im Bereich der Sinneszellen des Innenohrs als Ursache von Hörstürzen vermutet, die im Zusammenhang mit viralen Infekten, autoimmunologischen Störungen und Beeinträchtigungen der Mikromechanik diskutiert würden. Hier könne der Hörsturz schon deshalb nicht auf eine - akute - Lärmeinwirkung zurückgeführt werden, da er nur einseitig aufgetreten sei, was die "Symmetrieregel" nicht zulasse. Aus den Akten von damals ergäben sich auch keine Hinweise auf ein einseitiges Lärmtrauma.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Versicherungsfall sei anerkannt. Im Hinblick auf die laufende Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls als "Stützrente" könne der Kläger von der Beklagten eine Verletztenrente schon bei einer MdE um 10 v.H. verlangen. Eine solche liege jedoch nicht vor. Dr. D. habe überzeugend dargelegt, dass allenfalls ein Teil der Schwerhörigkeit links der BK angeschuldigt werden könne, während die weitergehende Gesundheitsstörung lärmunabhängig verursacht sein müsse und wahrscheinlich auf den Hörsturz 1996 zurückzuführen sei, der seinerseits nicht berufsbedingt gewesen sei. Insoweit sei entsprechend der Königsteiner Empfehlung von einer MdE von unter 10 v.H. auszugehen.
Hiergegen hat der Kläger am 10. November 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er trägt vor, der Gerichtsbescheid des SG halte weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht einer Überprüfung stand. Diese habe sich zu Unrecht auf die Feststellungen und Schlussfolgerungen von Dr. D. gestützt. Es lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass hier ein unzutreffendes Gutachten erstattet worden sei. Der Sachverständige habe verkannt, dass die Schwerhörigkeit - auch - rechts ausschließlich durch berufsbedingten Lärm verursacht worden sei. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum in seinem Falle beide Ohren unterschiedlich starken Lärmeinwirkungen ausgesetzt gewesen seien. Insoweit sei ein Wahlgutachten bei Prof. Dr. P. einzuholen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Oktober 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 9. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit eine Verletztenrente seit Oktober 2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist darauf, dass Dr. D. zutreffenderweise die Symmetrieregel zu Grunde gelegt habe. Ferner bleibe es dabei, dass die für Lärmschwerhörigkeiten typische C4-Senke beidseits fehle.
Der Berichterstatter des Senats hat den Kläger persönlich angehört und die Sach- und Rechtslage mit beiden Beteiligten erörtert. Im Einzelnen wird auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 25. April 2017 verwiesen. In jenem Erörterungstermin haben sich beide Seiten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers im Einvernehmen mit den Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Eine Entscheidung in der Sache ist möglich. Gründe für weitere Ermittlungen von Amts wegen (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG) sieht der Senat nicht, nachdem die tatsächlichen Umstände, die für die Bewertung mit einer MdE vonnöten sind, insbesondere in dem Gutachten von Dr. D. umfassend dargelegt worden sind. Den in der Berufungsschrift angekündigten bzw. gestellten Antrag, bei Prof. Dr. P. ein Wahlgutachten nach § 109 Abs. 1 SGG einzuholen, hat der Kläger nicht aufrecht erhalten, als er einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt hat. Aus diesem Grunde ist der Antrag erledigt (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leithe¬rer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 109 Rz. 8 m.w.N.; Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 - L 6 U 124/14 - juris, Rz. 61; Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 1. September 1999 - B 9 V 42/99 B, juris, Rz. 5).
Die Berufung ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG statthaft. Insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. Der Kläger begehrt zwar eine Geldleistung im Sinne dieser Vorschrift, jedoch dabei eine laufende Leistung für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist frist- und formgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben worden. Sie ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, Abs. 4 SGG) abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Rentengewährung ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII.) Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier einer BK - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren (§ 56 Abs. 1 Satz 4 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 - B 2 U 5/10 R -, juris, Rz. 16 m.w.N.). Die dazu in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (Urteil des Senats vom 28. Juli 2016 – L 6 U 1013/15 –, juris, Rz. 84).
Zu diesen Erfahrungssätzen gehört die "Königsteiner Empfehlung", eine durch ein sachverständig besetztes Gremium erarbeitete allgemeine Handreichung zur sozialmedizinischen Beurteilung der BK 2301, die als antizipiertes Sachverständigengutachten eingestuft werden kann (vgl. dazu Urteil des Senats vom 9. März 2017 – L 6 U 152/15 –, juris, Rz. 35). Hiernach (S. 29) sind abgrenzbare Teile einer - kombinierten - Gehörserkrankung, die nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine arbeitsbedingte Lärmeinwirkung zurückgeführt werden können, bei der Bewertung auch der MdE außer Betracht zu lassen (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30. Oktober 2013 – L 5 U 25/09 –, juris, Rz. 63).
Ein solcher Fall liegt her vor. Bei dem Kläger ist als Folge der anerkannten BK 2301 auf Grund des - nach wie vor bindenden (§ 77 SGG) - Bescheids vom 26. Juli 2002 - nur - die geringfügige Innenohrschwerhörigkeit im Hochtonbereich beiderseits, rechts mehr als links, anerkannt. Die weiteren bestehenden Hörschädigungen sind schon damals ausdrücklich von der Anerkennung ausgenommen worden. Es handelt sich insoweit um einen abgrenzbaren Teil der Hörschädigung. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. In dem jetzigen Verfahren haben die Behördengutachterin Dr. F., deren Gutachten der Senat als öffentliche Urkunde nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) heranzieht, und der Gerichtssachverständige Dr. D. (§§ 402 ff. ZPO) überzeugend dargestellt, dass weiterhin nur ein Teil der Schwerhörigkeit, nämlich die Lärmschwerhörigkeit im Hochtonbereich, der BK angeschuldigt werden kann. Die Hörminderungen in den tiefen und mittleren Frequenzen, wie sie der Kläger vor allem am rechten Ohr zeigt, sind keine Folgen beruflicher Lärmexposition. Hierzu hat Dr. D. nach dessen umfassender Untersuchung überzeugend dargelegt, dass die audiologische Zusatzdiagnostik, in diesem Falle ein "SISI-Test", eine Geräuschaudiometrie nach Langenbeck und eine Messung der otoakustischen Emissionen (S. 9 Gutachten), kein eindeutig lärmtypisches Untersuchungsbild ergeben hätten. Hinsichtlich der starken Hörschädigungen im mittleren und unteren Bereich haben beide Gutachter auf Alternativursachen hingewiesen, wobei Dr. F. die rezidivierenden Entzündungen des Klägers im Ohrbereich in den Vordergrund gerückt hat, Dr. D. dagegen stärker auf den Hörsturz von 1996 abgestellt hat. Für die hier maßgebende Frage der beruflichen Verursachung müssen jedoch keine Alternativursachen ausgeschlossen werden, sondern ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang mit einer beruflichen Einwirkung muss festgestellt werden. Dies ist nach den für den Senat schlüssigen Ausführungen der beiden Gutachten nicht möglich. Insbesondere muss entgegen der Ansicht des Klägers nicht abschließend geklärt werden, ob der Hörsturz 1996 seinerseits berufsbedingt war. Selbst wenn es ein Trauma mit einer Ohrschädigung gegeben haben sollte, das in der Folge zu diesem Hörsturz geführt hätte, wäre die daraus entstandene Hörminderung nicht der bereits anerkannten BK anzuschuldigen, sondern einem Arbeitsunfall. Dies wäre ein anderer Versicherungsfall gewesen (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Unabhängig davon ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Hörsturz berufsbedingt gewesen ist. Der Kläger hat keinerlei Angaben zu einem Knall- oder Explosionstrauma im Betrieb gemacht, ein solches ist auch nirgendwo in den Akten verzeichnet. Ferner hat Dr. D. überzeugend darauf hingewiesen, dass nach aktuellem wissenschaftlichem Erkenntnisstand Hörstürze auf mehrere verschiedene Ursachen wie virale Infekte, autoimmunologische Störungen und Beeinträchtigungen der Mikromechanik zurückgeführt werden. In diesem Zusammenhang ist bei dem Kläger auf die - von Dr. F. beschriebenen - regelmäßigen Infekte hinzuweisen, die allerdings bakteriell bedingt sind.
Hiernach wäre die MdE an sich nur aus dem abgrenzbaren, beruflich bedingten Hörverlust im Hochtonbereich zu ermitteln. Welche sich daraus ergäbe, kann aber offen bleiben. Selbst die gesamte Hörminderung des Klägers über alle Frequenzen führt nicht zu einer MdE von 10 v.H., die hier - im Hinblick auf den Stützrententatbestand auf Grund der laufenden Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 26. Januar 1998 - ausreichen würde. Die MdE liegt vielmehr insgesamt unter 10 v.H.
Der Senat legt hierbei die Hörverluste zu Grunde, die Dr. D. in seinem Gutachten vom 4. Mai 2016 durch ein Sprach- und ein Tonaudiogramm ermittelt hat. Sprachaudiometrisch unter Berücksichtigung des gewichteten Gesamtwortverstehens (nach Bönninghaus und Röder 1973) liegt der Hörverlust bei 20 % rechts und 10 % links. In der Tonaudiometrie (Röser 1980) hat Dr. D. rechts einen stärkeren Hörverlust von 30 % ermittelt, während sich links ebenfalls 10 % ergeben haben. Diese Differenz entspricht der Erwartung, dass sich im Tonaudiogramm zumeist ein etwas höherer prozentualer Hörverlust als aus dem Sprachaudiogramm ergibt (Königsteiner Empfehlung, S. 33). In solchen Fällen ist die MdE aus dem sprachaudiometrisch ermittelten Hörverlust zu entwickeln, da für die Bemessung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII bei Erwachsenen die Verhältnisse des allgemeinen Arbeitsmarktes relevant sind. Auf diesem Gebiet führen erst Einschränkungen des Hörvermögens mit Auswirkungen auf das Sprachverständnis zu qualitativen Leistungseinbußen. Allenfalls in - bestimmten - Fällen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII, etwa bei Musikern oder in technischen Berufen wie z.B. bei Prüfern, kann die Erwerbsfähigkeit bereits durch nur tonaudiometrisch messbare Hörverluste eingeschränkt sein. Nur dann, wenn sich nach dem Sprachaudiogramm unter Verwendung des gewichteten Gesamtwortverstehens ein Hörverlust von weniger als 20 % ergibt, ist für die Entscheidung, ob eine versicherungsrechtlich relevante Schwerhörigkeit vorliegt oder nicht, auch zur Beurteilung der "allgemeinen" Erwerbsfähigkeit das Tonaudiogramm heranzuziehen. Ergibt sich aus dem Tonaudiogramm bei Anwendung der Drei-Frequenz-Tabelle (Röser 1980) ein prozentualer Hörverlust von 20 % oder mehr und kann sicher ausgeschlossen werden, dass die tonaudiometrischen Werte durch Messfehler (z.B. Aggravation) verfälscht sind, so ist dann eine versicherungsrechtlich relevante Schwerhörigkeit entsprechend einem prozentualen Hörverlust von 20 %, aber auch nicht mehr, anzunehmen (zu allem Königsteiner Empfehlung, S. 31, 32). Bei dem Kläger nun hat sich aus dem Sprachaudiogramm für rechts ein Hörverlust von genau 20 % ergeben, sodass ein Rückgriff auf das Tonaudiogramm nicht statthaft ist.
Aus Hörverlusten von 20 % auf der einen Seite (Grenze zwischen Normalhörigkeit und geringgradiger Schwerhörigkeit) und 10 % auf der anderen Seite (Normalhörigkeit) folgt nach der Tabelle von Feldmann (1995) eine MdE von 0 v.H. Eine MdE von 10 v.H. kommt erst bei Hörverlusten von 20 % beidseits (Zwischenwert) oder z.B. einem Hörverlust von mehr als 40 % auf dem schlechteren Ohr in Betracht. Eine MdE von 15 v.H. setzt z.B. eine geringgradige Schwerhörigkeit (also Hörverluste von mehr als 20 %) auf beiden Ohren voraus (vgl. zu allem Königsteiner Empfehlung, S. 34).
Für eine Erhöhung dieser MdE auf medizinischem Gebiet wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit ist bei dem Kläger kein Anhaltspunkt ersichtlich (vgl. zu den besonderen Voraussetzungen Urteil des Senats vom 28. März 2015 - L 6 U 3485/13 -, juris, Rz. 38).
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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