L 16 SF 170/17 AB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 SF 170/17 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Richterablehnung ohne Namensnennung ist zulässig, wenn ein Konkretes, individualisierbares Verhalten gerügt wird, aber dem Betroffen der Name des Richters nicht bekannt ist.
2. Verfahrensfehler führen nur dann zum Erfolg des Ablehnungsgesuchs, wenn Willkür oder Benachteiligungsabsicht vorliegen.
Die Ablehnungsgesuche gegen die Richterinnen des 16. Senats am Bayer. Landessozialgericht wegen Besorgnis der Befangenheit werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast.) und Beschwerdeführer begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab Dezember 2016.

Am 06.07.2017 erhob der Ast. mit unvollständiger Wohnanschrift Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht L 16 AS 514/17 B ER gegen den die begehrten Leistungen ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 04.07.2017.

Mit von der Urkundsbeamtin unterschriebenem, gerichtlichem Schreiben vom 12.07.2017 - verfügt von der im 16.Senat zuständigen Berichterstatterin - wurde der Ast. gebeten, eine ladungsfähige Wohnanschrift mitzuteilen.

Der Beschwerdegegner nahm zur Beschwerde mit Schreiben vom 12.07.2017 Stellung. Darin bat der Beschwerdegegner wegen des Umfangs der Akten um richterlichen Hinweis, ab welchem Zeitpunkt die Akten benötigt würden. Das Schreiben des Beschwerdegegners wurde dem Ast. mit gerichtlichem Schreiben vom 18.07.2017 zur Kenntnis gegeben. Mit weiterem gerichtlichem Schreiben ebenfalls vom 18.07.2017 wurde der Beschwerdegegner um Vorlage der Akten ab 2017 gebeten; dieses Schreiben erhielt der Ast. nicht.

Mit einem auf den 16.07.2017 datierten Fax - eingegangen bei Gericht am 19.07.2017 -bat der Ast. um Akteneinsicht bei Gericht. In diesem Schreiben führte der Ast. zudem aus, das er Befangenheit bei Gerichten erkenne und nahm dabei vor allem Bezug auf das Verwaltungsgericht München, erwähnte aber auch das hier erstinstanzlich tätige Sozialgericht München; er stelle Befangenheitsantrag.

Mit Schreiben vom 19.07.2017, eingegangen bei Gericht am 21.07.2017 übersandte der Beschwerdegegner dem Gericht die angeforderten Akten für den Zeitraum vom 30.11.2016 bis aktuell und bedankte sich für den gerichtlichen Hinweis. Dieses Schreiben erhielt der Ast. mit gerichtlichem Schreiben vom 26.07.2017 zur Kenntnis.

Mit Schreiben vom 25.07.2017 teilte das Gericht dem Ast. mit, dass inzwischen bekannt sei, dass der Ast. ohne Wohnsitz sei; die Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift sei daher entbehrlich. Außerdem werde davon ausgegangen, dass sich der Befangenheitsantrag im Schreiben vom 16.07.2017 auf das Verwaltungsgericht beziehe.

Am 26.07.2017 stellte der Ast. Befangenheitsantrag gegen die Richterinnen des 16. Senats. Sein Schreiben vom 16.07.2017 beziehe sich entgegen der im gerichtlichen Schreiben vom 25.07.2017 geäußerten Ansicht hinsichtlich der dort gerügten Befangenheit nicht nur auf das Verwaltungsgericht sondern auch auf das Sozialgericht München. Mit weiterem Schreiben vom 29.07.2017 begründete der Ast. diesen Befangenheitsantrag auch damit, dass sich der Beschwerdegegner im Schreiben vom 19.07.2017 für einen gerichtlichen Hinweis bedankt habe, ohne dass der Ast. eine Kopie dieses Hinweises erhalten habe. Zudem bestünde ein weiterer Befangenheitsgrund: Dass im Beschwerdeverfahren nur die Akten ab 30.11.2016 vorliegen würden und nicht die gesamten Akten, sei nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar.

Die dienstlichen Stellungnahmen der vom Ast. abgelehnten Richterinnen des 16. Senats vom 08.08.2017 sowie vom 09.08.2017 wurden dem Ast. zur Kenntnis gebracht.

Der Ast. hat sich hierzu nicht mehr geäußert.

II.

Die zulässigen Ablehnungsgesuche sind unbegründet.

Was die Ablehnungsgesuche gegen die Vorsitzende des 16. Senats sowie die Richterin am BayLSG X. betrifft, sind die Ablehnungsgesuche - obwohl pauschal gegen die Richterinnen des 16. Senats erhoben - zulässig, nachdem der Ast. individualsierbare Gründe vorgetragen hat, dem Ast. aber nicht bekannt war, wer die von ihm gerügten Handlungen im Laufe des Verfahrens veranlasst hat. Die Ablehnungsgesuche betreffend diese beiden Richterinnen, sind jedoch unbegründet, nachdem beide Richterinnen nicht Berichterstatterinnen im konkreten Fall sind und sich aus den Akten ergibt, dass beide im Beschwerdeverfahren bislang auch nicht tätig geworden sind.

Das zulässige Ablehnungsgesuch gegen die Berichterstatterin im 16. Senat, RiLSG Y., die bisher im Beschwerdeverfahren allein tätig war, ist ebenfalls nicht begründet.

Nach § 60 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein.

Ein im Rahmen der gebotenen richterlichen Verfahrensweise liegendes Verhalten kann dabei die Befangenheit des Richters nicht begründen (BSG Beschluss vom 08.01.2010, B 1 KR 119/09 B). Dies gilt in der Regel selbst dann, wenn der Richter fehlerhaft gehandelt hat. Daher müssen im Ablehnungsgesuch Gründe dargelegt werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BSG Beschluss vom 29.03.2007 B 9a SB 87/06 B). Die Fehlerhaftigkeit muss ohne weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen. Den Beteiligten muss sich der Eindruck der Voreingenommenheit geradezu aufdrängen (BayLSG Beschluss vom 16.05.2013, L 7 SF 92/13 AB). Hierbei ist zu beachten, dass der Befangenheitsantrag nicht das richtige Instrument ist, einen Richter, der eine dem Ast. missliebige Rechtsauffassung vertritt oder einen ihm nicht genehmen Verfahrensweg beschreiten will, aus dem Verfahren zu drängen (BayLSG Beschluss vom 02.03.2016 L 7 SF 84/16 AB). Auch etwaigen Verfahrensfehlern kann nicht ohne weiteres mit Befangenheitsanträgen begegnet werden, wenn die Fehler ohne ersichtliche Benachteiligungsabsicht oder Willkür geschehen sind (BSG Beschluss vom 29.03.2007 B 9a SB 87/06 B)

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Ablehnungsgesuch des Ast. gegen die Berichterstatterin im 16. Senat unbegründet.

Es ist nicht erkennbar, dass die bisherige, von der zuständigen Berichterstatterin Richterin zu verantwortende Verfahrensweise willkürlich oder mit Benachteiligungsabsicht war.

Dass dem Ast. das gerichtliche Schreiben vom 18.07.2017, mit dem die Akten ab 2017 angefordert wurden, nicht zur Kenntnis gebracht wurde, ist letztlich nicht mehr von Bedeutung, nachdem der Ast. mit gerichtlichem Schreiben vom 26.07.2017 darüber informiert wurde, dass die Akten ab 30.11.2016 vorliegen und er nunmehr in diese Akten Einsicht nehmen kann.

Dass das Gericht die Anfrage des Beschwerdegegners, welche Akten benötigt würden, dahingehend beantwortete, dass nur die Akten ab 2017 vorgelegt werden müssten, führt ebenfalls nicht zur Befangenheit. Der Beschwerdegegner hat die für 2017 relevanten Akten vorgelegt, indem er die Akten ab Beginn des relevanten Zeitraums, nämlich ab 30.11.2016 vorlegte. Wenn der Ast. meint, das Gericht hätte sämtliche Akten anfordern müssen und sei deshalb befangen, ist das nicht nachvollziehbar. Denn der Streitgegenstand bestimmt sich im Verfahren bezüglich Leistungen nach dem SGB II entsprechend der Rechtsprechung des BSG nach Bewilligungszeiträumen. Der Ast. hat in seinem Antrag beim Sozialgericht den streitigen Bewilligungszeitraum ausdrücklich mit "ab Dezember 2016" benannt. Akten, die frühere Zeiträume betreffen, sind damit irrelevant.

Was die Frage der vom Ast. gerügten "Befangenheit" entweder des Sozialgerichts oder des Verwaltungsgerichts anbetrifft, ist nicht erkennbar, inwieweit der Ast. hieraus Gründe ableiten will, die zu einer Befangenheit der Berichterstatterin führen könnten. Zu Recht hat die Berichterstatterin den Ast. angesichts seiner wenig nachvollziehbaren Ausführungen mit gerichtlichem Schreiben darüber informiert, wie seine Ausführungen zur Befangenheit verstanden würden, nämlich als Befangenheitsantrag gegen das Verwaltungsgericht. Der Ast. konnte nach diesem richterlichen Hinweis seine Ansicht zur angeblichen "Befangenheit" auch des Sozialgerichts darlegen, was er auch getan hat. Dass der richterliche Hinweis im Schreiben vom 26.07.2017, mit dem Ast. im Sinne der Gewährung rechtlichen Gehörs Gelegenheit gegeben wurde, unklare Ausführungen nochmals zu erläutern, ein Befangenheitsgrund darstellen soll, ist abwegig.

Im Ergebnis sind die Ablehnungsgesuche gegen die Richterinnen des 16. Senats allesamt zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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