S 10 R 201/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 10 R 201/13
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits bei Wegfall der Beteiligtenfähigkeit der klägerischen GmbH wegen Löschung aus dem Handelsregister und vollständiger Vermögenslosigkeit
1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Der Streitwert wird auf 57.080,32 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat und wendet sich nur noch hilfsweise gegen einen Bescheid der beklagten Rentenversicherung, mit dem diese eine Nachforderung zur Künstlersozialabgabe (KSA) erhoben hat.

Die Klägerin betrieb in den Jahren 2006 bis 2009 als GmbH eine Werbeagentur. Anlässlich einer Betriebsprüfung zur Zahlung der KSA für den Zeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2010 übersandte die Beklagte am 06.04.2011 einen Fragebogen zur KSA an die Klägerin, mit der Bitte, diesen zur Prüfung vorzulegen. Trotz mehrfacher Erinnerung kam die Klägerin dem nicht nach. Die Beklagte setzte deshalb mit Schreiben vom 27.02.2012 eine Frist bis zum 12.03.2012 und kündigte an, nach Ablauf der Frist die Beitragspflicht im Wege der Schätzung festzustellen.

Mit Schreiben vom 30.04.2012 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Erhebung von Nachforderungen zur KSA iHv 42.383,82 EUR zuzüglich Säumniszuschläge iHv 14.696,50 EUR an.

Mit Bescheid vom 09.07.2012 erfolgte die angekündigte Festsetzung. Die Klägerin wurde zur Zahlung des Betrages an die Künstlersozialkasse (KSK) aufgefordert. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin betreibe Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte und vergebe dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten. Sie sei deshalb nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) zur KSA verpflichtet. Da die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung den Fragebogen für die Prüfung der KSA nicht eingereicht und auch keine Unterlagen, aus denen sich die Abgabenhöhe ergebe, übersandt habe, seien die der Berechnung zugrunde liegenden abgabepflichtigen Entgelte gem. § 27 Abs. 1 Satz 3 und 4 KSVG zu schätzen. Der Bescheid werde bei nachgeholter Meldung der tatsächlich gezahlten Entgelte überprüft. Bemessungsgrundlage seien nach § 25 KSVG alle an selbständige Künstler und Publizisten in den Bereichen Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst gezahlten Entgelte, einschließlich der dem Künstler oder Publizisten erstatteten Auslagen und Nebenkosten. Der Vomhundertsatz (Abgabesatz) werde nach § 26 KSVG jährlich durch Rechtsverordnung neu festgestellt (2006: 5,5 %; 2007: 5,1 %; 2008: 4,9 %; 2009: 4,4 %; 2010: 3,9 %). Die Berechnung der KSA und der Säumniszuschläge wurde in einer Anlage zum Bescheid dargestellt.

Die Klägerin legte durch ihren Steuerberater am 09.08.2012 Widerspruch ein und wandte ein, die Höhe der festgesetzten Entgeltsummen sei nicht nachvollziehbar. Beantragt werde die Festsetzung einer jährlichen KSA im Prüfzeitraum von 350,00 EUR.

Nachdem die Beklagte den Steuerberater der Klägerin wiederholt telefonisch nicht erreicht hatte, teilte sie ihm mit Schreiben vom 09.08.2012 mit, dass sie beabsichtige, am Nachmittag des 05.11.2012 durch ihren Außendienst eine ergänzende Prüfung der Finanzbuchhaltung in seinen Räumen vorzunehmen. Am besagten Tag öffnete beim Steuerberater niemand dem Außendienst die Tür.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies daraufhin den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2013 zurück und wiederholte im Wesentlichen die Begründung des Ausgangsbescheides.

Die Klägerin hat am 26.02.2013 Klage erhoben und zunächst die Aufhebung von Bescheid und Widerspruchsbescheid beantragt.

Sie hat die Summen- und Saldenlisten der Jahre 2007 und 2008 überreicht und durch ihre bevollmächtigten Rechtsanwälte vortragen lassen, die Klägerin habe bis 2009 künstlerische und publizistische Leistungen iSd § 24 Abs. 1 Nr. 1 KSVG in Form von Werbung und Öffentlichkeitsarbeit hergestellt und diese veräußert. Die geschätzte Höhe der Nachforderung für die Jahre 2006 bis 2009 sei nicht nachvollziehbar. Für das Jahr 2007 hätte ein Betrag von 499,29 EUR, für das Jahr 2008 von 51,49 EUR und für die Jahre 2009 und 2010 jeweils von 0,00 EUR festgesetzt werden müssen. Denn in 2007 seien für künstlerische Leistungen an Frau R. 860,00 EUR, an Herrn K. 8.600,00 EUR und an Frau K1 330,00 EUR aufgewendet worden, was als Bemessungsgrundlage eine Gesamtsumme von 9.790 EUR ergebe. Bei einem Abgabesatz von 5,10 % folge hieraus eine KSA von 499,29 EUR. In 2008 seien für künstlerische Leistungen an Herrn K. 1.060,00 EUR aufgewendet worden. Bei einem Abgabesatz von 4,90 % folge daraus eine KSA von 51,94 EUR. In den Jahren 2009 und 2010 sei die Klägerin nicht mehr operativ tätig gewesen und habe keine künstlerischen Leistungen bezogen.

Die Beklagte hat die von der Klägerin eingereichten Summen- und Saldenlisten für ungeeignet gehalten, um die Abgabenhöhe zu prüfen, da aus den Aufstellungen nicht eindeutig hervorgehe, welche künstlerischen bzw. publizistischen Leistungen im Einzelnen angefallen und an welchen selbständigen Künstler bzw. Publizisten Leistungen in Auftrag gegeben und abgerechnet worden seien. Eine genaue Prüfung des gesamten Prüfzeitraums vom 01.01.2006 bis 31.12.2010 erfordere die Vorlage des Kontos "Werbungskosten" und der dazugehörigen Rechnungen.

Nachdem die Klägerin verschiedene Rechnungen vorgelegt hat, hat die Beklagte hat dazu erklärt, Entgelt sei alles, was der zur Abgabe Verpflichtete aufwende, um das Werk oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen. Somit seien auch Nebenkosten, wie Druckleistungen, als Bemessungsentgelt zu berücksichtigen, wenn sie in den Rechnungen nicht gesondert ausgewiesen würden. Nur wenn diese Nebenkosten nachgewiesen worden wären, hätte ggf. eine Herausrechnung stattfinden müssen, soweit die Grenzen des § 3 Nr. 16 Einkommenssteuergesetz eingehalten würden. Aus den Rechnungen für die Jahre 2007 und 2008 des Herrn K. an die Klägerin gehe hervor, dass freie Grafikarbeiten für die Klägerin erbracht worden seien. Es befinde sich jeweils ein Pauschalpreis auf den Rechnungen, dessen Zusammensetzung in den Rechnungen nicht aufgeschlüsselt werde. Für das Jahr 2007 seien der Klägerin von Herrn K. insgesamt 11.700,00 EUR und für 2008 insgesamt 10.010,00 EUR in Rechnung gestellt worden. Das Wesen der Vereinbarung eines Pauschalbetrages für eine in Auftrag gegebene Leistung bestehe gerade darin, dass nicht die auf die einzelnen Positionen entfallenden Beträge maßgeblich seien. Insoweit sei eine Nachprüfbarkeit aufgrund der vorzuhaltenden Aufzeichnungen nicht gegeben. Alle diese genannten Arbeiten eines Grafikers unterlägen der Abgabepflicht nach dem KSVG. Die Klägerin habe jedoch nur Zahlungen an Herrn K. iHv 8.600,00 EUR für das Jahr 2007 und 1.060,00 EUR für das Jahr 2008 angegeben und diese Summen anhand der vorgelegten Summen- und Saldenlisten erklärt. Diese Zahlen wichen von den tatsächlichen Zahlungen an Herrn K. teilweise deutlich ab. Laut den vorgelegten Summen- und Saldenlisten seien allein im Jahr 2007 Fremdleistungen im Umfang von 129.561,98 EUR (Konto 4909) von der Klägerin gebucht worden. Ferner habe die Klägerin angegeben, dass Aufträge auch noch an Frau R. und Frau K1 vergeben worden seien. Entsprechende Rechnungen für diese Personen seien jedoch nicht vorgelegt worden. Auch seien die Zahlungen an die genannten drei Personen und an alle anderen Personen bzw. Firmen, die Leistungen für die Klägerin erbracht hätten, laut den Zahlen aus der Buchhaltung nicht unter dem Konto "Fremdleistungen", sondern unter separaten Kontobezeichnungen (z.B. Konto 71100 für Herrn K. und 71102 für Frau K1) abgerechnet worden. Die Klägerin möge daher auch darlegen, wie sie auf die genannten Beträge u.a. für Herrn K. gekommen sei und wie sich der Betrag von 129.561,98 EUR für Fremdleistungen für das Jahr 2007 zusammensetze.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben sich anschließend zur Sache nicht mehr geäußert, sondern erklärt und nachgewiesen, dass die Klägerin am 30.04.2014 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen aus dem Handelsregister gelöscht worden ist. Der Rechtsstreit werde daher für erledigt erklärt.

Die Beklagte hat erklärt, sich der Erledigungserklärung nicht anschließen zu wollen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

a) festzustellen, dass sich der vorliegende Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat,

hilfsweise,

b) den Bescheid vom 09.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass die Löschung aus dem Handelsregister für das vorliegende Verfahren irrelevant sei. Die Löschung einer GmbH führe nicht zu ihrer Vollbeendigung, wenn die GmbH, wie es vorliegend der Fall sei, noch an Abwicklungsmaßnahmen teilzunehmen habe. Einer Vermögenslosigkeit der Klägerin stehe i.Ü. entgegen, dass sie bei erfolgreichem Ausgang des Rechtsstreits einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte erhielte. Die Klägerin sei auch nicht prozessunfähig. Einer Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens bis zur Bestellung eines Liquidators gem. § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 241 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) bedürfe es nicht, da die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten vertreten werde und die erteilte Prozessvollmacht gem. § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG iVm § 86 ZPO über den Zeitpunkt der Löschung hinaus wirke.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind dieser Auffassung zur Frage der Beteiligtenfähigkeit entgegengetreten. Soweit in der Rechtsprechung angenommen werde, dass die Beteiligtenfähigkeit trotz Löschung fortbestehe, weil noch verteilbares Vermögen in Gestalt eines Anspruchs auf Erstattung der eigenen außergerichtlichen Kosten im Falle eines Obsiegens vorhanden sei, überzeuge dies nicht, da diesem Anspruch eine Verpflichtung gegenüberstehe, den entsprechenden anwaltlichen Vergütungsanspruch zu erfüllen. Ein nachträglicher Vermögenserwerb würde daher auch bei einem Obsiegen im Klageverfahren nicht eintreten.

Am 10.04.2017 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Die Beklagte hat darin erklärt, der letzte Schriftsatz der Klägerin vom 03.04.2017 sei ihr nicht zur Kenntnis gelangt. Der Rechtsstreit ist daraufhin vertagt und der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Zugleich haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne weitere mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die der Kammer bei der Beratung und Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage, über die das Gericht ohne weitere mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden kann, weil die Beteiligten ihr Einverständnis erteilt haben (§ 124 Abs. 2 SGG), ist im Hauptantrag zulässig (1.) und begründet (2.).

1. Die Klage ist zulässig.

a) Der Antrag auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits ist statthaft. Es ist in der Rechtsprechung sowohl der Verwaltungs- als auch der Sozialgerichtsbarkeit anerkannt, dass in nicht-kostenprivilegierten Verfahren für den Fall der Erledigungserklärung des Klägers, der die Beklagte widerspricht, der Kläger nicht genötigt ist, die Klage zurückzunehmen. Denn damit wäre für ihn die Kostenlast (§ 197a SGG iVm § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) verbunden (BVerwG, Urteil vom 31.10.1990 – 4 C 7/88 –, juris). Eine Erledigungserklärung, der die Gegenseite widerspricht, kann deshalb nicht mit einer Klagerücknahme gleichgesetzt werden (BSG, Beschluss vom 15.08.2012 – B 6 KA 97/11; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.07.2015 – L 11 KA 107/13; jeweils juris). Vielmehr wird der Rechtsstreit durch nur einseitige Erledigungserklärung in einen sog. Erledigungsrechtsstreit umgewandelt, in welchem das Gericht grundsätzlich nur noch die Frage zu prüfen hat, ob ein nach Klageerhebung außerhalb des Prozesses eingetretenes Ereignis dem ursprünglichen Klagebegehren die Grundlage entzogen hat und die Klage für den Kläger deshalb gegenstandslos geworden ist. Abzustellen ist dabei auf den vor der Erledigungserklärung zuletzt verfolgten Klageantrag (LSG Nordrhein-Westfalen aaO). Erweist sich das Vorbringen des Klägers über ein solches nachträgliches Ereignis als richtig, so ist dem veränderten Klageantrag stattzugeben; anderenfalls ist die Klage abzuweisen (BVerwG aaO).

Hingegen wäre vorliegend der Weg zur einer Kostenentscheidung durch das Gericht nach billigem Ermessen gem. § 197a SGG iVm § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffnet gewesen, hätte sich die Beklagte der Erledigungserklärung der Klägerin angeschlossen. Da die Beklagte der Erklärung der Klägerin aber ausdrücklich widersprochen hat, ist nach Umstellung des Klageantrags Gegenstand des anhängigen Verfahrens nur noch die Frage, ob sich die Hauptsache erledigt hat.

Ein solche gerichtliche Feststellung ist regelmäßig nicht davon abhängig, dass die Klage ursprünglich zulässig und begründet war (BVerwG aaO Rn. 20). Denn nach Erledigungserklärung des Klägers soll das Gericht einer aufwändigen Prüfung des ursprünglichen Klagebegehrens gerade enthoben werden, weil der Kläger eine Entscheidung hierüber nicht mehr begehrt. Dieser Prüfungsmaßstab gilt jedenfalls vorbehaltlich eines insoweit bestehenden schutzwürdigen Interesses der Beklagten an der gerichtlichen Feststellung, dass der mit der Klage erhobene Anspruch von Anfang an nicht bestanden habe (BVerwG aaO).

Ein solches Interesse der Beklagten ist vorliegend aber nicht zu erkennen. Die Beklagte würde durch eine solche Prüfung keinen erkennbaren Vorteil erlangen. Denn ihr – bzw. der KSK – bleibt es unbenommen, auch nach dem die Erledigung feststellenden Urteil Vollstreckungsmaßnahmen gegen die – indes nicht mehr existente – Klägerin zu ergreifen. Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich daher vorliegend darauf, ob Erledigung eingetreten ist.

b) Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin für diese auf Feststellung der Erledigung gerichtete Klage liegt vor, obwohl sie – wie noch auszuführen sein wird – während des Klageverfahrens ihre Rechtsfähigkeit und damit auch ihre Beteiligtenfähigkeit (§ 70 SGG) verloren hat.

Die Klägerin macht nämlich geltend, sie habe ihre Beteiligtenfähigkeit verloren und begehrt aus diesem Grunde das beantragte Feststellungsurteil. Da die Beklagte hierzu die gegenteilige Auffassung vertritt, steht die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin in Streit, zumindest aber die daraus abzuleitenden prozessualen und kostenrechtlichen Folgen des Verlustes ihrer Beteiligtenfähigkeit. Zur Austragung dieses Streites ist die Klägerin aber als beteiligtenfähig anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 29.09.1981 – VI ZR 21/80; so auch BGH, Urteil vom 29.09.2010 – XII ZR 41/09 –, juris: Das Rechtsmittel einer Partei, die sich dagegen wendet, von der Vorinstanz zu Unrecht als nicht existent behandelt worden zu sein, sei ohne Rücksicht darauf zulässig, ob die Annahme gerechtfertigt sei. Auch wenn Zweifel an der Existenz einer Partei bestünden, sei sie zur Erledigung des Streits hierüber als existent zu behandeln.).

c) Die Klägerin ist auch prozessfähig. Ihre Löschung aus dem Handelsregister hat zwar zur Folge, dass ihr Geschäftsführer als bisheriger gesetzlicher Vertreter seine Vertretungsbefugnis verliert und die GmbH mangels eines vertretungsberechtigten Organs prozessunfähig wird. Das gerichtliche Verfahren wird deshalb in der Regel bis zur Bestellung eines Liquidators bzw. Nachtragsliquidators gemäß § 202 SGG iVm § 241 ZPO unterbrochen. Eine Unterbrechung des Verfahrens tritt indes gem. § 246 ZPO dann nicht ein, wenn die Gesellschaft durch Prozessbevollmächtigte vertreten war (zu allem LSG Hamburg, Urteil vom 06.04.2011 – L 2 AL 51/07 –, juris). Die Klägerin wird seit Klageerhebung durch ihre Prozessbevollmächtigten vertreten. Die erteilte Prozessvollmacht dauert über den Zeitpunkt der Löschung der Klägerin und des Verlustes der gesetzlichen Vertretungsmacht ihres Geschäftsführers fort (§ 73 Abs. 6 Satz 7 SGG iVm § 86 ZPO).

2. Die Klage ist auch begründet.

Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin ist im Prozess entfallen und hat als außerprozessuales Ereignis der Klage gegen den Beitragsbescheid die Grundlage entzogen. Es war daher antragsgemäß festzustellen, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat.

a) § 70 regelt, wer im sozi¬al¬ge¬richt¬li¬chen Ver¬fah¬ren Betei¬lig¬ter, wer also Klä¬ger, Beklag¬ter oder Bei¬ge¬la¬de¬ner sein kann. Die Beteiligtenfähigkeit von Kläger und Beklagtem muss als Prozessvoraussetzung grundsätzlich während des gesamten Verfahrens gegeben sein. Nach § 70 Nr. 1 SGG sind fähig, am Verfahren beteiligt zu sein (Parteifähigkeit) natürliche und juristische Personen. Letztere können solche des öffentlichen oder des Privatrechts sein, also auch die GmbH und zwar grundsätzlich bis zum Verlust der Rechtsfähigkeit, also noch in der Liquidation, im Passivprozess u.U. sogar noch nach Löschung (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 70 Rn. 2).

b) Die Klägerin hatte mit ihrer Eintragung im Handelsregister ihre Rechtsfähigkeit erlangt und damit ihre Fähigkeit, vor Gericht zu klagen (§ 13 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung – GmbHG).

Sie hat ihre Rechtsfähigkeit und damit ihre Parteifähigkeit aber verloren.

aa) Nach § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG wird die GmbH durch die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) aufgelöst. Die Klägerin ist nach ihrer Abwicklung während des anhängigen Rechtsstreits gem. § 394 Abs. 1 FamFG aus dem Handelsregister gelöscht worden. Nach dieser Vorschrift kann eine Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, GmbH oder Genossenschaft, die kein Vermögen besitzt, von Amts wegen oder auf Antrag der Finanzbehörde oder der berufsständischen Organe gelöscht werden. Sie ist von Amts wegen zu löschen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft durchgeführt worden ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt.

Da vorliegend kein Insolvenzverfahren durchgeführt wurde, handelte es sich um eine Löschung der Klägerin von Amts wegen nach § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Dies setzt Vermögenslosigkeit der GmbH voraus. Vermögenslosigkeit in diesem Sinne ist dann anzunehmen, wenn es bei der Gesellschaft aus Sicht eines ordentlichen Kaufmanns an einem bilanzfähigen, für die Befriedigung der Gläubiger verwertbaren Aktivvermögen fehlt (Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 60 Rn. 19; Holzer in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 394 FamFG, § 394 Rn. 7 mN zur Rspr.). Dabei hat das Registergericht die tatsächlichen Umstände, aus denen sich hinreichende Schlüsse auf die Vermögenslosigkeit ziehen lassen, besonders genau und gewissenhaft zu prüfen. Seine Überzeugung, dass eine Gesellschaft kein Vermögen hat, muss auf seinen eigenen, hinreichenden Ermittlungen beruhen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.08.1999 – 14 Wx 24/99 –, juris).

bb) Die Löschung einer vermögenslosen GmbH nach § 394 Abs. 1 FamFG hat zur Folge, dass die Gesellschaft grundsätzlich ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit auch ihre Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein. Die Löschung einer GmbH im Handelsregister bedeutet indes zwar regelmäßig, aber noch nicht zwangsläufig, dass die Gesellschaft vollständig beendet ist. Vielmehr führt die von § 66 Abs. 5 GmbHG (Möglichkeit der sogenannten Nachtragsliquidation) gestützte "Lehre vom Doppeltatbestand" dazu, dass die wegen nur angenommener oder behaupteter Vermögenslosigkeit aufgelöste und gelöschte GmbH noch nicht als vollständig beendet anzusehen ist und daher trotz der Löschung fortbesteht, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass noch Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt. Es findet dann gemäß § 66 Abs. 5 Satz 1 GmbHG die Liquidation mit der Wirkung statt, dass die Gesellschaft während der Liquidationsphase noch rechts- und parteifähig ist (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.09.2007 – 2 U 77/07 –, juris).

cc) Vorliegend hat die Klägerin nach Ansicht der Kammer als vollständig vermögenslos und damit vollbeendet zu gelten.

Ihre Löschung ist wegen Vermögenslosigkeit erfolgt, und dass gleichwohl noch verwertbares Vermögen vorhanden sein könnte, ist weder von der Beklagten vorgetragen worden noch sonst erkennbar. Die Auffassung der Beklagten, es genüge für die Annahme vorhandenen Vermögens, dass der Klägerin bei einem Obsiegen im vorliegenden Rechtsstreit ein Kostenerstattungsanspruch gegen sie, die Beklagte, zustehe, teilt die Kammer nicht (ebenfalls ablehnend BGH, Urteil vom 29.09.1981 – VI ZR 21/80 –, juris). Überdies wäre aber auch zweifelhaft, ob es sich bei diesem Kostenerstattungsanspruch überhaupt um eine werthaltige Forderung – und damit um verwertbares Vermögen – handeln würde (vgl. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012-2015, § 74 Rn. 12), derentwegen vollstreckt werden könnte. Denn die Klägerin hätte ihrerseits den Vergütungsanspruch ihrer Prozessbevollmächtigten zu erfüllen. Eine reelle Aussicht, dass der Beklagten hinsichtlich ihrer geltend gemachten Ansprüche aus dem Bescheid Haftungsmasse zur Verfügung stünde, besteht insoweit nicht. Letztlich erscheint es auch widersprüchlich, wenn sich die Beklagte zur Begründung der Beteiligtenfähigkeit der Klägerin auf deren möglichen Kostenerstattungsanspruch beruft (vgl. BGH, Urteil vom 05.04.1979 – II ZR 73/78 –, juris). Denn ein solcher Anspruch könnte nur bei einem Obsiegen der Klägerin entstehen. Dies steht aber im Widerspruch zur Rechtsbehauptung der Beklagten, in rechtmäßiger Weise eine Nachforderung zur KSA erhoben zu haben.

Zwar wird die Partei- bzw. Beteiligtenfähigkeit der gelöschten Gesellschaft auch dann angenommen, wenn sie sich gegen Ansprüche wehrt, die ihrer Auffassung nach nicht entstanden sind (BGH, Urteil vom 18.01.1994 – XI ZR 95/93 –, juris). Nach Ansicht des LSG Hamburg (aaO unter Hinweis auf die vorzitierte Entscheidung des BGH) soll für Forderungen der Sozialleistungsträger nichts anderes gelten. Insoweit ist aber darauf hinzuweisen, dass der jener Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt anders lag. Die dortige Klägerin hatte mit ihrem Rechtsmittel geltend gemacht, sie sei, im Gegensatz zur Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, noch parteifähig. Ihr Begehren war es, mit dieser Begründung die Folgen zu beseitigen, die im angefochtenen Urteil zu ihren Lasten aus der Parteiunfähigkeit gezogen worden waren. Die Annahme einer fortbestehenden Parteifähigkeit findet ihre Rechtfertigung folglich in der Erwägung, dass es der gelöschten GmbH möglich sein müsse, sich gegen Ansprüche zu wehren, die ihrer Ansicht nach nicht entstanden sind bzw. von ihr in Anspruch genommene Vermögensrechte gerichtlich durchzusetzen (BGH aaO). Diese Überlegung greift aber nach Ansicht der Kammer jedenfalls dann nicht, wenn die gelöschte GmbH (durch ihre Prozessbevollmächtigten) im Prozess gerade keine Sachentscheidung mehr herbeiführen möchte, sondern die Feststellung der Erledigung begehrt, weil sie selbst vom Wegfall ihrer Parteifähigkeit ausgeht. Dies ist vorliegend der Fall.

Zusammenfassend ließe sich also sagen, dass es für die Parteifähigkeit im Aktivprozess ausreichen kann, wenn die klägerische Gesellschaft einen Vermögensanspruch geltend macht und im Passivprozess, wenn der Kläger substantiiert behauptet, es sei bei der beklagten Gesellschaft noch Vermögen vorhanden. Unabhängig davon, ob man vorliegend in diesem Sinne von einem Aktiv- oder einem Passivprozess der – ursprünglich einen Anspruch der Beklagten abwehrenden – Klägerin ausgehen wollte, liegt, wie dargestellt, nach Umstellung des Klageantrags auf die Feststellung der Erledigung keiner der vorgenannten Fälle vor.

Nach allem war deshalb die Erledigung des Rechtsstreits gemäß dem Hauptantrag der Klägerin festzustellen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beklagten als der unterliegenden Partei waren sämtliche Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Der Streitwert ergibt sich aus der Höhe der streitigen Geldsumme (§ 52 Gerichtskostengesetz).
Rechtskraft
Aus
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