Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 2651/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3371/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Für die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme fehlt es regelmäßig an einem Anordnungsgrund.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.08.2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Antragstellerin macht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anspruch auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme geltend.
Die 1959 geborene Antragstellerin ist Mitglied bei der Antragsgegnerin. Im Jahr 2016 gewährte ihr die Antragsgegnerin eine Rehabilitationsmaßnahme, die vom 26.04. bis zum 17.05.2016 in der Rehaklinik für Orthopädie, Urologie und Psychosomatik J. in B. F. durchgeführt wurde. Am 15.03.2017 beantragte die Antragstellerin mit ärztlicher Verordnung erneut die Bewilligung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Als Rehabilitationsziel gab der die Antragstellerin behandelnde Neurologe/Psychiater F. die Verbesserung der Lebensqualität sowie Aktivierung und Stabilisierung der seelischen Kräfte an. Als rehabilitationsbegründende Diagnosen nannte er das Vorliegen einer mittelgradigen depressiven Episode, eine Dysthymie, Migräne und eine kombinierte Störung der persönlichen Organisation. Mit Bescheid vom 22.03.2017 lehnte die Antragsgegnerin den Rehaantrag ab. Zur Begründung führte sie an, eine erneute Maßnahme sei erst nach Ablauf von vier Jahren möglich. Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen seien keine dringende gesundheitliche Gründe, die eine vorzeitige Leistung erforderten, erkennbar. Außerdem empfahl die Antragsgegnerin die erneute Einleitung einer ambulanten Psychotherapie.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 28.03.2017 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schreiben vom 11.04.2017 damit, es sei ihr nicht möglich gewesen, die Psychotherapie im Jahr 2015 fortzuführen, da die Therapie von Seiten der Therapeutin mangels Erfolgsaussichten abgebrochen worden sei. Die Antragstellerin meint, eine ambulante Behandlung sei nicht ausreichend und geeignet, die aufgezeigten erheblichen medizinischen Probleme nachhaltig zu verbessern oder eine Verschlimmerung zu verhindern. Trotz der bisher vorgenommenen Behandlungen bestünden weiterhin noch Schlafstörungen, innere Unruhezustände, Konzentrationsschwäche und eine sehr geringe Belastbarkeit. Allein eine stationäre Rehabilitation könne eine Besserung bringen. Zur Stützung ihres Vorbringens legte die Klägerin mehrere Arztberichte aus den Jahren 2015 und 2016 vor. Die Antragsgegnerin beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens. In dem nach Aktenlage erstellten Gutachten des MDK vom 24.07.2017 kam Dr. P. zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung nicht erfüllt seien. Die Dringlichkeit der beantragten Rehabilitation innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Mindestabstandes von vier Jahren könne nicht nachvollzogen werden. Eine Entscheidung über den Widerspruch ist bislang nicht ergangen.
Am 07.08.2017 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie ist der Ansicht, die Rehamaßnahme sei eilig und akut, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verhindern. Die verfügbaren ambulanten Therapiemöglichkeiten (manuelle Therapie wegen Migräne, Spannungskopfschmerzen und Clusterkopfschmerzen sowie Fibromyalgie in Form von Fango, Krankengymnastik und Reha-Sport) seien bereits ausgeschöpft und hätten nicht zu einer Verbesserung geführt. Aufgrund von Existenzproblemen und ständiger Gerichtsverhandlungen seien die Krankheiten immer chronischer geworden, die Kopfschmerzen, Migräne und Depressionen hätten sich enorm verschlechtert. Ein Bruch des Sprunggelenks Ende 2016 habe dazu geführt, dass sie nicht mehr am Reha-Sport habe teilnehmen können und die orthopädischen Krankheiten wiedergekommen seien oder sich verschlechtert hätten. Die Empfehlung des Hormonzentrums K. im Januar 2017, ihre Lendenwirbelsäule röntgen zu lassen, um eine Fraktur ausschließen zu können, habe sie nervös gemacht. Die dadurch hervorgerufene Anspannung sei ihr absolut nicht gut bekommen. Allein eine stationäre Reha könne ihre medizinischen Probleme nachhaltig verbessern oder eine Verschlimmerung verhindern. Die Antragstellerin hat außerdem zahlreiche Arztbriefe zu den Akten gereicht.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 16.08.2017 abgelehnt, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Die Antragstellerin habe nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten stationären Rehabilitationsmaßnahme im Eilrechtsschutzverfahren. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei nach den vorgelegten medizinischen Unterlagen bei der Antragstellerin nach überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht dringend erforderlich. Nach § 40 Abs 3 Satz 4 SGB V könne eine stationäre Rehamaßnahme nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden seien, es sei denn, eine vorzeitige Leistung sei aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Dringend erforderlich seien vorzeitige Reha-Leistungen jedenfalls dann, wenn bei Durchführung der Maßnahme erst nach Ablauf der Wartezeit erhebliche gesundheitliche Schäden oder Nachteile zu befürchten wären. Weder aus den diversen Befundberichten der behandelnden Ärzte noch aus der ärztlichen Bescheinigung des Neurologen und Psychiaters F. noch aus dem Vortrag der Antragstellerin gehe die dringende Erforderlichkeit der Rehamaßnahme hervor. Dr. F. bescheinige zwar eine verschlechterte Situation der psychischen Verfassung der Antragstellerin. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass erhebliche gesundheitliche Schäden oder Nachteile zu befürchten wären, wenn die Rehamaßnahme nicht durchgeführt würde. Entgegen der Angaben der Antragstellerin ergebe sich eine dringende medizinische Erforderlichkeit auch nicht aus den Bescheinigungen der Fachärztinnen für Psychiatrie Dr. S. und Dr. E ... Zwar finde sich in der Verordnung vom 15.02.2017 der Hinweis, eine stationäre Behandlung sei indiziert. In allen darauf folgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen - die aktuellste mit Datum vom 21.07.2017 - sei jedoch das Feld "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden für erforderlich gehalten" nicht angekreuzt worden. Ebenso wenig ergäben sich aus dem Vortrag der Antragstellerin Anhaltspunkte, die auf eine erhebliche gesundheitliche Schädigung der Antragstellerin bei Nichtdurchführung der Reha schließen ließen. So trage die Antragstellerin vor, die Empfehlung des Hormonzentrums zur Röntgen-Untersuchung ihrer Wirbelsäule habe zur Verschlechterung ihres psychischen Zustandes beigetragen. Wie sich aus dem Befundbericht des Radiologen Dr. M. vom 08.05.2017 ergebe, hätten Frakturen an der Wirbelsäule nach der empfohlenen Röntgenuntersuchung ausgeschlossen werden können. Dieser nach Angaben der Antragstellerin zur Verschlechterung des psychischen Zustandes führende Umstand sei damit nicht mehr gegeben. Auch die von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerden wie Schlafstörungen, innere Unruhezustände, Konzentrationsschwäche und sehr geringe Belastbarkeit indizieren keine medizinische dringende Erforderlichkeit. Im Eilrechtsschutzverfahren seien keine weiteren medizinischen Ermittlungen angezeigt.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin am 21.08.2017 Beschwerde eingelegt. Sie werde dem Gericht eine Erläuterung zu gegebener Zeit zukommen lassen, da sie sich ab dem 28.08.2017 in einer Klinik befinde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.08.2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.08.2017 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) aber unbegründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Bewilligung einer stationären medizinischen Rehamaßnahme. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG. Ein solcher Antrag ist auch schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs 3 SGG), wenn – wie hier – gegen eine ablehnende Entscheidung der Krankenkasse Widerspruch eingelegt worden ist (Meßling in: Hennig, SGG, § 86b Rn 41). Die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (hier: des Widerspruchsverfahrens) sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).
Bei der Prüfung des Anordnungsanspruches begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Je schwerer jedoch die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Art 19 Abs 4 GG verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Die Gerichte sind, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, in solchen Fällen gemäß Art 19 Abs 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (BVerfG [Kammer] 25.02.2009, 1 BvR 120/09, NZS 2009, 674: Elektrorollstuhl; vgl auch BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236 f; BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN).
Bei der Entscheidung über die Bewilligung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ist zu berücksichtigen, dass Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig davon, ob ein Anspruch auf stationäre Reha-Leistungen besteht oder nicht, Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung haben. Da deshalb die Behandlung akuter Krankheiten stets gesichert ist, entstehen Versicherten durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes für die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme, von (hier nicht in Betracht kommenden) Ausnahmen wie zB einer Anschlussheilbehandlung abgesehen, keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage genügt daher eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten. Darüber hinaus fehlt es in diesen Fällen regelmäßig - so auch im vorliegenden Fall - bereits an einem Anordnungsgrund. Für den Senat ist nicht erkennbar, weshalb der Antragstellerin nicht zugemutet werden könnte, den Ausgang des Verwaltungsverfahrens und eines sich ggf hieran anschließenden Gerichtsverfahrens abzuwarten. Denn die Behandlung akuter Erkrankungen, sei es durch ambulante, sei es durch stationäre Krankenbehandlung wird von der Antragsgegnerin nicht verweigert, wie nicht zuletzt die zahlreichen von der Antragstellerin selbst vorgelegten Arztbriefe belegen.
Im Übrigen besteht aus den vom SG dargelegten Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt, auch kein Anordnungsanspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Antragstellerin macht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anspruch auf Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme geltend.
Die 1959 geborene Antragstellerin ist Mitglied bei der Antragsgegnerin. Im Jahr 2016 gewährte ihr die Antragsgegnerin eine Rehabilitationsmaßnahme, die vom 26.04. bis zum 17.05.2016 in der Rehaklinik für Orthopädie, Urologie und Psychosomatik J. in B. F. durchgeführt wurde. Am 15.03.2017 beantragte die Antragstellerin mit ärztlicher Verordnung erneut die Bewilligung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme. Als Rehabilitationsziel gab der die Antragstellerin behandelnde Neurologe/Psychiater F. die Verbesserung der Lebensqualität sowie Aktivierung und Stabilisierung der seelischen Kräfte an. Als rehabilitationsbegründende Diagnosen nannte er das Vorliegen einer mittelgradigen depressiven Episode, eine Dysthymie, Migräne und eine kombinierte Störung der persönlichen Organisation. Mit Bescheid vom 22.03.2017 lehnte die Antragsgegnerin den Rehaantrag ab. Zur Begründung führte sie an, eine erneute Maßnahme sei erst nach Ablauf von vier Jahren möglich. Aus den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen seien keine dringende gesundheitliche Gründe, die eine vorzeitige Leistung erforderten, erkennbar. Außerdem empfahl die Antragsgegnerin die erneute Einleitung einer ambulanten Psychotherapie.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 28.03.2017 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schreiben vom 11.04.2017 damit, es sei ihr nicht möglich gewesen, die Psychotherapie im Jahr 2015 fortzuführen, da die Therapie von Seiten der Therapeutin mangels Erfolgsaussichten abgebrochen worden sei. Die Antragstellerin meint, eine ambulante Behandlung sei nicht ausreichend und geeignet, die aufgezeigten erheblichen medizinischen Probleme nachhaltig zu verbessern oder eine Verschlimmerung zu verhindern. Trotz der bisher vorgenommenen Behandlungen bestünden weiterhin noch Schlafstörungen, innere Unruhezustände, Konzentrationsschwäche und eine sehr geringe Belastbarkeit. Allein eine stationäre Rehabilitation könne eine Besserung bringen. Zur Stützung ihres Vorbringens legte die Klägerin mehrere Arztberichte aus den Jahren 2015 und 2016 vor. Die Antragsgegnerin beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens. In dem nach Aktenlage erstellten Gutachten des MDK vom 24.07.2017 kam Dr. P. zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung nicht erfüllt seien. Die Dringlichkeit der beantragten Rehabilitation innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Mindestabstandes von vier Jahren könne nicht nachvollzogen werden. Eine Entscheidung über den Widerspruch ist bislang nicht ergangen.
Am 07.08.2017 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie ist der Ansicht, die Rehamaßnahme sei eilig und akut, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verhindern. Die verfügbaren ambulanten Therapiemöglichkeiten (manuelle Therapie wegen Migräne, Spannungskopfschmerzen und Clusterkopfschmerzen sowie Fibromyalgie in Form von Fango, Krankengymnastik und Reha-Sport) seien bereits ausgeschöpft und hätten nicht zu einer Verbesserung geführt. Aufgrund von Existenzproblemen und ständiger Gerichtsverhandlungen seien die Krankheiten immer chronischer geworden, die Kopfschmerzen, Migräne und Depressionen hätten sich enorm verschlechtert. Ein Bruch des Sprunggelenks Ende 2016 habe dazu geführt, dass sie nicht mehr am Reha-Sport habe teilnehmen können und die orthopädischen Krankheiten wiedergekommen seien oder sich verschlechtert hätten. Die Empfehlung des Hormonzentrums K. im Januar 2017, ihre Lendenwirbelsäule röntgen zu lassen, um eine Fraktur ausschließen zu können, habe sie nervös gemacht. Die dadurch hervorgerufene Anspannung sei ihr absolut nicht gut bekommen. Allein eine stationäre Reha könne ihre medizinischen Probleme nachhaltig verbessern oder eine Verschlimmerung verhindern. Die Antragstellerin hat außerdem zahlreiche Arztbriefe zu den Akten gereicht.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 16.08.2017 abgelehnt, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Die Antragstellerin habe nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten stationären Rehabilitationsmaßnahme im Eilrechtsschutzverfahren. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei nach den vorgelegten medizinischen Unterlagen bei der Antragstellerin nach überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht dringend erforderlich. Nach § 40 Abs 3 Satz 4 SGB V könne eine stationäre Rehamaßnahme nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden seien, es sei denn, eine vorzeitige Leistung sei aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Dringend erforderlich seien vorzeitige Reha-Leistungen jedenfalls dann, wenn bei Durchführung der Maßnahme erst nach Ablauf der Wartezeit erhebliche gesundheitliche Schäden oder Nachteile zu befürchten wären. Weder aus den diversen Befundberichten der behandelnden Ärzte noch aus der ärztlichen Bescheinigung des Neurologen und Psychiaters F. noch aus dem Vortrag der Antragstellerin gehe die dringende Erforderlichkeit der Rehamaßnahme hervor. Dr. F. bescheinige zwar eine verschlechterte Situation der psychischen Verfassung der Antragstellerin. Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass erhebliche gesundheitliche Schäden oder Nachteile zu befürchten wären, wenn die Rehamaßnahme nicht durchgeführt würde. Entgegen der Angaben der Antragstellerin ergebe sich eine dringende medizinische Erforderlichkeit auch nicht aus den Bescheinigungen der Fachärztinnen für Psychiatrie Dr. S. und Dr. E ... Zwar finde sich in der Verordnung vom 15.02.2017 der Hinweis, eine stationäre Behandlung sei indiziert. In allen darauf folgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen - die aktuellste mit Datum vom 21.07.2017 - sei jedoch das Feld "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden für erforderlich gehalten" nicht angekreuzt worden. Ebenso wenig ergäben sich aus dem Vortrag der Antragstellerin Anhaltspunkte, die auf eine erhebliche gesundheitliche Schädigung der Antragstellerin bei Nichtdurchführung der Reha schließen ließen. So trage die Antragstellerin vor, die Empfehlung des Hormonzentrums zur Röntgen-Untersuchung ihrer Wirbelsäule habe zur Verschlechterung ihres psychischen Zustandes beigetragen. Wie sich aus dem Befundbericht des Radiologen Dr. M. vom 08.05.2017 ergebe, hätten Frakturen an der Wirbelsäule nach der empfohlenen Röntgenuntersuchung ausgeschlossen werden können. Dieser nach Angaben der Antragstellerin zur Verschlechterung des psychischen Zustandes führende Umstand sei damit nicht mehr gegeben. Auch die von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerden wie Schlafstörungen, innere Unruhezustände, Konzentrationsschwäche und sehr geringe Belastbarkeit indizieren keine medizinische dringende Erforderlichkeit. Im Eilrechtsschutzverfahren seien keine weiteren medizinischen Ermittlungen angezeigt.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin am 21.08.2017 Beschwerde eingelegt. Sie werde dem Gericht eine Erläuterung zu gegebener Zeit zukommen lassen, da sie sich ab dem 28.08.2017 in einer Klinik befinde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.08.2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.08.2017 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) aber unbegründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Bewilligung einer stationären medizinischen Rehamaßnahme. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG. Ein solcher Antrag ist auch schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86b Abs 3 SGG), wenn – wie hier – gegen eine ablehnende Entscheidung der Krankenkasse Widerspruch eingelegt worden ist (Meßling in: Hennig, SGG, § 86b Rn 41). Die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (hier: des Widerspruchsverfahrens) sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).
Bei der Prüfung des Anordnungsanspruches begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Je schwerer jedoch die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Art 19 Abs 4 GG verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Die Gerichte sind, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, in solchen Fällen gemäß Art 19 Abs 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (BVerfG [Kammer] 25.02.2009, 1 BvR 120/09, NZS 2009, 674: Elektrorollstuhl; vgl auch BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236 f; BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN).
Bei der Entscheidung über die Bewilligung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ist zu berücksichtigen, dass Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig davon, ob ein Anspruch auf stationäre Reha-Leistungen besteht oder nicht, Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung haben. Da deshalb die Behandlung akuter Krankheiten stets gesichert ist, entstehen Versicherten durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes für die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme, von (hier nicht in Betracht kommenden) Ausnahmen wie zB einer Anschlussheilbehandlung abgesehen, keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage genügt daher eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten. Darüber hinaus fehlt es in diesen Fällen regelmäßig - so auch im vorliegenden Fall - bereits an einem Anordnungsgrund. Für den Senat ist nicht erkennbar, weshalb der Antragstellerin nicht zugemutet werden könnte, den Ausgang des Verwaltungsverfahrens und eines sich ggf hieran anschließenden Gerichtsverfahrens abzuwarten. Denn die Behandlung akuter Erkrankungen, sei es durch ambulante, sei es durch stationäre Krankenbehandlung wird von der Antragsgegnerin nicht verweigert, wie nicht zuletzt die zahlreichen von der Antragstellerin selbst vorgelegten Arztbriefe belegen.
Im Übrigen besteht aus den vom SG dargelegten Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt, auch kein Anordnungsanspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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