L 4 AS 747/16 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 18 AS 259/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 747/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. November 2016 wird aufgehoben und den Klägern für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R., B., bewilligt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Kläger und Beschwerdeführer (im Weiteren: Kläger) wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau, mit dem ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe für das mittlerweile beendete erstinstanzliche Klageverfahren abgelehnt worden ist. In diesem Verfahren ging es den Klägern – wie in dem nunmehr geführten Berufungsverfahren (L 4 AS 707/16) – um höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für das Kalenderjahr 2011.

Die 1955 geborene Klägerin und der 1951 geborene Kläger sind miteinander verheiratet. Sie leben in einem Eigenheim im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Mit einer Kostensenkungsaufforderung vom 18. Februar 2010 hatte der Beklagte den Klägern mitgeteilt, entsprechend der Handlungsempfehlungen des Landkreises A. seien die Richtwerte für die monatlichen Wohnkosten bei Wohneigentum und einem 2-Personen-Haushalt mit 252 EUR Schuldzinsen und 156 EUR Betriebs- und Heizkosten verbindlich festgelegt. Es sei beabsichtigt, die tatsächlichen Kosten längstens für die Dauer von sechs Monaten zu übernehmen.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 19. Juli 2010 bewilligte der Beklagte unter Hinweis auf die Kostensenkungsaufforderung vom 18. Februar 2010 mit Bescheid vom 22. Juli 2010 Leistungen nach dem SGB II unter anderem für Januar und Februar 2011, wobei er Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich insgesamt 336 EUR (252 EUR Schuldzinsen und 84 EUR kalte Nebenkosten, in beiden Fällen weniger als die tatsächlichen Aufwendungen) berücksichtigte. Den Bescheid vom 29. Juli 2010 hob er mit Bescheid vom 22. Juli 2010 auf, weil ab September 2010 Einkommen anzurechnen sei und bewilligte vorläufig Leistungen in monatlich geringerer Höhe, allerdings ohne Veränderung der in die Berechnung eingestellten Bedarfe für Unterkunft. Im Bescheid vom 23. November 2010 berücksichtigte er den Wegfall des Einkommens ab Januar 2011. Für Januar und Februar 2011 belief sich der Bewilligungsbetrag wieder auf denjenigen aus dem Bescheid vom 22. Juli 2010, es blieb aber bei der vorläufigen Bewilligung. Mit Änderungsbescheid vom 28. März 2011, in dem der Beklagte jedenfalls nicht ausdrücklich an der Vorläufigkeit der bislang getroffenen Regelungen festhielt, berücksichtigte er die Erhöhung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2011.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 28. Januar 2011 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Februar 2011 Leistungen nach dem SGB II für März bis August 2011. Die Bewilligung sollte im Hinblick auf die Kosten für Unterkunft vorläufig sein. Der Beklagte berücksichtigte als Bedarfe für Unterkunft kalte Nebenkosten in Höhe von monatlich insgesamt 89,34 EUR.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 25. Juli 2011 bewilligte der Beklagte unter Hinweis auf die Kostensenkungsaufforderung vom 18. Februar 2010 mit Bescheid vom 26. Juli 2011 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22. August 2011 Leistungen nach dem SGB II für September 2011 bis Februar 2012, wobei er Aufwendungen für Unterkunft in Höhe von monatlich insgesamt 357,52 EUR (252 EUR Schuldzinsen und 105,52 EUR kalte Nebenkosten) berücksichtigte. Wegen der Tätigkeit des Klägers in einer Arbeitsgelegenheit (Entgeltvariante) ab dem 1. Oktober 2011 hob der Beklagte am 6. Oktober 2011 seinen Bescheid vom 22. August 2011 auf und erließ einen vorläufigen Bewilligungsbescheid für die Monate November 2011 bis Februar 2012. Nach Eingang einer Einkommensbescheinigung für Oktober 2011, aus der der Zufluss des Entgelts des Klägers aus der Arbeitsgelegenheit im Folgemonat hervorging, setzte der Beklagte die Leistungen für November 2011 mit Bescheid vom 21. November 2011 endgültig fest, wobei er wie bisher Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 357,52 EUR berücksichtigte. Der Beklagte forderte von den Klägern für den Monat November 2011 jeweils die Erstattung von 33,61 EUR. Mit Bescheid vom selben Tag änderte er seinen Bescheid vom 6. Oktober 2011 unter anderem für den Monat Dezember 2011 ab. Er berücksichtigte für diesen Monat in dem weiterhin für vorläufig erklärten Bescheid nach wie vor Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 357,52 EUR.

Gegen keinen der vorgenannten Bescheide legten die Kläger Widerspruch ein.

Am 5. Juli 2013 beantragten die Kläger die Überprüfung der Kosten für Unterkunft und Heizung vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2013. Zur Begründung gaben sie an, nach Durchsicht der Unterlagen seien Unregelmäßigkeiten bei der Zahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung aufgefallen. Mit Bescheid vom 22. Juli 2013 lehnte der Beklagte die sachliche Prüfung der für das Kalenderjahr 2011 erlassenen Bescheide ab, weil mit dem Antrag keine neuen Tatsachen und Begründungen vorgetragen worden seien, die er nicht schon berücksichtigt habe.

Gegen den Ablehnungsbescheid vom 22. Juli 2013 legten die Kläger – vertreten durch ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten – Widerspruch ein, weil die Kosten der Unterkunft und Heizung und insbesondere die Schuldzinsen nicht voll berücksichtigt worden seien. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2014 zurück: Eine Überprüfung des Zeitraums vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2011 scheide aus, weil die Jahresfrist aus § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 4 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) abgelaufen sei.

Hiergegen haben die Kläger am 4. Februar 2014 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Im Klageverfahren haben sie in ihrem Anfechtungs- und Leistungsantrag keinen Betrag beziffert, den sie von dem Beklagten noch begehren. Mit der Erhebung der Klage haben die Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. beantragt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau am 18. August 2016 haben die Kläger neben der Aufhebung des Bescheids vom 22. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2014 und der Verurteilung des Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II erstmals hilfsweise Verurteilung des Beklagten zur endgültigen Festsetzung der Leistungen für das Kalenderjahr 2011 beantragt. Sie haben vorgetragen, der Überprüfungsantrag habe durch den Beklagten hilfsweise als Antrag auf endgültige Festsetzung der Leistungen gewertet werden müssen. In der Verhandlung haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 18. August 2016 abgewiesen: Für den Überprüfungsantrag sei die Jahresfrist abgelaufen. Bis auf den Monat November 2011 seien die Leistungen bislang nur vorläufig bewilligt. Weil die Kläger erstmals vorgetragen hätten, dass der Überprüfungsantrag umzudeuten gewesen sei, fehle es an einer entsprechenden Ausgangsentscheidung des Beklagten, die gerichtlich überprüft werden könne.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 7. November 2016 zugestellte Urteil hat dieser für die Kläger am 6. Dezember 2016 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. In der Hauptsache haben die Kläger bislang die Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Dessau-Roßlau sowie der Bescheide des Beklagten vom 22. Juli 2013, 22. Juli 2010, 29. Juli 2010, 1. Februar 2011, 28. März 2011, 26. Juli 2011, 22. August 2011, 6. Oktober 2011 und 21. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2014 die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen nach dem SGB II beantragt. Mit Ausnahme des Monats November 2011 seien die Leistungen vorläufig bewilligt. Zum Zeitpunkt des Überprüfungsantrags im Juli 2013 sei der Beklagte verpflichtet gewesen, eine endgültige Festsetzung der Leistungen vorzunehmen. Außerdem gelte die Jahresfrist nicht, wenn – wie hier für November 2011 – Leistungen niedriger endgültig festgesetzt worden seien als zuvor vorläufig bewilligt.

Der Beklagte ist dem Begehren entgegengetreten: § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X greife für alle Monate des verfahrensgegenständlichen Zeitraums, auch wenn es um Erstattungsforderungen im Sinne von § 328 Abs. 3 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) gehe. Außerdem sei eine Auslegung des Antrags vom 5. Juli 2013 nicht in Betracht gekommen. Das Begehren der anwaltlich vertretenen Kläger habe sich ausdrücklich auf die Überprüfung der Kosten für Unterkunft und Heizung bezogen.

Bereits mit Beschluss vom 2. November 2016 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren aus den Gründen des Urteils vom 18. August 2016 abgelehnt.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 7. November 2016 zugestellten Beschluss hat dieser für die Kläger am 6. Dezember 2016 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung haben die Kläger im Wesentlichen ihr Berufungsvorbringen wiedergegeben.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. November 2016 aufzuheben und ihnen für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R., B., zu bewilligen.

Der Beklagte hat im Beschwerdeverfahren unter Bezugnahme auf seine Berufungserwiderung die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

Auf Anfrage der Berichterstatterin haben die Kläger die Gesamtdifferenz zwischen berücksichtigten und tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Kalenderjahr 2011 mit insgesamt 1.888,28 EUR beziffert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und das Prozesskostenhilfebeiheft ergänzend Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden und nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausschließlich wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg verneint. In der Hauptsache bedürfte die Berufung nicht der Zulassung, denn der nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG notwendige Wert des Beschwerdegegenstands für eine zulassungsfreie Berufung von 750,01 EUR ist erreicht. Die Kläger machen weitere Leistungsansprüche in Höhe von 1.888,28 EUR geltend.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist. Prozesskostenhilfe kommt dagegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Dabei sind die Anforderungen an die Erfolgsaussicht im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der wesentlichen Gleichstellung von Unbemittelten mit Vermögenden beim Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz nicht zu überspannen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlegen und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Daher hat ein Rechtschutzbegehren hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - juris, Rn. 25 ff.).

Unter Anwendung dieser Maßstäbe hatte die Rechtsverfolgung der Kläger im Klageverfahren für den Monat November 2011 hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Für diesen Monat hat der Beklagte Leistungen nach dem SGB II bereits mit Bescheid vom 21. November 2011 abschließend in Höhe von 295,64 EUR für die Klägerin beziehungsweise 295,66 EUR für den Kläger bewilligt. Diese Leistungsansprüche sind auf der Grundlage von Aufwendungen in Höhe von 252 EUR für Schuldzinsen und 105,52 EUR für kalte Nebenkosten bewilligt worden Die Kläger selbst machen Schuldzinsen in Höhe von monatlich 305,98 EUR geltend. Für November 2011 liegen zu den vier Darlehen Bescheinigungen der P. F. AG vor, aus denen sich eine Zinsgesamtbelastung in Höhe von 370,90 EUR ergibt. Der Beklagte hat die berücksichtigten Schuldzinsen unter Hinweis auf eine Kostensenkungsaufforderung vom 18. Februar 2010 begrenzt. Ob er eine Absenkung der Aufwendungen auf das von ihm für angemessen erachtete Maß vornehmen konnte, hat das Sozialgericht in seiner ablehnenden Prozesskostenhilfeentscheidung nicht geprüft. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Absenkung setzt voraus, dass der Beklagte über ein der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsprechendes "Schlüssiges Konzept", verfügt, was hier – sollte § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X anzuwenden sein – zu klären sein wird. Liegt ein solches Konzept nicht vor, ist der Beklagte gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und gegebenenfalls eine unterbliebene Datenerhebung- und Aufbereitung nachzuholen. Sind dennoch keine ausreichenden Daten vorhanden, brauchen nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden, wenn ein Schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht (mehr) entwickelt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 4 AS 44/14 R - juris, Rn. 19). In diesem Fall ist auf die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 v.H. als abstrakte Angemessenheitsgrenze abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R - juris). Für den Landkreis A. ergibt sich dabei ein Betrag von 418 EUR (Höchstbetrag von 380 EUR für zwei Haushaltsmitglieder bezogen auf die Mietenstufe 2 nach der Zehnten Verordnung zur Änderung der Wohngeldverordnung vom 15. Dezember 2008, BGBl. I 2009, S. 2486; Erhöhungsbetrag von 38 EUR). Auf der Grundlage eines abstrakten Angemessenheitswerts von 418 EUR und unter Ansatz von – wenngleich bisher offenbar auf 1/12 der Jahresbeträge heruntergerechneten – monatlichen Aufwendungen für kalte Betriebskosten in Höhe von 105,52 EUR verbliebe ein Betrag von 312,48 EUR bis zum Erreichen der abstrakten Angemessenheitsgrenze durch die anfallenden Schuldzinsen und kalten Nebenkosten. Weil dann höhere Aufwendungen für Unterkunft als bislang zu berücksichtigen wären, kämen höhere Ansprüche nach dem SGB II in Betracht.

Diese veränderte Anspruchshöhe hätte Folgen für die geltend gemachten Erstattungsforderungen, denn die Höhe der Erstattungsforderung aus § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (in der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung) in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III ist mit der Höhe des Leistungsanspruchs untrennbar verbunden. Nach der letztgenannten Vorschrift sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Über den Begriff "soweit" wird deutlich, dass sich der Erstattungsanspruch stets aus der Differenz zwischen den vorläufig gezahlten Leistungen und dem endgültig festgesetzten Leistungsanspruch ergibt.

Ob – wie der Beklagte meint – wegen des Ablaufs der Jahresfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II (in der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung) in Verbindung mit 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X seine Verpflichtung zur Rücknahme des Festsetzungs- und Erstattungsbescheids vom 21. November 2011 nicht mehr begründet werden kann, ist in der Hauptsache zu klären und steht der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen.

Zwar hat das Sozialgericht Schwerin (Urteil vom 24. Mai 2016 - S 15 AS 1561/13 - juris) entschieden, für die endgültige Festsetzung sowie das im anschließenden Überprüfungsverfahren geltend gemachte Begehren, höhere Leistungen zu erhalten, sei § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X anzuwenden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Nichtanwendbarkeit des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X bezieht sich auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 4 AS 19/13 R - juris). Die Formulierung: "Danach rechtfertigt es insbesondere der Zweck der Vorschrift nicht, sie auch auf Fälle auszudehnen, in denen es nicht um rückwirkend zu erbringende Sozialleistungen geht.", lässt die Unanwendbarkeit des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X auf alle belastendenden Verwaltungsakte offen (Urteil des BSG vom 13. Februar 2014, a.a.O., juris, Rn. 20). Dementsprechend hat wohl auch der Gesetzgeber Regelungsbedarf hinsichtlich der Anwendung von Verfallfristen in auf belastende Verwaltungsakte bezogenen Überprüfungsverfahren gesehen. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II lautet in der Fassung durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (BGBl. I 2017, S. 1824): Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird.

Hierzu ist in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (unter anderem bezogen auf den Entwurf der Bundesregierung zum Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch &8210; Rechtsvereinfachung) ausgeführt, Hintergrund für diese Regelung sei (unter anderem) die Entscheidung des BSG vom 13. Februar 2014, nach der die Verfallfrist aus § 44 Abs. 4 SGB X auf nicht begünstigende Verwaltungsakte, die insbesondere (beispielsweise oder u. a.) die Aufhebung, Erstattung und den Ersatz von bereits erbrachten Leistungen verfügen, keine Anwendung findet (BT-Drucks. 18/8909, S. 33). Nach dieser weiten, auf alle nicht begünstigenden Verwaltungsakte bezogenen Formulierung erscheint es nicht ausgeschlossen, dass jedenfalls der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X für solche Verwaltungsakte regeln wollte. Das setzt voraus, dass er sie zuvor für normativ nicht erfasst gehalten hat.

Weil eine Teilbewilligung von Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren, in denen – wie hier – nach Betragsrahmengebühren abgerechnet wird, nicht in Betracht kommt (vgl. nur: Landessozialgericht (LSG)Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. August 2007 - L 7 B 232/05 AS - juris; Sächsisches LSG, Beschluss vom 22. Juni 2011 - L 3 AS 290/10 B PKH - juris), war für das gesamte Klageverfahren rückwirkend Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Dessen ungeachtet weist der Senat darauf hin, dass bei vorläufigen Bewilligungsbescheiden vorrangig das Verfahren auf endgültige Leistungsbewilligung zu betreiben ist und ein Rechtschutzbedürfnis für ein Verfahren nach § 44 SGB X nicht besteht (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2015 - L 4 AS 561/15 B - juris). Außerdem werden die Bescheide, die der Beklagte nunmehr über die endgültige Festsetzung der Leistungen für Monate, für die bislang lediglich vorläufige Bewilligungsbescheide ergangen sind, erlässt, nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens. Insoweit fehlt es an der Ersetzung des ablehnenden Bescheids im Überprüfungsverfahren 22. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2014 durch die endgültigen Festsetzungsbescheide. Soweit die Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 18. August 2016 ein Begehren auf endgültige Festsetzung der Leistungsansprüche geltend gemacht hat, ist nicht zu erkennen, dass das Sozialgericht die Änderung der Klage (§ 99 SGG) ermessensfehlerhaft als nicht sachdienlich beurteilt hat. Der Beklagte ist der Erweiterung der Klage um den Antrag auf endgültige Festsetzung entgegengetreten.

Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Prozesskostenhilfebewilligung sind gegeben, weil die Kläger prozesskostenhilfebedürftig sind. Das haben sie bereits mit ihren am 4. März 2014 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau vorgelegten Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO:

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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