S 23 U 63/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 23 U 63/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 25. September 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. Juni 2003 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung einer Geschiedenen-Witwenrente zurückgenommen hat.

Die 1960 geborene Klägerin ist die geschiedene Witwe des 1951 geborenen und am 12.08.1997 als LKW-Fahrer tödlich verunglückten Versicherten H I. Durch rechtskräftiges Urteil der Kammer vom 23.07.2001 (S 23 (11) U 66/00) war die Beklagte unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide verurteilt worden, der Klägerin Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, weil sie gegen ihren früheren Ehegatten im letzten Jahr vor dem Tod wegen der Betreuung minderjähriger Töchter einen Unterhaltsanspruch von wenigstens 135 DM, also mindestens ¼ des damals gültigen Sozialhilfesatzes nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) hatte, und ihr Leistungen in dieser Höhe auch tatsächlich zugeflossen waren.

Durch den Ausführungsbescheid vom 26.11.2001 bewilligte die Beklagte ab 01.10.1997 Witwenrente bis auf weiteres auf der Basis von 40 v.H. des Jahresarbeitsverdienstes (JAV), solange eines der Kinder, T geboren 1981, und L, geboren 1983, erzogen werde bzw. worden sei. Ab 01.12.2001 betrage die Rente 30 v.H. des JAV. Durch den weiteren, ebenfalls bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 17.04.2002 nahm die Beklagte wegen des Bezuges von Erziehungsrente seitens des Rentenversicherungsträgers eine neue Berechnung vor und rechnete die festgestellte Überzahlung von XXX DM mit dem wegen der Nachzahlung der Witwenrente aufgelaufenen Zinsanspruch auf.

Mit Schreiben vom 29.05.2002 kündigte die Beklagte an, sie habe zu prüfen, ob die Witwenrente zeitlich zu begrenzen sei. Die Klägerin übersandte daraufhin das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Hamm (32 F 160/94) vom 29.08.1995, mit dem der Klägerin das elterliche Sorgerecht für die beiden Töchter übertragen worden war. Durch das weitere Schreiben vom 03.09.2002 hörte die Beklagte die Klägerin dahingehend an, dass gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) beabsichtigt sei, die Bewilligung von Witwenrente ab 01.10.2002 zurückzunehmen.

Mit Bescheid vom 25.09.2002 nahm die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 26.11.2001 teilweise mit Wirkung ab 01.10.2002 zurück und stellte die Zahlung von Witwenrente seitdem ein. Die Bewilligung dieser Leistung über die Vollendung des 18. Lebensjahres der Tochter L hinaus ab 26.11.2001 sei rechtswidrig gewesen, und zwar im Hinblick darauf, dass die Klägerin seitdem in der Lage gewesen sei, für ihren Unterhalt selbst aufzukommen. Die Unterhaltsverpflichtung des verstorbenen Versicherten gemäß § 1570 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wäre spätestens zu diesem Zeitpunkt entfallen. Zwar nenne das Gesetz in § 66 Abs. 1 Satz 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) nicht den Unterhaltsanspruch gemäß § 1570 BGB, diese Vorschrift sei aber auf diesen Unterhaltsanspruch auszudehnen, weil jede andere Rechtsanwendung zu sinnwidrigen Ergebnissen führe. Im Übrigen legte die Beklagte die Gründe dar, warum sie Leistungen in der Vergangenheit nicht zurückforderte, sondern eine Vertrauensschutzabwägung zu dem Ergebnis führe, dass in Zukunft die Witwenrente vorzuenthalten sei.

Mit ihrem Widerspruch vom 04.12.2002 machte die Klägerin geltend, dass die von der Beklagten zur Begründung herangezogene Rechtsauffassung durch andere Kommentatoren nicht geteilt werde. Zudem sei nach allgemeinen Auslegungsregeln eine Ausnahmevorschrift nicht analogiefähig. Die Herausnahme des § 1570 BGB habe ihren Grund darin, dem Ausgleich beruflich bedingter Nachteile Kinder erziehender Eltern wegen des damit verbundenen Ausscheidens aus dem Berufsleben zu dienen. Zudem hätte eine zeitliche Begrenzung nach der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung in die Ursprungsentscheidung mit aufgenommen werden müssen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 06.06.2003 als unbegründet zurück. Da sich nach dem Vorbringen der Klägerin weder ein lebenslanger Unterhaltsanspruch ableiten lasse noch das sozialgerichtliche Urteil vom 23.07.2001 hierauf abgestellt habe, sei bei Berücksichtigung eines Unterhaltsanspruchs gemäß § 1573 BGB auf der Basis des zur Zeit der Ehe erreichten Lebenszuschnittes sowie des vor dem Tod des früheren Ehegatten verfügbaren Gesamtnettoeinkommens der Familie lediglich von einem Unterhaltsanspruch der Klägerin deutlich unterhalb eines Viertels des BSHG-Regelsatzes auszugehen; auf die nähere Berechnung der Beklagten insbesondere hinsichtlich des weiterhin angenommenen Unterhaltsanspruches der Tochter L gegen beide Elternteile wird Bezug genommen.

Mit der hiergegen am 24.06.2003 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide sowie den weiteren Bezug von Witwenrente unter Vertiefung ihres Widerspruchsvorbringens zum Analogieverbot im Hinblick auf die Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII weiter. Der Gesetzgeber hätte längst Gelegenheit gehabt, eine Gesetzeskorrektur vorzunehmen. Sie stellte der Berechnung der Beklagten ihre eigene des nachehelichen Unterhalts entgegen, den sie ab Oktober 2002 mit 122,40 Euro und ab Oktober 2003 mit 222,68 Euro beziffert; auf die Berechnung im Einzelnen wird verwiesen. Die Beklagte verkenne zudem die Vorrangigkeit ihres Unterhaltsanspruches im Vergleich zu der volljährig gewordenen Tochter L gegenüber ihrem geschiedenen Ehegatten.

Die Klägerin beantragt ihrem schriftsätzlichem Vorbringen entsprechend,

den Bescheid der Beklagten vom 25.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Anwendung des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII im vorliegenden Fall ergänzend auf die vom Verwaltungsausschuss "Rechtsfragen der Unfallversicherung" des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vertretene Auffassung, dass insoweit eine planwidrige Regelungslücke anzunehmen sei. Die ausdrücklich geregelten Tatbestände seien dem vorliegenden vergleichbar, so dass der von der Norm beabsichtigte Kompensationszweck durch die Rente nicht mehr trage. Dass der Gesetzgeber diese Lücke bisher nicht ausdrücklich gefüllt habe, spreche nicht gegen eine Analogie, weil er in einer Vielzahl von herrschend anerkannten Analogieschlüssen dies ebenfalls nicht aufgegriffen habe. In Ermangelung entsprechender sozialgerichtlicher Urteile sei eine entsprechende Klärung erforderlich. Selbst wenn - einer Anregung des Gerichts entsprechend - die nacheheliche Einkommensituation mit den in der gesetzlichen Unfallversicherung gültigen Anpassungsfaktoren zugrunde gelegt werde, sei ab Oktober 2002 lediglich von einem Unterhaltsanspruch der Klägerin in Höhe von 71,32 Euro auszugehen, während ¼ des BSHG-Regelsatzes 73,25 Euro ab Oktober 2002 betragen habe.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und den der Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Über das Begehren hat die Kammer im Hinblick auf die übereinstimmende Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin wird durch den rechtswidrigen Bescheid der Beklagten vom 25.09.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2003 beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte verweigert der Klägerin zu Unrecht die ihr auch seit dem 01.10.2002 zustehende Witwenrente als geschiedener Ehefrau des Versicherten H I. Durch die Aufhebung der in Rede stehenden Bescheide im Wege der Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative SGG ist der maßgebliche Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 26.11.2001 mit dem Anspruch auf Witwenrente in Höhe von 30 v.H. des darin festgestellten JAV des Versicherten weiterhin rechtsgültig, so dass es der Verurteilung der Beklagten zur Weitergewährung der Witwenrente ab Oktober 2002 nicht bedarf.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der in Ausführung des Urteils der Kammer vom 23.07.2001 ergangene Bescheid vom 26.11.2001 weder bei seinem Erlass noch bei seinem Zugang am 3. Werktag im Anschluss an die Postaufgabe vom 27.11.2001 gemäß § 37 Abs. 2 SGB X und auch nicht ab 27.11.2001, dem Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres der gemeinsamen Tochter der L der geschiedenen Ehegatten, rechtswidrig im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X. Vielmehr erweist sich der Bescheid vom 26.11.2001, mit dem der Klägerin bis zur Wiederverheiratung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz i.V.m. § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) Witwenrente gemäß § 65 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII bewilligt worden ist, ohne Einschränkung als rechtmäßig mit der Folge, dass die von der Beklagten gemäß § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 1 und 2 und Abs. 3 Satz 1 SGB X mit Wirkung vom 01.10.2002 erfolgte Rücknahme der Bewilligung von Witwenrente für die Zukunft nicht vom Gesetz gedeckt ist. Die von der Beklagten angestellten Vertrauensschutzabwägungen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB X sind daher nicht entscheidungserheblich.

Das Gericht folgt nicht der von der Beklagten vertretenen Auffassung einer zeitlich befristeten (Geschiedenen-)Witwenrente im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII bei Vorliegen eines im sogenannten letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten bezogenen und zu beanspruchenden nachehelichen, ins Gewicht fallenden Unterhalts der Klägerin gegenüber ihrem früheren Ehegatten gemäß § 1570 BGB. Dies folgt sowohl aus der wörtlichen Auslegung des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII als auch aus dem Umstand, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die Regelung in § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII keine planwidrige, im Wege der Analogie zu schließende Gesetzeslücke enthält.

In § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist im Wortlaut her eine zeitliche Befristung ( ... solange der frühere Ehegatte ohne den Versicherungsfall unterhaltsberechtigt gewesen wäre) nur bei Unterhaltsansprüchen gemäß § 1572 BGB (Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen, z.B. nach Beendigung der Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes gemäß § 1572 Nr. 2 BGB), gemäß § 1573 BGB (Unterhalt des geschiedenen Ehegatten ohne Unterhaltsanspruch gemäß §§ 1570 - 1572 BGB bis zur Erlangung angemessener Erwerbstätigkeit), gemäß § 1575 BGB (Unterhalt bis zum Abschluss einer Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung) oder gemäß § 1576 BGB (Unterhalt aus Billigkeitsgründen) vorgesehen. Der enumerativen Aufzählung ist folgerichtig zu entnehmen, dass der Gesetzgeber sowohl Unterhaltsansprüche des überlebenden geschiedenen Ehegatten im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten wegen Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes (§ 1570 BGB) als auch wegen des Alters im Bezug auf beispielsweise die Erziehung eines Kindes gemäß § 1571 Nr. 2 BGB nicht zumutbare Erwerbstätigkeit nicht zum Anlass nehmen wollte, die Geschiedenen-Witwenrente gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz i.V.m. Satz 2 SGB VII zeitlich zu befristen.

Die Nichteinbeziehung der Unterhaltsansprüche gemäß §§ 1570, 1571 BGB im Sinne der in Abweichung zu § 66 Abs. 1 Satz 1 in § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII geregelten zeitlichen Befristung stellt indes keine "planwidrige Gesetzeslücke" dar, die im Wege des Analogieschlusses geschlossen werden könnte. Diese von der Beklagten so bezeichnete "planwidrige Gesetzeslücke" existiert mit einer geringfügigen, lediglich redaktionellen und nicht ins Gewicht fallenden Änderung seit dem 01.07.1977 durch das 1. Eherechtsänderungsgesetz vom 14.06.1976 (BGBl. I S. 1421). Sie wurden fortgeschrieben zum 01.01.1986 (Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 11.07.1985 - BGBl. I S. 1450). Zunächst war sie in der bis zum 31.12.1996 geltenden (§§ 212, 214 SGB VII) Vorschrift des § 592 Abs. 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelt, seit dem 01.01.1997 wurde sie mit geringfügigen redaktionellen Änderungen in die Vorschrift des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, das die RVO ablöste, übernommen. Der Gesetzgeber des SGB VII hat indes vielfach nicht nur redaktionelle, sondern auch inhaltliche Änderungen im Sinne von Leistungseinschränkungen vorgenommen: Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII besteht Anspruch auf eine Verletztenrente erst bei einer nach Ablauf der 26. Woche bestehenden MdE von 20 v.H. bzw. 10 v.H. im Falle einer Stützrentensituation gemäß § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII. Demgegenüber war in § 580 Abs. 1 RVO geregelt, dass diese Leistungen schon dann zu gewähren waren, wenn eine MdE in diesem Sinne nach Ablauf der 13. Woche feststellbar war. In § 62 Abs. 1 und 2 SGB VII ist eine vorläufige Entschädigung bis zu 3 Jahren nach dem Unfallereignis und danach erst eine Entschädigung auf unbestimmte Zeit vorgesehen, während in § 622 Abs. 2 Satz 1 RVO die Dauerrente spätestens nach 2 Jahren zu gewähren war bzw. von Gesetzes wegen als solche galt. Schließlich ist auf den in § 46 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII begrenzten Verletztengeldanspruch bis zum Ablauf der 78. Woche nach dem Unfallereignis hinzuweisen, während vorher § 560 Abs. 1 RVO im Prinzip keine zeitliche Begrenzung vorsah und nur über § 580 Abs. 3 RVO in bestimmten Fällen eine Begrenzung vorgenommen werden konnte.

Zu einer Änderung der Vorschrift des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII hat der Gesetzgeber bis heute keinen Anlass gesehen, obwohl im Hinblick auf die Empfehlung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (vgl. HVBG-Info 1992, 1792), bei Betreuungs- bzw. Erziehungsunterhaltsansprüchen § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII entsprechend anzuwenden, spätestens bei der Einführung des SGB VII und der Regelungen des § 66 Anlass zur inhaltlichen und nicht nur zur redaktionellen Überprüfung der Regelung des § 592 Abs. 1 Satz 2 RVO a.F. gegeben war. Im Übrigen ist auffällig, dass teilweise die Kommentierungen die seit 1977 bestehende "planwidrige Lücke" erst nach dem HVBG-Info (a.a.O.) erkannt haben (vgl. dazu Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Handkommentar zur Unfallversicherung, Stand September 1991 in RdNr. 9 und 10 zu § 592 und im Gegensatz dazu Anm. 9 zu § 66 SGB VII, letzter Stand April 2000, ferner Lauterbach, Kommentar zur Unfallversicherung, Stand Juni 1991, keine Ausführungen in den Anmerkungen 11 a - 15 zu § 592, während später (Stand Juni 1994) in Anmerkung 17 c zu § 592 die entsprechende Anwendung unter wörtlichem Hinweis auf das HVBG-Info (a.a.O) vorgeschlagen wird, weil man ansonsten zu sinnwidrigen Ergebnissen gelange.

Die Kammer hält dieses Festhalten des Gesetzgebers an dieser gesetzlichen Regelung auch für angemessen, weil insbesondere der Unterhaltsanspruch wegen Erziehung eines Kindes seine Berechtigung in dem Umstand hat, dass der erziehende Ehegatte währenddessen keiner oder nur einer teilweisen Erwerbstätigkeit nachgeht, die sich seit der Neuregelung des Scheidungsrechts zum 01.07.1977 dauerhaft auch auf die nacheheliche Erwerbstätigkeit und die Versorgung des die Erziehung übernehmenden Ehegatten auswirkt. Die zur Zeit der Ehe zwischen den Eheleuten gewählte Konzeption der jeweiligen Erwerbsobliegenheit während der Minderjährigkeit des Kindes bzw. der Kinder prägt damit die Einkommens- und Versorgungssituation des überlebenden Ehegatten nachhaltig, sie kann mit der Volljährigkeit des Kindes oder der Kinder im Regelfall nicht mehr aufgefangen oder kompensiert werden, zumal sich mit dem Unfalltod des Versicherten die Ausgangslage weiter verschlechtert.

Selbst wenn entgegen der vorstehenden Darlegungen im Sinne der Auffassung der Beklagten und des HVBG-Infos eine planwidrige Gesetzeslücke zugrunde gelegt wird, kann diese nicht im Wege der Analogie, also der entsprechenden Anwendung des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, geschlossen werden. Wie die Klägerin zutreffend dargelegt hat, sind derartige Analogieschlüsse bei einer Untätigkeit des Gesetzgebers nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn die Gesamtregelung des Gesetzgebers diesen Analogieschluss zulässt (vgl. dazu die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - in USK 91110, in HVBG-Info 1999, 1682 ff., in SozR 3-3100 § 62 Nr. 3, in SozR 3-2700 § 46 Nr. 1, in SozR 3-4100 § 59 e Nr. 1, in SozR 4-2000 § 47 Nr. 1, und in SozR 4-4300 § 147 Nr. 1). Die Kammer hält in Anlehnung an diese Rechtsprechung eine Analogie deshalb für nicht zulässig, weil insbesondere der Ausnahmecharakter einer befristeten Witwenrente dem in § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgesprochenen Grundsatz der unbefristeten Gewährung dieser Leistung bis zur Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten zuwiderliefe. Die Ausnahmeregelegung des § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist vom Gesetzgeber sowohl der RVO als auch des SGB VII im Hinblick auf die namentlich genannten Regelungen des BGB für bestimmte, von vorne herein absehbare Fälle einer kürzeren und überschaubaren, zeitlich befristeten Unterhaltsleistung an den überlebenden geschiedenen Ehegatten konzipiert. Die von der Beklagten befürwortete Analogie würde auch dann zu einer befristeten Witwenrentengewährung führen, wenn der Versicherungsfall im frühen Kindesalter eintritt, die Erziehung des Kindes bzw. der Kinder 10 Jahre und länger notwendig ist und der überlebende Ehegatte erst danach einer (vollen) Erwerbstätigkeit nachgehen sowie seine Versorgungssituation nachhaltig verbessern kann. Dies wird auch im Falle der Klägerin, die wegen der Erziehung der 2 Töchter nur einer eingeschränkten Erwerbstätigkeit während und nach der Ehezeit nachgegangen ist, deutlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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