L 9 U 2819/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 7631/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2819/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei Vorliegen aller in der BK Nr. 2112 (Gonarthrose) genannten Kriterien besteht eine - widerlegliche - Vermutung dafür dass die Krankheit durch die berufsbedingten Einwirkungen verursacht wurde.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; Gonarthrose).

Der 1956 geborene Kläger, der von 1971 bis 1974 den Beruf des Flaschners-Installateurs erlernte, war in diesem Beruf ab 1975 bei verschiedenen Arbeitgebern tätig, ehe er sich am 01.07.1983 als Verfuger selbstständig machte. Er war ab diesem Zeitpunkt freiwillig bei der Beklagten versichert. Zum 01.07.2008 trat Arbeitsunfähigkeit auf Grund von Kniebeschwerden ein, woraufhin der Kläger seinen Betrieb abgab und nur noch Bürotätigkeiten als Angestellter verrichtete.

Am 22.08.2008 erfolgten in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BG-Klinik) T. eine diagnostische Arthroskopie am rechten Kniegelenk sowie eine Knorpelglättung und eine Außenmeniskuskorbhenkelresektion. Diagnostiziert wurden ein zweit- bis drittgradiger Knorpelschaden Hauptbelastungszone lateraler Femurcondylus rechts sowie der Zustand nach altem Außenmeniskuskorbhenkelriss. Am 13.10.2009 wurde eine arthroskopische Meniskusteilresektion des AM-Hinterhorns sowie der Pars intermedia des IM links sowie eine Arthrotomie lateral und Exzision des Kniegelenkganglions in den Kreiskliniken E. durchgeführt. Als Diagnosen wurden gestellt: Alte Ruptur des Außenmeniskushinterhorns links, Kniegelenksknorpelschaden III° in der Femurcondyle lateralseitig links, alte Ruptur in der Pars intermedia des IM li., Kniegelenksganglion vor dem AM li.

Mit Schreiben vom 28.10.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die bei ihm diagnostizierte Gonarthrose rechts und links sowie eine Bursitis als Berufskrankheiten anzuerkennen.

Über Art und Umfang kniebelastender Tätigkeiten befragt, gab der Kläger neben einer Auflistung seiner Arbeitgeber bzw. selbstständigen Tätigkeit an, zwischen 1966 und 1995 aktiv Fußball gespielt zu haben. Nachdem die Beklagte beim Kreiskrankenhaus N., der BG-Klinik und dem behandelnden Hausarzt Dr. M. weitere Unterlagen beigezogen und bei der zuständigen Krankenkasse das Vorerkrankungsverzeichnis angefordert hatte, beauftragte sie Prof. Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens, allerdings unter der Fragestellung, ob eine BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV (Meniskuserkrankung) vorliegt. In seinem Gutachten vom 21.04.2010 stellte Prof. Dr. H. folgende Diagnosen bezüglich der Knie des Klägers: Bilaterale, röntgenmorphologisch medial betonte, links zweitgradige, rechts erst- bis zweitgradige Gonarthrose mit mäßiggradigem funktionellem Belastungsschmerz rechts dominant und leichter Kapselreizung links und geringer endflektorischer Beweglichkeitslimitierung, bilaterale frontale Außenbandinstabilität rechts Grad II mit diskreter posterior lateraler Insuffizienz, links Grad I mit rechtsseitig sekundärer Tractustendomyose, Zustand nach bilateraler Außenmeniskusteilresektion, linksseitiger Außenmeniskusganglion-Exstirpation sowie linksseitiger Innenmeniskusteilresektion der Pars intermedia.

Neben ausführlichen Ausführungen zur Meniskuserkrankung gab der Gutachter an, die Wahrscheinlichkeit des eher außerberuflich durch die Fußball-Exposition dominierenden Belastungsfaktors werde auch über die Tatsache unterstrichen, dass der Versicherte, obwohl er ja selbst angebe, als Verfuger zu 80 % auch kniend gewesen zu sein, retropatellar nur eine erstgradige Arthrose zeige, also bereits vom Standpunkt der biomechanischen Kausalität kein belastungskonformes Schadensbild vorliege. Zu erwähnen sei, dass die longitudinale Entwicklung der Gonarthrose-Symptomatik, deren Verteilungsmuster in der Hauptbelastungszone und die vergleichsweise geringgradigen retropatellaren Veränderungen trotz vorliegender Patella-Dysplasie zudem keinesfalls den Verdacht einer berufsbedingten Gonarthrose unterstützen, zumal neben dem nicht belastungskonformen Schadensbild auch keine biomechanische Plausibilität durch das dominierende bilaterale teilabgestützte Aufknien bestehe.

Mit Bescheid vom 17.08.2010 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer BK nach Nr. 2112 mit der Begründung ab, gegen eine berufliche Verursachung spreche das Verteilungsmuster der arthrotischen Veränderungen, da die durch die berufliche Belastung am stärksten betroffenen Gelenkanteile im hinteren Bereich des Gelenks nur in geringem Ausmaß betroffen seien. Des Weiteren seien die traumatischen Instabilitäten der Kniegelenke sowie die erfolgten beidseitigen Meniskusteilresektionen als konkurrierende Ursachen der Gonarthrose anzusehen. Die berufliche Belastung trete demgegenüber in den Hintergrund. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2010 unter Wiederholung der bereits abgegebenen Begründung zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 25.11.2010 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben mit der Begründung, die Ausführungen des Prof. Dr. H., auf die sich die Beklagte stütze, seien unrichtig und beruhten darauf, dass die Beklagte eine falsche Fragestellung an den Gutachter gegeben habe. Sie habe ausdrücklich nur auf eine Meniskuserkrankung abgestellt, die aber für den Kläger nie ein Problem gewesen oder kein Grund für die Berufsunfähigkeit gewesen sei. Hierzu legte der Kläger eine Stellungnahme des behandelnden Hausarztes Dr. M. vor, wonach der Kläger seit vielen Jahren wegen seiner Pangonarthrose in hausärztlicher Behandlung sei. Dr. M. könne bei der Entstehung der Gonarthrose keinen Zusammenhang zwischen hobbymäßigem Fußballspielen als Jugendlicher feststellen, wohl aber einen Zusammenhang mit der langjährigen beruflichen Belastung als selbstständiger Fliesenleger.

Auf Anregung des Gerichts legte die Beklagte eine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition durch den Präventionsdienst vor, wonach der Kläger einer kumulativen Einwirkungsdauer von 37.485 Stunden bis zum 30.06.2008 ausgesetzt war. Hierbei entfielen auf die selbstständige Tätigkeit im Zeitraum vom 01.07.1983 bis 30.06.2008 allein 34.346 Stunden kniebelastende Tätigkeiten.

Im September 2011 wurde dem Kläger eine zementierte Knietotalendoprothese rechts implantiert. Im Juni 2013 folgte eine Knietotalendoprothesenimplantation links.

Das SG hat Dr. H. mit der Erstellung eines weiteren fachorthopädischen Gutachtens betraut, worin dieser am 12.11.2012 nach ambulanter Untersuchung des Klägers dargelegt hat, nach Angaben des Klägers sei es wohl erstmals 1973 zu einer Bänderdehnung am linken Kniegelenk gekommen, seit 1983 bestünden beidseitige Kniegelenksbeschwerden. Ca. 1996 habe der Kläger erstmals einen Arzt wegen dieser Beschwerden aufgesucht, auch Röntgenaufnahmen seien wohl im Jahr 1996 durchgeführt worden. Weiterhin hat der Gutachter ausgeführt, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien erfüllt und auch eine beidseitige Gonarthrose liege beim Kläger vor. Ein belastungskonformes Schadenbild habe bei der BK Nr. 2112 bisher nicht definiert werden können. Im Vergleich zu anderen Berufskrankheiten sei ein belastungskonformes Schadensbild dann gegeben, wenn langjährig behandlungsbedürftige Beschwerden vorlägen und auch radiologische Auffälligkeiten festzustellen seien, die über das Altersmaß hinausgingen. Dies müsse auch auf den vorliegenden Fall übertragbar sein. Es sei also zu folgern, dass wegen einer Verschleißproblematik im Bereich der Kniegelenke, wenn sie denn berufsbedingt gewesen wäre, eine langjährige Behandlungsbedürftigkeit vorliege und dann auch vorzeitig Verschleißveränderungen entstünden. Diesbezüglich sei festzuhalten, dass von einer solchen Situation vorliegend definitiv nicht auszugehen sei. Erstmals hätten 1973 Kniegelenksbeschwerden bestanden. Hierüber sei aber nichts dokumentiert. Im Jahr 1996 sei eine Arbeitsunfähigkeit wegen einer Kniegelenksproblematik zu verzeichnen. Eine wirklich behandlungsbedürftige Situation habe unter Berücksichtigung der Anamnese erst wieder im Jahr 2008 bestanden. Die Bildgebung zeige keine ausgeprägten degenerativen Veränderungen, die im Sinne einer Linksverschiebung im Sinne eines vorzeitigen Verschleißes zu interpretieren seien. Grundsätzlich seien konkurrierende Ursachen für die Entstehung einer Gonarthrose zu diskutieren. Explizit werde in der Literatur eine stattgehabte Verletzung des Kniebinnenraumes mit Knorpelverletzungen oder Instabilitäten genannt. Vorliegend sei es nach der Anamnese im Bereich des linken Kniegelenks zu einer Verletzung gekommen, die auch zu einer Bandlockerung geführt habe. Diese sei als Faktor zu bezeichnen, der zu einer vorzeitigen Verschleißsituation führe. Darüber hinaus bestehe eine geringe Achsfehlstellung beim Kläger und damit ebenfalls ein Faktor, der als konkurrierend angesehen werde. Aus hiesiger orthopädischer Sicht liege damit weder ein belastungskonformes Schadensbild vor, noch bestünden ausgeprägte degenerative Veränderungen und seien dazu noch konkurrierende Faktoren zu berücksichtigen, die auch zu einer Gonarthrose führten. Insgesamt spreche damit mehr dagegen als dafür, dass beim Kläger von einer BK Nr. 2112 im Sinne der Definition auszugehen wäre.

Im Anschluss hieran hat das Gericht auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres Zusammenhangsgutachten bei Dr. de Z. von der BG-Klinik eingeholt. In seinem Gutachten vom 25.11.2013 hat Dr. de Z. nach ambulanter Untersuchung des Klägers eine beidseitige Gonarthrose mit einem Arthrosegrad nach Kellgren II bis III beidseits diagnostiziert. Sowohl die Gonarthrose des rechten als auch des linken Kniegelenks seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Berufstätigkeit des Klägers als Installateur bzw. Verfuger zurückzuführen. Die geforderten mindestens 13.000 Stunden kniebelastende Tätigkeiten seien erfüllt, und die ersten Beschwerden des Klägers seien auch erst nach Ablauf dieser 13.000 Stunden entstanden. Die Arthrose erreiche radiologisch auch eine ausreichende Schwere (Kellgren Grad II bis III). Beim Kläger lägen konkurrierende, körpereigene Ursachen vor. An beiden Beinen finde sich eine leichte O-Bein-Bildung, die jedoch sehr gering sei und nicht zur vorauseilenden Arthrosebildung der Innenseite beider Knie geführt habe. Des Weiteren sei als konkurrierende Ursache die Außenbandverletzung des rechten Kniegelenks 1973 zu nennen. Diese habe aber nicht zum vorauseilenden Verschleiß des rechten Kniegelenks geführt. Die Röntgenaufnahmen aus 2011 zeigten in etwa symmetrische Gonarthrosen beidseits. Damit stehe auch im Einklang, dass der Kläger seit 1974 keine Beschwerden mehr im rechten Kniegelenk gehabt habe, bis etwa 1993 Schmerzen an beiden Kniegelenken entstanden seien. Des Weiteren im Einklang stehe damit auch der kernspintomographische Befund des rechten Kniegelenks aus dem Jahr 2010. Hier zeige sich ein alter Außenbandriss, der ohne Verschiebung und ohne Verlängerung verheilt sei. Den Einschätzungen der Beklagten sowie der gehörten Ärzte könne nicht zugestimmt werden. Das Gutachten von Prof. Dr. H. habe sich nur zum Vorliegen einer BK 2102 geäußert. Seiner Stellungnahme, dass kein Belastungsgrund und Schadensbild vorliege, da retropatellar nur eine erstgradige Arthrose vorhanden sei, könne nicht zugestimmt werden. Im Rahmen der Knieprothesenimplantation sei eine dritt- bis viertgradige Arthrose festgestellt worden. Falls die Verletzung des Außenbands am rechten Kniegelenk im Rahmen des Fußballspiels eine wesentliche Rolle gespielt hätte, hätte das rechte Kniegelenk viel früher eine wesentliche Arthrose entwickeln müssen. Dies sei nicht der Fall. Des Weiteren könne der Beurteilung durch Dr. H. nicht zugestimmt werden. Er begründe seine Stellungnahme mit dem Argument, dass keine ausgeprägten degenerativen Veränderungen vorlägen im Sinne einer Linksverschiebung, die im Sinne eines vorzeitigen Verschleißes zu interpretieren seien. Dem könne nicht zugestimmt werden. Die Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2011 zeigten eine fortgeschrittene Gonarthrose beidseits im Kellgren-Stadium II bis III. Im Rahmen der Arthroskopien seien dritt- bis viertgradige Knorpelschäden im Gelenk festgestellt worden. Des Weiteren beschreibe Dr. H. als konkurrierenden Faktor die Außenbandverletzung. Er sehe diese als einen Faktor, der zu einer vorzeitigen Verschlechterung der Verschleißsituation geführt habe. Auch sehe er die geringe Achsfehlstellung als einen solchen konkurrierenden Faktor. Beide Faktoren hätten aber bei der Entstehung der Gonarthrose keine wesentliche Rolle gespielt.

Auf Anregung der Beklagten hat das Gericht noch eine ergänzende Stellungnahme beim Sachverständigen Dr. H. eingeholt, der darin am 03.02.2014 ausgeführt hat, der Sachverständige de Z. habe sich in seinem Gutachten allein auf das ärztliche Merkblatt der Bundesregierung zur BK Nr. 2112 bezogen und den aktuellen Diskussionsstand zur Anerkennungsfähigkeit einer BK und der wissenschaftlichen Hintergründe in keiner Weise beleuchtet. Selbst wenn man aber das Merkblatt als Diskussionsgrundlage benutzen würde, so müsse darauf hingewiesen werden, dass die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne dieser Berufskrankheit folgende Voraussetzungen habe:

1. Chronische Kniegelenksbeschwerden,

2. Funktionsstörung bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk,

3. die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation nach Kellgren et al.

Es müssten also chronische Kniegelenksbeschwerden vorliegen. Im Allgemeinen werde davon ausgegangen, dass eine Krankheit dann als chronisch bezeichnet werde, wenn sie länger andauere, in der Regel länger als vier Wochen. Bei den Krankenkassen gebe es darüber hinaus noch die Bezeichnung "schwere chronische Erkrankung". Um als schwer erkrankt eingestuft zu werden, müssten die Patienten zwei Bedingungen erfüllen: Zum einen müssten sie mindestens einmal im Vierteljahr in ärztlicher Behandlung sein und zwar immer wegen der gleichen Erkrankung. Zum anderen müssten sie entweder in der Pflegestufe II oder III oder zumindest 60 % schwerbehindert oder in dauernder medizinischer Behandlung sein, die zwingend notwendig sei. Genau auch diese Definitionen träfen beim Kläger nicht zu. Wenn sein Kniegelenksleiden zu erklären wäre durch die langjährige berufliche Belastung, so müsste hier eine chronische Erkrankung bestehen, also regelmäßige Behandlungsbedürftigkeit auf Grund einer Kniegelenksproblematik mit entsprechender Beeinträchtigung bestanden haben. Hierfür gebe es keinen Anhaltspunkt. Über die Kniegelenksbeschwerden aus 1973 gebe es keine Dokumentation. Erstmals im Jahr 1996 sei von einer Arbeitsunfähigkeit wegen einer Kniegelenksproblematik auszugehen, eine wirklich behandlungsbedürftige Situation habe aber erst wieder im Jahr 2008 bestanden. Chronische Kniegelenksbeschwerden lägen daher nicht vor.

Mit Urteil vom 16.04.2014 hat das SG die Beklagte verurteilt, beim Kläger eine BK Nr. 2112 dem Grunde nach anzuerkennen. Bei beiden Kniegelenken liege ein Arthrosegrad nach Kell-gren II vor. Da für die Anerkennung der BK Nr. 2112 kein ausschließliches belastungskonformes Schadensbild gefordert werde, überzeugten die Ausführungen der Beklagten und des Dr. H. nicht. Sofern die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorlägen, könne daher derzeit die Kausalität nur abgelehnt werden, wenn Konkurrenzursachen bewiesen seien, denen gegenüber die berufliche Belastung in den Hintergrund trete. Auf ein Verteilungsmuster arthrotischer Veränderungen komme es somit nicht entscheidungserheblich an. Konkurrenzursachen, die einer Anerkennung entgegenstünden, lägen nicht vor. Dr. de Z. habe nachgewiesen, dass die Unterschiede in beiden Knien nur geringfügig seien. Dem stattgehabten Unfall und seinen Folgen für ein Knie komme dabei bei wertender Betrachtung keine eigenständige Bedeutung zu, die den Versicherungsschutz ausschließe. Besondere Adipositas bzw. extremes Übergewicht lägen nicht vor. Für die Rolle des Freizeitfußballs ergebe sich nicht anderes. Dieser Volkssport sei nicht per se anspruchsausschließend. Die dokumentierte Sportverletzung des Knies links sei eher geringfügig. Dies gelte auch für die geringe Achsfehlstellung.

Gegen das ihr am 09.06.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.07.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt mit der Begründung, eine vom SG angenommene Vermutungswirkung, dass bei Erfüllung der nach dem Verordnungstext geforderten 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeit eine Gonarthrose als Berufskrankheit anzuerkennen sei, lasse sich dem Verordnungstext nicht entnehmen und sei auch durch das BSG nicht bestätigt worden. Auch setze sich das SG nicht mit den Ausführungen des Gutachters Dr. H. auseinander, dass die Bildgebung keine ausgeprägten degenerativen Veränderungen im Sinne eines altersvorauseilenden Verschleißes zeige. Zudem habe der Gutachter eine Verletzung des linken Kniegelenks festgestellt, die zu einer Bandlockerung geführt habe, sowie eine geringgradige Achsfehlstellung. Auch Prof. Dr. H. habe in seinem Gutachten eine links mehr als rechts ausgeprägte genu-varum-Fehlstellung festgestellt. Außerdem habe der Versicherte im Rahmen der Begutachtung mitgeteilt, dass das rechte Knie nach wohl stattgehabter Außenbandverletzung im Jugendalter im Gips gewesen sei. Hiermit korreliere dann auch eine festgestellte rechtsseitige Außenbandinstabilität Grad II mit deutlichem Aufklaffen des lateralen Gelenkspaltes. Dementsprechend komme Prof. Dr. H. zu der Schlussfolgerung, dass beim Kläger eine auf Grund der frontalen Außenbandinstabilität medial akzentuierte Gonarthrose Grad II nach Kellgren links und Grad I bis II nach Kellgren rechts vorliege.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. April 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er habe nicht nur 13.000 Stunden kniebelastende Tätigkeiten ausgeführt, sondern nahezu dreimal so viele Stunden. Angesichts dieser Dauer der kniebelastenden Tätigkeit sei die Feststellung, dass die Gonarthrose hierauf beruhe, schon zwingend. Die leichte Sportverletzung, die er mit 17 Jahren erlitten hatte, sei nach drei Wochen vollständig ausgeheilt gewesen. Die Ausführungen des Prof. H. seien nicht verwertbar, da dieser nur nach einer Berufskrankheit Nr. 2102 und nicht nach der BK Nr. 2112 befragt worden sei.

Der Senat hat ein weiteres Gutachten bei Prof. Dr. S., Universitätsklinikum H., eingeholt. In seinem orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten nach Aktenlage vom 04.10.2016 hat Prof. Dr. S. ausgeführt, dass nach dem heutigen Kenntnisstand ein belastungskonformes Schadensbild bezüglich des Verteilungsmusters der Knorpelschäden im Kniegelenk für die BK Nr. 2112 medizinisch wissenschaftlich nicht benannt werden könne. Daher fehlten medizinische Kriterien mit einer positiven Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung. Der medizinische Gutachter könne daher derzeit nur feststellen, ob eine Kniearthrose mit plausiblem Zusammenhang nach Erreichen der Mindestbelastung gesichert werden könne und ob medizinische Negativkriterien vorlägen, die eine berufsbedingte Verursachung unwahrscheinlich machten. Für die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne der BK Nr. 2112 seien in der wissenschaftlichen Begründung folgende Voraussetzungen genannt worden:

1. Chronische Kniegelenksbeschwerden,

2. Funktionsstörung bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung des Kniegelenks,

3. röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation von Kellgren,

4. Bei beidseitiger Belastung weitgehend symmetrischer Schädigungsbefund ) 1 Arthrosegrad.

Laut Aktenlage sei bei dem Kläger erstmalig 1996 eine Gonarthrose radiologisch festgestellt worden. Die damalige Bilddiagnostik liege nicht vor. Über den Schweregrad der damals festgestellten Gonarthrose sechs Jahre nach Erreichen der kumulativen Mindesteinwirkungsdauer von 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeit finde sich in der Akte keine Aussage. Allerdings würde man bei Vorliegen einer berufsbedingten Gonarthrose mit einem Schweregrad nach Kellgren von mindestens II eine Behandlungsbedürftigkeit mit regelmäßigen ärztlichen Konsultationen in den darauf folgenden Jahren nach Erstdiagnose erwarten. Nach Aktenlage sei allerdings erst 2008, also ca. 12 Jahre nach Erstdiagnose einer Gonarthrose und ca. 18 Jahre nach Erreichen der kumulativen Mindesteinwirkungsdauer von 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeit, die nächste ärztliche Konsultation mit dann durchgeführter Schnittbilddiagnostik und im Anschluss daran einer arthroskopischen Behandlung beider Kniegelenke erfolgt. Die MRT-Untersuchungen der beiden Kniegelenke aus 2008 zeigten für das linke Kniegelenk das Bild einer beginnenden lateralbetonten Gonarthrose, die das Ausmaß der degenerativen Veränderungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2112 nicht erreiche. Für das rechte Kniegelenk lasse sich eine mäßige lateral betonte Gonarthrose erkennen, die die strukturellen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 2112 gerade erfülle. Hinsichtlich der funktionellen Einschränkung des rechten Kniegelenkes vor Einbau der Knieendoprothese gebe es in der Akte keine Aussage. Hinsichtlich der Funktion des linken Kniegelenks vor Einbau der Endoprothese 2013 habe Dr. de Z. eine Streckhemmung von 5° festgestellt. Bezüglich konkurrierender Ursachen sei festzustellen, dass nach verfügbarer Studienlage nicht belegt sei, dass Achsabweichungen wie die milde O-Bein-Stellung des Klägers eine Gonarthrose verursachten. Das aktenkundige Kniegelenkstrauma des linken Kniegelenks von 1973 wäre prinzipiell als konkurrierender Ursachenfaktor zu nennen, trete allerdings wegen der Beidseitigkeit der Gonarthrose in den Hintergrund. Auf Grund des protrahierten Verlaufs mit erstmaliger Diagnose einer Gonarthrose sechs Jahre nach Erreichen der Mindesteinwirkungsdauer von 13.000 Stunden und der weiteren zwölf Jahre, bis 2008 erstmalig wieder eine ärztliche Behandlung in Anspruch genommen worden sei, lasse sich ein kausaler Zusammenhang der beruflichen Belastung mit der erst 2008 zumindest für die rechte Seite erwiesenen Gonarthrose nicht hinreichend wahrscheinlich machen. In Anbetracht des zeitlichen Verlaufs, bis ausreichender Verschleiß radiologisch 2008 gesichert worden sei, erscheine es nicht plausibel, dass 1996 bereits die klinischen und radiologischen Voraussetzungen für eine berufsbedingte Gonarthrose gemäß BK Nr. 2112 vorgelegen hätten. Letztlich bleibe in dieser Beurteilung auf Grund der fehlenden Dokumentation der radiologischen und klinischen Befunde bei Erstdiagnose der Gonarthrose 1996 eine Restunsicherheit, die sich beseitigen ließe, wenn die entsprechenden Dokumente ermittelt werden könnten. In Anbetracht des zeitlichen Verlaufs der anamnestischen, klinischen und radiologischen Befunde überwögen die Negativkriterien, die eine berufsbedingte Verursachung der beidseitigen Gonarthrose als BK Nr. 2112 nicht wahrscheinlich machten. Dr. de Z. lasse den zeitlichen Verlauf der Befunde in seiner Argumentation unberücksichtigt und damit die geforderte Plausibilität zwischen Erreichen der Mindestbelastung 1990 und der erstmals gesicherten Gonarthrose mit Kellgren )= 2.

Im Anschluss hieran hat der Senat bei Prof. Dr. S. eine ergänzende Stellungnahme eingeholt unter der Fragestellung, ob es wissenschaftliche Erkenntnisse dazu gebe, dass die Zeitdauer zwischen Erreichen der 13.000 Stunden und dem Eintritt der Gonarthrose nicht zu lang sein dürfe, und ob es nicht auch denkbar sei, dass ein Versicherter, der von Natur aus mit besonders widerstandsfähigen Knien gesegnet sei, auch nach Erreichen der 13.000 Stunden Mindesteinwirkungsdauer noch jahrelang weiter arbeiten könne, ohne an einer Gonarthrose im Sinne der BK Nr. 2112 zu erkranken. Prof. Dr. S. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.05.2017 ausgeführt, wenn tatsächlich bereits im Jahr 1996 Hinweise auf eine Arthrose bestünden, so wäre die Entwicklung bis zu einer zweitgradigen Gonarthrose im Jahr 2008 als ausgesprochen langsam einzuschätzen. Unter Einbeziehung der fortlaufenden kniebelastenden beruflichen Tätigkeit könne dies durch zwei Ursachen erklärt werden:

- die genetische Grundausstattung sei sehr robust und begründe erhebliche Resilienz gegen mechanische Belastung der Kniegelenke und lasse nur langsamen Verschleiß zu. - Die kniebelastende berufliche Tätigkeit bewirke keine wesentliche Verschlimmerung des ablaufenden Verschleißprozesses, der sich damit im Wesentlichen aus inneren Gründen ergebe.

Allerdings müsse in Rechnung gestellt werden, dass der Kläger 1996 erst 40 Jahre alt gewesen sei, somit damals gesicherte Gonarthrosen in jedem Fall eine Linksverschiebung der altersbegründeten Gonarthrose-Realisation bedeuten würde. Diese sehr frühe Gonarthrose-Realisation würde wiederum einer erheblichen Resilienz gegen mechanische Belastungen widersprechen. Letztlich stünden also ein früher Krankheitsbeginn und dann die im weiteren sehr langsame Progredienz des Verschleißprozesses beider Kniegelenke im Widerspruch. Zusammengefasst bleibe die weitgehend auf Berichtsdokumenten aufbauende Krankengeschichte mit dem Mangel medizintechnischer Bilddokumente vor 2008 widersprüchlich und entspreche einer typischen non-liquet-Situation. Ergänzend hat Prof. Dr. S. noch dargelegt, wissenschaftliche Untersuchungen zur Frage der Zeitdauer zwischen Erreichen der geforderten 13.000 Stunden und Eintritt der Gonarthrose seien ihm nicht bekannt. Es sei also nicht geklärt, wie lange es dauern dürfte, bis die beruflichen Belastungen der Kniegelenke zu einer im Wesentlichen beruflichen verursachten Gonarthrose geführt hätten, sodass die berufliche Belastung gegenüber dem zugrundeliegenden Spontanverlauf durch Alterung die wesentliche Teilursache darstelle. Möglich sei, dass eine robuste körperliche Konstitution zu einer sehr verzögerten Realisation der beruflich verursachten mechanischen Einwirkungen auf die Kniegelenke führe. Wenn tatsächlich im Jahr 1996 bereits eine Arthrose beim Kläger vorgelegen habe, sei von einer solchen von Natur aus besonderen Widerstandsfähigkeit seiner Kniegelenke nicht auszugehen. Nur bezüglich dem sehr frühen Krankheitsbeginn ca. 1996 und der Gonarthrose zweiten Grades im Jahr 2008 könne von einer sehr langsamen Progredienz ausgegangen werden (soweit tatsächlich 1996 eine Gonarthrose ersten Grades bestanden habe). Es müsse also nach Einschätzung des Gutachters zumindest konsistent belegt werden, dass tatsächlich erhebliche Resilienz gegen mechanische Belastungen nachzuweisen sei. Diese Konsistenz ergebe sich aus der Krankengeschichte des Klägers bei Erkrankungsbeginn etwa im 40. Lebensjahr nicht. Der frühe Erkrankungsbeginn und dann Progredienz seien nach seiner Einschätzung durch gleichbleibende berufliche Belastungen der Kniegelenke nicht plausibel zu erklären.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden ist. Zutreffend ist das SG zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger eine Gonarthrose im Sinne der Nr. 2112 der Anlage zur BKV vorliegt.

Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer dem Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (Satz 2).

Wie das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 9/08 R) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der Anlage 1 zur BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK), im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten:

Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. auch BSG, Urteile vom 02.04.2009, B 2 U 33/07 R, und vom 15.09.2011, B 2 U 25/10 R, beide in Juris).

Die Gonarthrose ist durch die Zweite Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.06.2009 (BGBl I S. 1273) mit Wirkung zum 01.07.2009 als Nr. 2112 in die Liste der Berufskrankheiten (§ 1 BKV i. V. m. Anlage 1) aufgenommen worden. Sie ist bezeichnet als "Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht".

Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger bereits während seiner gesamten Tätigkeit als Flaschner/Installateur und auch anschließend als Verfuger bei der Beklagten versichert war - zunächst als Angestellter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII pflicht- und dann als Selbstständiger gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII freiwillig versichert. Wie sich aus der Stellungnahme des Präventionsdienstes ergibt und auch zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, erfüllt der Kläger auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen, da er zum Zeitpunkt der Aufgabe seiner selbstständigen Tätigkeit 37.485 Stunden kniebelastende Tätigkeiten verrichtet hatte mit jeweils mindestens 1 Stunde Belastung pro Schicht. Die von Nr. 2112 der Anlage zur BKV geforderten 13.000 Stunden Belastung waren bereits im Dezember 1990 erreicht.

Nach Überzeugung des Senats liegt auch eine Gonarthrose im Sinne der Nr. 2112 der Anlage zur BKV vor. Nach dem Merkblatt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu BK Nr. 2112 (veröffentlicht in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales [BMAS] vom 30. Dezember 2009, GMBl 2010 Seite 98 ff.) wird unter "III. Krankheitsbild und Diagnose" ausgeführt: "Die Diagnose einer Gonarthrose setzt eine klinische und röntgenologische Untersuchung des Kniegelenks voraus. Nach einer verbreiteten Klassifikation werden Veränderungen im Röntgenbild und anderen bildgebenden Verfahren in folgende vier Stadien, je nach Ausmaß der degenerativen Veränderungen, eingeteilt:

Grad 1: fragliche Verschmälerung des Kniegelenkspalts und mögliche Osteophytenbildung

Grad 2: definitive Osteophyten und mögliche Verschmälerung des Kniegelenkspalts

Grad 3: multiple Osteophyten und definitive Verschmälerung des Kniegelenkspalts, Sklerose und mögliche Verformung der Tibia und des Femurs

Grad 4: ausgeprägte Osteophyten, starke Verschmälerung des Kniegelenkspalts, ausgeprägte Sklerose und definitive Verformung der Tibia und des Femurs.

Die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne dieser Berufskrankheit hat folgende Voraussetzungen:

- Chronische Kniegelenksbeschwerden

- Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk

- die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation von Kellgren et al.

Die Ausführungen im Merkblatt wurden ergänzt durch eine "Wissenschaftliche Stellungnahme zu der BK-Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV" (veröffentlicht in der Bekanntmachung des BMAS vom 24.10.2011, GMBl. 2011, 983). Danach liegt neben der eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk auch eine Gonarthrose mit dem erforderlichen Schweregrad im Sinne der BK 2112 bei folgenden Funktionsstörungen vor:

1. Kniegelenkerguss, 2. Kapselentzündung mit Verdickung oder Verplumpung der Gelenkkontur, 3. Krepitation bei der Gelenkbewegung, 4. hinkendes Gangbild, 5. Atrophie der Oberschenkelmuskulatur.

Neben mindestens einer dieser genannten Funktionsstörungen müssen chronische Kniegelenksbeschwerden und die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation von Kellgren et al. (1963) für die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne der BK-Nr. 2112 vorliegen.

Vorliegend stellt der Senat fest, dass jedenfalls ab dem Jahr 2008 eine Gonarthrose mit dem Stadium II nach Kellgren am rechten Knie des Klägers und ab 2013 auch am linken Knie erreicht war. Hierbei stützt sich der Senat im Wesentlichen auf die Ausführungen im Gutachten des Professor Dr. S., der als einziger der Gutachter die unterschiedlichen Stadien der Arthrose in den Knien zu unterschiedlichen Zeitpunkten beurteilt und nachvollziehbar die Entwicklung und Verschlechterung der Arthrose beschrieben hat. Dies war auch nur ihm abschließend möglich, weil nur er über bildgebende Dokumente ab 2008 bis 2013 verfügte (nämlich ein MRT links vom 13.08.2008, rechts vom 20.02.2008, Röntgenaufnahmen rechts vom 03.09.2010, beidseits vom 01.07.2011, links vom 12.04.2013), während Prof. Dr. H. nur über Kernspintomografien aus 2008 und eigene Röntgenaufnahmen verfügte, Dr. H. über die Röntgenaufnahmen aus 2010 und 2011 (nicht aber über die aus 2008) und Dr. de Z. über die zwischen 2010 und 2013. In Bezug auf das linke Knie hat Prof. Dr. S. ausgeführt, dass die MRT-Untersuchungen aus 2008 noch nicht das geforderte Maß der Arthrose abbildeten. Auch 2011 fehle es an der Gelenkspaltverschmälerung gemäß den Kriterien der Konsensusgruppe. Erst in den Röntgenaufnahmen von 2013 lasse sich links eine Gonarthrose mit Grad II beschreiben. Demgegenüber war der Arthrose-Grad II in Bezug auf das rechte Knie bereits durch die MRT-Untersuchungen aus 2008 belegt. Die Röntgenaufnahmen von 2010 zeigten dann rechts schon eine Gonarthrose mit einem Grad II-III. Die übrigen Gutachten lassen eine solche genaue Festlegung auf die Arthrosegrade zu unterschiedlichen Zeiten vermissen. Prof. Dr. H. diagnostiziert in seinem Gutachten vom 21.04.2010 links eine II.-gradige, rechts eine I.- bis II.-gradige Gonarthrose, ohne darzulegen, ob dies für 2008 oder 2010 gelten soll. Auch bezieht sich sein Gutachten und damit der Schwerpunkt seiner Prüfungen auf das Vorliegen einer Meniskuserkrankung, wie auch Dr. H. und Dr. de Z. zutreffend kritisiert haben. Dr. H. geht in seinem Gutachten von einem maximalen Arthrosegrad II nach Kellgren beidseits aus, ohne sich hier aber genauer festzulegen. Dies war aus seiner Sicht auch nicht nötig, da er die Gonarthrose nicht auf die berufliche Tätigkeit zurückführen konnte. In seinem Gutachten vom 25.11.2013 kam Dr. de Z. zu dem Ergebnis einer zweit- bis drittgradigen Arthrose beidseits, ohne aber näher darauf einzugehen, wann dieser Zustand erreicht war. Insofern schließt sich der Senat den Ausführungen des Prof. Dr. S. an, wonach rechts der notwendige Arthrosegrad II nach Kellgren bereits 2008 (MRT-Untersuchung vom 20.02.2008), links erst 2013 (Röntgenaufnahme vom 12.04.2013) erreicht war.

Wie sich dem Merkblatt entnehmen lässt, reicht indes der Arthrosegrad alleine nicht aus, sondern es müssen weitere Kriterien hinzukommen, um eine Gonarthrose im Sinne der BK Nr. 2112 bejahen zu können. Entgegen den Ausführungen des Dr. H. lagen chronische Kniegelenksbeschwerden nach Überzeugung des Senats unzweifelhaft vor. So hat der Kläger im Rahmen des Erörterungstermins und auch gegenüber sämtlichen Gutachtern wiederholt angegeben, bereits seit etwa 1993 unter Kniegelenksbeschwerden gelitten zu haben. 1996 ließ er sich wegen dieser Kniegelenksbeschwerden ärztlich behandeln und es trat auch Arbeitsunfähigkeit ein (Arbeitsunfähigkeit vom 08.07.1996 bis 12.07.1996), ohne dass sich indes noch feststellen ließe, welches Knie hier im Einzelnen mit welcher Intensität betroffen war. Wie der Kläger im Rahmen des Erörterungstermins nachvollziehbar angegeben hat, ließ er sich durch seinen Hausarzt Dr. M. Schmerzmittel verschreiben, die er je nach Bedarf zur Linderung seiner Kniebeschwerden einnahm. Dementsprechend hat auch Dr. M. in einer Stellungnahme, die der Kläger in der ersten Instanz zu den Akten gegeben hat, ausgeführt, dieser stehe seit vielen Jahren in seiner hausärztlichen Behandlung, insbesondere wegen der Pangonarthrose. Chronische Beschwerden lassen sich auch verschiedenen Berichten der BG-Klinik T. entnehmen: Bereits im Bericht vom 19.05.2008 werden Klagen über chronische Beschwerden im Kniegelenk seit mindestens 15 Jahren beschrieben. Auch wird im Schreiben vom 07.07.2011 berichtet, der Kläger klage über zunehmende, zum Teil unerträgliche Beschwerden im Bereich beider Kniegelenke trotz Einnahme von Ibuprofen 600 drei mal täglich. Nicht zuletzt hat sich der Kläger 2011 bzw. 2013 in beiden Knien Endoprothesen implantieren lassen. Es ist nicht zu erwarten, dass jemand ohne chronische Kniebeschwerden ein solches Operationsrisiko eingeht. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Dr. H. zu fehlenden chronischen Beschwerden nicht nachvollziehbar. Soweit er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.02.2014 gar eine schwere chronische Erkrankung fordert sowie eine Einstufung in die Pflegestufe II oder III oder zumindest eine Schwerbehinderung von 60 v. H. oder dauernde medizinische Behandlung (Medikamente und Therapien), lassen sich solch hohe Anforderungen dem Merkblatt nicht entnehmen; vielmehr geht der Senat davon aus, dass das Erfordernis chronischer Kniebeschwerden eingefügt wurde, weil allein ein im Bildgebungsverfahren festgestellter, aber sich nicht gleichzeitig in Beschwerden äußernder, "stummer" Grad der Arthrose nicht ausreichen soll, um eine Berufskrankheit festzustellen.

Auch lagen Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung vor. Wie oben dargelegt, muss nicht zwingend eine eingeschränkte Streckung oder Beugung im Kniegelenk gegeben sein, sondern reichen u.a. auch eine Atrophie der Oberschenkelmuskulatur bzw. ein hinkendes Gangbild aus. Bezüglich des linken Knies hat Dr. H. in seinem Gutachten aus November 2012 ein linksseitiges Schonhinken beschrieben. Gleiches erwähnt auch Dr. de Z. in seinem Gutachten aus November 2013 und zudem eine um 5 Grad eingeschränkte Streckbarkeit. Hinsichtlich des rechten Knies lässt sich bereits einem Bericht der BG-Klinik vom 03.07.2008 eine endgradige Bewegungseinschränkung entnehmen, die auch in weiteren Berichten vom 08.08.2008 sowie 07.07.2011 erwähnt wird. Auch beschreibt Prof. Dr. H. in seinem Gutachten aus April 2010 eine mäßiggradige Atrophie der Oberschenkelmuskulatur im Quadrizepsbereich rechts. Dieses muskuläre Defizit ließ sich bereits im August 2008 verzeichnen, wie aus einem Bericht der BG-Klinik vom 08.08.2008 hervorgeht.

Abschließend stellt der Senat daher fest, dass eine Gonarthrose in einem durch BK Nr. 2112 geforderten Ausmaß im rechten Knie jedenfalls am 20.02.2008 (Datum der Kernspintomografie rechts) vorlag und im linken Knie jedenfalls am 12.04.2013 (Datum der Röntgenaufnahme links).

Die bei dem Kläger festgestellte Gonarthrose beidseits ist auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Einwirkungen zurückzuführen, die haftungsbegründende Kausalität ist zu bejahen.

Hinsichtlich der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gonarthrose mit beruflich kniebelastender Tätigkeit besteht die Schwierigkeit, dass - anders als z.B. bei einer Meniskuserkrankung oder auch Bandscheibenerkrankung - medizinische Kriterien mit einer positiven Indizwirkung für eine berufsbedingte Verursachung, anhand derer eine Abgrenzung von idiopathischen Gonarthrosen (eigenständigen Gonarthrosen innerer Ursache) vorgenommen werden könnte, fehlen. Dies hat nicht nur der Gutachter Dr. H. ausführlich dargelegt, sondern ist auch von Prof. Dr. S. bestätigt worden, der in seinem Gutachten dargelegt hat, die Konsensusarbeitsgruppe zur Begutachtung der BK Nr. 2112 sei zu dem Ergebnis gekommen, dass nach dem heutigen Kenntnisstand ein belastungskonformes Schadensbild bezüglich des Verteilungsmusters der Knorpelschäden im Kniegelenk medizinisch wissenschaftlich nicht benannt werden könne (s. hierzu auch Hartmann, "Neue BK Gonarthrose aus arbeitsmedizinischer Sicht", MedSach 108 4/2012, S. 150 ff; Seehausen, "Medizinische Begutachtung der BK 2112, MedSach 106, 5/2010, S. 205 ff. oder ganz aktuell Grosser, "Berufskrankheit Gonarthrose", OUP 2016, 5, S. 560 ff). Somit kann im Rahmen der medizinischen Begutachtung die Abgrenzung derzeit im Wesentlichen nur über das Fehlen von Negativkriterien (nicht passender zeitlicher Verlauf, einseitige Gonarthrose, wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren) vorgenommen werden (vgl. hierzu im Einzelnen Grosser, a.a.O. Seite 565; vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.04.2017, L 3 U 91/11, Juris).

Solche Negativkriterien kann der Senat indes nicht erkennen.

Nach übereinstimmender Auffassung der Konsensusgruppe spricht ein Seitenunterschied in der Ausprägung der Gonarthrose von mehr als einem Grad nach Kellgren gegen eine berufliche Verursachung. Vorliegend ist ein solcher Seitenunterschied nicht erkennbar; zwar hat das linke Knie das geforderte Schädigungsausmaß erst zeitlich später als das rechte Knie erreicht, doch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass je ein Unterschied von über einem Grad nach Kellgren bestanden hätte; dementsprechend wird dies auch von keinem Gutachter als problematisch diskutiert.

Die kongenitale Achsabweichung ("O-Beine") ist keine konkurrierende Ursache. Zum einen ist diese nur geringgradig, wie nicht nur Prof. Dr. S., sondern auch Dr. H. und Dr. de Z. bestätigt haben, zum anderen ist nach der verfügbaren Studienlage nicht belegt, dass solche Fehlstellungen Gonarthrosen verursachen. Hierbei stützt sich der Senat nicht nur auf die überzeugenden Ausführungen des Prof. Dr. S., sondern auch auf die aktuelle Literatur (vgl. Grosser a.a.O. Seite 564). Die entgegenstehende Meinung des Dr. H., der in der O-Beinstellung einen konkurrierenden Faktor sieht, vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen.

Gleiches gilt für die Bandlockerung, die der Kläger 1973 rechts erlitten hat. Zwar wäre solch ein Kniegelenkstrauma prinzipell als ein konkurrierender Ursachenfaktor zu nennen, wie Prof. Dr. S. nachvollziehbar ausgeführt hat und sich auch der medizinischen Literatur entnehmen lässt (vgl. Grosser a.a.O. Seite 564), doch tritt dieses vorliegend aufgrund der Beidseitigkeit der Gonarthrose in den Hintergrund. Dies haben Dr. de Z. und Prof. Dr. S. überzeugend in ihren Gutachten herausgearbeitet, so dass auch diesbezüglich der entgegenstehende Auffassung des Dr. H. nicht zu folgen ist.

Ein weiterer grundsätzlich konkurrierender Ursachenfaktor ist Übergewicht - doch findet sich in den Akten kein Hinweis darauf, dass der Kläger adipös ist. Dies wird auch von keinem Gutachter als Konkurrenzfaktor diskutiert.

Die Fußballexposition stellt zur Überzeugung des Senats ebenfalls keine konkurrierende Ursache dar. Hierbei stützt sich der Senat auf die Gutachten des Dr. H., des Dr. de Z. und des Prof. Dr. S., die allesamt das Fußballspiel als solches nicht als möglichen kausalen Faktor diskutiert haben, sondern sich nur mit der konkreten, sich beim Fußballspielen zugezogenen Verletzung aus dem Jahr 1973 auseinandergesetzt haben. Prof. Dr. S. gibt zwar in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.05.2017 zu bedenken, dass beim Fußballsport viele Verletzungen, insbesondere Mikroverletzungen, unbemerkt blieben und eher durch Summation und im zeitlichen Verlauf über Jahre wirkten, doch handelt es sich hierbei um eine bloße Möglichkeit, da solche Mikroverletzungen nicht bewiesen sind. Dementsprechend schreibt Prof. Dr. S. auch ausdrücklich, keine konkurrierenden Ursachen als ausreichend gesichert anzusehen. Insofern ist dem Gutachten des Prof. Dr. H., der allein dies anders beurteilt und den Fußballsport als solchen als konkurrierend betrachtet, nicht zu folgen, zumal sich dieses Gutachten wie bereits erwähnt vornehmlich auf die Überprüfung einer Meniskuserkrankung bezieht.

Der zeitliche Ablauf spricht ebenfalls nicht gegen eine berufsbedingte Gonarthrose. Wie oben dargelegt, geht der Senat zwar davon aus, dass am linken Kniegelenk die Gonarthrose im geforderten Ausmaß erst im April 2013 und damit knapp 5 Jahre nach Beendigung der kniebelastenden Tätigkeit festzustellen war, da sie erst zu diesem Zeitpunkt auf Röntgenbildern abgebildet werden konnte. Es ist indes medizinisch anerkannt, dass einer 5-jährigen Latenz, d.h. einer Zeitdauer zwischen dem Ende der Exposition und der erstmaligen Diagnose der Erkrankung bis zu 5 Jahren, keine wesentliche negative Indizwirkung zukommt (vgl. hierzu nur Grosser a.a.O. unter Verweis auf die Konsensuarbeitsgruppe; s. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015, L 6 U 4974/13; vgl. auch Begutachtungsempfehlung der DGUV, Stand 03.06.2014, Seite 35, Abschnitt B.2.5., Absatz 3).

Auch im Übrigen lässt sich aus dem zeitlichen Ablauf nicht auf das Fehlen einer berufsbedingten Verursachung schließen. Diesbezüglich hat zwar Dr. H. ausgeführt, dass vorzeitige Verschleißveränderungen fehlten. Auch Prof. Dr. S. hat von einem protrahierten Verlauf gesprochen. Weiterhin hat er in seiner ergänzenden Stellungnahme dargelegt, dass ein früher Krankheitsbeginn 1996 und eine dann im Weiteren sehr langsame Progredienz des Verschleißprozesses beider Kniegelenke im Widerspruch stünden, so dass sich - vor allem vor dem Hintergrund mangelnder Bilddokumente vor 2008 - eine non-liquet-Situation ergebe. Hervorzuheben ist jedoch, dass es Studien zur Frage, wann der Eintritt einer Gonarthrose im oben geschilderten Ausmaß spätestens zu erwarten ist, nicht gibt, wie auch Prof. Dr. S. auf ausdrückliche Nachfrage des Senats bestätigt hat. Aus dem Verordnungstext zur BK Nr. 2112 lässt sich zwar entnehmen, dass zumindest 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeiten erforderlich sind, um überhaupt einen berufsbedingten Zusammenhang mit einer Gonarthrose erwarten zu können. Auch gibt es medizinische Studien dazu, wann spätestens nach Ende der Exposition die Gonarthrose eingetreten sein muss (s.o.), nicht jedoch solche zu dem Zeitpunkt eines spätestens zu erwartenden Eintritts. Insofern sind die Einwände des Prof. Dr. S. ebenso wie die des Dr. H. nur so zu interpretieren, dass bei sehr spätem Eintritt der Gonarthrose die Frage, ob die Arthrose durch die berufsbedingte Einwirkung oder eben nur aufgrund des Alters des Versicherten eingetreten ist, kaum noch zu beantworten ist. Es fehlt dann an der "Linksverschiebung", wie Dr. H. schreibt, d.h. der kniebelastend Arbeitende hebt sich nicht dadurch hervor, dass er wesentlich früher an Gonarthrose erkrankt als der nicht kniebelastend arbeitende Normalbürger. Folge ist die auch von Prof. Dr. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme geschilderte non-liquet-Situation, die der Senat aus medizinischer Sicht nachvollziehen kann. Ließe man hingegen die Anerkennung der BK hieran scheitern, käme bei allen Versicherten mit naturgegeben besonders robusten Kniegelenken niemals die Anerkennung einer BK Nr. 2112 in Betracht. Um dies zu vermeiden und auch für "robuste" Versicherte sachgerechte Lösungen zu erreichen, greift nach Überzeugung des Senats ausnahmsweise bei vorliegendem Vollbeweis der nach BK Nr. 2112 vorausgesetzten 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeiten eine Vermutungswirkung, die auf die Verursachung der festgestellten Gonarthrose durch die kniebelastenden Tätigkeiten schließen lässt (so auch Hessisches LSG, Urteil vom 25.04.2017, L 3 U 91/11 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 15/05 R [bzgl. BK NR. 4104]; vgl. auch Hessisches LSG, Urteil vom 18.11.2011, L 9 U 66/07; offengelassen in LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2016, L 6 U 1518/14; alle in Juris). Legt der Verordnungsgeber wie im Falle der BK Nr. 2112 die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit durch Vorgabe präziser Kriterien (hier: "Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht") selbst fest, so besteht, wenn die Kriterien erfüllt sind, die - widerlegliche - Vermutung, dass die betreffende Krankheit durch die berufsbedingten Einwirkungen verursacht wurde (so auch Hessisches LSG, Urteile vom 18.11.2011 und 25.04.2017 a.a.O.). Die Annahme einer solchen tatsächlichen Vermutung folgt, wie das Hessische LSG im Urteil vom 25.04.2017 nachvollziehbar ausgeführt hat, aus der Konzeption der durch die Verordnung zur Änderung der BKV neu gefassten Nr. 2112 vom 11.06.2009 und der dazu vom Verordnungsgeber gegebenen Erklärung (BR-Drucks 242/09 S. 16 ff.). In der Begründung der Bundesregierung zur neuen Listen-BK 2112 wird ausgeführt: " Die erforderliche kausale Beziehung zwischen einer langjährigen und intensiven beruflichen Kniegelenksbelastung durch Arbeiten im Knien oder vergleichbare Kniebelastung sowie einem deutlich erhöhten Risiko, an einer Gonarthrose zu erkranken, ist wissenschaftlich gesichert. Dies basiert auf biomechanischen sowie epidemiologischen Erkenntnissen ( ) Als kumulative Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens werden mindestens 13.000 Stunden und eine Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht festgesetzt. Diese Kriterien beruhen auf Erkenntnissen aus epidemiologischen Studien. In der bisher größten zu dieser Thematik durchgeführten Fall-Kontroll-Studie zeigte sich bei einer Belastungsdauer von insgesamt rund 13.000 Stunden ein mehr als verdoppeltes, signifikant erhöhtes Gonarthroserisiko für Personen mit hoher beruflicher Exposition durch kniende oder hockende Tätigkeit. Auch für die Voraussetzung der mindestens einstündigen Kniegelenksbelastung pro Schicht wurde die Verdoppelungsdosis in epidemiologischen Studien festgestellt. Dabei ist zu beachten, dass die beiden Grenzwerte voneinander unabhängig sind. Die Mindestdauer pro Arbeitsschicht stellt den unteren Grenzwert dar, bei dem die einzelne tägliche Belastung überhaupt geeignet ist, Kniegelenksschädigungen zu verursachen." Demnach geht der Verordnungseber bei Erreichen der 13.000 Stunden kniebelastender Tätigkeiten von der sog. Verdoppelungsdosis aus, die den statistischen Schluss zulässt, dass sich ab dieser Belastungsdauer das Risiko verdoppelt, eine (beidseitige) Gonarthrose hierdurch erleiden. Der Vollbeweis dieser Voraussetzungen lässt die Vermutung zu, dass eine Person durch diese Einwirkung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Gonarthrose erlitten hat, sofern nicht der zeitliche Verlauf oder wesentliche konkurrierende Faktoren dieser Vermutung entgegenstehen, was - wie ausgeführt - hier nicht der Fall ist.

Dementsprechend ist das SG zutreffend vom Vorliegen der BK Nr. 2112 ausgegangen.

Da es sich um eine einheitliche Berufskrankheit handelt (s. hierzu BSG, Urteil vom 24.08.1978, 5 RKnU6/77; auch Sächsisches LSG; Urteil vom 04.11.2015, L 6 U 200/13), ist insgesamt festzustellen, dass die BK Nr. 2112 ab dem 20.02.2008 anzuerkennen ist, auch wenn das geforderte Arthroseausmaß links erst 2013 erreicht wurde. Einer Anerkennung steht nicht entgegen, dass die Gonarthrose bereits zu einem Zeitpunkt eintrat, als die BK Nr. 2112 noch nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen war. Vielmehr kommt nach der Rückwirkungsklausel des § 6 Abs. 2 Satz 1 BKV eine Anerkennung als Listen-Berufskrankheit dennoch in Betracht, weil der Versicherungsfall nach dem 30.09.2002 eingetreten ist.

Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG) zugelassen, da es sich bei der Frage, ob bei Vorliegen aller in der BK Nr. 2112 (Gonarthrose) genannten Kriterien eine - widerlegliche - Vermutung dafür besteht, dass die Krankheit durch die berufsbedingten Einwirkungen verursacht wurde, um eine höchstrichterlich klärungsbedürftige, bislang nicht geklärte Rechtsfrage handelt, die über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.
Rechtskraft
Aus
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