Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 407/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Der Streitwert wird auf 1.061,30 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf (Rest-)Vergütung wegen erbrachter Krankenhausbehandlungsleistungen in Höhe von 1.061,30 EUR.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort behandelten ihre Ärzte stationär vom 26.01. bis 28.01.2016 die am 00.00.00 geborene, bei der Beklagten versicherte J.W. (im Folgenden: Versicherte J.W.) wegen Gleichgewichtsstörungen (Schwindel und Taumel). Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 15.02.2016 nach der Fallpauschale (DRG) D61B 1.829,32 EUR in Rechnung. Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag zunächst an die Klägerin. Im Rahmen einer anschließenden Überprüfung der Abrechnung kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in einer Stellungnahme vom 20.04.2016 zum Ergebnis, die Krankenhausbehandlung sei zwar stationär notwendig gewesen, hätte aber um einen Belegtag abgekürzt werden können. Die Beklagte teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 27.04.2016 mit und rechnete einen von ihr ermittelten Erstattungsanspruch in Höhe von 1.061,30 EUR gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin aus weiteren (unstreitigen) Behandlungsfällen auf. In einer "Zahlungsmitteilung" vom 09.05.2016 bezeichnete sie genau die (unstreitigen) Forderungen aus Behandlungsfällen, gegen den sie ihren (angeblichen) Erstattungsanspruch verrechnete.
Am 07.12.2016 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 1.061,30 EUR erhoben. Sie hat daraufhin hingewiesen, die Versicherte J.W. sei als Notfall aufgenommen worden; sie habe noch am 27.01.2016 regelmäßig antivirtigenös wirksame Infusionen erhalten, weil der Schwindel noch subjektiv so stark gewesen sei; die Infusionstherapie sei dreimal täglich erfolgt. Die Klägerin meint, dies habe stationärer Überwachung bedurft; wäre die Auffassung des MDK zutreffend, so dürften subjektiven Beschwerden nicht behandelt werden.
Das Gericht hat zur Klärung der medizinischen Umstände, insbesondere der Notwendigkeit der Verweildauer der Versicherten J.W. in stationärer Behandlung ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage eingeholt von der Chirurgin und Sozialmedizinerin Dr. W. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 10.06.2017 und die ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 09.08.2017 verwiesen.
Die Klägerin hat nach Vorlage des Gutachtens eingewandt, die Beklagte verkenne, dass aus der ex-ante-Sicht des behandelnden Krankenhausarztes die dreimal täglich durchgeführte Infusionstherapie notwendig gewesen sei, weil der Schwindel noch subjektiv sehr stark und die Mobilität infolge der Störung des Gleichgewichtssinns ebenfalls noch gestört gewesen sei. Die Klägerin wies auf die "Gemeinsamen Empfehlungen zum Prüfverfahren nach § 17c KHG" der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Krankenkassenspitzenverbände hin, insbesondere die Anlage 2 zu diesen Empfehlungen (sog. "G-AEP-Kriterien"). Nach dem dort genannten Kriterium B1 sei bei einer kontinuierlichen bzw. intermittierenden intravenösen Medikation und/oder Infusion, wie sie bei der Versicherten J.W. vorgelegen habe, die stationäre Krankenhausbehandlung notwendig. Wenn im Übrigen die Sachverständige behaupte, die Behandlung mit "Vomex" habe oral erfolgen können, sei dies eine Sicht aufgrund der Aktenlage und eine Einmischung in die ärztliche Behandlung.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 1.061,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer bisherigen Beurteilung des Abrechnungsfalles und verweist zur Begründung auf eine gutachtliche Stellungnahme vom 16.02.2017.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Bei einer auf Zahlung der (Rest-)Vergütung wegen der Behandlung von Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse geht es um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2000 – B 3 KR 33/99 R = BSGE 86,166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Klageforderung ist nicht der Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Behandlung der Versicherten J. W ... Denn dieser ist durch die Zahlung der Beklagten in vollem Umfang erfüllt. Gegenstand der Klageforderung ist vielmehr der Anspruch auf Vergütung aufgrund der stationären Behandlung anderer Versicherter der Beklagten, aus der die Klägerin – dies ist unstreitig – zunächst Anspruch auf die in Rechnung gestellte Vergütung in voller Höhe hatte. Die Forderung der Klägerin aus diesen Behandlungsfällen ist jedoch in Höhe der Klageforderung unbegründet, da die Beklagte dagegen mit ihrer Rückforderung aus dem Behandlungsfall der Versicherten J.W. wirksam aufgerechnet hat.
Die Aufrechnung ist nicht nur nach den vom Bundessozialgerichtes (BSG) vor Inkrafttreten der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) aufgestellten Maßstäben (vgl. (BSG, Urteile vom 25.10.2016 – B 1 KR 7/16 R – und B 1 KR 9/16 R), sondern auch nach den strengeren Vorgaben der im vorliegenden Fall anzuwendenden PrüfvV formal wirksam erklärt. Die maßgebliche Erklärung der Beklagten vom 27.04.2016 lässt den Aufrechnungswillen deutlich erkennen; sie ist auch hinreichend bestimmt, da in der Zahlungsmitteilung vom 09.05.2016, die die Beklagte im Schreiben vom 27.04.2016 angekündigt hatte, sowohl die Forderung der Beklagten als auch die Forderungen der Klägerin, gegen die aufgerechnet wurde, genau bezeichnet worden sind.
Die Erstattungsforderung der Beklagten aus dem Behandlungsfall der Versicherten J.W., die sie gegen die Forderungen der Klägerin aus unstreitigen Behandlungsfällen aufgerechnet hat, war auch begründet. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf die volle in Rechnung gestellte Vergütung der stationären Behandlung der Versicherten J.W., da diese nicht in zeitlich vollem Umfang notwendig war; sie hätte um einen Belegtag reduziert werden können.
Rechtsgrundlage des geltenden gemachten restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch des Versicherten. Die Zah-lungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leis¬tung durch die Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001 - B 3 KR 11/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung von Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung ist in den zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen einerseits und verschiedenen Krankenkassen sowie Landesver-bänden der Krankenkasse andererseits geschlossenen Verträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V geregelt. Es sind dies der Vertrag über allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehand¬lung (KBV) und der Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenh¬ausbehandlung (KÜV).
Ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkasse und damit korrespondierend ein Zahlungsanspruch des Krankenhauses war nicht gegeben, soweit die Krankenhausbehandlung der Versicherten J.W. nicht erforderlich war (§ 12 Abs. 1 SGB V; § 3 Satz 1 KBV). Das Behandlungsziel hätte durch eine um einen Tag kürzere stationäre Behandlung erreicht werden können (§ 39 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbsatz SGB V). Die Beurteilung der Krankenhaubehandlungsbedürftigkeit durch den verantwortlichen Krankenhausarzt ist im Abrechnungsstreit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse immer daraufhin zu überprüfen, ob nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung und dem damals verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des Krankenhausarztes – ex ante – eine Krankenhausbehandlung erforderlich war, seine Beurteilung also den medizinischen Richtlinien, Leitlinien und Standards entsprach und nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung stand (BSG, Beschluss des Großen Senats vom 25.09.2007 – GS 1/06 = BSGE 99,11 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 10; Urteil vom 10.04.2008, B 3 KR 19/05 R = BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 12). Dies ist im Fall der streitbefangenen Behandlung der Versicherten J.W. zu verneinen.
Die Sachverständige Dr. W. hat in ihrem Gutachten vom 10.06.2017 und in der ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 09.08.2017 ausführlich und für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass und warum die Versicherte J.W. schon einen Tag eher hätte entlassen werden können, die Verweildauer im Krankenhaus für einen Belegtag also nicht mehr notwendig war. Zwar waren die angewandten Untersuchungsmethoden medizinisch sachgerecht und indiziert. Jedoch hätte die Magnetresonanztherapie (MRT) schon früher, nämlich am Aufnahmetag 26.01.2016 anstatt erst am 27.01.2016 realisiert werden können; die Versicherte J.W. war am 26.01.2016 bereits um 11.30 Uhr aufgenommen worden. Wäre aber das angesichts der akuten Symptomatik indizierte MRT am 26.01.2016 bereits durchgeführt worden, hätte die Versicherte J.W. nach erfolgter Schmerztherapie am nächsten Tag, 27.01.2016, statt erst am 28.01.2016 entlassen werden können. Ab dem 27.01.2016 war aus der vorliegenden Dokumentation (Patientenakte) nichts ersichtlich, was eine Weiterbehandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses hätte erforderlich erscheinen lassen müssen.
Soweit die Klägerin auf die Anlage 2 der sog. "G-AEP-Kriterien" zu den "Gemeinsamen Empfehlungen zum Prüfverfahren nach § 17c KHG" verweist und meint, dass nach deren Abschnitt B (Intensität der Behandlung) bei einer kontinuierlichen bzw. intermittierenden Medikation und/oder Infusion, wie sie im Behandlungsfall der Versicherten J.W. durchgeführt worden sei, die stationäre Behandlung als notwendig anzuerkennen sei, verkennt sie, dass eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit bei Vorliegen des Kriteriums B1 nur in Verbindung mit einem Zusatzkriterium des Abschnitts A (Schwere der Erkrankung) zu bejahen ist. Im hier streitigen Behandlungsfall lag aber keines der zwölf A-Kriterien vor. Die Klägerin hat keines benennen können.
Im Übrigen hat die Sachverständige Dr. W. für die Kammer ebenso überzeugend dargelegt, dass die Schmerztherapie nicht intravenös notwendig war, sondern auch oral hätte erfolgen können. Dies begründet sie wie folgt: "Die Versicherte erhielt dreimal täglich das Medikament Vomex A intravenös als Kurzinfusion. Allerdings wurde es offensichtlich nur einmal am Aufnahmetag und am Morgen des 27.01.16 verabreicht, zumindest ist nur zu diesen Zeiten die Gabe handschriftlich abgezeichnet. Dimenhydrinat ist ein Antiemetikum / Antivertiginosum aus der Gruppe der H1- Antihistaminika. Es wird nach oraler und rektaler Gabe gut resorbiert. Eine Oralisie- rung hätte problemlos erfolgen können." Diese Beurteilung ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – keine "Einmischung in die ärztliche Behandlung", sondern im Rahmen des zu beachtenden Wirtschaftlichkeitsgebotes (vgl. § 12 SGB V) und unter Berücksichtigung einer leitliniengerechten Behandlung nicht nur sachgerecht, sondern geboten. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf (Rest-)Vergütung wegen erbrachter Krankenhausbehandlungsleistungen in Höhe von 1.061,30 EUR.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort behandelten ihre Ärzte stationär vom 26.01. bis 28.01.2016 die am 00.00.00 geborene, bei der Beklagten versicherte J.W. (im Folgenden: Versicherte J.W.) wegen Gleichgewichtsstörungen (Schwindel und Taumel). Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten unter dem 15.02.2016 nach der Fallpauschale (DRG) D61B 1.829,32 EUR in Rechnung. Die Beklagte zahlte den Rechnungsbetrag zunächst an die Klägerin. Im Rahmen einer anschließenden Überprüfung der Abrechnung kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in einer Stellungnahme vom 20.04.2016 zum Ergebnis, die Krankenhausbehandlung sei zwar stationär notwendig gewesen, hätte aber um einen Belegtag abgekürzt werden können. Die Beklagte teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 27.04.2016 mit und rechnete einen von ihr ermittelten Erstattungsanspruch in Höhe von 1.061,30 EUR gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin aus weiteren (unstreitigen) Behandlungsfällen auf. In einer "Zahlungsmitteilung" vom 09.05.2016 bezeichnete sie genau die (unstreitigen) Forderungen aus Behandlungsfällen, gegen den sie ihren (angeblichen) Erstattungsanspruch verrechnete.
Am 07.12.2016 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 1.061,30 EUR erhoben. Sie hat daraufhin hingewiesen, die Versicherte J.W. sei als Notfall aufgenommen worden; sie habe noch am 27.01.2016 regelmäßig antivirtigenös wirksame Infusionen erhalten, weil der Schwindel noch subjektiv so stark gewesen sei; die Infusionstherapie sei dreimal täglich erfolgt. Die Klägerin meint, dies habe stationärer Überwachung bedurft; wäre die Auffassung des MDK zutreffend, so dürften subjektiven Beschwerden nicht behandelt werden.
Das Gericht hat zur Klärung der medizinischen Umstände, insbesondere der Notwendigkeit der Verweildauer der Versicherten J.W. in stationärer Behandlung ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage eingeholt von der Chirurgin und Sozialmedizinerin Dr. W. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 10.06.2017 und die ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 09.08.2017 verwiesen.
Die Klägerin hat nach Vorlage des Gutachtens eingewandt, die Beklagte verkenne, dass aus der ex-ante-Sicht des behandelnden Krankenhausarztes die dreimal täglich durchgeführte Infusionstherapie notwendig gewesen sei, weil der Schwindel noch subjektiv sehr stark und die Mobilität infolge der Störung des Gleichgewichtssinns ebenfalls noch gestört gewesen sei. Die Klägerin wies auf die "Gemeinsamen Empfehlungen zum Prüfverfahren nach § 17c KHG" der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Krankenkassenspitzenverbände hin, insbesondere die Anlage 2 zu diesen Empfehlungen (sog. "G-AEP-Kriterien"). Nach dem dort genannten Kriterium B1 sei bei einer kontinuierlichen bzw. intermittierenden intravenösen Medikation und/oder Infusion, wie sie bei der Versicherten J.W. vorgelegen habe, die stationäre Krankenhausbehandlung notwendig. Wenn im Übrigen die Sachverständige behaupte, die Behandlung mit "Vomex" habe oral erfolgen können, sei dies eine Sicht aufgrund der Aktenlage und eine Einmischung in die ärztliche Behandlung.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 1.061,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer bisherigen Beurteilung des Abrechnungsfalles und verweist zur Begründung auf eine gutachtliche Stellungnahme vom 16.02.2017.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Bei einer auf Zahlung der (Rest-)Vergütung wegen der Behandlung von Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse geht es um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2000 – B 3 KR 33/99 R = BSGE 86,166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Klageforderung ist nicht der Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Behandlung der Versicherten J. W ... Denn dieser ist durch die Zahlung der Beklagten in vollem Umfang erfüllt. Gegenstand der Klageforderung ist vielmehr der Anspruch auf Vergütung aufgrund der stationären Behandlung anderer Versicherter der Beklagten, aus der die Klägerin – dies ist unstreitig – zunächst Anspruch auf die in Rechnung gestellte Vergütung in voller Höhe hatte. Die Forderung der Klägerin aus diesen Behandlungsfällen ist jedoch in Höhe der Klageforderung unbegründet, da die Beklagte dagegen mit ihrer Rückforderung aus dem Behandlungsfall der Versicherten J.W. wirksam aufgerechnet hat.
Die Aufrechnung ist nicht nur nach den vom Bundessozialgerichtes (BSG) vor Inkrafttreten der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) aufgestellten Maßstäben (vgl. (BSG, Urteile vom 25.10.2016 – B 1 KR 7/16 R – und B 1 KR 9/16 R), sondern auch nach den strengeren Vorgaben der im vorliegenden Fall anzuwendenden PrüfvV formal wirksam erklärt. Die maßgebliche Erklärung der Beklagten vom 27.04.2016 lässt den Aufrechnungswillen deutlich erkennen; sie ist auch hinreichend bestimmt, da in der Zahlungsmitteilung vom 09.05.2016, die die Beklagte im Schreiben vom 27.04.2016 angekündigt hatte, sowohl die Forderung der Beklagten als auch die Forderungen der Klägerin, gegen die aufgerechnet wurde, genau bezeichnet worden sind.
Die Erstattungsforderung der Beklagten aus dem Behandlungsfall der Versicherten J.W., die sie gegen die Forderungen der Klägerin aus unstreitigen Behandlungsfällen aufgerechnet hat, war auch begründet. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf die volle in Rechnung gestellte Vergütung der stationären Behandlung der Versicherten J.W., da diese nicht in zeitlich vollem Umfang notwendig war; sie hätte um einen Belegtag reduziert werden können.
Rechtsgrundlage des geltenden gemachten restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch des Versicherten. Die Zah-lungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leis¬tung durch die Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001 - B 3 KR 11/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung von Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung ist in den zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen einerseits und verschiedenen Krankenkassen sowie Landesver-bänden der Krankenkasse andererseits geschlossenen Verträge nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V geregelt. Es sind dies der Vertrag über allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehand¬lung (KBV) und der Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenh¬ausbehandlung (KÜV).
Ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkasse und damit korrespondierend ein Zahlungsanspruch des Krankenhauses war nicht gegeben, soweit die Krankenhausbehandlung der Versicherten J.W. nicht erforderlich war (§ 12 Abs. 1 SGB V; § 3 Satz 1 KBV). Das Behandlungsziel hätte durch eine um einen Tag kürzere stationäre Behandlung erreicht werden können (§ 39 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbsatz SGB V). Die Beurteilung der Krankenhaubehandlungsbedürftigkeit durch den verantwortlichen Krankenhausarzt ist im Abrechnungsstreit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse immer daraufhin zu überprüfen, ob nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung und dem damals verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des Krankenhausarztes – ex ante – eine Krankenhausbehandlung erforderlich war, seine Beurteilung also den medizinischen Richtlinien, Leitlinien und Standards entsprach und nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung stand (BSG, Beschluss des Großen Senats vom 25.09.2007 – GS 1/06 = BSGE 99,11 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 10; Urteil vom 10.04.2008, B 3 KR 19/05 R = BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr. 12). Dies ist im Fall der streitbefangenen Behandlung der Versicherten J.W. zu verneinen.
Die Sachverständige Dr. W. hat in ihrem Gutachten vom 10.06.2017 und in der ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 09.08.2017 ausführlich und für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass und warum die Versicherte J.W. schon einen Tag eher hätte entlassen werden können, die Verweildauer im Krankenhaus für einen Belegtag also nicht mehr notwendig war. Zwar waren die angewandten Untersuchungsmethoden medizinisch sachgerecht und indiziert. Jedoch hätte die Magnetresonanztherapie (MRT) schon früher, nämlich am Aufnahmetag 26.01.2016 anstatt erst am 27.01.2016 realisiert werden können; die Versicherte J.W. war am 26.01.2016 bereits um 11.30 Uhr aufgenommen worden. Wäre aber das angesichts der akuten Symptomatik indizierte MRT am 26.01.2016 bereits durchgeführt worden, hätte die Versicherte J.W. nach erfolgter Schmerztherapie am nächsten Tag, 27.01.2016, statt erst am 28.01.2016 entlassen werden können. Ab dem 27.01.2016 war aus der vorliegenden Dokumentation (Patientenakte) nichts ersichtlich, was eine Weiterbehandlung mit den Mitteln eines Krankenhauses hätte erforderlich erscheinen lassen müssen.
Soweit die Klägerin auf die Anlage 2 der sog. "G-AEP-Kriterien" zu den "Gemeinsamen Empfehlungen zum Prüfverfahren nach § 17c KHG" verweist und meint, dass nach deren Abschnitt B (Intensität der Behandlung) bei einer kontinuierlichen bzw. intermittierenden Medikation und/oder Infusion, wie sie im Behandlungsfall der Versicherten J.W. durchgeführt worden sei, die stationäre Behandlung als notwendig anzuerkennen sei, verkennt sie, dass eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit bei Vorliegen des Kriteriums B1 nur in Verbindung mit einem Zusatzkriterium des Abschnitts A (Schwere der Erkrankung) zu bejahen ist. Im hier streitigen Behandlungsfall lag aber keines der zwölf A-Kriterien vor. Die Klägerin hat keines benennen können.
Im Übrigen hat die Sachverständige Dr. W. für die Kammer ebenso überzeugend dargelegt, dass die Schmerztherapie nicht intravenös notwendig war, sondern auch oral hätte erfolgen können. Dies begründet sie wie folgt: "Die Versicherte erhielt dreimal täglich das Medikament Vomex A intravenös als Kurzinfusion. Allerdings wurde es offensichtlich nur einmal am Aufnahmetag und am Morgen des 27.01.16 verabreicht, zumindest ist nur zu diesen Zeiten die Gabe handschriftlich abgezeichnet. Dimenhydrinat ist ein Antiemetikum / Antivertiginosum aus der Gruppe der H1- Antihistaminika. Es wird nach oraler und rektaler Gabe gut resorbiert. Eine Oralisie- rung hätte problemlos erfolgen können." Diese Beurteilung ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – keine "Einmischung in die ärztliche Behandlung", sondern im Rahmen des zu beachtenden Wirtschaftlichkeitsgebotes (vgl. § 12 SGB V) und unter Berücksichtigung einer leitliniengerechten Behandlung nicht nur sachgerecht, sondern geboten. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
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