L 18 AS 1941/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 194 AS 9703/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1941/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 379/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Juli 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um höhere Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) für die Monate Oktober 2011 bis Februar 2012.

Die 1957 geborene, seit September 2007 im ergänzenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) stehende Klägerin bewohnte mit ihrem Sohn eine 2-Zimmer-Wohnung, für die monatliche Gesamtkosten in Höhe von 563,36 EUR anfielen. Sie war seit Oktober 2010 bei einem Pflegedienst in B im Umfang von 27,5 Stunden wöchentlich mit einem Bruttolohn von 900 EUR zuzüglich Nachtzuschlägen in monatlich unterschiedlicher Höhe beschäftigt. Der Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 26. August 2010 auf, die Unterkunftskosten zu senken, und wies zugleich auf die Notwendigkeit einer Zustimmung der Behörde für den Fall des Abschlusses eines neuen Mietvertrages hin. Informatorisch teilte er ferner mit, dass ab 1. März 2011 andernfalls voraussichtlich nur noch angemessene Unterkunftskosten in Höhe von 444 EUR berücksichtigt werden würden.

Am 10. Juni 2011 kündigte die Klägerin den Mietvertrag für ihre bisherige Wohnung und schloss am selben Tag – ohne Zustimmung des Beklagten – einen Mietvertrag mit derselben Vermietungsgesellschaft zum 1. Juli 2011 hinsichtlich der im Rubrum ausgewiesenen, 43 qm großen 1-Zimmer-Wohnung, die sie ohne ihren Sohn bezog. Die Kosten für die Wohnung betrugen nach dem Mietvertrag insgesamt 417,94 EUR (Grundmiete 266,67 EUR, Vorschüsse für kalte Betriebskosten 103,73 EUR bzw. für warme Betriebskosten 47,54 EUR). Ausweislich der Betriebskostenabrechnung vom 31. Oktober 2012 für das zweite Halbjahr 2011 entfiel auf die Klägerin eine Nachzahlung in Höhe von 107,93 EUR.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin (nach Auszug des Sohnes) mit Bescheid vom 4. April 2011 in Abänderung des Bescheides vom 3. Februar 2011 für die Zeit vom 29. April bis 31. August 2011 vorläufig Grundsicherungsleistungen, und zwar unter Anrechnung ihres prognostizierten Einkommens in Höhe von KdUH von monatlich 113,40 EUR. Mit Bescheid vom 18. Juli 2011 änderte der Beklagte den Bescheid vom 4. April 2011 (nach dem Umzug der Klägerin) für die Monate Juli und August 2011 unter Berücksichtigung einer als angemessen angesehenen Miete in Höhe von 378 EUR, so dass (nach prognostischer Einkommensanrechnung) auf die KdUH – und bei weiterhin vorläufiger Festsetzung – ein monatlicher Zahlbetrag von 269,40 EUR entfiel.

Mit Bescheid vom 2. September 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin für die Monate September 2011 bis Februar 2011 vorläufig Arbeitslosgengeld II, und zwar nach zu berücksichtigendem, prognostischen Einkommen (539 EUR bei einem zugrunde gelegten Nettoverdienst von 800 EUR) KdUH in Höhe von 212 EUR monatlich unter Zugrundelegung als angemessen anerkannter KdUH in Höhe von insgesamt 378 EUR. Wegen einer Neuberechnung des Freibetrages bei Erwerbstätigkeit berechnete der Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 26. November 2011 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorläufig neu (monatlicher Zahlbetrag für KdUH vom 1. Januar bis 29. Februar 2012 nunmehr 222 EUR) und unter Berücksichtigung der Betriebs- und Heizkostenabrechnung 2011 mit Bescheid vom 19. Januar 2012 für Januar 2012 (KdUH in Höhe von einmalig 388,07 EUR).

Mit ihrem Weiterbewilligungsantrag vom 17. Januar 2012 legte die Klägerin dem Beklagten ihre Lohnabrechnungen für die Monate August bis Dezember 2011 vor und mit dem Weiterbewilligungsantrag vom 20. Juli 2012 für die Monate Januar 2012 bis Juni 2012, aus denen sich für die Monate Oktober 2011 bis Februar 2012 aufgrund gewährter Nachtzuschläge ein monatlicher Bruttoverdienst von 1.021,50 EUR (netto 835,06 EUR) ergab.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2013 unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 26. November 2011, 19. Januar 2012 (und einem Bescheid vom 2. Februar 2012) KdUH-Leistungen für die Zeit vom 1. September 2011 bis 29. Februar 2012, und zwar für September 2011 in Höhe von 238,77 EUR, für Oktober bis Dezember 2011 in Höhe von 184,09 EUR, für Januar 2012 in Höhe von 365,16 EUR und für Februar 2012 in Höhe von 196,93 EUR. Die früheren Entscheidungen seien aufgrund einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen teilweise mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2013 (abgesandt ebenfalls am 18. Dezember 2013) forderte der Beklagte von der Klägerin für die Monate Oktober 2011 bis Februar 2012 nach endgültiger Leistungsbewilligung die Erstattung von insgesamt 131,71 EUR.

Mit ihrem Widerspruch gegen die Bescheide vom 17. und 18. Dezember 2012 sowie weitere Erstattungsbescheide bat die Klägerin um einen Vorsprachetermin beim Beklagten zur Klärung, wie es zu den Überzahlungen habe kommen können, nachdem sie ihre Gehaltsabrechnungen immer fristgerecht und vollständig eingereicht habe. Durch Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014 wies der Beklagte den Widerspruch – nach Begründung des Widerspruchs durch den Verfahrensbevollmächtigten und nachdem die Klägerin im Zuge eines Telefonats mit dem Sachbearbeiter auf ein persönliches Gespräch verzichtet hatte – zurück. Zur Begründung hieße es, der Leistungsanspruch sei nach zunächst nur vorläufiger Entscheidung unter Berücksichtigung des von der Klägerin tatsächlichen erzielten Monatseinkommens in zutreffender Höhe endgültig festgesetzt worden. Die Überzahlung sei zu erstatten.

Mit ihrer nachfolgenden Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe Anspruch auf Berücksichtigung ihrer KdUH in tatsächlicher Höhe. Der Umzug in die gegenständliche Wohnung im Juli 2011 sei zur Kostensenkung erfolgt. Da sie ihre Gehaltsunterlagen immer zeitnah eingereicht habe, sei ein etwaiger Erstattungsanspruch nach mehr als zwei Jahren der Untätigkeit des Beklagten jedenfalls verwirkt. Vor Erlass des Rückforderungsbescheides habe sie darüber hinaus angehört werden müssen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 1. Juli 2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Der Klägerin ständen in der Zeit vom 1. Oktober 2011 bis 29. Februar 2012 keine weiteren KdUH unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu. Der vom Beklagten herangezogene Mietreferenzwert von 378 EUR bruttowarm übersteige bereits den für einen Einpersonenhaushalt als angemessen zu berücksichtigenden Wert. Für einen Einpersonenhaushalt wie derjenige der Klägerin sei eine Wohnungsgröße bis 50 qm mit einer Bruttokaltmiete von 322,50 EUR angemessen. Der durchschnittlich und abstrakt angemessene Kaltmietwert für Wohnungen bis 50 qm betrage monatlich 4,91 EUR/qm und die durchschnittlichen, gewichteten kalten Betriebskosten 1,54 EUR/qm. Die Bruttokaltmiete für die Wohnung der Klägerin in Höhe von 370,04 EUR (266,67 EUR + 103,73 EUR Heizkostenvorauszahlung) habe diese Angemessenheitswerte erheblich überschritten. Die Wohnung sei auch nicht konkret angemessen, da weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass die Klägerin gerade in diese Wohnung habe einziehen müssen. Der Grenzwert, bis zu welchem Heizkosten übernommen werden müssen, betrage bei der Versorgung mit Fernwärme, wie hier, und einer Gebäudefläche von mehr als 1.000 qm bei 50 qm Wohnungsgröße 77,92 EUR (2011) bzw. 59,17 EUR (2012). Die tatsächlichen Heizungskosten der Klägerin in Höhe von 47,54 EUR monatlich hätten diesen Wert allerdings unterschritten und seien daher angemessen und zu berücksichtigen gewesen. Die angemessenen KdUH hätten danach im streitgegenständlichen Zeitraum monatlich insgesamt bruttowarm 370,04 EUR (322,50 EUR + 47,54 EUR) betragen; der Beklagte habe hingegen höhere Kosten, nämlich 378 EUR, zugrunde gelegt, so dass die Klägerin durch die Bescheide nicht beschwert sei. Die Erstattungsforderung sei auch nicht verwirkt. Angesichts der lediglich vorläufigen Bewilligung habe die Klägerin nicht darauf vertrauen dürfen, dass eine endgültige Festsetzung und eine etwaige Erstattungsforderung nicht mehr erfolgen würden.

Mit der vom SG zugelassenen Berufung vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Mangels Vorliegens eines schlüssigen Konzeptes müsse der Beklagte die tatsächlichen Mietkosten berücksichtigen, und zwar zumindest bis zum wohngeldrechtlichen Tabellenwert. Das vom SG zugrunde gelegte Rechenmodell stelle kein schlüssiges Konzept im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar; der für einen Leistungsberechtigten zugängliche Wohnungsmarkt werde nicht realistisch abgebildet. Insbesondere seien die extremen Preissprünge nicht hinreichend berücksichtigt. Im Übrigen sei ein schlüssiges Konzept vom Grundsicherungsträger aufzustellen, das vom SG zu überprüfen wäre. Der Mietspiegel, der dem vom SG angewandten Modell zugrunde liege, sei nicht qualifiziert und könne daher keine Grundlage einer Datenerhebung sein. Die Rückforderung stelle eine unbillige Härte dar.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Juli 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014 aufzuheben, den Bescheid vom 18. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis 28. Februar 2012 weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 39,94 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Diese sowie die Leistungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich, Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom SG zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet (§§ 144 Abs. 1 und 3, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Streitgegenstand sind Ansprüche der Klägerin auf – endgültig (vgl. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. 328 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – SGB III) – höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis 28. Februar 2012 (Bescheid vom 18. Dezember 2013) und eine diesen Zeitraum betreffende Erstattungsforderung (Bescheid vom 17. Dezember 2013 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014). Hierauf hat die Klägerin bereits die Klage zulässigerweise beschränkt, da es sich hinsichtlich des Anspruchs auf KdUH-Leistungen um abtrennbare Verfügungen des hier gegenständlichen Bewilligungsbescheides vom 18. Dezember 2013 handelt (stRspr seit BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – juris, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R – juris Rn. 11 und vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 27/09 R – juris). Die Klägerin verfolgt ihr Begehren auf endgültige Feststellung höherer Leistungen für den gegenständlichen Zeitraum und Aufhebung des Erstattungsbescheides zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bzw. einer reinen Anfechtungsklage (§§ 54 Abs. 1, 2, 56 SGG). Das SG hat die Klage jedoch zu Recht insgesamt abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Festsetzung höherer KdUH-Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum und auf Aufhebung des Erstattungsbescheides.

Die erwerbsfähige Klägerin konnte zwar im gegenständlichen Zeitraum ihre Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht vollständig aus eigenem Einkommen und Vermögen decken und war daher Leistungsberechtigte i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II, weil sie die Voraussetzungen dieser Norm erfüllte, insbesondere hilfebedürftig i.S.d. § 9 Abs. 1 und 2 SGB II war. Sie hat aber im gegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere als bereits anerkannte KdUH-Leistungen. Die Wohnkosten waren im gegenständlichen Zeitraum nicht angemessen im Sinne der Grundsicherungsregelungen und auch nicht vorübergehend anzuerkennen.

Leistungen für Unterkunft und Heizung, die zu den nach dem SGB II zu erbringenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehören (vgl. §§ 1 Abs. 3 Nr. 2, 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II), sind in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen für die genutzte Wohnung zu erbringen, soweit diese angemessen sind (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes v. 24. März 2011, BGBl. I S. 453). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle und erfordert eine Einzelfallprüfung. Diese hat für die kalten Unterkunftskosten und die Heizkosten getrennt zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 – B 14 AS 36/08 R – juris Rn. 18; Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R – a.a.O. Rn. 13). Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft sind – wie vom SG ausgeführt – zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (sog. Produkttheorie; stRspr seit BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R – juris Rn. 24; vgl. auch BSG, Urteil vom 16. Juni 2015, a.a.O. Rn. 13 m.w.N.). Der abstrakt angemessene Quadratmeterpreis für die Unterkunft (Bruttokaltmiete) setzt sich hiernach aus der Nettokaltmiete und den kalten Betriebskosten zusammen (BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 9/14 R – juris Rn. 33).

Die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wird vorliegend auch aufgrund des Umzugs der Klägerin während des Leistungsbezugs nicht durch § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II verdrängt, wonach nur der bisherige Bedarf anerkannt wird, wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen. Denn der Umzug der Klägerin war – wie sich bereits aus der Kostensenkungsaufforderung vom 26. August 2010 ergab, erforderlich, weil die KdUH für die frühere Wohnung spätestens nach dem Auszug des Sohnes nicht mehr angemessen waren. In diesem Fall werden die KdUH nach einem Umzug nicht durch die schon bisher nicht angemessenen Kosten gedeckelt sondern haben sich für eine vollständige Berücksichtigung an der Angemessenheitsgrenze zu orientieren (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, § 22 Rn. 123). Für eine im Leistungsbezug stehende Person wie die Klägerin gilt gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II, dass diese vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen soll. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind (Satz 2). Dieses Zusicherungsverfahren hat allein eine Aufklärungs- und Warnfunktion, in dem es dem Leistungsberechtigten vor dem Vertragsschluss und einem Umzug Klarheit über die Angemessenheit der Aufwendungen für eine neue Unterkunft verschaffen soll (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2010 – B 4 AS 10/10 R – juris). Nicht Voraussetzung ist die Zusicherung dagegen bei einem (von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II wie hier nicht erfassten) erforderlichen Umzug für die Erbringung von Leistungen in Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R – a.a.O.). So liegt es hier.

Der Beklagte hat die Übernahme der Kosten für die von der Klägerin seit dem 1. Juli 2011 gemietete und bewohnte Wohnung bereits mangels entsprechenden Antrags nicht zugesichert. Die Zusicherung stellt insoweit einen der Bewilligung vorgeschalteten Verwaltungsakt i.S.v. §§ 31, 34 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X dar (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 4 AS 37/13 R – juris Rn. 11 m.w.N.). Eine – hier am 26. August 2010 ergangene – Kostensenkungsaufforderung stellt dagegen keine Zusicherung bzw. überhaupt keinen anfechtbaren Verwaltungsakt dar. Vielmehr handelt es sich dabei (lediglich) um ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 36/15 R – juris Rn. 15 m.w.N.). Es stellt ein Angebot an den Leistungsberechtigten dar, in einen Dialog über die Angemessenheit der Unterkunftskosten einzutreten, ohne dabei aber den Leistungsträger zu verpflichten, im Einzelnen aufzuzeigen, auf welche Weise die KdUH gesenkt werden könnten (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/7b AS 70/06 R – juris Rn. 15; Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R – juris Rn. 40).

Zwar ist das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 Satz 2 SGB II für die Höhe eines Anspruchs auf Übernahme der Kosten für die neue Unterkunft nicht konstitutiv (vgl. BSG, Urteil vom 22. November 2011 – B 4 AS 219/10 R – juris Rn. 19 zu 22 Abs. 2 SGB II a.F.). Ihr Sinn und Zweck liegt vielmehr darin, bei einem Umzug während des SGB II-Leistungsbezugs die leistungseinschränkenden Konsequenzen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu vermeiden (BSG a.a.O.). Hiernach werden die Leistungen im Sinne einer Kappungsgrenze weiterhin nur in Höhe der bisher zu tragenden Aufwendungen erbracht, wenn sich die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug erhöhen. Die hiervon erfasste Fallgestaltung ist vorliegend jedoch nicht gegeben, weil nach dem Umzug der Klägerin der Sohn nicht mehr Mitglied der früheren Bedarfsgemeinschaft war. Soweit der Beklagte ausweislich der Kostensenkungsaufforderung vom 26. August 2010 für die Zeit ab März 2011 für Unterkunftskosten einen Betrag i.H. von lediglich 444 EUR für angemessen erachtet hatte, folgt hieraus nichts Abweichendes, weil es sich insofern allein um eine Information handelte, die darüber hinaus ersichtlich die frühere Bedarfsgemeinschaft betraf (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R – juris Rn. 44; BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 4 AS 16/11 R – juris Rn. 19).

Wie vom SG zutreffend entschieden und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist, war die Wohnfläche der im Juli 2011 von der Klägerin bezogenen Wohnung mit 43,22 qm angemessen. Ein niedrigerer Grenzwert kommt in Bezug auf die obere Angemessenheitsgrenze der Wohnfläche nach keiner Betrachtungsweise in Betracht. Vielmehr ist in Berlin – als dem für die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten maßgeblichen Vergleichsraum (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 65/09 R – juris Rn. 24; Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R – Rn. 19) – für eine/einen alleinstehende Hilfebedürftige/alleinstehenden Hilfebedürftigen noch eine Wohnfläche bis 50 qm als abstrakt angemessen zu erachten. Insofern ist auf die zugebilligte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen. Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs. 1 bis 5. Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs. 4 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R – juris Rn. 22; Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R – juris Rn. 17). Zwar hat das Land Berlin keine Ausführungsvorschriften zu § 10 WoFG erlassen. Zu § 5 WoBindG und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen. Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20. Oktober 1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum bis zu 60 qm überlassen werden. Hieran ist auch für die Bestimmung der Angemessenheit der Wohnfläche nach § 22 Abs. 1 SGB II anzuknüpfen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg – Urteil vom 28. Juli 2016 – L 32 AS 1945/14 – juris Rn. 46).

Zur Bestimmung einer Referenzmiete als Angemessenheitsmaßstab ist zwecks Gewährleistung des Existenzminimums eine zeit- und realitätsgerechte Ermittlung des Bedarfs in einem transparenten und sachgerechten Verfahren notwendig (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – juris Rn. 138 f.). Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage auf einem schlüssigen Konzept beruht, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R – juris Rn. 16). Zur Bestimmung der Mietobergrenze ist insoweit auf den örtlichen qualifizierten Mietspiegels des Landes Berlin zurückzugreifen, der grundsätzlich eine zur Bestimmung der i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessenen Miete geeignete Grundlage bildet (vgl. für die Berliner Mietspiegel 2005 und 2007: BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R – und vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R – jeweils juris). Dies ist hier für den Streitzeitraum bis zum 31. August 2012 und damit auch für den gegenständlichen Zeitraum der Mietspiegel des Landes Berlin von Mai 2011 (Amtsblatt für Berlin 2011 Nr. 22 vom 30. Mai 2011), bei dem es sich um einen qualifizierten Mietspiegel i.S.v. § 558d Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – handelt (vgl. LG Berlin, Urteil vom 20. Dezember 2013 – 63 S 146/13 – juris Rn. 10; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juli 3016 – L 32 AS 1945/14 – a.a.O. Rn. 53). Heranzuziehen sind insoweit die Daten für Wohnungen der "einfachen" Wohnlage, wodurch das untere – im Rahmen der existenzsichernden Grundsicherungsleistungen relevante – Marktsegment hinreichend abgebildet wird (vgl. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R und B 14 AS 65/09 R – a.a.O.; Urteil vom 13. April 2012 – B 14 AS 85/09 R und B 14 AS 32/09 R – juris sowie bereits der erkennende Senat mit Urteilen vom 21. November 2012 – L 18 AS 59/11 – und vom 25. November 2015 – L 18 AS 1467/14 – jeweils juris und LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2014 – L 25 AS 2038/10 – juris Rn. 41), während Wohnungen ohne Bad oder Sammelheizung – im Berliner Mietspiegel 2011 noch in den Spalten 1 und 3 bzw. mit Abschlagswerten ausgewiesen – unberücksichtigt zu bleiben haben (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R – juris Rn. 29). Wie sich sodann unter Berücksichtigung der Mittelwerte (und nicht der Spannenoberwerte, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R – a.a.O. Rn. 27) sowie einer am Wohnungsbestand vorzunehmenden Gewichtung errechnen lässt (vgl. hierzu im Einzelnen Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit Nr. 1/2010, S. 28 ff., 34 f.), ergibt sich für den Zeitraum 1. Oktober 2011 bis 28. Februar 2012 eine abstrakt angemessene Kaltmiete bei Wohnungen bis 50 qm von 4,91 EUR/qm (vgl. zur Anwendung dieser Berechnungsmethode bereits das Urteil der erkennenden Senats vom 21. November 2012 – L 18 AS 59/11 – a.a.O. Rn. 22 ff sowie LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. März 2014 – L 25 AS 2038/10 – a.a.O. Rn. 43 ff.; Urteil vom 28. Juli 2016 – L 32 AS 1945/14 – a.a.O. Rn. 58). Die hier gegenständliche Grundmiete von 6,17 EUR/qm übersteigt indes diesen Wert.

Darüber hinaus sind die angemessenen Betriebskosten i.S.d. § 556 BGB (mit Ausnahme der Heizkosten) abstrakt zu bestimmen, die ausgehend der Grundlagendaten zum Berliner Mietspiegel 2011 unter Berücksichtigung durchschnittlicher kalter Betriebskosten (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R – juris Rn. 29) bis 1,54 EUR/qm als angemessen zu erachten sind (und die vorliegend mit 2,40 EUR überschritten werden). Die Wohnkosten der Klägerin überstiegen hiernach mit 370,40 EUR eine sich abstrakt für Berlin im gegenständlichen Zeitraum als angemessen ergebende Bruttokaltmiete von 322,50 EUR für eine bis zu 50 qm große Wohnung (6,45 EUR/qm).

Hiervon abzuweichen gebietet der Vortrag der Berufungsklägerin, die vorträgt, der Mietspiegel, welcher dem Rechenmodell für ein schlüssiges Konzept zugrunde liege, nicht qualifiziert, wie auch von anderen Kammern des SG Berlin entschieden worden sei, jedenfalls seien die Daten des nachfolgenden Mietspiegels nach erheblichen Preissprüngen nicht mehr berücksichtigungsfähig, es sei ferner zu berücksichtigen, dass es sich um eine Sozialwohnung mit Mietpreisbindung handle, keinen hinreichenden Anlass, so dass sich der Senat auch zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen nicht gedrängt sehen musste (vgl. § 103 SGG). Insbesondere aus der Förderung einer Wohnung als Sozialwohnung, für die ein einkommensabhängiger sog. Wohnberechtigungsschein erforderlich ist, ist für die Annahme von – i.S.d. § 22 SGB II – Angemessenheit nicht ausreichend, da insofern an das Haushaltseinkommen angeknüpft wird und nicht an das für das Recht der Grundsicherung zu berücksichtigende Wohnsegment einfachen Standards. Vielmehr war jedenfalls im gegenständlichen Zeitraum unter Berücksichtigung eines qualifizierten Mietspiegels – wie hier – grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis auch tatsächlich verfügbar war (vgl. BSG, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 32/09 R und B 14 AS 106/10 R – juris). Insofern ist dem Senat aufgrund einer Vielzahl anhängig gewesener SGB II-Verfahren bekannt, dass im Leistungsbezug stehende Wohnungssuchende wie die Klägerin jedenfalls noch Mitte 2011 bezogen auf den Vergleichsraum Berlin Wohnungen zu den seinerzeit von Grundsicherungsträgern – wie hier – als angemessenen anerkannten Kosten von 378 EUR bruttowarm tatsächlich mieten konnten. Schließlich ergibt sich aus der Wohnlagenkarte als Anlage zum Berliner Mietspiegel 2011, dass in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren, vorhanden waren, so dass von einer Ghettoisierung, wie von der Klägerin vorgetragen, nicht die Rede sein kann. Soweit in der Zivilgerichtsbarkeit entschieden worden ist, der Berliner Mietspiegel 2013 sei kein qualifizierter Mietspiegel im Sinne des § 558 BGB (AG Charlottenburg, Urteil vom 11. Mai 2015 – 235 C 133/13 – juris), ist darauf angesichts des Streitzeitraums nicht näher einzugehen. Im Übrigen könnte auch ein einfacher Mietspiegel Grundlage eines schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung sein (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R – a.a.O. Rn. 27). Insbesondere stellt ein einfacher Mietspiegel auch nach der Rechtsprechung der Zivilgerichtsbarkeit ein Indiz dafür dar, dass die dort angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2011 – VIII ZR 46/12 – juris Rn. 16). Keinesfalls zurückzugreifen ist dagegen auf die Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Wohnaufwendungenverordnung – WAV) vom 3. April 2012 (GVBl. 2012 S. 99), die unwirksam ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. April 2013 – L 36 AS 2095/12 NK – juris [Rücknahme zu BSG – B 4 AS 34/13 R –]).

Unter Berücksichtigung tatsächlicher (und angemessener) Heizkosten- (einschließlich Warmwasser- [arg e §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 7 SGB II]) Vorauszahlungen in Höhe von 47,54 EUR monatlich ergibt sich – wie vom SG errechnet – für den Zeitraum 1. Oktober 2011 bis 28. Februar 2012 ein Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung monatlicher KdUH von 370,04 EUR (abstrakt angemessene Bruttokaltmiete von 322,50 EUR + 47,54 EUR Heizungs- und Warmwasservorauszahlungen), der abstrakt und im vorliegenden Einzelfall auch konkret angemessen ist. Denn die Klägerin hat keine Umstände dargetan, dass es ihr im gegenständlichen Zeitraum nicht möglich gewesen wäre, angemessenen Wohnraum im vorstehenden Sinn zu mieten. Den Anspruch auf Berücksichtigung angemessener KdUH hat die Beklagte indes, wie das SG zutreffend ausgeführt hat und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, vgl. § 153 Abs. 2 SGG, mit dem endgültigen Festsetzungsbescheid vom 18. Dezember 2012 nach ursprünglich nur vorläufiger Leistungsbewilligung und -gewährung erfüllt.

Die Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 131,71 EUR ist nach im Widerspruchsverfahren geheiltem Anhörungsmangel (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X) weder formell noch materiell zu bestanden. Rechtsgrundlage hierfür ist § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III, wonach dann, wenn mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten sind. Dies war hier der Fall. Soweit der Beklagte mit dem Bescheid vom 18. Dezember 2013 unter Berufung auf § 48 SGB X die früheren vorläufigen Bescheide aufgehoben hat, kann dies dahinstehen. Denn er hat darüber hinaus gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III eine endgültige Entscheidung über den Leistungsanspruch der Klägerin im gegenständlichen Zeitraum getroffen (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 31/14 R – juris Rn. 11, 26).

Weder die endgültige Leistungsfestsetzung noch die Geltendmachung der Erstattungsforderung sind verwirkt. Fristen (vgl. etwa § 45 Abs. 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) bzw. § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) gelten insofern nicht. Mangels vergleichbaren Vertrauensschutzes im Falle einer zunächst nur vorläufigen Regelung im Vergleich zu einer endgültigen Entscheidung und einer hierauf beruhenden Leistungsgewährung ist auch eine entsprechende Anwendung von Fristbestimmungen nicht geboten. Vielmehr wurde die Klägerin bereits mit sämtlichen vorläufigen Bescheiden gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II a.F. i.V.m. § 328 Abs. 2 SGB III) darauf hingewiesen, dass im Falle von Änderungen – hier aufgrund des schwankenden Einkommens – bzw. auf Antrag eine endgültige Entscheidung und ggf. Erstattungsforderung in Betracht käme.

Die Verwirkung würde als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. § 242 BGB) voraussetzen, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen und weitere besondere Umstände – ein Zeitmoment, ein Umstandsmoment und zusätzlich eine faktische und rechtliche Untätigkeit –, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Einfordern des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R – juris; Urteil vom 8. Oktober 2010 – B 3 KR 7/14 R – juris). Die Klägerin hatte indes erst mit ihrem Weiterbewilligungsantrag vom 20. Juli 2012 die für die endgültige Leistungsfestsetzung erforderlichen Gehaltsunterlagen u.a. für den von den vorläufigen Bewilligungen erfassten Leistungszeitraum vollständig vorgelegt. Dahinstehen kann, welche Zeitspanne für eine Verwirkung – wenn überhaupt – für Fälle der endgültigen Leistungsfestsetzung in Betracht käme. Eine auf zunächst vorläufige Bescheide ergehende endgültige Festsetzung 1 ½ Jahre nach Vorlage der hierfür erforderlichen Unterlagen, aus denen sich die maßgeblichen Änderungen für die Leistungsfestsetzung ergaben, erfüllt diese Voraussetzungen keinesfalls. Darüber hinaus fehlt es am Umstandsmoment, das regelmäßig ein aktives – schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin begründendes – Verhalten des Beklagten voraussetzen würde und grundsätzlich nicht in bloßer Untätigkeit über einen längeren Zeitraum liegt. Eine bloße Untätigkeit kann dagegen nur im Einzelfall ein schutzwürdiges Vertrauen begründen, wenn der Schuldner das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 – B 13 R 67/09 R –, a.a.O.). Hierfür bestehen allerdings keine Anhaltspunkte (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. August 2016 – L 3 AS 2104/15 – juris Rn.19 ff.)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved