L 5 KR 62/15

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 10 KR 243/12
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 62/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 78/17 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Verhaltenstherapie zur Raucherentwöhnung ist keine von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringende Leistung. Der Nikotinentwöhnung dienende Medikamente (hier: Nikotinell) sind von ärztlicher Verordnung auch im Rahmen eines ärztlichen Behandlungskonzepts ausgeschlossen. Der Ausschluss dieser Leistungen verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 19. Juni 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine Raucherentwöhnungsbehandlung als Verhaltenstherapie in Einzeltherapie sowie für ein Medikament zur Nikotinentwöhnung.

Die Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, sie ist langjährige Raucherin.

Am 26. März 2012 stellte der behandelnde Hausarzt Dr. R aus E eine Nikotinabhängigkeit, eine arterielle Hypertonie und eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) fest. Ebenfalls am 26. März 2012 verordnete er der Klägerin eine Einzeltherapie zur Raucherentwöhnung nach § 27 Satz 1 und § 43 Satz 1 Nr. 2 SGB V und beantragte die Kostenübernahme von Therapiekosten in Höhe von insgesamt 300,00 EUR sowie die Kostenübernahme für Medikamente zur Nikotinentwöhnung. Ebenfalls am 26. März 2012 erfolgte laut Rechnung vom 15. November 2013 eine Beratung, systembezogene Untersuchung, Einleitung therapeutischer Maßnahmen, CO-Bestimmung der Atemluft und ein ausführlicher Krankheits- und Befundbericht.

Mit Bescheid vom 28. März 2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Kostenübernahme für die Patientenschulung in Höhe von 255,00 EUR (300,00 EUR./. 15 %) und lehnte den Antrag im Übrigen ab.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 27. April 2012 Widerspruch ein. Bei der bei ihr diagnostizierten Tabakabhängigkeit handele es sich um eine Krankheit im Sinne von § 27 SGB V, zudem bestehe eine COPD, eine arterielle Hypertonie und ein Bronchialasthma, so dass ein Anspruch auf Krankenbehandlung in Form einer Raucherentwöhnungstherapie bestehe. Hinsichtlich der medikamentösen Behandlung sei § 34 SGB V hier verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der dort normierte Ausschluss nicht greife, wenn ein solches Medikament zur Behandlung einer bereits bestehenden Erkrankung im Sinne des § 27 SGB V eingesetzt werde.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, über die Kostenübernahmeerklärung in Höhe von 255,00 EUR hinaus zur Durchführung einer Patientenschulung könne keine Kostenübernahme erfolgen, da dies den aufgrund von § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zu gewährenden Höchstbetrag darstelle. Eine Kostenübernahme für Medikamente könne nicht erfolgen, da Medikamente zur Raucherentwöhnung gemäß § 34 Satz 7 SGB V vom Versorgungsanspruch ausgenommen seien. Eine Kostenerstattung komme ebenfalls nicht in Betracht.

Hiergegen hat die Klägerin am 7. September 2012 beim Sozialgericht Schleswig Klage erhoben und geltend gemacht, dass ihr bislang Kosten für die Raucherentwöhnungstherapie und das Medikament Nicotinell in Höhe von 1.021,29 EUR entstanden seien. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, dass es ihr nicht um Patientenschulungsmaßnahmen gehe, sondern um Krankenbehandlung (Raucherentwöhnungstherapie). Nikotin- oder Tabakabhängigkeit sei eine Krankheit (ICD 10 F17.2) im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Diese liege bei ihr vor und habe bereits zu den festgestellten Folgeschäden geführt. Die Abhängigkeitserkrankung könne nur durch Entzug und Entwöhnung behandelt werden. Die Abstinenz in Bezug auf das Rauchen führe dazu, dass sich die Folgeerkrankungen besserten bzw. eine Verschlimmerung verhütet werde. Deshalb seien die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankenbehandlung erfüllt. Diese erfolge zum einen durch Medikamentengabe. Das verordnete Nicotinell sei bei verfassungskonformer Auslegung von § 34 Satz 7 und 8 SGB V nicht ausgeschlossen. Gemäß Art. 2 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG) habe jeder Bürger das Recht, dass sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit geschützt werde. Deshalb dürfe die Gewährung eines Arzneimittels nicht versagt werden, wenn es notwendig sei, um eine Krankheit zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Dies gelte insbesondere hier, weil die mit dem Tabakkonsum verbundenen Folgeerkrankungen einen tödlichen Ausgang nehmen und lebensverkürzend wirken könnten. Eine bestehende Nikotinabhängigkeit führe aufgrund der Suchtdynamik zu einem unwillkürlichen Weiterrauchen und damit zu den bekannten Folgeerkrankungen. Bestehe eine solche Abhängigkeit von Krankheitswert und lägen – wie hier – sogar bereits Folgeerkrankungen vor, diene ein Medikament zur Nikotinsubstitution nicht mehr in erster Linie der Erhöhung der Lebensqualität. Die zweite Säule der Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung stelle die ärztlich verhaltenstherapeutische Behandlung dar. Es sei anerkannt, dass Behandlungen mittels verhaltenstherapeutisch basiertem Rückfallmanagement die Ergebnisse der Raucherentwöhnung verbesserten und damit einen wesentlichen Baustein der Behandlung der Tabakabhängigkeit darstellten. Die psychotherapeutische Behandlung einer Suchterkrankung sei in dem Indikationskatalog des § 22 Abs. 1 der Psychotherapie-Richtlinie (Psych RL) nicht enthalten, könne sich somit nur aus § 22 Abs. 2 Psych RL ergeben. Danach könne eine Psychotherapie neben oder nach einer somatisch ärztlichen Behandlung von Krankheiten oder deren Auswirkungen indiziert sein und bei psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen. Damit bestehe im vorliegenden Fall eine Indikation zur verhaltenstherapeutischen Komponente der Entwöhnungsbehandlung. Falls sich das Gericht einer verfassungskonformen Auslegung von § 34 Satz 7 und 8 SGB V und § 22 Abs. 2 Psych RL nicht anschließen könne, müsste eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht erfolgen zur Prüfung, ob diese Normen mit dem Grundgesetz (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1) in Einklang stünden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. März 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2012 zu verurteilen, die Kosten in Höhe von 1.021,29 EUR sowie die weiteren Kosten der noch durchzuführenden Raucherentwöhnungsbehandlung zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen der angefochtenen Bescheide verwiesen.

Mit Urteil vom 19. Juni 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Übernahme der Kosten zu Recht abgelehnt, da hier bereits der so genannte Beschaffungsweg nicht eingehalten worden sei. Denn nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V seien dem Versicherten Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung nur zu erstatten, wenn sie dadurch entstanden seien, dass die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt habe (hier allein in Betracht kommende Norm-Alterna¬tive). Das bedeute, dass Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung nur zu ersetzen seien, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt habe. Hier habe die Raucherentwöhnungstherapie am 26. März 2012 begonnen, ohne dass die Klägerin zuvor ein Übernahmeantrag bei der Beklagten gestellt habe. Außerdem habe die Klägerin die Therapie abgebrochen.

Gegen dieses der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14. Juli 2015 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 21. Juli 2015 bei dem Schleswig-Holsteini-schen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass die Therapie nicht am 26. Februar 2012 begonnen worden sei. An diesem Tag sei der so genannte Raucher-Check durchgeführt worden, mit dem die Voraussetzungen für die Raucherentwöhnungstherapie abgeklärt worden seien. Dieser habe zur Vorbereitung der Therapie gedient und sei nicht mit dem Beginn der Therapie gleichzusetzen. Der erste Therapietermin sei der 26. April 2012 gewesen, in der Krankenakte von Dr. R mit dem Text "Rauchertraining 1" bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt hätte der ablehnende Bescheid der Beklagten bereits vorgelegen. Darüber hinaus nimmt die Klägerin Bezug auf ihr Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. Sie macht geltend, dass sich die Kosten auf nunmehr 1.251,27 EUR erhöht hätten. Außerdem reicht die Klägerin einen Arztbrief von Dr. W vom 30. November 2015 und einen Auszug aus der S3 Leitlinie "Screening, Diagnostik und Behandlung des schädlichen und abhängigen Tabakkonsums" zu den Akten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 19. Juni 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. März 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten in Höhe von 1.251,27 EUR sowie die weiteren Kosten der noch durchzuführenden Raucherentwöhnungstherapie zu erstatten.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Selbst bei Einhaltung des Beschaffungsweges bestehe der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und statthaft; sie ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beklagte für eine Raucherentwöhnungsbehandlung als Verhaltenstherapie in Einzeltherapie sowie für das Medikament Nicotinell zur Nikotinentwöhnung. Dies hat das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend entschieden.

Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung des Sozialgerichts, dass hier bereits der so genannte Beschaffungsweg nicht eingehalten worden sei. Zutreffend stellt das Sozialgericht fest, dass nach der hier allein in Betracht kommenden Alternative des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V der Klägerin die Kosten nur zu erstatten sind, wenn sie dadurch entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat; die Klägerin also die abgelehnte Entscheidung der Krankenkasse abwarten muss, bevor sie sich die Leistung selbst beschaffen darf. Die Raucherentwöhnungstherapie hat jedoch nicht schon – wie vom Sozialgericht angenommen – am 26. März 2012 begonnen. Die Klägerin wurde am 26. März 2012 von Dr. R untersucht. Dabei wurden eine Lungenerkrankung und die Bereitschaft der Klägerin festgestellt, eine Raucherentwöhnungstherapie durchzuführen. Dr. R verordnete am selben Tag die Therapie und es erfolgte die Vorlage der Verordnung bei der Beklagten zur Genehmigung. Diese lehnte durch Bescheid vom 28. März 2012 ab. Am 26. April 2012 begann die Therapie (Rauchertraining 1). Damit wurde der Beschaffungsweg eingehalten. Der Auffassung des Sozialgerichts, dass die Therapie bereits am 26. März 2012 begonnen habe, folgt der Senat nicht. Die Untersuchung/Beratung am 26. März 2012 war eine "normale" Kassenleistung, die der streitigen Therapie vorausgegangen ist, mit dieser nichts zu tun hat und die der Klägerin deshalb nicht – wie geschehen – von Dr. R hätte in Rechnung gestellt werden dürfen. Dies räumt Dr. R jetzt nachträglich auch ein (Schreiben vom 28. August 2015). Am 26. April 2012 wurden abgerechnet Raucherentwöhnungstherapie mittels einzelner therapeutischer Gespräche (A804), Patientenschulung (A33) und Erörterung einer Lebensveränderung (A34). Dies stellt den Beginn der Therapie dar. Die Behandlung am 26. März 2012 diente hingegen lediglich der Abklärung und Vorbereitung der streitigen Therapie (so bereits Beschluss des Senats vom 23. September 2015, L 5 KR 331/14 B PKH, in einem gleichgelagerten Fall).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr aufgewendeten Kosten für das Medikament Nicotinell. Nach § 34 Satz 7 und 8 SGB V sind Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausdrücklich genannt werden hier Arzneimittel, die überwiegend zur Raucherentwöhnung dienen. Das ist bei dem Medikament Nicotinell zweifellos der Fall, das ausschließlich zur Raucherentwöhnung eingesetzt wird (www.nicotinell.de). Der Raucherentwöhnung dienende Arzneimittel sind mithin kraft Gesetzes von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2012, B 6 KA 50/11 R). Dieser Ausschluss kraft Gesetzes gilt umfassend, auch in strukturierten Behandlungsprogrammen nach § 137f Abs. 2 SGB V. Deshalb ist es dem GBA auch untersagt, in Richtlinien zur Regelung von Anforderungen an die Ausgestaltung derartiger Behandlungsprogramme betreffend Asthma und COPD eine Verordnungsfähigkeit von der Raucherentwöhnung dienenden Arzneimitteln vorzusehen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Mai 2015, L 9 KR 309/12 KL). Der Gesetzgeber hat an keiner Stelle in § 137f SGB V zu verstehen gegeben, dass im Rahmen strukturierter Behandlungsprogramme bei chronischen Erkrankungen von dem klaren und strengen Verordnungsausschluss nach § 34 Satz 7 und Satz 8 SGB V abgewichen werden darf. Die Behandlung der Klägerin bei Dr. R erfüllt nicht die strengen Anforderungen von § 137f SGB V, so dass die Verordnung von Nicotinell im Rahmen seines Behandlungskonzepts erst recht nicht zulässig ist.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr aufgewendeten Kosten für eine verhaltenstherapeutische Behandlung zur Raucherentwöhnung. Gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten. Nach § 92 Satz 2 Nr. 1 SGB V soll er insbesondere Richtlinien beschließen über die ärztliche Behandlung. Abs. 6a SGB V bestimmt, dass in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art , Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln ist.

§ 22 Psychotherapie-Richtlinien regelt dementsprechend die Indikationen zur Anwendung von Psychotherapie. Nach § 22 Abs. 2 kann Psychotherapie neben oder nach einer somatisch ärztlichen Behandlung von Krankheiten oder deren Auswirkungen angewandt werden, wenn psychische Faktoren einen wesentlichen pathogenetischen Anteil daran haben und sich ein Ansatz für die Anwendung von Psychotherapie bietet. Indikationen hierfür können gemäß Nr. 1a der Regelung sein: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen, im Falle der Abhängigkeit von psychotropen Substanzen beschränkt auf den Zustand der Suchtmittelfreiheit beziehungsweise Abstinenz. Abweichend davon ist eine Anwendung der Psychotherapie bei Abhängigkeit von psychotropen Substanzen dann zulässig, wenn die Suchtmittelfreiheit beziehungsweise Abstinenz parallel zur ambulanten Psychotherapie bis zum Ende von maximal 10 Behandlungsstunden erreicht werden kann. Das Erreichen der Suchtmittelfreiheit beziehungsweise der Abstinenz nach Ablauf dieser Behandlungsstunden ist in einer nicht von der Therapeutin oder von dem Therapeuten selbst ausgestellten ärztlichen Bescheinigung festzustellen. Diese Feststellung hat anhand geeigneter Nachweise zu erfolgen. Sie ist von der Therapeutin oder von dem Therapeuten als Teil der Behandlungsdokumentation vorzuhalten und auf Verlangen der Krankenkasse vorzulegen. Kommt es unter der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung zu einem Rückfall in den Substanzgebrauch, ist die ambulante Psychotherapie nur fortzusetzen, wenn unverzüglich geeignete Behandlungsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Suchtmittelfreiheit bzw. Abstinenz ergriffen werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich ein Anspruch auf die hier streitige Therapie nicht aus dem allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden § 22 Abs. 2 Nr. 1a Psych RL ableiten. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind hier nicht erfüllt. Der GBA hat mit Beschluss vom 15. Oktober 2015 klargestellt, wie diese Norm in der hier anwendbaren Fassung vom 14. April 2011 auszulegen ist und in diesem Beschluss unter 2.1 ausgeführt:

"Der Begriff ‚Drogen‘ war dabei immer auf die als illegal geltenden Drogen bezogen. Nikotin, Tabak und Koffein waren niemals vom Drogenbegriff in der PT RL umfasst und sind es immer noch nicht. Somit erfolgte mit der Richtlinienänderung vom 14.04.2011 keine Ausweitung der Indikation. Auch wenn der Drogenbegriff weit gefasst werden und Nikotin, Tabak und darüber hinaus Koffein (Kaffee und Tee) beinhalten kann, wurden diese Substanzen vom G BA im Rahmen der PT RL zu keiner Zeit unter den Begriff ‚Drogen‘ subsummiert. Eine Überprüfung, ob die v. g. Substanzen einbezogen werden müssten, war im Übrigen auch nicht geboten, da sich weder der anlassgebende Hinweis hierauf bezog noch ein entsprechender Antrag für ein diesbezüglich unumgängliches Methodenbewertungsverfahren nach § 135 Absatz 1 SGB V vorlag. Hätte der G BA die Substanz Tabak aufnehmen wollen, wäre ein entsprechendes Methodenbewertungs-verfahren unumgänglich gewesen. Dementsprechend wurden im Stellungnahmeverfahren die Änderungen von den Beteiligten allein als Änderung für die im Übrigen inhaltlich unveränderten Indikationen Alkohol, Drogen- oder Medikamentenabhängigkeit verstanden. Auch die Rechtsaufsicht gemäß § 94 Absatz 1 SGB V hat die Änderungen nicht beanstandet. Hinweise auf eine Notwendigkeit der Erweiterung um weitere Substanzen bzw. Indikationen gab es auch in den Stellungnahmen nicht. Die eingangs dargestellten Anfragen deuteten erstmals auf Auslegungsfragen bezüglich der jetzigen Formulierung in der PT RL hin. Die Umformulierung in ‚psychotrope Substanzen‘ könnte danach nicht zuletzt mit Blick auf die umfassende Darstellung der Abbildung des Bereichs der Suchterkrankungen im ICD 10 im Allgemeinen in den Tragenden Gründen im Sinne einer hierauf bezogenen Erweiterung des Anwendungsbereichs missverstanden werden. Obwohl letzteres Missverständnis sich mit Blick auf die Tragenden Gründe im Übrigen als eben solches herausstellen muss, erscheint eine Präzisierung der PT RL sinnvoll. Mit dieser soll klargestellt werden, dass sich die Regelung in § 22 Absatz 2 Nr. 1a unverändert lediglich auf die Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten bezieht. Dem entsprechend wird in § 22 Absatz 2 Nr. 1a PT RL der Begriff ‚psychotrope Substanz‘ spezifiziert, indem die gemeinten Substanzen ‚Alkohol, Drogen oder Medikamente‘ in Klammern aufgeführt werden."

Die Ausführungen des GBA sind klar und eindeutig. Auch das Bundessozialgericht hat bereits in einem Beschluss vom 28. April 2004 (B 6 KA 125/03 B) im Leitsatz deutlich hervorgehoben, dass eine Raucherentwöhnungstherapie kein Behandlungsverfahren darstellt, dass nach den Psych RL als Leistung der Krankenkassen anerkannt ist. Danach darf eine Psychotherapie im Rahmen der Psych RL nur erbracht werden, soweit und solange eine seelische Krankheit vorliegt. Nur soweit Psychotherapie der Heilung und Besserung einer Krankheit dient, ist sie eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Unter seelischer Krankheit im Sinne der Richtlinien ist eine krankhafte Störung der Wahrnehmung, des Verhaltens, der Erlebnisverarbeitung, der sozialen Beziehungen und der Körperfunktionen zu verstehen. Der Konsum von Nikotin beim Rauchen stellt für sich genommen nicht stets eine seelische Krankheit im Sinne dieser Definition dar, weil er zwar Ausdruck einer Abhängigkeit und damit gegebenenfalls einer Störung sein kann, aber nicht sein muss. Aus dem Umstand, dass jemand an einer Raucherentwöhnungstherapie teilnehmen will, lässt sich lediglich schließen, dass er fremde Hilfe in Anspruch nehmen will, um den von ihm selbst inzwischen als unerwünscht angesehenen Nikotinkonsum zu beenden. Ob dem eine seelische Erkrankung zugrunde liegt oder ob auch nur die Notwendigkeit besteht, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, oder ob dies lediglich als Erleichterung auf dem Weg zur Nikotinabstinenz gesehen wird, lässt sich allein aus der Teilnahme an einer Raucherentwöhnungsbehandlung nicht folgern. Die Hilfe bei der Entwöhnung vom Rauchen ist deshalb im typischen Fall keine der Krankenkasse obliegende Psychotherapie. Im Falle der Klägerin gibt es in den Befund- und Behandlungsberichten von Dr. R keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung in diesem Sinne. Raucher haben mit eigener Willensstärke die Möglichkeit, das Rauchen zu beenden. Dies wird durch unzählige Beispiele belegt (oft z. B. nach Feststellung einer Erkrankung, Schwangerschaft usw.). Anders als bei anderen Drogen (Alkohol, Medikamente, Rauschgift) führt das Rauchen auch nicht zu einer Änderung in der Lebensgestaltung.

Darüber hinaus scheitert der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch daran, dass Dr. R nicht zum Kreis der berechtigten Leistungserbringer gehört. Hinsichtlich der erforderlichen Qualifikation der Leistungserbringer zur Durchführung der Psychotherapie verweist § 27 Psych RL auf die Psychiatrievereinbarungen. Die dort in § 2 genannten Voraussetzungen erfüllt Dr. R nach eigenem Bekunden nicht.

Da die Klägerin grundsätzlich keinen Anspruch auf die Kostenerstattung für die Raucherentwöhnungstherapie und für das Medikament Nicotinell hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Anspruch in der geltend gemachten Höhe besteht. Auch insoweit gibt es allerdings Bedenken, weil die Verordnung von Dr. R vom 26. März 2012 die Kosten der Therapie ohne Medikamente auf 300,00 EUR begrenzt und weitere Verordnungen nicht ausgestellt wurden.

Die von der Klägerin geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der angewendeten Normen vermag der Senat nicht zu erkennen. Insbesondere ist der Senat nicht davon überzeugt, dass ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 GG sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Aus den Bestimmungen des GG folgt zwar eine objektiv rechtliche Pflicht des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen. Darüber hinaus ist verfassungsrechtlich grundsätzlich jedoch nur geboten, eine medizinische Versorgung für alle Bürger bereitzuhalten. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen so weiten Gestaltungsspielraum, dass sich originäre Leistungsansprüche aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig nicht ableiten lassen. Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten folgt jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen. Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnimmt, die – wie hier – in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen. Daran hat sich auch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) nichts Grundsätzliches geändert. Dort wurde lediglich der Leistungsausschluss neuer Behandlungsmethoden im Fall regelmäßig tödlicher oder lebensbedrohlicher Krankheiten beim Fehlen anerkannter Therapien in der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungsrechtlich beanstandet. Deshalb führen selbst schwere Erkrankungen nicht zur Leistungsausweitung durch grundrechtsorientierte Auslegung, wenn keine notstandsähnliche Extremsituation zugrunde liegt, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung auf eine Stufe gestellt werden kann (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juli 2006, B 1 KR 10/05 R, mit zahlreichen Nachweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts). Einen solchen Grad der Betroffenheit erreicht die Klägerin mit der streitbefangenen Behandlung indes nicht. Der Gesetzgeber hat die Kosten für eine Raucherentwöhnung (Therapie und Medikamente) der Eigenverantwortung der Versicherten übertragen, da ihre Anwendung der privaten Lebensführung zuzuordnen ist. Auch bei chronisch Kranken gehört die Raucherentwöhnung nicht zum Kernbereich der von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Leistungen. Behandlungserfolg sowie Sinn und Zweck der Therapie sind nicht in Frage gestellt, wenn die Kosten zur Stärkung der Eigenverantwortung nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Die Kosten liegen (auch im Hinblick auf die ersparten Kosten für Zigaretten) im vertretbaren Bereich. Anders als bei einer Therapie einer chronischen Erkrankung erfolgt die Medikamentengabe für einen überschaubaren Zeitraum. Gleiches gilt für die Dauer der Therapie. Ärztliche Beratung über Nikotinverzicht und Patientenschulungen sind ohnehin Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Außerdem erfordert die Aufgabe des Rauchens nicht zwingend in jedem Fall die Einnahme unterstützender Medikamente. Vor diesem Hintergrund ist für den Senat nicht im Ansatz erkennbar, dass die vom Gesetzgeber ausgeschlossenen Leistungen von Verfassungs wegen geboten sind. Deshalb liegen die Voraussetzungen für einen Vorlagebeschluss zum Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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