S 12 KA 100/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 100/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 57/17 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die am 11.01.2017 durchgeführte Wahl der Mitglieder zum beratenden Fachausschuss für hausärztliche Versorgung gem. § 11c und der Mitglieder des Beirats für die Erweiterte Honorarverteilung gemäß § 11d der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen i. d. F. v. Februar 2016 wird für ungültig erklärt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

3. Die Beklagte hat den Klägern 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Gerichtskosten haben die Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die ordnungsgemäße Besetzung zweier beratender Fachausschüsse und des Beirats für die Erweiterte Honorarverteilung der Vertreterversammlung.

Die beiden Kläger sind zur vertragsärztlichen Versorgung in Hessen zugelassen. Sie nehmen an der hausärztlichen Versorgung teil. Sie wurden im Herbst 2016 für die Legislaturperiode 2017-2022 als Delegierte in die beklagte Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gewählt. Die Vertreterversammlung besteht aus 50 Mitgliedern (§ 4 Abs. 1 Wahlordnung), die sich nach ihrer Gruppenzugehörigkeit auf 45 Ärzte und 5 Psychologische Psychotherapeuten aufteilen. Von den 45 Ärzten gehören 27 zum fachärztlichen und 18 zum hausärztlichen Versorgungsbereich. Im Einzelnen ergab sich folgende Sitzverteilung auf die eingereichten zehn Listen, wobei auf die Liste 5 "Die Gemeinsame Liste regionale KV" kein Vertreter entfiel:

Listennr. Liste Zahl der Sitze
4 Die Fachärzte Hessen 23
6 Sprechende Medizin 3
3 Hessenmed/Hartmannbund 2
7 Die Hausärzte – Hausärzteverband Hessen 13
2 Kinder- und Jugendärzte 2
1 Ärztinnen und Ärzte pro EHV 2

1 Psychotherapeuten – stark in der KV - Kooperation DPtV, VT-AS, DGVT-BV, DVT, QdM, GNP 3
Integrative Liste - PP/KJP im bvpp Hessen 1
2 Psychodynamische Liste - Bündnis KJP 1

Die Kläger wurden als die beiden Vertreter der Liste "Ärztinnen und Ärzte pro EHV" in die Vertreterversammlung gewählt.

Wahlberechtigt zur Wahl der Mitglieder des beratenden Fachausschuss für hausärztliche Versorgung sind 18 Mitglieder der Vertreterversammlung. Es handelt sich um die beiden Mitglieder der Liste 1, die beiden Mitglieder der Liste 2 "Kinder- und Jugendärzte", einem Mitglied der Liste 3 "Hessenmed/Hartmannbund" sowie die 13 Mitglieder der Liste 7 "Die Hausärzte – Hausärzteverband Hessen".

In der Sitzung am 11.01.2017 wurden u. a. die Mitglieder des beratenden Fachausschuss für Erweiterte Honorarverteilung, des beratenden Fachausschuss für hausärztliche Versorgung und des Beirats für die Erweiterte Honorarverteilung gewählt.

Die Kläger haben am 30.01.2017 die Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 09.02.2017, bei Gericht am selben Tag eingegangen, haben die Kläger ihre Klage auf die Wahl der Mitglieder des Beirats für die Erweiterte Honorarverteilung erweitert.

Die Kläger tragen vor, bei der Wahl der Mitglieder der beratenden Fachausschüsse für Erweiterte Honorarverteilung und für hausärztliche Versorgung sowie des Beirats für die Erweiterte Honorarverteilung hätten die beiden Mehrheitsfraktionen, die Liste 7 "Die Hausärzte" und die Liste 5 (gemeint ist die Liste 4) "Die Fachärzte Hessen" je zwei Kandidaten bzw. für die beiden anderen Gremien zusammen 12 bzw. 6 Kandidaten genannt. In der Aussprache zur Wahl der Mitglieder in den Fachausschuss für Erweiterte Honorarverteilung habe ein Vertreter der Kinderarztfraktion geltend gemacht, dass auch die Stimmen der KV-Mitglieder berücksichtigt werden müssten, die nicht eine der beiden Mehrheitsfraktionen gewählt hätten. Es müssten sich die Mehrheitsverhältnisse der Vertreterversammlung "widerspiegeln". Es gebe eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Pflichtmitgliedern der Kassenärztlichen Vereinigung, die sich explizit für den Bestand der EHV aussprächen und deshalb Liste 1 gewählt hätten. Auch diese Stimmen müssen im Fachausschuss repräsentiert werden. Die Geschäftsführung habe darauf geantwortet, dass dieses Prinzip der "Spiegelbildlichkeit" für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht gelte und dass das Bundesozialgericht die Klage der Zahnärzte seinerzeit abgewiesen habe. In geheimer Wahl seien dann die vorgeschlagenen Vertreter gewählt worden. Die Kandidaten für den beratenden Fachausschuss für die hausärztliche Versorgung stammten aus den Reihen der Mehrheitsfraktionen und der Fraktion der Kinderärzte. Der Kläger zu 1) habe vorgeschlagen, dass auch der Kläger zu 2) in diesen Ausschuss gewählt werde. Das Plenum habe dann gegen ihre Stimmen für eine Listenwahl gestimmt und die Mehrheitsfraktionen hätten erneut ihre Kandidatenliste zur Wahl gestellt. Deren Kandidaten seien dann gewählt worden. Der Vorschlag des Klägers zu 1), den Kläger zu 2) als Stellvertreter mit auf die Liste zu setzen, sei ebenfalls abgelehnt worden. Für die Wahl zum Beirat für die erweiterte Honorarverteilung habe der Kläger zu 2) ebenfalls kandidiert, aber wegen der Mehrheitsverhältnisse keine Chance gehabt. Es entspreche dem Demokratieprinzip und den darauf beruhenden Grundsätzen der repräsentativen Demokratie, dass auch in den Ausschüssen "spiegelbildlich" die Fraktionen bzw. die dahinterstehenden Wähler abgebildet werden würden. Die Bestimmung der Satzung trage diesen Vorgaben nicht ausreichend Rechnung. Die Liste der Ärzte unterschiede sich nicht nur danach, ob es Fach- oder Hausärzte seien, sondern verträte gleichsam "fachbereichsübergreifende" Konzepte. Dem müsse auch die Besetzung der Ausschüsse Rechnung tragen, da andernfalls für dessen Zuständigkeit das Demokratieprinzip außer Kraft gesetzt wäre. Der beratende Fachausschuss EHV habe in Bezug auf die Umlagen zur EHV einerseits und den Leistungen der EHV andererseits eine besondere Bedeutung. Seine vorbereitenden Maßnahmen seien von besonderem Gewicht, weil es sich um sehr spezifisches Recht handele, welches von dem einzelnen Mitglied der Vertreterversammlung in der Regel nicht in allen Verästelungen nachvollzogen bzw. durchdrungen werde. Es müssten nicht alle Listen repräsentiert sein. Es müsse aber die Liste, die gerade wegen des Bezugs zur EHV in die Vertreterversammlung gewählt worden sei, berücksichtigt werden. Soweit es in der Satzung heiße, dass der beratende Fachausschuss zur Hälfte mit Hausärzten und zur Hälfte mit Vertragsärzten besetzt werden müsse, stamme diese Regelung aus einer Zeit, als es verschiedene Listen noch nicht gegeben habe. Diese Aufteilung entspreche jedenfalls aktuell nicht dem dem Demokratieprinzip in der Vertreterversammlung entstammenden Gebot der Spiegelbildlichkeit. Die Kläger tragen weiter vor, nach der Entscheidung des BSG vom 11.02.2015 müsse eine Klage gegen die Vertreterversammlung selbst gerichtet werden. Es gehe allein darum, wie die Vertreterversammlung selbst die Rechte von Minderheiten bzw. einzelnen Wählervereinigungen/Listen berücksichtige. Es treffe zwar zu, dass bis zur Wahl der letzten Vertreterversammlung es keine vergleichbaren Fraktionen gegeben habe. Schon vor der letzten Wahl zur Vertreterversammlung hätten sich allerdings die Gruppen der Fachärzte einerseits und die der Hausärzte andererseits als "Fraktion" bezeichnet. Diese ergebe sich aus dem Schriftwechsel mit den Vertretern. Nun habe sich die Situation jedoch geändert. Seit der letzten Wahl zur Vertreterversammlung gebe es faktisch Fraktionen. Diesen Faktor müsse auch die Satzung und die Wahl zu den Ausschüssen entsprechen. Hinter ihnen als Vertreter der Liste 1 stünden auch die Empfänger von Leistungen aus der EHV, die nicht mehr vertragsärztlich tätig seien und die seit der Einführung des SGB V in der Vertreterversammlung mit Sitz und Stimme vertreten gewesen seien. Sie müssten eine realistische Chance haben, als Vertreter der Liste 1 auch berücksichtigt zu werden. Diese Chance werde ihnen verweigert. Auch wenn die Fachausschüsse nur einen begrenzten Handlungsspielraum hätten und vielleicht keine "Rechtsmacht", seien sie dennoch von großer Bedeutung, welche komplexe Fragen ausführlich und kontrovers diskutiert werden würden mit der Folge, dass der Vertreterversammlung aus den eigenen Reihen entwickelte Rezepte vorgetragen und zur Abstimmung gestellt würden. Ob die Fachausschüsse also eine Entscheidungsbefugnis hätten, sei für die Frage der Spiegelbildlichkeit unerheblich.

Die Kläger beantragen,
1. die am 11.01.2017 durchgeführte Wahl der Mitglieder zum beratenden Fachausschuss für Erweiterte Honorarverteilung gemäß § 11b der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen i. d. F. v. Februar 2016 für ungültig zu erklären,
2. die am 11.01.2017 durchgeführte Wahl der Mitglieder zum beratenden Fachausschuss für hausärztliche Versorgung gemäß § 11c der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen i. d. F. v. Februar 2016 für ungültig zu erklären,
3. die am 11.01.2017 durchgeführte Wahl der Mitglieder des Beirats für die Erweiterte Honorarverteilung gemäß § 11d der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen i. d. F. v. Februar 2016 für ungültig zu erklären,

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Wahl des beratenden Fachausschusses für die hausärztliche Versorgung sei als geheime Listewahl gem. § 11c Abs. 2 Satzung der Beigeladenen durchgeführt worden, nachdem ihre Mitglieder mehrheitlich dafür gestimmt hätten. Jedoch sei keiner der beiden Kläger in diesen Fachausschuss gewählt worden. Die Wahl zum beratenden Fachausschuss für die Erweiterte Honorarverteilung sei als geheime Einzelwahl gem. § 11b Abs. 2 Satzung durchgeführt worden. Der Kläger zu 2) sei zwar für die Wahl des ersten hausärztlichen Mitglieds vorgeschlagen worden, jedoch sei er nicht gewählt worden. Auch die Wahlen für den Beirat der Erweiterten Honorarverteilung wurden gem. § 11d Abs. 2 Satz 3 Satzung in geheimer Einzelwahl durchgeführt, keiner der beiden Kläger sei jedoch gewählt worden. Die Klage könne schon wegen der Nichtberücksichtigung der Kläger in den entsprechenden Gremien nicht begründet sein. Es frage sich, wie der bemühte Grundsatz der Spiegelbildlichkeit hinsichtlich der beiden Kläger verletzt sein könne, wenn diese nicht gewählt worden seien. Darüber hinaus habe sich die Vertreterversammlung vor der Durchführung der streitigen Wahlen mit der Verfahrensweise bei der Festlegung der Ausschussbesetzung befasst. Den Antrag Vorlage VV 3/17 hätten die Mitgliedervertreterversammlung abgelehnt. Die Klage sei bereits unzulässig, weil sie sich nicht gegen die Beigeladene als die die Vertreterversammlung tragende Körperschaft richte. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit finde nicht uneingeschränkt Anwendung. Es bestehe ein Umsetzungsspielraum zumindest in der Vertreterversammlung. Nach der Rechtsprechung müssten bei der Ordination der Selbstverwaltung lediglich ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass die Interessen der Betroffenen angemessen berücksichtige würden. Dies zeige die Bildung von entsprechenden satzungsmäßigen Gremien. Ihr als dem Normgeber obliege die Entscheidungsbefugnis. Es seien weder die Wahl des Zählverfahrens, noch die Größe der zu besetzenden Ausschüsse vorgegeben, auch wenn die Festlegung einer bestimmten Mitgliederzahl nicht die Vertretung aller Fraktionen gewährleisten könne. Es müssten nicht notwendigerweise alle betroffenen einzelnen (Unter-)Gruppen mitrepräsentiert sein. Alle diese Aspekte hätten die Kläger gekannt, wenn sie sich auf den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit berufen hätten. Ihre satzungsmäßigen Regelungen sähen keine Fraktionen vor. Es obliege ihr zu entscheiden, wie die Ausschüsse besetzt würden, was in Anbetracht dessen für zweckmäßig erachtet werde. Das Urteil des BSG (B 6 KA 4/14 R) zur Bildung von Fraktionen finde hier keine Anwendung, andernfalls würde dies zu einer Aushöhlung des Grundsatzes des parlamentarischen Vorbehalts führen. Es seien zudem Wahlen betroffen für Ausschüsse, die nach den Regelungen des SGB V nicht vorgesehen seien (mit Ausnahme des beratenden Fachausschusses für hausärztliche Versorgung). Zwar hätten der beratende Fachausschuss für die Erweiterte Honorarverteilung sowie der Beirat für die Erweiterte Honorarverteilung weitgehende Rechte, wie etwa die Beratung der Vertreterversammlung, jedoch hätten diese Gremien keine eigenständigen Entscheidungskompetenzen, die gesteigerte Anforderung bei der Umsetzung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit nach sich ziehen könnten. Es handele sich um sog. Vorbereitungsausschüsse, bzw. sog. beratende Ausschüsse. Erstere dienten lediglich der Vorbereitung von Entscheidungen des Mutterorgans, ihrer Vertreterversammlung, in dem etwa wie im Rahmen von § 11b Abs. 5 Satzung ein Anhörungsrecht vorgesehen sei. Daneben gebe es sog. beratende Ausschüsse, bei denen es sich nicht um Organausschüsse im eigentlichen Sinne handele. Soweit eine Übertragung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit auch auf Verhältnisse ohne die Bildung von Fraktionen angenommen werde, werde dies auf Erledigungsausschüsse nach § 66 SGB IV beschränkt. Solche Ausschüsse könnten anstelle des Mutterorgans rechtsverbindlich und abschließend entscheidend handeln, was aber gerade bei den Ausschüssen gem. § 11b und 11d Satzung nicht der Fall sei. Das Abstellen auf den betroffenen Kläger bzw. die betroffene Körperschaft entspreche einem im Sozialrecht allgemein geltenden Wahlrechtsgrundsatz. Die Kläger würden keine abweichende Rechtsvorschrift nennen. Es treffe nicht zu, dass seit der letzten Wahl der Vertreterversammlung faktisch Fraktionen bestünden. Es würden sich natürlich im Rahmen der Arbeit und deren Ausschüsse Interessenströmungen herausbilden. Aber hieraus einfach das Faktum eines Fraktionsinstituts aus der Satzung ableiten zu wollen, entbehre jeder rechtlichen Grundlage. Die Kläger hätten nicht dargelegt, weshalb für sie keine realistische Chance bestehe, bei Wahlen auch berücksichtigt zu werden. Der Kläger zu 2) sei bei den entsprechenden Abstimmungen schlicht nicht gewählt worden.

Die Beigeladene schließt sich vollumfänglich dem Beklagtenvorbringen an. Ergänzend führt sie aus, die Liste zur Wahl der Mitglieder des beratenden Fachausschuss für hausärztliche Versorgung sei aus den Reihen der Liste 7, namentlich durch Herrn Knoll, eingebracht worden. Die Herren Dr. E. und Dr. F. sowie Frau G. gehörten neben den Herren H. und I. ebf. keiner Liste an und seien nur Mitglieder der Beigeladenen, nicht der Vertreterversammlung. Der Klage fehle bereits die Beschwer. Zur Wahl der Mitglieder des beratenden Fachausschusses EHV sei der Kläger zu 2) einem Mitbewerber unterlegen. Nach der Satzung müsse eine Einzelwahl durchgeführt werden. Zur Wahl des Beirats EHV sei der Kläger ebf. einem Mitbewerber unterlegen. Auch die Funktion der Ausschüsse sowie der Umstand, dass die Geschäftsordnung der Vertreterversammlung keine Fraktionen oder Ähnliches vorsehe, führten zur Unbegründetheit der Klage. Der beratende Fachausschuss für hausärztliche Versorgung sei kein Ausschuss der Vertreterversammlung. Er berate den Vorstand und die Vertreterversammlung, weshalb ihm auch Ärzte angehörten, die nur KV-Mitglieder und keine Mitglieder der Vertreterversammlung seien. Es handele sich um einen gesetzlich vorgeschriebenen Ausschuss ohne Entscheidungskompetenz. Bei den Hausärzten gebe es nur zwei Versorgungsgruppen, nämlich die Hausärzte und die Kinderärzte. Da jeder Vertragsarzt in den beratenden Fachausschuss wählbar sei, könne der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit nicht herangezogen werden.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 16.02.2017 die Kassenärztliche Vereinigung Hessen beigeladen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist als Wahlanfechtungsklage zulässig. Der Rechtsschutz gegen rechtswidrige Wahlhandlungen innerhalb der vertragsärztlichen Selbstverwaltung ist im Gesetz nur unvollkommen geregelt. Dies trifft auch auf Wahlhandlungen zu, die, wie hier, die Besetzung von Gremien innerhalb eines Organs zum Gegenstand haben. Es fehlt insofern an einer ausdrücklichen Regelung der Rechtschutzmöglichkeiten. Das Bundessozialgericht hat deshalb aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG einerseits, auf dem die Einrichtung von Selbstverwaltungskörperschaften beruht, und aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG andererseits die Notwendigkeit einer gerichtlichen Kontrolle, soweit eine Beeinträchtigung subjektiver Rechte in Betracht kommt, gefolgert. Ob Wahlen zu im Recht der Selbstverwaltungskörperschaft vorgesehenen organisatorischen Untergliederungen unter Verletzung subjektiver Rechte durchgeführt worden sind, muss das einzelne Mitglied zur Überprüfung stellen können. In Anlehnung an § 131 Abs. 4 SGG und die im Verwaltungsprozessrecht entwickelten Grundsätze für Organstreitigkeiten können deshalb auch die Wahlen zur Besetzung von Ausschüssen der beklagten Vertreterversammlung mit einer Wahlanfechtungsklage angegriffen werden (vgl. BSG, Urt. v. 11.02.2015 - B 6 KA 4/14 R - SozR 4-42500 § 80 Nr. 1, juris Rdnr. 15 ff.).

Die Klage ist nach den Grundsätzen des verwaltungsrechtlichen Organstreitverfahrens gegen die Vertreterversammlung zu richten. Es handelt sich um einen sog. In-Sich-Prozess, der auch im Sozialgerichtsverfahren als "Ausnahmefall" zulässig ist. Beklagter ist in diesem Fall das Organ oder der Organteil, gegen den im Rahmen des innerorganschaftlichen Rechtsverhältnisses materiell ein Anspruch bestehen kann (vgl. BSG, Urt. v. 11.02.2015 - B 6 KA 4/14 R - a.a.O. Rdnr. 18). Das kann hier nicht die Beigeladene, sondern nur die beklagte Vertreterversammlung sein. §§ 11b und 11c der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Stand: Februar 2016 - im Folgenden: Satzung - sieht die Einrichtung der beiden streitbefangen Ausschüsse und § 11d Satzung die Einrichtung des Beirats für die Erweiterte Honorarverteilung vor. Deren Mitglieder werden von der Vertreterversammlung gewählt (§§ 11b Abs. 2 Satz 1, 11 c Abs. 1 Satz 2, 11d Abs. 2 Satz 2 Satzung), soweit es sich nicht im Beirat für die Erweiterte Honorarverteilung um geborene Mitglieder des Beirats handelt (§ 11d Abs. 2 Satz 1 Satzung). Damit korrespondiert ein mitgliedschaftlicher Anspruch gegen die Vertreterversammlung auf rechtmäßige Besetzung dieser Ausschüsse (vgl. BSG, Urt. v. 11.02.2015 - B 6 KA 4/14 R - a.a.O. Rdnr. 18).

Aufgrund der klaren satzungsmäßigen Vorgabe ist die Klagemöglichkeit entgegen der Auffassung der Beklagten nicht abhängig von der Funktion des Ausschusses, ob es sich um sog. Vorbereitungsausschüsse bzw. sog. beratende Ausschüsse oder um Ausschüsse mit eigenen Entscheidungskompetenzen handelt. Es ist dann eine Frage der Begründetheit, ob tatsächlich eine Verletzung subjektiver Rechte der klagenden Mitglieder der Vertreterversammlung vorliegt.

Soweit die Beklagte unter Berufung auf eine ältere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der Auffassung ist, eine Klage sei nur gegen die beigeladene Körperschaft als rechtsfähigem Träger auch der beklagten Vertreterversammlung zulässig, bestreitet sie im Kern letztlich überhaupt die Zulässigkeit eines sog. In-Sich-Prozesses, der gerade Rechtsstreitigkeiten einzelner Organe oder Organteile einer rechtsfähigen Körperschaft untereinander zulässt und diesen insoweit auch eine Beteiligtenfähigkeit zuerkennt (vgl. BSG, Urt. v. 11.02.2015 - B 6 KA 4/14 R - a.a.O. Rdnr. 19). Im Übrigen betrifft eine der beiden zitierten Entscheidungen die Wahl zur Vertreterversammlung selbst, also ein "klassisches" Wahlprüfungsverfahren (vgl. BSG, Urt. v. 23.09.1982 - 8 RK 19/82 - BSGE 54, 104 = SozR 2100 § 57 Nr. 1). Die andere Entscheidung betrifft zwar sachlich einen sog. In-Sich-Prozess (vgl. BSG, Urt. v. 14.10.1992 - 14a/6 RKa 58/91 - BSGE 71, 175 = SozR 3-1500 § 55 Nr. 14). Das BSG musste sich aber seinerzeit nicht vertieft mit der Frage des Klagegegners beschäftigen. Die neuere Entscheidung des BSG beruft sich zwar mehrfach auf die Entscheidung v. 14.10.1992, folgt aber offensichtlich in Abkehr dieser Entscheidung bzgl. der Frage des Klagegegners der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die seit langen in Kommunalverfassungs- oder Organstreitigkeiten von der Beteiligtenfähigkeit von Organen von Körperschaften ausgeht (vgl. BSG, Urt. v. 11.02.2015 - B 6 KA 4/14 R - a.a.O. Rdnr. 18 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 09.12.2009 - 8 C 17/08 - Buchholz 415.1 Allg. KommunalR Nr. 173; BVerwG, Urt. v. 10.12.2003 - 8 C 18/03 - BVerwGE 119, 305 = Buchholz 415.1 Allg KommR Nr. 149; VGH ZR., Urt. v. 06.11.2008 - 8 A 674/08 - NVwZ-RR 2009, 531).

Die Kläger können auch als Mitglieder der Beklagten eigene Rechte geltend machen. Das einzelne Mitglied einer Vertreterversammlung ist befugt, im eigenem Namen eine Überprüfung der Besetzung von Ausschüssen herbeizuführen, unabhängig davon, ob es Fraktionen gibt und das Mitglied zugleich auch Mitglied einer Fraktion ist oder - wie hier - Fraktionen nicht bestehen. Gerade dann geht es nicht zuletzt darum, welche Chance für das einzelne Mitglied besteht, selbst gewählt zu werden (vgl. BSG, Urt. v. 11.02.2015 B 6 KA 4/14 R - a.a.O., Rdnr. 20).

Die Kläger haben die Klage auch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses erhoben (vgl. BSG, Urt. v. 11.02.2015 - B 6 KA 4/14 R - a.a.O., Rdnr. 21). Die Ausschuss- und Beiratswahlen fanden am 11.01.2017 statt. Die Klage wurde innerhalb eines Monats am 30.01.2017 bzw. mit der Klageerweiterung am 09.02.2017 erhoben.

Die Klage ist auch z. T. begründet. Die am 11.01.2017 durchgeführte Wahl der Mitglieder zum beratenden Fachausschuss für hausärztliche Versorgung gem. § 11c und der Mitglieder des Beirats für die Erweiterte Honorarverteilung gemäß § 11d der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen i. d. F. v. Februar 2016 war rechtswidrig und wird für ungültig erklärt. Die am 11.01.2017 durchgeführte Wahl der Mitglieder zum beratenden Fachausschuss für Erweiterte Honorarverteilung gemäß § 11b der Satzung war rechtmäßig. Die Klage war daher im Übrigen abzuweisen.

Soweit die Wahlen für ungültig erklärt werden, liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit vor. Soweit die Wahlen nicht für ungültig erklärt werden, liegt kein Verstoß vor und ist die Wahl auch aus anderen Gründen nicht zu beanstanden.

Auch im Bereich der vertragsärztlichen Selbstverwaltung ist im Grundsatz das Prinzip der Spiegelbildlichkeit für die Ausschussbesetzung maßgeblich, da es sich bei einer Vertreterversammlung um ein gewähltes und demokratisch legitimiertes Organ handelt (§ 80 Abs. 1 SGB V). Wird nach den Vorgaben der Satzung ein Teil der Aufgaben der Vertreterversammlung in den Ausschüssen erledigt, so können die durch die Wahl entstandenen Stärkeverhältnisse der Fraktionen nicht völlig außer Acht gelassen werden. Dass die Bildung der Ausschüsse gesetzlich nicht vorgegeben ist, steht dem nicht entgegen. Sieht die Satzung die Möglichkeit der Fraktionsbildung vor, muss die Vertreterversammlung diese in der Konsequenz auch in einer den Grundsätzen der demokratischen Repräsentanz entsprechenden Weise bei ihrer Aufgabenerfüllung berücksichtigen. In welcher Weise dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit genügt wird, liegt in der Entscheidungsbefugnis des jeweiligen Normgebers. So ist etwa weder die Wahl des Zählverfahrens noch die Größe der zu besetzenden Gremien hierdurch vorgegeben, auch wenn die Festlegung einer bestimmten Mitgliederzahl nicht die Vertretung aller Fraktionen gewährleisten kann. Eine exakte Spiegelbildlichkeit kann ohnehin durch kein Wahlsystem gewährleistet werden, nicht zuletzt, weil nur ganze Sitze verteilt werden können. Soweit die Spiegelbildlichkeit mit dem Mehrheitsprinzip kollidiert oder die Funktionsfähigkeit eines Ausschusses zu gefährden droht, ist ein Ausgleich unter Gewichtung und Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen herbeizuführen. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit hat auch nicht zur Folge, dass stets alle betroffenen einzelnen (Unter-)Gruppen notwendigerweise in jedem Ausschuss repräsentiert werden müssen. Hier ist außerdem zu berücksichtigen, dass zum einen an die Legitimationskette von den Normunterworfenen hin zum Normgeber bzw. den Repräsentanten im Normsetzungsgremium im Bereich der Selbstverwaltung außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung geringere Anforderungen zu stellen sind als im Bereich parlamentarischer Repräsentation. Erforderlich sind insoweit lediglich ausreichende Vorkehrungen dafür, dass die Interessen der Betroffenen angemessen berücksichtigt werden. Zu berücksichtigen ist auch, ob Wahlen zu gesetzlich nicht vorgesehenen Ausschüssen betroffen sind, die zwar weitreichende Rechte, aber keine eigenständigen Entscheidungskompetenzen haben. Insofern können weitergehende Modifikationen des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit gerechtfertigt sein als im Parlaments- oder Gemeinderecht. Für die "angemessene Berücksichtigung" der Fraktionen in den Ausschüssen bedeutet dies, dass zwar die Stärkeverhältnisse der Fraktionen grundsätzlich entsprechend ihrer Mitgliederzahl zu berücksichtigen sind, im Ergebnis aber keine exakte Spiegelbildlichkeit der fraktionsbezogenen Zusammensetzung des Plenums gegeben sein muss. Es ist ausreichend, dass jede Fraktion aufgrund der einzelnen Wahlvorschläge die gleiche Chance hat, entsprechend ihrer Stärke im Plenum in die Ausschüsse gewählt zu werden. Diese Chance besteht nur dann, wenn vor der Wahl die den jeweiligen Fraktionen zustehenden Sitze festgestellt werden. Es kann nicht ohne Weiteres eine Zusammenfassung der Minderheitsfraktionen und eine Zusammenfassung der Vertretung der Minderheitsfraktionen in den Ausschüssen insgesamt vorgenommen werden. Da das Stärkeverhältnis der berufspolitischen Kräfte abgebildet werden soll, ist grundsätzlich jede Fraktion für sich genommen in den Ausschüssen "angemessen zu berücksichtigen". Dabei sind die Ausschüsse jeweils gesondert zu betrachten (vgl. BSG, Urt. v. 11.02.2015 - B 6 KA 4/14 R - a.a.O. Rdnr. 27 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerwG).

Für den Kommunalrechtsbereich hat das Bundesverwaltungsgericht ferner entschieden, dass es nicht ausreicht, ein Spiegelbild der Mehrheitsverhältnisse im Rat nach gemeinsamen Wahlvorschlägen verschiedener Fraktionen zu sein. Das Wahlergebnis gibt dann nicht mehr die Zusammensetzung des Plenums und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum wieder, sondern das Zahlenverhältnis des hinter dem gemeinsamen Wahlvorschlag stehenden Zusammenschlusses zu den daran nicht beteiligten Fraktionen oder - falls und soweit auch diese ein ebensolches Bündnis eingegangen sind - zu deren Zusammenschluss. So gebildete Zählgemeinschaften wurden als solche weder vom Volk gewählt noch verfolgen sie über die Ausschusswahlen hinausgehende gemeinsame politische Ziele. Grund des Zusammenschlusses ist allein die Gewinnung von zusätzlichen Ausschusssitzen. Ein erst nach der Kommunalwahl vereinbartes "ad hoc-Bündnis zum Zweck der besseren Reststimmenverwertung", das sich nur zur Gewinnung eines mathematischen Vorteils bei dem anschließenden Verteilungsverfahren gebildet hat, nicht Grundlage der Sitzverteilung in den Ausschüssen sein. Vielmehr müssen in diesen die vom Volk gewählten Vertreter entsprechend ihres politischen Stärkeverhältnisses nach Fraktionen oder Gruppen repräsentiert werden. Eine Zählgemeinschaft seitens der Mehrheit darf die Zusammensetzung der Ausschüsse nicht zu Lasten einer Minderheit ändern. Ansonsten wird der Minderheitenschutz missachtet (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.12.2003 - 8 C 18/03 - BVerwGE 119, 305 = Buchholz 415.1 Allg KommR Nr. 149, juris Rdnr. 15). Der verfassungsrechtlich gebotene Spiegelbildlichkeitsgrundsatz schützt den Anspruch jedes Mitgliedes der Gemeindevertretung und jeder von den Mitgliedern gebildeten Fraktion auf gleichberechtigte Mitwirkung. Er sichert die Erfolgswertgleichheit der gültigen Wählerstimmen und die gleiche Repräsentation der Wähler durch die gewählten Mandatsträger. Gegenstand und Bezugspunkt der Abbildung ist das Stärkeverhältnis der politischen Kräfte, die sich zur Wahl der Gemeindevertretung gestellt und zwischen denen die Wähler entschieden haben, und nicht der politischen Mehrheiten, die sich erst nach der Wahl in der Gemeindevertretung durch Koalitionsabreden gebildet haben. Gemeinsame Wahlvorschläge für die Wahlen zur Besetzung der Ausschüsse sind daher unzulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.12.2009 - 8 C 17/08 - Buchholz 415.1 Allg. KommunalR Nr. 173, juris Rdnr. 22).

Die Kammer geht zunächst davon aus, dass die genannten rechtlichen Vorgaben unabhängig davon gelten, ob Fraktionen gebildet werden. Im Gegensatz zu kommunalen Vertretungskörperschaften und solchen des Landes oder Bundes sind im heilberufsrechtlichen Bereich Fraktionen, denen in der Regel besondere Rechte zukommen, die Ausnahme. Unter Fraktion versteht man allgemein eine Gruppe von Menschen mit ähnlichen politischen Ansichten, die sich freiwillig in einem gewählten Parlament zusammengeschlossen haben; in der Regel gehören sie der gleichen Partei oder ähnlichen Parteigruppierungen an. In berufsrechtlichen Körperschaften übernehmen die Listen die Funktion, ähnliche berufsrechtliche Vorstellungen oder Ziele zu bündeln. Berufsangehörige mit ähnlichen berufsrechtlichen Vorstellungen, die z. T. auch in einem Berufsverband organisiert sind, treten unter einer Liste an, wobei auch einheitliche Listen verschiedener Berufsverbände organisiert werden und - meist auch faktisch - die Mitgliedschaft in einem Berufsverband nicht Voraussetzung für die Liste ist. Die in der Regel breite Aufstellung der Liste, deren Kandidatenzahl meist weit über die Zahl der erreichbaren Sitze oder der Zahl der überhaupt zu vergebenden Sitze hinausgeht, soll auch die Zahl der Unterstützer signalisieren, die doch im Großen und Ganzen das meist vorhandene Programm dieser Liste unterstützen. Diese Listen führen auch in Form ihrer Listensprecher oder Führungsriege (berufs-)politische Gespräche zur Besetzung der exekutivischen Gremien, insb. des Vorstands, den sie dann mit ihrer Mehrheit besetzen. Auf diese Weise bilden sich auch in berufsrechtlichen Vertreterversammlungen "Regierungsmehrheit" und "Opposition" heraus und ist die Listenzugehörigkeit über die Wahl zur Vertreterversammlung hinaus im Regelfall von enormer Bedeutung, gerade auch im Selbstverständnis der Akteure und der Berufsgruppen. Im berufsrechtlichen Bereich innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaften kommt es daher auf die Berücksichtigung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit an, unabhängig davon, ob Fraktionen bestehen oder "nur" Listenverbindungen.

Nach der genannten Rechtsprechung gilt der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit auch unabhängig davon, ob es sich um Ausschüsse mit Entscheidungskompetenz handelt hier besteht ein nur ganz geringer Spielraum, von einer strikten Einhaltung abzuweichen - oder wie bei den hier streitbefangenen Gremien nur um solche mit beratender Funktion. Ebenso ist es unerheblich, ob die Ausschüsse gesetzlich vorgesehen werden oder nur auf Satzungsrecht beruhen.

Der beratende Fachausschuss für hausärztliche Versorgung nach § 11c Satzung beruht auf der gesetzlichen Vorgabe nach § 79c SGB V. Danach wird bei den Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung neben anderen Ausschüssen ein beratender Fachausschuss gebildet für die hausärztliche Versorgung (§ 79c Satz 1 Nr. 1 SGB V). Dieser besteht aus Mitgliedern, die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen und nicht bereits Mitglied in einem Fachausschuss nach § 79b SGB V sind (§ 79c Satz 2 SGB V). Seine Mitglieder sind von der Vertreterversammlung aus dem Kreis der Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen in unmittelbarer und geheimer Wahl zu wählen (§ 79c Satz 5 SGB V). Das Nähere über die beratenden Fachausschüsse und ihre Zusammensetzung regelt die Satzung (§ 79c Satz 6 SGB V). Seine Stellungnahmen sind in die Entscheidungen einzubeziehen. Das Nähere regelt die Satzung. Die Befugnisse der Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bleiben unberührt (§ 79c Satz 7 i. V. m. § 79b Satz 5 bis 8 SGB V).

Der beratende Fachausschuss für Erweiterte Honorarverteilung beruht allein auf Satzungsrecht (§ 11b Satzung) und ist den hessischen Besonderheiten der Erweiterten Honorarverteilung geschuldet. § 79c Satz 1 Nr. 1 SGB V lässt weitere beratende Fachausschüsse zu, wobei für diese ebf. gilt, dass deren Mitglieder von der Vertreterversammlung aus dem Kreis der Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen in unmittelbarer und geheimer Wahl zu wählen sind und deren Stellungnahmen in die Entscheidungen einzubeziehen sind (§ 79c Satz 7 i. V. m. § 79b Satz 5 bis 8 SGB V).

Der Beirat für die Erweiterte Honorarverteilung beruht auf § 11d Satzung und dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die sog. inaktiven Ärzte, die Bezieher der EHV-Leistungen sind, nicht mehr in der Vertreterversammlung aufgrund fehlender Mitgliedschaft unmittelbar repräsentiert sind (vgl. im Einzelnen SG Marburg, Urt. v. 31.05.2017 - S 12 KA 704/15 - nicht rechtskräftig, Urteilsumdruck S. 9 ff.). Als beratendes Gremium steht er funktionell dem beratenden Fachausschuss für Erweiterte Honorarverteilung nahe, was schon der Umstand zeigt, dass dessen Mitglieder geborene Mitglieder des Beirats sind (§ 11d Abs. 2 Satz 1 Satzung).

Der beratende Fachausschuss für hausärztliche Versorgung besteht aus zwölf Mitgliedern, die dem hausärztlichen Versorgungsgebiet angehören müssen. Die Mitglieder und je ein Stellvertreter sind nur von den Mitgliedern der Vertreterversammlung des hausärztlichen Versorgungsgebiets zu wählen. Die Mitglieder des Ausschusses müssen Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen sein. Es sind für die Ausschussmitglieder in ausreichender Zahl Stellvertreter zu wählen (§ 11c Abs. 1 Satz 2 bis 4 Satzung). Die Wahl erfolgt entweder nach Einzelvorschlägen in zwölf Wahlgängen in unmittelbarer und geheimer Wahl durch die Vertreterversammlung oder in Form einer Listenwahl in geheimer Wahl durch die Vertreterversammlung. Die Vertreterversammlung entscheidet vor Durchführung der Wahl, in welcher Form die Wahl durchgeführt wird. Wird eine Liste eingereicht, ist im Wahlvorschlag die Benennung von Mitgliedern des Ausschusses und von bis zu zwei persönlichen Stellvertretern möglich. Als Mitglieder sind bei der Wahl nach Einzelvorschlägen der Reihenfolge nach diejenigen gewählt, die die meisten Stimmen erhalten, die Folgenden sind in der Reihenfolge ihrer Wahl Stellvertreter. Bei Stimmgleichheit entscheidet das Los. Bei einer Listenwahl gilt die Liste als gewählt, wenn nicht die Mehrheit der wahlberechtigten Mitglieder der Vertreterversammlung dies ablehnt (§ 11c Abs. 2 Satz 1 bis 6 Satzung).

Nach dem Beschlussprotokoll über die Sitzung der Vertreterversammlung am 11.01.2017 entschied sich die Vertreterversammlung bei zwei Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen mehrheitlich für die Listenwahl. Bei 18 abgegebenen und gültigen Stimmen wurde die Liste mit 15 Ja-Stimmen bei drei Nein-Stimmen gewählt. Ein Vergleich der Namen der Mitglieder und der der 1. Stellvertreter mit den Wahllisten zu den KV-Wahlen 2016 (https://www.kvhessen.de/ueber-uns/kv-wahlen-2016/wahllisten-zu-den-kv-wahlen-2016) ergibt, dass bis auf die Mitglieder M1 - gehört keiner Liste an - und M2 - gehört der Liste 2 (Kinder- und Jugendärzte) an - und der 1. Stellvertreter M3 - gehört keiner Liste an - und M4 - gehört der Liste 2 (Kinder- und Jugendärzte) an - alle übrigen zur Liste 7 (Die Hausärzte – Hausärzteverband Hessen) gehören. Bezieht man die zwölf 2. Stellvertreter mit ein, so gehören drei von ihnen keiner Liste an, eine der Liste 3, die übrigen acht alle der Liste 7. Faktisch handelt es sich bei der zur Wahl gestellten Kandidatenliste um ein Bündnis der Listen 2 und 7 unter Einbeziehung einer Vertreterin der Liste 3 im Bereich der zweiten Stellvertreter, wobei die Stellvertreter im Ergebnis zu vernachlässigen sind. Die beiden Listen 2 und 7 verkörpern mit 2 und 13 Mitgliedern in der Vertreterversammlung einen prozentualen Stimmenanteil von zusammen 83 % (11 % + 72 %) an der Gruppe der 18 im Bereich der hausärztlich Versorgung tätigen Ärzte. Die diesen Listen nicht angehörenden drei übrigen Mitglieder in der Vertreterversammlung haben einen prozentualen Stimmenanteil von zusammen 17 % und werden in dem Ausschuss bei den Mitgliedern ohne deren Stellvertreter nicht repräsentiert. Angesichts der Größe des Ausschusses mit 12 Mitgliedern ist es jedoch ohne weiteres möglich, dass die bisher nicht berücksichtigten Listen im Ausschuss mit zusammen einem Mitglied ebf. repräsentiert werden, ohne dass der Ausschuss nicht mehr die Mehrheitsverhältnisse in der Vertreterversammlung repräsentieren würde. Dies sind hier die Listen 3 und 1, wobei die Liste vorrangig zu berücksichtigen ist, die die meisten Hausärzte in die Vertreterversammlung entsendet. Konkret ist dies die Liste 1 der Kläger mit zwei Hausärzten gegenüber der Liste 3 mit einem Hausarzt.

Entscheidend ist aber, dass die einzig zur Wahl gestellte Liste nicht einen repräsentativen Querschnitt der hausärztlich tätigen Mitglieder der Vertreterversammlung beinhaltet und offensichtlich auch keine Klarheit in der Vertreterversammlung darüber bestand, welche Listen mit welchem Anteil auf der gemeinsamen Liste repräsentiert würden. Dabei ermöglicht das in der Satzung vorgegebene Wahlsystem, dass eine Liste mit einer einfachen Mehrheit oder entsprechende Listenabsprachen die Ausschussbesetzung einseitig nur mit ihren Listenangehörigen vornehmen. Die einfache Mehrheit kann Listenwahl beschließen. In diesem Fall wird nur eine Liste zugelassen. Bei einer Einzelwahl erfolgt die Wahl nacheinander, bei jeder Einzelwahl kann sich daher der Kandidat der Mehrheit durchsetzen. Soweit die genannte Rechtsprechung es der Selbstverwaltung überlässt, welches Wahlsystem sie wählt, hat sie daher im Vorfeld der Wahl die Spiegelbildlichkeit sicherzustellen. Dem dient offensichtlich auch die Möglichkeit der Listenwahl, die nur eine "Einheitsliste" zulässt und somit faktisch einer Akklamation nahekommt. Bei 18 Wahlberechtigten bedarf es für das einzelne Mitglied des zwölfköpfigen Ausschusses eines Stimmenanteils von 8,3 % aller Stimmberechtigten bzw. 1,5 Stimmen, also im Ergebnis von zwei Stimmen. Angesicht der Größe der stärksten Liste 7 mit 13 Mitgliedern müssen daher alle übrigen Listen mit wenigstens zwei Mitgliedern im Ausschuss repräsentiert sein. Bei zwei Listen mit nur einem hausärztlichen Mitglied im Ausschuss muss eine dieser Listen ebf. im Ausschuss repräsentiert sein. Durch eine solche Verteilung der Repräsentation verbleibt es auch bei der klaren Mehrheit der Liste 7 im Ausschuss, die sie im hausärztlichen Versorgungsbereich hat.

Die Wahl der Mitglieder zum beratenden Fachausschuss für Erweiterte Honorarverteilung erfolgt gemäß § 11b Satzung. Der beratende Fachausschuss für Erweiterte Honorarverteilung besteht aus zwei Hausärzten und zwei Fachärzten. Mindestens drei Mitglieder müssen Mitglieder der Vertreterversammlung sein, das vierte muss Mitglied der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung Hessen sein. Es sind für die Mitglieder eine entsprechende Anzahl persönlicher Stellvertreter zu wählen (§ 11b Abs. 1 Satz 2 und 3 Satzung). Die Wahl der Mitglieder und die der stellvertretenden Mitglieder des Beratenden Fachausschusses erfolgt in unmittelbarer und geheimer Wahl durch die Vertreterversammlung. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los über die Wahl und die Reihenfolge (§ 11b Abs. 2 Satzung). Durchgeführt wurde eine Einzelwahl der jeweils vier Mitglieder und der Stellvertreter.

Ein Vergleich der Namen der Mitglieder und der 1. Stellvertreter mit den Wahllisten zu den KV-Wahlen 2016 ergibt, dass alle vier gewählten Mitglieder und alle vier Stellvertreter der Listen 4 und 7 angehören. Bei vier Ausschussmitgliedern repräsentiert ein Ausschussmitglied rechnerisch 12,5 Mitglieder der Vertreterversammlung bzw. auf den hausärztlichen Versorgungsbereich bezogen repräsentiert ein hausärztlich tätiges Ausschussmitglied rechnerisch 9 hausärztlich tätige Mitglieder. Damit ist die Liste 7 rechnerisch überrepräsentiert und erhält sie für vier weitere Mitglieder einen weiteren Ausschusssitz. Diesen vier weiteren Mitgliedern stehen rechnerisch fünf Mitglieder der übrigen drei Listen aus dem hausärztlichen Versorgungsbereich gegenüber. Die insofern bestehende "Überrepräsentanz" der Liste 7 ist aber noch vom Gestaltungsspielraum der Beklagten gedeckt. Eine Vergrößerung des Ausschusses zur Ermöglichung einer weiteren Repräsentanz weiterer Listen ist nicht zwingend geboten, insb. im Hinblick darauf, dass mit dem Beirat für die Erweiterte Honorarverteilung ein weiteres, größeres Gremium existiert, dem offensichtlich eine ähnliche Funktion zukommt und das die inaktiven Ärzte miteinbinden soll. Insb. besteht kein besonderer Anspruch einer Liste, die sich programmatisch gerade dem Ausschussgegenstand zugewandt hat. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob dies bei den Klägern oder ihrer Liste 1 der Fall ist, jedenfalls stellt die Spiegelbildlichkeit allein auf den Wahlerfolg, d. h. die Repräsentanz in der Vertreterversammlung ab. Man mag es zwar (berufs-)politisch für klüger halten, die Ausschüsse gerade im seit Jahren hochumstrittenen Bereich der EHV breiter zu besetzen, da auch insofern ein Gestaltungsspielraum besteht, ein zwingender rechtlicher Anspruch hierauf besteht aber über den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit hinaus nicht.

Der Beirat für die Erweiterte Honorarverteilung besteht aus zehn Mitgliedern. Sechs der Mitglieder des Beirats müssen Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen sein. Vier Mitglieder müssen frühere Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen sein, die nicht mehr vertragsärztlich tätig sind (§ 11d Abs. 1 Satz 2 bis 4 Satzung). Die Mitglieder des Beratenden Fachausschusses Erweiterte Honorarverteilung sind geborene Mitglieder des Beirats, die für den Beratenden Fachausschuss Erweiterte Honorarverteilung gewählten Stellvertreter sind ihre Stellvertreter im Beirat. Die zwei weiteren Mitglieder nach Abs. 1 Satz 3 und eine ausreichende Zahl von Stellvertretern werden von der Vertreterversammlung gewählt. Die Wahl der zwei Mitglieder nach Satz 2 erfolgt in unmittelbarer und geheimer Wahl. Als Mitglieder sind der Reihenfolge nach diejenigen gewählt, die die meisten Stimmen erhalten; die Folgenden sind in der Reihenfolge ihrer Wahl Stellvertreter. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los (§ 11d Abs. 2 Satz 1 bis 5 Satzung).

Geht man von den sechs Ausschussmitgliedern aus, die Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen sein müssen, dann repräsentiert ein Ausschussmitglied rechnerisch 8,3 Mitglieder der Vertreterversammlung bzw. auf den hausärztlichen Versorgungsbereich bezogen repräsentiert ein hausärztlich tätiges Ausschussmitglied rechnerisch 6 hausärztlich tätige Mitglieder. Ein Vergleich der Namen der beiden weiteren Mitglieder und 1. Stellvertreter mit den Wahllisten zu den KV-Wahlen 2016 ergibt, dass im hausärztlichen Bereich Dr. M5 und Dr. M6 der Liste 4 angehören, im fachärztlichen Bereich gehört das Ausschussmitglied Frau M7 der Liste 6 (Sprechende Medizin) an, ihr Stellvertreter Dr. M8 der Liste 4. Von den drei hausärztlichen Mitgliedern der aktiven Ärzte gehören somit alle der Liste 7 an. Im Hinblick auf die satzungsmäßig vorgegebene Unterteilung ist die Spiegelbildlichkeit anhand der Versorgungsbereiche zu beurteilen. Damit entfällt rechnerisch auf eines der drei hausärztlichen Mitglieder ein Stimmenanteil von sechs Mitgliedern der Gruppe der Hausärzte in der Vertreterversammlung, dem 13. Mitglied der Liste 7 stehen rechnerisch alle übrigen fünf Hausärzte der weiteren drei Listen gegenüber. Damit muss eine der beiden Listen mit zwei Mitgliedern gleichfalls im Beirat repräsentiert sein. Die Mitglieder der Liste 7 stellen dann immer noch die Mehrheit der drei hausärztlichen Mitglieder aus dem Kreis der aktiven Ärzte. Die alleinige Repräsentanz der Liste 7 im hausärztlichen Bereich bzgl. der drei hausärztlichen Mitglieder aus dem Kreis der aktiven Ärzte verstößt gegen den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit.

Im Ergebnis war der Klage daher im tenorierten Umfang stattzugeben, im Übrigen war sie abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die notwendigen Kosten des Verfahrens waren nach den Teilen des Obsiegens und Unterliegens aufzuteilen.
Rechtskraft
Aus
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