Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 44 AL 266/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 5/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird als unzulässig verworfen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg).
Der am xxxxx 1978 geborene Kläger meldete sich am 15. Oktober 2013 arbeitslos und beantragte Alg, wobei er angab, einer Nebentätigkeit als selbstständiger Webdesigner nachzugehen. Auf Nachfrage der Beklagten teilte er mit, er übe die Nebentätigkeit in einem Umfang von 15 Stunden in der Woche aus. Die Beklagte lehnte den Alg-Antrag daraufhin mit Bescheid vom 5. März 2014 mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht arbeitslos, da er 15 Stunden in der Woche arbeite.
Der Kläger meldete sich daraufhin am 7. März 2014 erneut arbeitslos und beantragte Alg, wobei er wiederum die genannte Nebentätigkeit angab, jedoch keine Angaben zur wöchentlichen Stundenzahl machte. Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 12. März 2014 ab: Aufgrund der früheren Angaben sei davon auszugehen, dass sich der zeitliche Umfang der Nebentätigkeit nicht verändert habe. Seinen am 14. März 2014 erhobenen Widerspruch, dem eine Reihe von Rechnungen und Kontoauszügen beigefügt waren, begründete er damit, die geschätzte Arbeitszeit entspreche nicht den Tatsachen. Er habe erfolglos Akquise betrieben und kleinere Aufträge erledigt. Die Akquise habe täglich anderthalb bis zwei Stunden am Tag in Anspruch genommen, die Arbeitsaufträge seien zumeist innerhalb weniger Stunden erledigt gewesen. Durchschnittlich komme er auf eine Arbeitszeit von etwa zehn Stunden in der Woche. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2014 zurück: Der Kläger habe keine Nachweise zum tatsächlichen Arbeitsumfang erbracht, sondern lediglich eine geringere durchschnittliche Stundenzahl genannt.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Mai 2014 Klage erhoben. Beide Beteiligten haben im Klageverfahren ihre jeweilige Rechtsauffassung wiederholt und vertieft. Mit Gerichtsbescheid vom 15. Dezember 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Angesichts der widersprüchlichen Angaben des Klägers hätte es diesem oblegen, die zeitliche Lage und den zeitlichen Umfang der von ihm verrichteten Tätigkeit zu substantiieren. Mängel der Sachaufklärungen seien der Beklagten nicht anzulasten und auch das Sozialgericht habe sich nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt gesehen.
Der Gerichtsbescheid wurde von der Geschäftsstelle des Sozialgerichts am 19. Dezember 2016 zur Post gegeben. Das am 24. Dezember 2016 bei der Gemeinsamen Annahmestelle eingegangene Empfangsbekenntnis trägt zwei Stempel der Kanzlei des klägerischen Prozessbevollmächtigten, die als Datum des Erhalts den 20. Dezember 2016 nennen, wobei die Ziffer "0" einen annähernd horizontal verlaufenden Strich im oberen Drittel aufweist.
Am 27. Januar 2017 hat der Kläger Berufung eingelegt und dabei ausgeführt, der Gerichtsbescheid sei seinem Prozessbevollmächtigten am 28. Dezember 2016 zugestellt worden. In der Sache habe das Sozialgericht seine Entscheidung in sich widersprüchlich begründet und auch zu strenge Maßstäbe angelegt.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 2017 darauf hingewiesen worden ist, dass die Berufung gegen den am 20. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid erst am 27. Januar 2017 eingegangen ist, hat er mit Schriftsatz vom 22. März 2017 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt: Beim Abstempeln des Gerichtsbescheides und auch des Empfangsbekenntnisses sei – offenbar aufgrund eines falsch eingestellten Stempels – die Ziffer "0" der Datumsangabe 20. Dezember 2016 mit einem Mittelstrich aufgestempelt worden. Daher sei diese Ziffer versehentlich für die Ziffer "8" gehalten worden. Das Abstempeln werde üblicherweise von der Mitarbeiterin Frau P. vorgenommen, die auch am 20. Dezember 2016 tätig gewesen sei. Die Eintragung in den Fristenkalender werde von Frau P. und dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgenommen.
Der Senat hat unter dem 28. März 2017 darauf hingewiesen, dass zunächst Zweifel an der Wahrung der Frist aus § 67 Abs. 3 Satz 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestünden. Insoweit werde um Darlegungen und Glaubhaftmachung gebeten. Weiterhin erscheine aber auch die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nicht ausreichend. Es bleibe unklar, wieso die Verwechslung der Ziffern "0" und "8" nicht rechtzeitig aufgefallen sei. Ein Rechtsanwalt dürfe das unterzeichnete Empfangsbekenntnis erst zurückgeben, wenn der Zustellungszeitpunkt und damit der Beginn der Rechtsmittelfrist entweder auf dem zugestellten Schriftstück oder sonst in den Handakten vermerkt worden sei (Hinweis auf BSG, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – B 3 P 14/00 R, SozR 3-1500 § 67 Nr. 18 = juris, Rn. 4 m.w.N.). Weiter dürfe er das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung auch nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt sei, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt sei, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden sei (Hinweis auf BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – VI ZB 58/09, juris, Rn. 6). Diese Rückgabe, vor der die Berufungsfrist zu notieren gewesen sei, sei im vorliegenden Fall am 24. Dezember 2016 (an die Gemeinsame Annahmestelle am Sievekingplatz) erfolgt. Wäre die Frist jedoch am 20. Dezember 2016 (dem Tag der Zustellung) oder jedenfalls vor Rückgabe des Empfangsbekenntnisses berechnet und notiert worden, so hätte unweigerlich auffallen müssen, dass der Gerichtbescheid nicht am 28. Dezember 2016 zugegangen sein konnte. Im vorliegenden Fall sei weder glaubhaft gemacht noch überhaupt vorgetragen, wer im konkreten Fall die Frist eingetragen und berechnet habe und vor allem wann dies geschehen sei. Eine Fristberechnung erst nach Rückgabe des Empfangsbekenntnisses dürfe kaum mehr unverschuldet sein.
Der Kläger hat sich hierzu trotz mehrfacher Erinnerung nicht geäußert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Dezember 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 15. Oktober 2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Durch Beschluss vom 18. Mai 2017 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
In dieser Besetzung hat der Senat am 10. Juli 2017 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.
Die Berufung ist bereits unzulässig. Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung bei Versäumnis der gesetzlichen Frist als unzulässig zu verwerfen. Der Senat hat, wenn er ein Fristversäumnis feststellt und auch die Gründe für eine Wiedereinsetzung nicht vorliegen, keinerlei Ermessen oder sonstige Gestaltungsmöglichkeiten, die es ihm ermöglichten, die Berufung dennoch als zulässig zu behandeln und in der Sache zu entscheiden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Berufungsfrist versäumt und ihm ist auch nicht Widereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Kläger hat die Berufungsfrist versäumt. Die Berufungsfrist hat mit Ablauf des 20. Januar 2017 geendet; erhoben hat der Kläger seine Berufung jedoch erst am 27. Januar 2017. Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Der mit der Berufung angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 15. Dezember 2016, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen ist, ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des in den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisses am 20. Dezember 2016 zugestellt worden. Diese Zustellung hat den Lauf der Berufungsfrist auch gegenüber dem Kläger selbst in Gang gesetzt, wie sich aus § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG ergibt. Geendet hat die Berufungsfrist mit Ablauf des 20. Januar 2017, einem Freitag.
Dem Kläger war auch nicht etwa Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung gemäß § 67 Abs. 2 Satz 4 SGG auch ohne Antrag gewährt werden.
Im vorliegenden Fall ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger die Frist aus § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG eingehalten hat. Jedenfalls hat er nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert gewesen wäre. Glaubhaftmachung liegt in der Darlegung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass sich der Vorgang wie behauptet zugetragen hat (Jung in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 52 Rn. 52). Hierbei gilt zwar die Untersuchungsmaxime, jedoch braucht das Gericht nicht von sich aus alle denkbaren Möglichkeiten auszuforschen. Es hat die nach Aktenlage und Beteiligtenvorbringen naheliegenden Ermittlungen anzustellen (Wolf-Dellen in Berliner Kommentar SGG, 2 Aufl. 2014, § 67 Rn. 49).
Im vorliegenden Fall ist das Vorbringen der Klägerseite bereits so vage, dass es keine weiteren Ermittlungen auszulösen geeignet ist. Insbesondere wird nicht klar, wer die fragliche Eintragung in den Fristenkalender vorgenommen haben soll und vor allem wann. Überdies erscheint es unglaubhaft, dass wer auch immer die Eintragung vorgenommen hat, am 20. Dezember 2016 eine Rechtsmittelfrist unter Zugrundlegung eines Fristbeginns acht Tage später berechnet haben sollte. Sollte das Vorbringen indes so zu verstehen sein, dass die Fristberechnung erst nachträglich – hier am oder nach dem 28. Dezember 2016 – geschehen sein soll, so läge hierin ein Verschulden des Klägerbevollmächtigten. Ein Rechtsanwalt darf – worauf der Senat bereits hingewiesen hat – das unterzeichnete Empfangsbekenntnis erst zurückgeben, wenn der Zustellungszeitpunkt und damit der Beginn der Rechtsmittelfrist entweder auf dem zugestellten Schriftstück oder sonst in den Handakten vermerkt worden und wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und zugleich vermerkt ist, dass diese Frist im Fristenkalender notiert worden ist (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – VI ZB 58/09, juris, Rn. 6; BSG, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – B 3 P 14/00 R –, SozR 3-1500 § 67 Nr. 18 = juris, Rn. 4 m.w.N.; Jung in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 52 Rn. 29). Eine vom Rechtsanwalt selbst nach Absendung des Empfangsbekenntnisses nachgeholte Fristberechnung wäre daher in jedem Fall nicht unverschuldet im Sinne von § 67 Abs. 1 SGG. Ein entsprechendes Handeln des Büropersonals wäre nur dann unverschuldet, wenn der Rechtsanwalt durch eine zweckmäßige Büroorganisation ausreichende Vorkehrungen gegen derartige Fehler getroffen hätte (dazu Jung, a.a.O, Rn. 26). Dies hat indes der Kläger, dessen Vorbringen noch nicht einmal zu entnehmen ist, ob sein Rechtsanwalt oder dessen Mitarbeiterin Frau P. insoweit tätig geworden ist, allerdings nicht einmal ansatzweise dargetan.
Nach alledem sieht sich der Senat auch nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt. Er hat den Kläger mit Schreiben vom 28. März 2017 auf die angesichts der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags verbleibenden Zweifel hingewiesen. Die Klägerseite hat hierauf nicht mehr reagiert. Es ist nicht Sache des Senats, von sich aus Ermittlungen zu den organisatorischen Strukturen der Kanzlei des Klägerbevollmächtigten und zum genauen Gang der Ereignisse anzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg).
Der am xxxxx 1978 geborene Kläger meldete sich am 15. Oktober 2013 arbeitslos und beantragte Alg, wobei er angab, einer Nebentätigkeit als selbstständiger Webdesigner nachzugehen. Auf Nachfrage der Beklagten teilte er mit, er übe die Nebentätigkeit in einem Umfang von 15 Stunden in der Woche aus. Die Beklagte lehnte den Alg-Antrag daraufhin mit Bescheid vom 5. März 2014 mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht arbeitslos, da er 15 Stunden in der Woche arbeite.
Der Kläger meldete sich daraufhin am 7. März 2014 erneut arbeitslos und beantragte Alg, wobei er wiederum die genannte Nebentätigkeit angab, jedoch keine Angaben zur wöchentlichen Stundenzahl machte. Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag mit Bescheid vom 12. März 2014 ab: Aufgrund der früheren Angaben sei davon auszugehen, dass sich der zeitliche Umfang der Nebentätigkeit nicht verändert habe. Seinen am 14. März 2014 erhobenen Widerspruch, dem eine Reihe von Rechnungen und Kontoauszügen beigefügt waren, begründete er damit, die geschätzte Arbeitszeit entspreche nicht den Tatsachen. Er habe erfolglos Akquise betrieben und kleinere Aufträge erledigt. Die Akquise habe täglich anderthalb bis zwei Stunden am Tag in Anspruch genommen, die Arbeitsaufträge seien zumeist innerhalb weniger Stunden erledigt gewesen. Durchschnittlich komme er auf eine Arbeitszeit von etwa zehn Stunden in der Woche. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2014 zurück: Der Kläger habe keine Nachweise zum tatsächlichen Arbeitsumfang erbracht, sondern lediglich eine geringere durchschnittliche Stundenzahl genannt.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Mai 2014 Klage erhoben. Beide Beteiligten haben im Klageverfahren ihre jeweilige Rechtsauffassung wiederholt und vertieft. Mit Gerichtsbescheid vom 15. Dezember 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Angesichts der widersprüchlichen Angaben des Klägers hätte es diesem oblegen, die zeitliche Lage und den zeitlichen Umfang der von ihm verrichteten Tätigkeit zu substantiieren. Mängel der Sachaufklärungen seien der Beklagten nicht anzulasten und auch das Sozialgericht habe sich nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt gesehen.
Der Gerichtsbescheid wurde von der Geschäftsstelle des Sozialgerichts am 19. Dezember 2016 zur Post gegeben. Das am 24. Dezember 2016 bei der Gemeinsamen Annahmestelle eingegangene Empfangsbekenntnis trägt zwei Stempel der Kanzlei des klägerischen Prozessbevollmächtigten, die als Datum des Erhalts den 20. Dezember 2016 nennen, wobei die Ziffer "0" einen annähernd horizontal verlaufenden Strich im oberen Drittel aufweist.
Am 27. Januar 2017 hat der Kläger Berufung eingelegt und dabei ausgeführt, der Gerichtsbescheid sei seinem Prozessbevollmächtigten am 28. Dezember 2016 zugestellt worden. In der Sache habe das Sozialgericht seine Entscheidung in sich widersprüchlich begründet und auch zu strenge Maßstäbe angelegt.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 2017 darauf hingewiesen worden ist, dass die Berufung gegen den am 20. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid erst am 27. Januar 2017 eingegangen ist, hat er mit Schriftsatz vom 22. März 2017 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt: Beim Abstempeln des Gerichtsbescheides und auch des Empfangsbekenntnisses sei – offenbar aufgrund eines falsch eingestellten Stempels – die Ziffer "0" der Datumsangabe 20. Dezember 2016 mit einem Mittelstrich aufgestempelt worden. Daher sei diese Ziffer versehentlich für die Ziffer "8" gehalten worden. Das Abstempeln werde üblicherweise von der Mitarbeiterin Frau P. vorgenommen, die auch am 20. Dezember 2016 tätig gewesen sei. Die Eintragung in den Fristenkalender werde von Frau P. und dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt vorgenommen.
Der Senat hat unter dem 28. März 2017 darauf hingewiesen, dass zunächst Zweifel an der Wahrung der Frist aus § 67 Abs. 3 Satz 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestünden. Insoweit werde um Darlegungen und Glaubhaftmachung gebeten. Weiterhin erscheine aber auch die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nicht ausreichend. Es bleibe unklar, wieso die Verwechslung der Ziffern "0" und "8" nicht rechtzeitig aufgefallen sei. Ein Rechtsanwalt dürfe das unterzeichnete Empfangsbekenntnis erst zurückgeben, wenn der Zustellungszeitpunkt und damit der Beginn der Rechtsmittelfrist entweder auf dem zugestellten Schriftstück oder sonst in den Handakten vermerkt worden sei (Hinweis auf BSG, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – B 3 P 14/00 R, SozR 3-1500 § 67 Nr. 18 = juris, Rn. 4 m.w.N.). Weiter dürfe er das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung auch nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt sei, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt sei, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden sei (Hinweis auf BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – VI ZB 58/09, juris, Rn. 6). Diese Rückgabe, vor der die Berufungsfrist zu notieren gewesen sei, sei im vorliegenden Fall am 24. Dezember 2016 (an die Gemeinsame Annahmestelle am Sievekingplatz) erfolgt. Wäre die Frist jedoch am 20. Dezember 2016 (dem Tag der Zustellung) oder jedenfalls vor Rückgabe des Empfangsbekenntnisses berechnet und notiert worden, so hätte unweigerlich auffallen müssen, dass der Gerichtbescheid nicht am 28. Dezember 2016 zugegangen sein konnte. Im vorliegenden Fall sei weder glaubhaft gemacht noch überhaupt vorgetragen, wer im konkreten Fall die Frist eingetragen und berechnet habe und vor allem wann dies geschehen sei. Eine Fristberechnung erst nach Rückgabe des Empfangsbekenntnisses dürfe kaum mehr unverschuldet sein.
Der Kläger hat sich hierzu trotz mehrfacher Erinnerung nicht geäußert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Dezember 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 15. Oktober 2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Durch Beschluss vom 18. Mai 2017 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
In dieser Besetzung hat der Senat am 10. Juli 2017 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entscheiden, da der Senat das Verfahren nach § 153 Abs. 5 SGG übertragen hatte.
Die Berufung ist bereits unzulässig. Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung bei Versäumnis der gesetzlichen Frist als unzulässig zu verwerfen. Der Senat hat, wenn er ein Fristversäumnis feststellt und auch die Gründe für eine Wiedereinsetzung nicht vorliegen, keinerlei Ermessen oder sonstige Gestaltungsmöglichkeiten, die es ihm ermöglichten, die Berufung dennoch als zulässig zu behandeln und in der Sache zu entscheiden. Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Berufungsfrist versäumt und ihm ist auch nicht Widereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Kläger hat die Berufungsfrist versäumt. Die Berufungsfrist hat mit Ablauf des 20. Januar 2017 geendet; erhoben hat der Kläger seine Berufung jedoch erst am 27. Januar 2017. Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Der mit der Berufung angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 15. Dezember 2016, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen ist, ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des in den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisses am 20. Dezember 2016 zugestellt worden. Diese Zustellung hat den Lauf der Berufungsfrist auch gegenüber dem Kläger selbst in Gang gesetzt, wie sich aus § 73 Abs. 6 Satz 6 SGG ergibt. Geendet hat die Berufungsfrist mit Ablauf des 20. Januar 2017, einem Freitag.
Dem Kläger war auch nicht etwa Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung gemäß § 67 Abs. 2 Satz 4 SGG auch ohne Antrag gewährt werden.
Im vorliegenden Fall ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger die Frist aus § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG eingehalten hat. Jedenfalls hat er nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert gewesen wäre. Glaubhaftmachung liegt in der Darlegung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass sich der Vorgang wie behauptet zugetragen hat (Jung in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 52 Rn. 52). Hierbei gilt zwar die Untersuchungsmaxime, jedoch braucht das Gericht nicht von sich aus alle denkbaren Möglichkeiten auszuforschen. Es hat die nach Aktenlage und Beteiligtenvorbringen naheliegenden Ermittlungen anzustellen (Wolf-Dellen in Berliner Kommentar SGG, 2 Aufl. 2014, § 67 Rn. 49).
Im vorliegenden Fall ist das Vorbringen der Klägerseite bereits so vage, dass es keine weiteren Ermittlungen auszulösen geeignet ist. Insbesondere wird nicht klar, wer die fragliche Eintragung in den Fristenkalender vorgenommen haben soll und vor allem wann. Überdies erscheint es unglaubhaft, dass wer auch immer die Eintragung vorgenommen hat, am 20. Dezember 2016 eine Rechtsmittelfrist unter Zugrundlegung eines Fristbeginns acht Tage später berechnet haben sollte. Sollte das Vorbringen indes so zu verstehen sein, dass die Fristberechnung erst nachträglich – hier am oder nach dem 28. Dezember 2016 – geschehen sein soll, so läge hierin ein Verschulden des Klägerbevollmächtigten. Ein Rechtsanwalt darf – worauf der Senat bereits hingewiesen hat – das unterzeichnete Empfangsbekenntnis erst zurückgeben, wenn der Zustellungszeitpunkt und damit der Beginn der Rechtsmittelfrist entweder auf dem zugestellten Schriftstück oder sonst in den Handakten vermerkt worden und wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und zugleich vermerkt ist, dass diese Frist im Fristenkalender notiert worden ist (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – VI ZB 58/09, juris, Rn. 6; BSG, Beschluss vom 6. Dezember 2000 – B 3 P 14/00 R –, SozR 3-1500 § 67 Nr. 18 = juris, Rn. 4 m.w.N.; Jung in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 52 Rn. 29). Eine vom Rechtsanwalt selbst nach Absendung des Empfangsbekenntnisses nachgeholte Fristberechnung wäre daher in jedem Fall nicht unverschuldet im Sinne von § 67 Abs. 1 SGG. Ein entsprechendes Handeln des Büropersonals wäre nur dann unverschuldet, wenn der Rechtsanwalt durch eine zweckmäßige Büroorganisation ausreichende Vorkehrungen gegen derartige Fehler getroffen hätte (dazu Jung, a.a.O, Rn. 26). Dies hat indes der Kläger, dessen Vorbringen noch nicht einmal zu entnehmen ist, ob sein Rechtsanwalt oder dessen Mitarbeiterin Frau P. insoweit tätig geworden ist, allerdings nicht einmal ansatzweise dargetan.
Nach alledem sieht sich der Senat auch nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt. Er hat den Kläger mit Schreiben vom 28. März 2017 auf die angesichts der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags verbleibenden Zweifel hingewiesen. Die Klägerseite hat hierauf nicht mehr reagiert. Es ist nicht Sache des Senats, von sich aus Ermittlungen zu den organisatorischen Strukturen der Kanzlei des Klägerbevollmächtigten und zum genauen Gang der Ereignisse anzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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