Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 33 KR 1722/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 110/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie auch im Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis zum 1. Mai 2015 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten gewesen ist.
Die Klägerin bezog Arbeitslosengeld II und war seit 14. Oktober 2011 durchgehend arbeitsunfähig. Nachdem sie eine ärztliche Untersuchung zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit verweigert hatte, versagte der Leistungsträger mit Bescheid vom 20. Mai 2014 wegen mangelnder Mitwirkung die Leistungen mit Ablauf des 31. Mai 2014. Ein hiergegen gerichtetes Eilverfahren vor dem Sozialgericht Hamburg und dem Landessozialgericht Hamburg (S 34 AS 4222/14 ER und L 4 AS 515/14 B ER) blieb ebenso erfolglos wie das Hauptsacheverfahren in beiden Instanzen (S 34 AS 2820/14 und L 4 AS 505/15).
Mit Bescheiden vom 22. Oktober 2014 und vom 23. Januar 2015 erhob die Beklagte den Beitrag zur Auffangversicherung ab 1. Juni 2014 aus der Mindestbemessungsgrundlage. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2015, auf dessen Inhalt gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG Bezug genommen wird), ebenso ein Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz in zwei Instanzen (Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Februar 2015 – S 33 KR 1721/14 ER – auf dessen Inhalt Bezug genommen wird und Beschluss des LSG Hamburg vom 31. März 2015 – L 1 KR 11/15 B ER, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird).
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 6. Dezember 2016 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Beklagte habe zu Recht für die Zeit ab 1. Juni 2014 eine Mitgliedschaft in der freiwilligen Kranken (und- Pflegeversicherung) festgestellt und die Beiträge zutreffend nach der Mindestbemessungsgrundlage festgesetzt. Es werde Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrem Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2015 und die Beschlüsse des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Februar 2015 (S 33 KR 1731/14 ER) sowie des Landessozialgerichts Hamburg vom 31. März 2015 (L 1 KR 11/15 B ER). Ergänzend sei anzumerken, dass eine beitragsfreie Versicherung vom Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen sei. Auch mit niedrigen Einkünften bzw. ohne Einkünfte seien Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage zu zahlen. Soweit ein Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bestehe, seien die Beiträge in der Regel vom Leistungsträger zu übernehmen. Die Klägerin habe grundsätzlich einen Leistungsanspruch nach dem SGB II, gegebenenfalls nach dem SGB XII, aufgrund mangelnder Mitwirkung seien die Leistungen jedoch versagt worden. Aus diesem Grund endete die Pflichtversicherung und wandelte sich in eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung mit entsprechender Verpflichtung, Beiträge zu entrichten, um.
Die Klägerin hat gegen den am 8. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid am 11. Dezember 2016 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, das Sozialgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob nicht weiterhin Versicherungspflicht bestanden habe. Die Beklagte sei über ihre Probleme mit dem Jobcenter und die verweigerte Sozialleistung informiert gewesen, das diesbezügliche Verfahren sei auch nicht abgeschlossen, die Beklagte hätte dieses abwarten müssen. Die Versicherungspflicht sei auch nicht nur vom Arbeitslosengeld II - Bezug abhängig. Einer Beitragspflicht entsprechend den Regeln der Pflichtversicherung widerspreche sie nicht und begehre im Gegenteil genau diese Feststellung. Sie sei gegen ihren Willen trotz bestehender Bedürftigkeit aus der Pflichtversicherung "geworfen" worden und solle nun um die Mindestbeiträge "abgezockt" werden, obwohl sie nach geltendem Recht niemals freiwillig versichert sein könne. Sie sei auch de facto überhaupt nicht in der Lage, sich freiwillig zu versichern und habe eine derartige Erklärung auch niemals abgegeben. Dadurch, dass das gemutmaßte Ende der Versicherungspflicht ausschließlich in der Hand des Jobcenters gelegen habe, fühle sie sich zum Objekt degradiert. Faktisch werde eine Pflichtversicherung durchgeführt, bei der das Wahlrecht auf freiwillige Mitgliedschaft oder Pflichtmitgliedschaft entzogen ist.
Ihre Vermögensverhältnisse und ob sie nicht mittellos sei und deshalb keine beitragsbehaftete Versicherung bei ihr durchgeführt werden dürfe, müsse durch alle Instanzen hindurch geprüft werden. Es bestünden nämlich auch verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Durchführung einer als freiwillige Versicherung bezeichneten Pflichtversicherung gegen die Entrichtung nicht unerheblicher Beiträge auch bei Mittellosen, denen Existenzsicherungsleistungen der Grundsicherung (passive Leistungen) trotz Bedürftigkeit vorenthalten werden.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Dezember 2016 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. Oktober 2014 und vom 23. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2015 wegen freiwilliger Versicherung aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin auch über den 31. Mai 2014 hinaus bis zum 30. April 2015 pflichtversichert gewesen ist und die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat durch Beschluss vom 15. Mai 2017, der Klägerin zugestellt am 18. Mai 2015, die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berichterstatterin konnte zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern an Stelle des Senats entscheiden, da das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat ihr durch Beschluss vom 15. Mai 2017, der Klägerin zugestellt am 18. Mai 2017, die Berufung übertragen hat. Die Voraussetzungen des § 153 Abs. 5 SGG liegen damit vor.
Die Berufung ist indes unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie auch über den 31. Mai 2014 hinaus bis zum 30. April 2015 pflichtversichert gewesen ist. Der Senat sieht nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da die Berufung aus den in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 6. Dezember 2016 dargelegten Gründen als unbegründet zurückgewiesen wird. Insbesondere hat sich der Senat auch im Beschluss vom 31. März 2015 (L 1 KR 11/15 B ER) bereits mit den Gründen der Beendigung der Versicherungspflicht der Klägerin auseinandergesetzt.
Lediglich ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Der Vortrag, das gemutmaßte Ende der Versicherungspflicht habe ausschließlich in der Hand des Jobcenters gelegen habe und sie fühle sich zum Objekt degradiert, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Die Klägerin hätte dem begegnen können, indem sie ihren Mitwirkungsobliegenheiten gegenüber dem Jobcenter nachgekommen wäre. Zweck des § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist es, den Mitwirkungspflichten aus den §§ 60-64 SGB I Durchsetzungskraft zu verleihen, die ihnen ansonsten mangels Erzwingbarkeit fehlen würde. Da die Mitwirkungsobliegenheiten im Sinne der §§ 60-64 SGB I nicht zwangsweise durchgesetzt werden können, bliebe eine Verletzung ohne die Regelung in § 66 SGB I in der Regel ohne Folgen, was der Bedeutung der Mitwirkung des Leistungsempfängers als gleichrangiger Beteiligter des Sozialleistungsverhältnisses nicht gerecht würde. Durch die Möglichkeit der nachträglichen Leistungserbringung gemäß § 67 SGB I ist die Rechtsfolgenregelung des § 66 SGB I abgemildert (vgl. Kampe†/Voelzke in: juris-PK SGB I, § 66 Rn. 15 f.). Nach der Rechtsprechung des BSG bestehen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 66 SGB I keine Bedenken (BSG, Urteil vom 22.2.1995 – 4 RA 44/94 – Juris Rn. 21).
Die Vorschrift des § 188 Abs. 4 SGB V ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich. In welchem Umfang der Gesetzgeber Systeme der gesetzlichen Sozialversicherung bildet und ausgestaltet, unterliegt seinem Gestaltungsermessen. Versicherungszwang und Beitragspflichten und damit eine Einschränkung von Freiheitsrechten sind insofern unvermeidlich (jurisPK-SGB V/Schlegel, 3. Aufl. 2016, § 1 Rn. 70 ff. mwN). Dieses findet seine rechtlichen Grenzen allein in der Verfassung und dort vor allem in den Grundrechten. Die gesetzliche Krankenversicherung dient dem sozialen Schutz und der Absicherung vor den finanziellen Risiken von Erkrankungen. Sie basiert auf einem umfassenden sozialen Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken, vor allem aber zwischen Versicherten mit niedrigem Einkommen und solchen mit höherem Einkommen sowie zwischen Alleinstehenden und Personen mit unterhaltsberechtigten Familienangehörigen. Der Gesetzgeber kann den Kreis der Pflichtversicherten so abgrenzen, wie es für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist. Die Gründe für die Regelung des § 188 Abs. 4 SGB V sind sachlich nachvollziehbar. Der Gesetzgeber hat zur Rechtfertigung und Begründung des § 188 Abs. 4 SGB V ausgeführt (BT-Drs. 17/13947, 27): "Wenn Personen kraft Gesetzes aus einer vorhergehenden Versicherungspflicht nach § 5 SGB V (z. B. als Arbeitnehmer) oder einer Familienversicherung nach § 10 SGB V ausgeschieden sind und sich nicht nahtlos erneut ein Tatbestand einer vorrangigen Versicherungspflicht angeschlossen hat, hatten die Krankenkassen bislang keine Möglichkeit, die nachrangige Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 SGB V durchzuführen, wenn diese Personen zwar keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatten, sie sich aber auch auf Aufforderung der Krankenkassen, den weiteren Versicherungsschutz zu klären, nicht bei dieser gemeldet haben. Da die Mitgliedschaft der (nachrangig) nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 SGB V Versicherungspflichtigen bereits mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall beginnt, konnten auf diese Weise erhebliche Beitragsrückstände bis zu dem Zeitpunkt entstehen, an dem die Mitgliedschaft schließlich rückwirkend festgestellt wurde. [ ] Diese Regelung soll auf alle Personen, deren vorhergehende Versicherung bei einer Krankenkasse kraft Gesetzes endet, ohne dass sich unmittelbar ein weiterer, vorrangiger Versicherungspflichttatbestand anschließt, erweitert werden. Sie stärkt den Grundsatz des Vorrangs der freiwilligen Versicherung vor der nachrangigen Versicherungspflicht. Sie vermeidet zugleich, dass diese Personen durch eine verspätete Rückkehr zu ihrer letzten Krankenkasse hohe Beitragsschulden auf Grund der zwischenzeitlich eingetretenen nachrangigen Versicherungspflicht aufgebaut haben." Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts wegen der fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits-, Wirtschafts- und Soziallebens eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen ist, die nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Gerade bei der gesetzlichen Krankenversicherung, die auf einem umfassenden sozialen Ausgleich basiert, ist die Abgrenzung des Kreises der Pflichtversicherten dem Gesetzgeber überlassenen (BVerfG 10.06.2009, 1 BvR 706/08 ua, Juris Rn. 229 mwN). Das BVerfG kann insbesondere nicht prüfen, ob der Gesetzgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfG 03.06.2013, 1 BvR 131/13 ua, Juris Rn. 14 mwN). Da es sich zudem um eine freiwillige Versicherung handelt, kann der Austritt aus der Mitgliedschaft bis zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeit erklärt werden. Dass ein Austritt nur dann wirksam wird, wenn eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen wird, ist angesichts des Schutzzwecks der Norm verfassungsrechtlich unbedenklich (LSG Baden-Württemberg Urt. v. 24.1.2017 – L 11 KR 701/16, BeckRS 2017, 119015, beck-online, Nichtzulassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: B 12 KR 19/17 B).
Der Verweis der Klägerin auf das Urteil des BSG vom 8. März 2016 – B 1 KR 31/15 R – trägt in der Sache nichts aus. Dort ging es um die Frage des Ruhens von Leistungsansprüchen bei Beitragsrückständen und bestehender Hilfebedürftigkeit (vgl. § 16 Abs. 3a SGB V). Dass die Klägerin vorliegend auch im streitbefangenen Zeitraum Leistungsansprüche gegen die Beklagte gehabt hat, wird von dieser indes nicht in Abrede gestellt.
Unabhängig davon, dass der Vortrag der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung, das Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Leistungseinstellung durch das Jobcenter sei noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, nicht nachvollziehbar ist, ist er auch unerheblich. Sollte sich die Anordnung nach § 66 Abs. 1 SGB I tatsächlich als rechtswidrig erweisen, so kann die Krankenversicherung nachträglich als Pflichtversicherung durchgeführt und Beitragsrückstände sowie Säumniszuschläge storniert werden. Dass dies möglich ist, folgt bereits aus § 67 SGB I, der eine nachträgliche Leistungserbringung – mit der Folge der Eintritts der Versicherungspflicht nach § 5Abs. 2a SGB V – ermöglicht. Demgegenüber wäre es rechtswidrig, trotz Aufhebung der Bewilligung weiter eine Pflichtversicherung durchzuführen, denn Rechtsbehelfe und –mittel haben insoweit gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 (hinsichtlich der Versicherungspflicht) und Abs. 2 (hinsichtlich der Sozialleistung) SGG keine aufschiebende Wirkung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Vorausset-zungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie auch im Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis zum 1. Mai 2015 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten gewesen ist.
Die Klägerin bezog Arbeitslosengeld II und war seit 14. Oktober 2011 durchgehend arbeitsunfähig. Nachdem sie eine ärztliche Untersuchung zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit verweigert hatte, versagte der Leistungsträger mit Bescheid vom 20. Mai 2014 wegen mangelnder Mitwirkung die Leistungen mit Ablauf des 31. Mai 2014. Ein hiergegen gerichtetes Eilverfahren vor dem Sozialgericht Hamburg und dem Landessozialgericht Hamburg (S 34 AS 4222/14 ER und L 4 AS 515/14 B ER) blieb ebenso erfolglos wie das Hauptsacheverfahren in beiden Instanzen (S 34 AS 2820/14 und L 4 AS 505/15).
Mit Bescheiden vom 22. Oktober 2014 und vom 23. Januar 2015 erhob die Beklagte den Beitrag zur Auffangversicherung ab 1. Juni 2014 aus der Mindestbemessungsgrundlage. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2015, auf dessen Inhalt gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG Bezug genommen wird), ebenso ein Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz in zwei Instanzen (Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Februar 2015 – S 33 KR 1721/14 ER – auf dessen Inhalt Bezug genommen wird und Beschluss des LSG Hamburg vom 31. März 2015 – L 1 KR 11/15 B ER, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird).
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 6. Dezember 2016 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Beklagte habe zu Recht für die Zeit ab 1. Juni 2014 eine Mitgliedschaft in der freiwilligen Kranken (und- Pflegeversicherung) festgestellt und die Beiträge zutreffend nach der Mindestbemessungsgrundlage festgesetzt. Es werde Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrem Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2015 und die Beschlüsse des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Februar 2015 (S 33 KR 1731/14 ER) sowie des Landessozialgerichts Hamburg vom 31. März 2015 (L 1 KR 11/15 B ER). Ergänzend sei anzumerken, dass eine beitragsfreie Versicherung vom Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen sei. Auch mit niedrigen Einkünften bzw. ohne Einkünfte seien Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage zu zahlen. Soweit ein Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bestehe, seien die Beiträge in der Regel vom Leistungsträger zu übernehmen. Die Klägerin habe grundsätzlich einen Leistungsanspruch nach dem SGB II, gegebenenfalls nach dem SGB XII, aufgrund mangelnder Mitwirkung seien die Leistungen jedoch versagt worden. Aus diesem Grund endete die Pflichtversicherung und wandelte sich in eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung mit entsprechender Verpflichtung, Beiträge zu entrichten, um.
Die Klägerin hat gegen den am 8. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid am 11. Dezember 2016 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, das Sozialgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob nicht weiterhin Versicherungspflicht bestanden habe. Die Beklagte sei über ihre Probleme mit dem Jobcenter und die verweigerte Sozialleistung informiert gewesen, das diesbezügliche Verfahren sei auch nicht abgeschlossen, die Beklagte hätte dieses abwarten müssen. Die Versicherungspflicht sei auch nicht nur vom Arbeitslosengeld II - Bezug abhängig. Einer Beitragspflicht entsprechend den Regeln der Pflichtversicherung widerspreche sie nicht und begehre im Gegenteil genau diese Feststellung. Sie sei gegen ihren Willen trotz bestehender Bedürftigkeit aus der Pflichtversicherung "geworfen" worden und solle nun um die Mindestbeiträge "abgezockt" werden, obwohl sie nach geltendem Recht niemals freiwillig versichert sein könne. Sie sei auch de facto überhaupt nicht in der Lage, sich freiwillig zu versichern und habe eine derartige Erklärung auch niemals abgegeben. Dadurch, dass das gemutmaßte Ende der Versicherungspflicht ausschließlich in der Hand des Jobcenters gelegen habe, fühle sie sich zum Objekt degradiert. Faktisch werde eine Pflichtversicherung durchgeführt, bei der das Wahlrecht auf freiwillige Mitgliedschaft oder Pflichtmitgliedschaft entzogen ist.
Ihre Vermögensverhältnisse und ob sie nicht mittellos sei und deshalb keine beitragsbehaftete Versicherung bei ihr durchgeführt werden dürfe, müsse durch alle Instanzen hindurch geprüft werden. Es bestünden nämlich auch verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Durchführung einer als freiwillige Versicherung bezeichneten Pflichtversicherung gegen die Entrichtung nicht unerheblicher Beiträge auch bei Mittellosen, denen Existenzsicherungsleistungen der Grundsicherung (passive Leistungen) trotz Bedürftigkeit vorenthalten werden.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Dezember 2016 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. Oktober 2014 und vom 23. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2015 wegen freiwilliger Versicherung aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin auch über den 31. Mai 2014 hinaus bis zum 30. April 2015 pflichtversichert gewesen ist und die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat durch Beschluss vom 15. Mai 2017, der Klägerin zugestellt am 18. Mai 2015, die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 SGG statthaft und zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berichterstatterin konnte zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern an Stelle des Senats entscheiden, da das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat ihr durch Beschluss vom 15. Mai 2017, der Klägerin zugestellt am 18. Mai 2017, die Berufung übertragen hat. Die Voraussetzungen des § 153 Abs. 5 SGG liegen damit vor.
Die Berufung ist indes unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie auch über den 31. Mai 2014 hinaus bis zum 30. April 2015 pflichtversichert gewesen ist. Der Senat sieht nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da die Berufung aus den in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 6. Dezember 2016 dargelegten Gründen als unbegründet zurückgewiesen wird. Insbesondere hat sich der Senat auch im Beschluss vom 31. März 2015 (L 1 KR 11/15 B ER) bereits mit den Gründen der Beendigung der Versicherungspflicht der Klägerin auseinandergesetzt.
Lediglich ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Der Vortrag, das gemutmaßte Ende der Versicherungspflicht habe ausschließlich in der Hand des Jobcenters gelegen habe und sie fühle sich zum Objekt degradiert, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Die Klägerin hätte dem begegnen können, indem sie ihren Mitwirkungsobliegenheiten gegenüber dem Jobcenter nachgekommen wäre. Zweck des § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist es, den Mitwirkungspflichten aus den §§ 60-64 SGB I Durchsetzungskraft zu verleihen, die ihnen ansonsten mangels Erzwingbarkeit fehlen würde. Da die Mitwirkungsobliegenheiten im Sinne der §§ 60-64 SGB I nicht zwangsweise durchgesetzt werden können, bliebe eine Verletzung ohne die Regelung in § 66 SGB I in der Regel ohne Folgen, was der Bedeutung der Mitwirkung des Leistungsempfängers als gleichrangiger Beteiligter des Sozialleistungsverhältnisses nicht gerecht würde. Durch die Möglichkeit der nachträglichen Leistungserbringung gemäß § 67 SGB I ist die Rechtsfolgenregelung des § 66 SGB I abgemildert (vgl. Kampe†/Voelzke in: juris-PK SGB I, § 66 Rn. 15 f.). Nach der Rechtsprechung des BSG bestehen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 66 SGB I keine Bedenken (BSG, Urteil vom 22.2.1995 – 4 RA 44/94 – Juris Rn. 21).
Die Vorschrift des § 188 Abs. 4 SGB V ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich. In welchem Umfang der Gesetzgeber Systeme der gesetzlichen Sozialversicherung bildet und ausgestaltet, unterliegt seinem Gestaltungsermessen. Versicherungszwang und Beitragspflichten und damit eine Einschränkung von Freiheitsrechten sind insofern unvermeidlich (jurisPK-SGB V/Schlegel, 3. Aufl. 2016, § 1 Rn. 70 ff. mwN). Dieses findet seine rechtlichen Grenzen allein in der Verfassung und dort vor allem in den Grundrechten. Die gesetzliche Krankenversicherung dient dem sozialen Schutz und der Absicherung vor den finanziellen Risiken von Erkrankungen. Sie basiert auf einem umfassenden sozialen Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken, vor allem aber zwischen Versicherten mit niedrigem Einkommen und solchen mit höherem Einkommen sowie zwischen Alleinstehenden und Personen mit unterhaltsberechtigten Familienangehörigen. Der Gesetzgeber kann den Kreis der Pflichtversicherten so abgrenzen, wie es für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist. Die Gründe für die Regelung des § 188 Abs. 4 SGB V sind sachlich nachvollziehbar. Der Gesetzgeber hat zur Rechtfertigung und Begründung des § 188 Abs. 4 SGB V ausgeführt (BT-Drs. 17/13947, 27): "Wenn Personen kraft Gesetzes aus einer vorhergehenden Versicherungspflicht nach § 5 SGB V (z. B. als Arbeitnehmer) oder einer Familienversicherung nach § 10 SGB V ausgeschieden sind und sich nicht nahtlos erneut ein Tatbestand einer vorrangigen Versicherungspflicht angeschlossen hat, hatten die Krankenkassen bislang keine Möglichkeit, die nachrangige Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 SGB V durchzuführen, wenn diese Personen zwar keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hatten, sie sich aber auch auf Aufforderung der Krankenkassen, den weiteren Versicherungsschutz zu klären, nicht bei dieser gemeldet haben. Da die Mitgliedschaft der (nachrangig) nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 SGB V Versicherungspflichtigen bereits mit dem ersten Tag ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall beginnt, konnten auf diese Weise erhebliche Beitragsrückstände bis zu dem Zeitpunkt entstehen, an dem die Mitgliedschaft schließlich rückwirkend festgestellt wurde. [ ] Diese Regelung soll auf alle Personen, deren vorhergehende Versicherung bei einer Krankenkasse kraft Gesetzes endet, ohne dass sich unmittelbar ein weiterer, vorrangiger Versicherungspflichttatbestand anschließt, erweitert werden. Sie stärkt den Grundsatz des Vorrangs der freiwilligen Versicherung vor der nachrangigen Versicherungspflicht. Sie vermeidet zugleich, dass diese Personen durch eine verspätete Rückkehr zu ihrer letzten Krankenkasse hohe Beitragsschulden auf Grund der zwischenzeitlich eingetretenen nachrangigen Versicherungspflicht aufgebaut haben." Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts wegen der fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits-, Wirtschafts- und Soziallebens eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen ist, die nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Gerade bei der gesetzlichen Krankenversicherung, die auf einem umfassenden sozialen Ausgleich basiert, ist die Abgrenzung des Kreises der Pflichtversicherten dem Gesetzgeber überlassenen (BVerfG 10.06.2009, 1 BvR 706/08 ua, Juris Rn. 229 mwN). Das BVerfG kann insbesondere nicht prüfen, ob der Gesetzgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfG 03.06.2013, 1 BvR 131/13 ua, Juris Rn. 14 mwN). Da es sich zudem um eine freiwillige Versicherung handelt, kann der Austritt aus der Mitgliedschaft bis zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeit erklärt werden. Dass ein Austritt nur dann wirksam wird, wenn eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen wird, ist angesichts des Schutzzwecks der Norm verfassungsrechtlich unbedenklich (LSG Baden-Württemberg Urt. v. 24.1.2017 – L 11 KR 701/16, BeckRS 2017, 119015, beck-online, Nichtzulassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: B 12 KR 19/17 B).
Der Verweis der Klägerin auf das Urteil des BSG vom 8. März 2016 – B 1 KR 31/15 R – trägt in der Sache nichts aus. Dort ging es um die Frage des Ruhens von Leistungsansprüchen bei Beitragsrückständen und bestehender Hilfebedürftigkeit (vgl. § 16 Abs. 3a SGB V). Dass die Klägerin vorliegend auch im streitbefangenen Zeitraum Leistungsansprüche gegen die Beklagte gehabt hat, wird von dieser indes nicht in Abrede gestellt.
Unabhängig davon, dass der Vortrag der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung, das Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Leistungseinstellung durch das Jobcenter sei noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, nicht nachvollziehbar ist, ist er auch unerheblich. Sollte sich die Anordnung nach § 66 Abs. 1 SGB I tatsächlich als rechtswidrig erweisen, so kann die Krankenversicherung nachträglich als Pflichtversicherung durchgeführt und Beitragsrückstände sowie Säumniszuschläge storniert werden. Dass dies möglich ist, folgt bereits aus § 67 SGB I, der eine nachträgliche Leistungserbringung – mit der Folge der Eintritts der Versicherungspflicht nach § 5Abs. 2a SGB V – ermöglicht. Demgegenüber wäre es rechtswidrig, trotz Aufhebung der Bewilligung weiter eine Pflichtversicherung durchzuführen, denn Rechtsbehelfe und –mittel haben insoweit gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 (hinsichtlich der Versicherungspflicht) und Abs. 2 (hinsichtlich der Sozialleistung) SGG keine aufschiebende Wirkung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Vorausset-zungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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