S 16 KA 4/16 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
16
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 16 KA 4/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches vom 19.05.2016 gegen den Bescheid über den Beschluss des Antragsgegners vom 26.04.2016 (Az.: ) wird zurückgewiesen. Der Hilfsantrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 19.05.2016 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen den Bescheid über den Beschluss des Antragsgegners vom 26.04.2016, mit dem dem Antragsteller die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung an dem Praxisstandort C. Straße in G. entzogen wurde.

Dem Zulassungsentzug liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Antragsteller ist Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie. Seit Mitte 1992 war er zur vertragsärztlichen Versorgung in der C. straße in G. zugelassen. Den Versorgungsauftrag übte er teilweise in Einzelpraxis, teilweise in Gemeinschaftspraxis aus. Es wurden zur Erbringung von Dialyseleistungen ausgelagerte Praxisräume/Zweigpraxen insbesondere in der S. beziehungsweise in der T. Str. in E. erbracht.

Mit Datum vom 28.04.2003 schloss er mit der Rechtsvorgängerin der W. I. D. GmbH einen Kooperationsvertrag, welcher zum Gegenstand den Betrieb von ausgelagerten Praxisstätten in Form von Dialysezentren in der C. Straße in D. sowie im T-Krankenhaus in der S. Straße in E. hatte.

Bis zum 31.12.2013 betrieb der Antragsteller die Dialyse in den ausgelagerten Praxisräumen am F. in D. sowie am T. Krankenhaus in der S. Straße in E ... Die Praxisstätte F. befindet sich in unmittelbarer Umgebung der C. Insbesondere befinden sich die Räumlichkeiten F. und die C. Straße in gleichen Gebäudeteilen.

Seit dem 01.01.2014 wurde die ausgelagerte Praxisstätte F. von dem Antragsteller bzw. dessen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) nicht mehr genutzt. Diese Räumlichkeiten werden seitdem von der W. I. D. GmbH mit anderen Ärzten betrieben.

Am 24.6.2014 genehmigte der Zulassungsausschuss mit Wirkung zum 1.7.2014 die Verlegung des Vertragsarztsitzes C. Straße in die X. Str. in D ... Auch insoweit wurden von dem Antragsgegner entsprechende Dialysegenehmigungen erteilt. Eine zuvor mit Beschluss vom 27.8.2013 genehmigte und für den 1.1.2014 angekündigte Verlegung des Praxissitzes in die E. Str. in D. war nicht zustande gekommen.

Nachdem der Antragsteller den bestehenden Kooperationsvertrag mit der W. I. D. GmbH zum 31.03.2013 gekündigt hatte folgten diesbezüglich gerichtliche Auseinandersetzungen. Das Oberlandesgericht Hamm stellte sodann in einem Urteil am 04.02.2016 (Aktenzeichen I-17 U 64/14) unter anderem fest, dass der Antragsteller verpflichtet sei, den abgeschlossenen Kooperationsvertrag zum Betrieb einer ausgelagerten Praxisstätte in Form eines Dialysezentrums in der C. Straße in D. zu erfüllen und fortzuführen. Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesgerichtshof (BGH) (Aktenzeichen II ZR 51/16) ein. Eine Entscheidung hierüber ist noch nicht ergangen.

Zudem erging zwischen dem Antragsteller und der W. I. D. GmbH am 04.02.2016 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm ein weiteres Urteil (Az.: I-17 U 84/14). Hierbei wurde der Antragssteller zur Abgabe der folgenden Erklärung verurteilt:

"An den Zulassungsausschuss für den Regierungsbezirk Münster, Robert-Schimrigk-Str. 4-6, 44141 Dortmund Betrifft: Verlegung des Vertragsarztsitzes

Hiermit beantrage ich, X. I., meinen Vertragsarztsitz vom Standort X. Str. in D. an den Standort D., C. Straße zu verlegen.

Begründung:

Mit Wirkung zum 01.01.2014 hat der Zulassungsausschuss gestattet, den Vertragsarztsitz von dem Standort C.Straße an den Standort X. Str. in D. zu verlegen. Mit Urteil vom 25.02.2014 hat das Landgericht Dortmund unter dem Az: 25 O 347/13 entschieden, dass ich, X. I., verpflichtet bin, den mit der Verfügungsklägerin (W. I. GmbH) abgeschlossenen Kooperationsvertrag zum Betrieb einer ausgelagerten Praxisstätte in Form eines Dialysezentrums in der C. Straße. D. zu erfüllen und fortzuführen.

Um der Entscheidung des Landgerichts Dortmund nachzukommen, ist es erforderlich, den Vertragsarztsitz an den alten Standort C. Straße zu verlegen. Nach § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV hat der Zulassungsausschuss die Verlegung zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. Derartige Gründe sind nicht ersichtlich, da ich meine Praxis bis zum 31.12.2013 an dem Verlegungsstandort geführt habe und dort alle sachlichen und personellen Einrichtungen zur Sicherstellung der Versorgung vorhanden sind.

X. I."

Zwecks Umsetzung des mit Zustellung rechtskräftigen Urteils des OLG Hamm mit dem Aktenzeichen I-17 U 84/14 fasste der Antragsgegner am 15.03.2016 unter dem Aktenzeichen 248/2016 folgenden Beschluss:

Der Antrag auf Verlegung des Vertragsarztsitzes des Herrn X. I. als Arzt (fachärztlich) von D., X. Straße nach D., C. Straße, mit Wirkung vom 16.03.2016, wird genehmigt.

Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, dass das Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm vom 04.02.2016 mit dem Aktenzeichen I-17 U 84/14 dem Antragsgegner am 02.03.2016 förmlich zugestellt worden und damit rechtskräftig geworden sei. Mit der Verpflichtung aus dem Urteil liege ein Antrag des Antragstellers auf Sitzverlegung im Sinne des § 24 Abs. 7 Satz 1 Ärzte-Zulassungsverordnung vor. Mit dem Urteil werde nach § 894 Zivilprozessordnung (ZPO) eine eigene Willenserklärung des Verurteilten fingiert. Sei der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, so gelte die Erklärung als abgegeben, sobald das Urteil Rechtskraft erlange. Gründe der vertragsärztlichen Versorgung stünden der Verlegung nicht entgegen. Insbesondere befänden sich der bisherige Standort und der zukünftige Standort innerhalb der Gemeinde bei einer Entfernung von 2,6 Kilometern. Entgegenstehende planerische Gesichtspunkte seien nicht ersichtlich. Unbeachtlich sei in diesem Zusammenhang der Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Kooperationsvertrages zwischen dem Antragsteller und der W. I. D. GmbH. Der Antragsgegner habe bei seiner Entscheidung insbesondere nicht die zivilrechtliche Wirksamkeit eines Nutzungsvertrages zu beurteilen.

Mit Datum vom 17.03.2016 hat u. a. der Antragsteller zunächst bei dem Sozialgericht Dortmund unter dem Aktenzeichen S 52 KA 30/16 ER einen Antrag auf vorläufigen Rechtschutz gestellt. Die Antragsteller begehren dort, den Antragsgegner zu verpflichten, den Beschluss des Antragsgegners vom 16.03.2016 aufzuheben und bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit eines Kooperationsvertrages zwischen der W. I. D. GmbH und dem Antragsteller den bis zum 15.03.2016 bestandenen Rechtszustand bezüglich der Zulassung der Antragsteller zur vertragsärztlichen Versorgung am Standort X. Straße in D. wiederherzustellen. Mit Beschluss vom 29.03.2016 hat das Sozialgericht Dortmund sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtstreit an das hiesige Gericht (Az.: S 16 KA 02/16 ER) verwiesen.

Insbesondere mit Schreiben vom 30.03.2016 legte der Antragsteller jeweils gegen die ergangenen Beschlüsse des Antragsgegners Widerspruch ein.

Die Widersprüche gegen die Beschlüsse des Antragsgegners hat der Berufungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Westfalen-Lippe jeweils mit Beschlüssen vom 18.05.2016 zurückgewiesen. Die entsprechenden Klageverfahren sind bei dem hiesigen Gericht anhängig.

Mit dem hier streitgegenständlichen Beschluss vom 26.04.2016 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die vertragsärztliche Zulassung von Amts wegen. Er habe mit Beschluss vom 15.03.2016 dem eigenen Verlegungsantrag des Antragstellers stattgegeben. Rechtsbehelfe gegen diesen Beschluss seien unzulässig. Da der Antragsteller seine Tätigkeit jedoch nicht an dem Vertragsarztsitz Bahnhofstraße 200 ausübe, sei die Zulassung zu entziehen gewesen.

Mit Schreiben vom 19.05.2016 legte der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners über den Beschluss vom 26.04.2016 ein.

Mit am 20.05.2016 bei dem hiesigen Gericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Der Antragsgegner vertrete offensichtlich nach Auslegung des Antragstellers die Auffassung, dass die aufschiebende Wirkung vorliegend entfalle. Der Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes stehe jedoch nicht in öffentlichem Interesse.

Die Antragsteller beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 19.05.2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners über den Beschluss vom 26.04.2016 herzustellen,

hilfsweise die aufschiebende Wirkung des Widerspruches festzustellen.

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Antrag abzuweisen.

Der Beschluss vom 26.04.2016 sei dem Antragsteller mit Schreiben vom 03.05.2016 mitgeteilt worden. Dieser habe die entsprechende Rechtsmittelbelehrung enthalten. Ein Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners habe aufschiebende Wirkung; andernfalls wäre die Rechtsmittelbelehrung nicht entsprechend formuliert worden. Der Antragsgegner gehe davon aus, dass nach dieser Klarstellung ein Rechtsschutzinteresse für das hiesige Verfahren nicht mehr bestehe.

Der Antragsgegner hat mit Beschluss vom 26.07.2016 auf Antrag des Antragstellers das Nachbesetzungsverfahren für den Vertragsarztsitz C. Straße in D. beschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und dem sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Antragsgegners, welche das Gericht in weiteren ER-Verfahren bereits beigezogen hatte.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag des Antragstellers auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners über den Beschluss vom 26.04.2016 ist bereits unzulässig. Gleiches gilt für den Hilfsantrag.

Zwar kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkungen haben, auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Anordnungsbefugnis besteht nicht nur dann, wenn von Gesetzes wegen die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt (§ 86 a Abs. 2 Nrn. 1 -4 SGG), sondern auch dann wenn eine Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes angeordnet hat (§ 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG). Die Anordnungsbefugnis des Gerichtes umfasst entsprechend auch die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.

Dem Antragsteller fehlt es vorliegend jedoch bereits an dem auf eine gerichtliche Eilentscheidung gerichtetes Rechtsschutzinteresse. Für den Adressaten eines belastenden Verwaltungsaktes ist ein entsprechendes Rechtsschutzinteresse regelmäßig dann anzunehmen, wenn die sofortige Vollziehung droht. Erklärt eine Behörde, dass sie nicht vollziehen werde, ist ein Rechtsschutzinteresse nicht (mehr) gegeben (Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.10.2007, Az.: B 6 KA 4/07 R). So verhält es sich vorliegend: Der Antragsgegner hat in dem hiesigen Verfahren die gesetzlich vorgesehene aufschiebende Wirkung des Widerspruches bestätigt und dieses klarstellend mit Schriftsatz vom 01.06.2016 nochmals ausgeführt. Diese Erklärung ist entsprechend die Bestätigung, dass die gesetzlich vorgeschriebene aufschiebende Wirkung beachtet wird.

Zudem findet sich zu dem Beschluss vom 26.04.2016 die übliche Rechtsmittelbelehrung ohne jegliche Ausführungen zum Sofortvollzug. Die Auffassung des Antragstellers, der Antragsgegner habe in seiner Beschlussbegründung quasi den Sofortvollzug erklärt, kann das Gericht nicht nachvollziehen. Die Ausführungen in der Begründung des streitgegenständlichen Beschlusses betreffen nicht die aufschiebende Wirkung des hier streitgegenständlichen Beschlusses.

Weiter weist das Gericht ausdrücklich darauf hin, dass der Antragsgegner bekanntlich auf Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 26.07.2016 das Nachbesetzungsverfahren für den Antragsteller mit dem Sitz C. Straße in D. beschlossen hat. Es dürfte unstreitig sein, dass dies nicht möglich gewesen wäre, sollte der Antragsgegner davon ausgehen, dass der Zulassungsentzug sofort vollzogen werden würde.

Auch ein Feststellungsinteresse bzgl. des Hilfsantrages kann nicht erkannt werden, da der Antragsgegner nach Überzeugung des Gerichtes die aufschiebende Wirkung des Widerspruches zu keiner Zeit abgestritten bzw. angezweifelt hat.
Rechtskraft
Aus
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