Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 49 AS 4182/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 56/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2017 wie folgt abgeändert:
Der Bescheid vom 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2015 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, den Antrag der Klägerin auf Förderung der beruflichen Weiterbildung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen Kosten der Klägerin.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Übernahme von Kosten für eine Weiterbildung durch den Beklagten.
Die 1976 geborene, erwerbsfähige Klägerin schloss im Jahre 2003 ein Studium der Technischen Betriebswirtschaftslehre mit Studienschwerpunkt Marketing an der Hochschule H. mit dem Diplom ab. In der Zeit von 2003 bis 2012 übte sie mit Unterbrechungen unterschiedliche Tätigkeiten aus, u.a. als studentische Aushilfe und später als Angestellte im kaufmännischen Bereich bei der Firma A., als Trainee und Praktikantin bei verschiedenen Firmen aus dem Bereich Marketing, im Zeitraum Dezember 2007 bis Juli 2011 als Angestellte in der Gastronomie und kurzzeitig im Dezember 2012 als kaufmännische Sachbearbeiterin bei der Firma A1. Unter anderem in der Zeit vom 31. März 2015 bis zum 29. Februar 2016 erhielt sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Am 3. Juli 2015 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme der Kosten einer beruflichen Weiterbildung in SAP und Business-Englisch in Form eines sechsmonatigen Kurses. Zur Begründung führte sie aus, sie wolle mit dieser Weiterbildung so schnell wie möglich beginnen und benötige hierfür vom Beklagten einen Bildungsgutschein. Am 16. Juli 2015 fand ein persönliches Gespräch zwischen der Klägerin und der für sie zuständigen Teamleiterin aus dem Bereich Arbeitsvermittlung des Beklagten statt, bei dem über die begehrte Weiterbildung gesprochen wurde. Der Klägerin wurde dabei mitgeteilt, dass der Beklagte die Weiterbildung ohne konkret in Aussicht stehenden Arbeitsplatz nicht für sinnvoll erachte. Mit Bescheid vom 31. August 2015 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung verwies er auf § 81 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen müssten kumulativ erfüllt sein. § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III verlange als Voraussetzung u.a. die Notwendigkeit der Weiterbildung. Arbeitslosigkeit bzw. drohende Arbeitslosigkeit allein könne diese Notwendigkeit nicht begründen. Vielmehr sei weitere Voraussetzung, dass Arbeitslosigkeit voraussichtlich nur durch die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung vermieden werden könne. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Das Ausbildungsziel ließe im Anschluss an die gewünschte Weiterbildung keine direkte Integration der Klägerin in den Arbeitsmarkt erwarten. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Förderung könne daher nicht bescheinigt werden.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 2. September 2015 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, ihre Antrag bezöge sich auf einen Weiterbildungskurs "SAP ERP Vertrieb, Materialwirtschaft und Logistik und Business Englisch". Im Zuge ihres Hochschulstudiums habe sie Kenntnisse im Bereich Vertrieb und Marketing erworben, außerdem verfüge sie über berufliche Erfahrungen in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Logistik. Sie könne potenziellen Arbeitgebern insofern etwas bieten, benötige aber zur Abdeckung ihrer beruflichen Lebenslauflücken spezielle Kenntnisse. Die Weiterbildung würde ihr einen "starken Schub" für ihre berufliche Rückkehr geben, auch wenn es eine hundertprozentige Garantie für eine erfolgreiche Vermittlung nicht gebe. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Förderung durch den Beklagten seien erfüllt. Seine entgegenstehende Ansicht habe der Beklagte nicht begründet. Im Übrigen fühle sie sich durch die Entscheidung des Beklagten diskriminiert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 ff. SGB III könnten Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch die Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die gesetzlich normierten Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Dies sei hinsichtlich der Klägerin zu verneinen, da für die von ihr gewünschte Weiterbildung keine Notwendigkeit ersichtlich sei. Notwendigkeit setze voraus, dass es an sich mehrere Möglichkeiten zur Verwirklichung des Ziels gebe, die Förderung der beruflichen Weiterbildung in einer bestimmten Maßnahme aber gerade die richtige sei. Nicht notwendig sei eine Förderung der beruflichen Weiterbildung hingegen, wenn es andere als pädagogische Handlungsmöglichkeiten gebe, durch die die berufliche Eingliederung erreicht werden könne. Es dürften also keine alternativen Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Für die Klägerin komme zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt als Alternative jedoch eine (Helfer-) Tätigkeit im Bürobereich in Betracht. Ausreichend offene Stellen stünden zur Verfügung. Insofern verfüge die Klägerin über eine – wenn auch geringe – Berufserfahrung. Demgegenüber sei nicht zu erwarten, dass die besagte Weiterbildung der Klägerin einen besonderen Schub für ihre berufliche Rückkehr geben würde, da die Klägerin seit ihrem Hochschulabschluss im Jahre 2003 nur geringfügige Berufserfahrung vorweisen könne. Der Klägerin sei im Übrigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar, auch wenn diese nicht ihrer vorhandenen Qualifikation entspreche. Eine hundertprozentige Garantie dafür, nach der Weiterbildung eine Stelle zu bekommen, sei nicht erforderlich, allerdings müsse eine positive Beschäftigungsprognose gegeben sein.
Am 2. November 2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Entscheidung des Beklagten sei nicht objektiv und außerdem diskriminierend. Sie werde vom Beklagten menschenunwürdig und nicht unvoreingenommen behandelt, insbesondere was die Berücksichtigung ihres Ausbildungsstandes sowie ihrer psychologischen Eignung und Fähigkeiten für den von ihr erlernten Beruf anbelange. Die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 SGB II, § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfülle sie. Hingegen verfüge sie bislang nicht über eine Qualifikation in SAP und habe auch keine Aus- oder Schulbildung in Englisch, abgesehen von einem vierwöchigen Sprachkurs. Durch die beantragte Weiterbildung würden sich ihre Chancen auf eine Arbeitsstelle erhöhen. Sie sei nach ihrem Studium in unterschiedlichsten Branchen tätig gewesen. Einen "Berufsschutz" mache sie nicht geltend. Sie habe allerdings das Recht auf freie Berufswahl. Dem Beklagten gehe es offenbar nur darum, Geld zu sparen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Den Antrag der Klägerin hat es dabei als allein auf die Übernahme der Kosten für die beantragte Weiterbildung gerichtet ausgelegt. Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Kostenübernahme. Sie erfülle nicht die Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 SGB III, da die von ihr gewählte Weiterbildungsmaßnahme nicht notwendig im Sinne dieser Vorschrift sei. Notwendig sei die Förderung einer beruflichen Weiterbildung dann nicht, wenn es andere Möglichkeiten gebe, eine Integration in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Hier sei aber davon auszugehen, dass eine solche Integration auch ohne die Weiterbildungsmaßnahme gelinge, nämlich durch Aufnahme irgendeiner zumutbaren sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit. Dabei kämen insbesondere auch Tätigkeiten außerhalb des kaufmännischen Bereichs in Betracht. Ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Weiterbildungskosten ergebe sich auch nicht aus § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB III. Nach § 81 Abs. 2 SGB III werde die Notwendigkeit einer Weiterbildung u.a. wegen fehlenden Berufsabschlusses anerkannt, wenn der Betreffende – wie die Klägerin – zwar über einen Berufsabschluss verfüge, jedoch aufgrund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine dem Berufsabschluss entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben könne. Zwar erfülle die Klägerin diese Voraussetzungen, doch folge hieraus nicht, dass sie einen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für die von ihr begehrte Weiterbildung habe. Denn der Beklagte verfüge über einen Ermessensspielraum. Dafür, dass dieser Ermessensspielraum hier auf Null reduziert sei in dem Sinne, dass allein die Förderung der begehrten Maßnahme ermessensfehlerfrei sei, sei nicht erkennbar.
Am 21. Februar 2017 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2017 und den Bescheid vom 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Leistungen zur Förderung einer beruflichen Weiterbildung in Form eines Kurses SAP/ERP Logistik, Vertrieb, Materialwirtschaft und Wirtschaftsenglisch zu gewähren, hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, den Antrag auf Förderung der beruflichen Weiterbildung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Mit Beschluss vom 12. April 2017 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Nach § 153 Abs. 5 SGG kann der Senat durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter entscheiden.
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Haupt- und Hilfsantrag sind zulässig. Insbesondere ist die Erweiterung der Verpflichtungsklage um einen Hilfsantrag auf Neubescheidung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gem. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG keine Klageänderung, da der Klagegrund unverändert bleibt (vgl. BSG, Urteil vom 27.4.2005 – B 6 KA 23/04 R; Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 99 Rn. 11).
Die Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Klage ist insoweit stattzugeben, als dass der angefochtene Bescheid aufzuheben und der Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichten ist. Die darüber hinausgehende Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten für die von der Klägerin konkret benannte Maßnahme der beruflichen Weiterbildung ist jedoch abzuweisen.
Der Ablehnungsbescheid vom 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2015 ist rechtswidrig, weil der Beklagte bei der Entscheidung über die Förderung der beruflichen Weiterbildung kein Ermessen ausgeübt hat, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB III können Leistungsberechtigte bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, 2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Unstreitig liegen die in Nr. 2 und 3 geregelten Voraussetzungen vor. Entgegen den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden ist auch die Notwendigkeit im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III gegeben. Dies ergibt sich aus § 81 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III, wonach die Notwendigkeit der Weiterbildung wegen fehlenden Berufsabschlusses anerkannt wird, wenn der Betreffende über einen Berufsabschluss verfügt, jedoch auf Grund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine dem Berufsabschluss entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben kann (sog. Berufsentfremdung). Dabei stehen Zeiten der Arbeitslosigkeit Zeiten einer Beschäftigung gleich (§ 81 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Die Klägerin verfügt mit ihrem 2003 erworbenen Diplom der HAW über einen Berufsabschluss, sie war seitdem jedoch mehr als vier Jahre arbeitslos bzw. außerhalb ihres Ausbildungsberufs auf an- oder ungelernter Ebene tätig. Alle Versuche, auf dem Niveau ihres Berufsabschlusses auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, blieben erfolglos, sodass davon auszugehen ist, dass sie derzeit eine ihrem Abschluss entsprechende Beschäftigung nicht erlangen kann. Auch der Beklagte hat zuletzt mit Schreiben vom 19. Juni 2017 eingeräumt, dass die Klägerin wohl unter § 81 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 fallen dürfte. In den Fällen der Berufsentfremdung ist die Notwendigkeit der Weiterbildung unabhängig von einer positiven Beschäftigungsprognose zu bejahen. Es muss also nicht die Erwartung bestehen, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser sind als vorher (vgl. Reichel in jurisPK-SGB III, § 81 SGB III, Rn. 66). Eine Weiterbildung ist in diesen Fällen lediglich dann nicht notwendig, wenn der Betreffende auch ohne die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung eine bisher fehlende Berufsqualifikation zu erlangen vermag, was etwa dann in Betracht kommt, wenn die berufliche Qualifikation nur noch von dem Bestehen einer Prüfung abhängt, zu deren Vorbereitung keine weitere Schulung erforderlich ist (Reichel, a.a.O., Rn. 67).
Ist somit im Falle der Klägerin die Notwendigkeit der Förderung anzuerkennen, so liegen sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Abs. 1 SGB III vor. Daraus folgt jedoch noch kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die begehrte Weiterbildung. Denn auch bei Vorliegen der Voraussetzungen räumt § 81 SGB III dem Beklagten Ermessen hinsichtlich der Entscheidung über die Förderung einer Weiterbildung ein. Eine Ermessensentscheidung ist als solche nur rechtswidrig und auf Anfechtung hin nur dann aufzuheben, wenn der Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, SGB I) verletzt ist (siehe auch § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das Gericht darf dabei nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltung setzen, sondern prüft nur, ob ein Ermessensfehler vorliegt. Ermessensfehlerhaft ist die Entscheidung, wenn die Behörde ihrer Pflicht zur Ermessensbetätigung überhaupt nicht nachgekommen ist (sog. Ermessensnichtgebrauch) oder wenn ihr bei Ausübung des Ermessens Rechtsfehler unterlaufen sind (sog. Ermessensfehlgebrauch).
Vorliegend sind die angefochtenen Entscheidungen ermessensfehlerhaft, da der Beklagte sein Ermessen überhaupt nicht ausgeübt hat. Eine sachgerechte Ermessensausübung erfordert, dass die Behörde ihren Ermessensspielraum erkennt und sich bewusst ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen; dies muss aus den Entscheidungsgründen auch erkennbar sein (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.2.2015 – B 13 R 15/13 R). Dem werden die angefochtenen Bescheide nicht gerecht. Sowohl im Ablehnungs- als auch im Widerspruchsbescheid wird nämlich bereits das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen – genauer: der Notwendigkeit der Weiterbildung – verneint, infolgedessen kommt der Beklagte nicht zu einer Ermessensprüfung. Dass die Erwägungen, die der Beklagte im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen angestellt hat, möglicherweise auch bei der Ermessensausübung herangezogen werden können, ist insoweit unerheblich. Es kommt im Rahmen der Anfechtung nicht darauf an, wie eine Ermessensentscheidung hypothetisch hätte aussehen können, sondern allein darauf, ob die von der Behörde getroffene Entscheidung so, wie sie ergangen ist, den Anforderungen an eine sachgerechte Ermessensausübung genügt.
Somit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und daher aufzuheben. Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin infolge einer Reduzierung des Ermessens des Beklagten auf Null einen Anspruch auf die begehrte Förderung hätte. Eine Ermessensreduzierung auf Null würde voraussetzen, dass allein eine Entscheidung für die Förderung der Klägerin durch Übernahme der Kosten für die begehrte Weiterbildung rechtmäßig wäre. Das ist hier nicht erkennbar; es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte bei rechtmäßiger Ausübung seines Ermessens zu einer anderen Entscheidung kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Klage zwar hinsichtlich der Verpflichtung zur Leistungsgewährung abzuweisen war, jedoch hinsichtlich der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und einer Verpflichtung zur Neubescheidung Erfolg hatte.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Der Bescheid vom 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2015 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, den Antrag der Klägerin auf Förderung der beruflichen Weiterbildung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen Kosten der Klägerin.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Übernahme von Kosten für eine Weiterbildung durch den Beklagten.
Die 1976 geborene, erwerbsfähige Klägerin schloss im Jahre 2003 ein Studium der Technischen Betriebswirtschaftslehre mit Studienschwerpunkt Marketing an der Hochschule H. mit dem Diplom ab. In der Zeit von 2003 bis 2012 übte sie mit Unterbrechungen unterschiedliche Tätigkeiten aus, u.a. als studentische Aushilfe und später als Angestellte im kaufmännischen Bereich bei der Firma A., als Trainee und Praktikantin bei verschiedenen Firmen aus dem Bereich Marketing, im Zeitraum Dezember 2007 bis Juli 2011 als Angestellte in der Gastronomie und kurzzeitig im Dezember 2012 als kaufmännische Sachbearbeiterin bei der Firma A1. Unter anderem in der Zeit vom 31. März 2015 bis zum 29. Februar 2016 erhielt sie Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Am 3. Juli 2015 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme der Kosten einer beruflichen Weiterbildung in SAP und Business-Englisch in Form eines sechsmonatigen Kurses. Zur Begründung führte sie aus, sie wolle mit dieser Weiterbildung so schnell wie möglich beginnen und benötige hierfür vom Beklagten einen Bildungsgutschein. Am 16. Juli 2015 fand ein persönliches Gespräch zwischen der Klägerin und der für sie zuständigen Teamleiterin aus dem Bereich Arbeitsvermittlung des Beklagten statt, bei dem über die begehrte Weiterbildung gesprochen wurde. Der Klägerin wurde dabei mitgeteilt, dass der Beklagte die Weiterbildung ohne konkret in Aussicht stehenden Arbeitsplatz nicht für sinnvoll erachte. Mit Bescheid vom 31. August 2015 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung verwies er auf § 81 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen müssten kumulativ erfüllt sein. § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III verlange als Voraussetzung u.a. die Notwendigkeit der Weiterbildung. Arbeitslosigkeit bzw. drohende Arbeitslosigkeit allein könne diese Notwendigkeit nicht begründen. Vielmehr sei weitere Voraussetzung, dass Arbeitslosigkeit voraussichtlich nur durch die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung vermieden werden könne. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Das Ausbildungsziel ließe im Anschluss an die gewünschte Weiterbildung keine direkte Integration der Klägerin in den Arbeitsmarkt erwarten. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Förderung könne daher nicht bescheinigt werden.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 2. September 2015 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, ihre Antrag bezöge sich auf einen Weiterbildungskurs "SAP ERP Vertrieb, Materialwirtschaft und Logistik und Business Englisch". Im Zuge ihres Hochschulstudiums habe sie Kenntnisse im Bereich Vertrieb und Marketing erworben, außerdem verfüge sie über berufliche Erfahrungen in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Logistik. Sie könne potenziellen Arbeitgebern insofern etwas bieten, benötige aber zur Abdeckung ihrer beruflichen Lebenslauflücken spezielle Kenntnisse. Die Weiterbildung würde ihr einen "starken Schub" für ihre berufliche Rückkehr geben, auch wenn es eine hundertprozentige Garantie für eine erfolgreiche Vermittlung nicht gebe. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Förderung durch den Beklagten seien erfüllt. Seine entgegenstehende Ansicht habe der Beklagte nicht begründet. Im Übrigen fühle sie sich durch die Entscheidung des Beklagten diskriminiert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 ff. SGB III könnten Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch die Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die gesetzlich normierten Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Dies sei hinsichtlich der Klägerin zu verneinen, da für die von ihr gewünschte Weiterbildung keine Notwendigkeit ersichtlich sei. Notwendigkeit setze voraus, dass es an sich mehrere Möglichkeiten zur Verwirklichung des Ziels gebe, die Förderung der beruflichen Weiterbildung in einer bestimmten Maßnahme aber gerade die richtige sei. Nicht notwendig sei eine Förderung der beruflichen Weiterbildung hingegen, wenn es andere als pädagogische Handlungsmöglichkeiten gebe, durch die die berufliche Eingliederung erreicht werden könne. Es dürften also keine alternativen Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Für die Klägerin komme zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt als Alternative jedoch eine (Helfer-) Tätigkeit im Bürobereich in Betracht. Ausreichend offene Stellen stünden zur Verfügung. Insofern verfüge die Klägerin über eine – wenn auch geringe – Berufserfahrung. Demgegenüber sei nicht zu erwarten, dass die besagte Weiterbildung der Klägerin einen besonderen Schub für ihre berufliche Rückkehr geben würde, da die Klägerin seit ihrem Hochschulabschluss im Jahre 2003 nur geringfügige Berufserfahrung vorweisen könne. Der Klägerin sei im Übrigen grundsätzlich jede Arbeit zumutbar, auch wenn diese nicht ihrer vorhandenen Qualifikation entspreche. Eine hundertprozentige Garantie dafür, nach der Weiterbildung eine Stelle zu bekommen, sei nicht erforderlich, allerdings müsse eine positive Beschäftigungsprognose gegeben sein.
Am 2. November 2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Entscheidung des Beklagten sei nicht objektiv und außerdem diskriminierend. Sie werde vom Beklagten menschenunwürdig und nicht unvoreingenommen behandelt, insbesondere was die Berücksichtigung ihres Ausbildungsstandes sowie ihrer psychologischen Eignung und Fähigkeiten für den von ihr erlernten Beruf anbelange. Die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 SGB II, § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfülle sie. Hingegen verfüge sie bislang nicht über eine Qualifikation in SAP und habe auch keine Aus- oder Schulbildung in Englisch, abgesehen von einem vierwöchigen Sprachkurs. Durch die beantragte Weiterbildung würden sich ihre Chancen auf eine Arbeitsstelle erhöhen. Sie sei nach ihrem Studium in unterschiedlichsten Branchen tätig gewesen. Einen "Berufsschutz" mache sie nicht geltend. Sie habe allerdings das Recht auf freie Berufswahl. Dem Beklagten gehe es offenbar nur darum, Geld zu sparen.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Den Antrag der Klägerin hat es dabei als allein auf die Übernahme der Kosten für die beantragte Weiterbildung gerichtet ausgelegt. Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Kostenübernahme. Sie erfülle nicht die Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 SGB III, da die von ihr gewählte Weiterbildungsmaßnahme nicht notwendig im Sinne dieser Vorschrift sei. Notwendig sei die Förderung einer beruflichen Weiterbildung dann nicht, wenn es andere Möglichkeiten gebe, eine Integration in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Hier sei aber davon auszugehen, dass eine solche Integration auch ohne die Weiterbildungsmaßnahme gelinge, nämlich durch Aufnahme irgendeiner zumutbaren sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit. Dabei kämen insbesondere auch Tätigkeiten außerhalb des kaufmännischen Bereichs in Betracht. Ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Weiterbildungskosten ergebe sich auch nicht aus § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB III. Nach § 81 Abs. 2 SGB III werde die Notwendigkeit einer Weiterbildung u.a. wegen fehlenden Berufsabschlusses anerkannt, wenn der Betreffende – wie die Klägerin – zwar über einen Berufsabschluss verfüge, jedoch aufgrund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine dem Berufsabschluss entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben könne. Zwar erfülle die Klägerin diese Voraussetzungen, doch folge hieraus nicht, dass sie einen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für die von ihr begehrte Weiterbildung habe. Denn der Beklagte verfüge über einen Ermessensspielraum. Dafür, dass dieser Ermessensspielraum hier auf Null reduziert sei in dem Sinne, dass allein die Förderung der begehrten Maßnahme ermessensfehlerfrei sei, sei nicht erkennbar.
Am 21. Februar 2017 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2017 und den Bescheid vom 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Leistungen zur Förderung einer beruflichen Weiterbildung in Form eines Kurses SAP/ERP Logistik, Vertrieb, Materialwirtschaft und Wirtschaftsenglisch zu gewähren, hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, den Antrag auf Förderung der beruflichen Weiterbildung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Mit Beschluss vom 12. April 2017 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Nach § 153 Abs. 5 SGG kann der Senat durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter entscheiden.
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Haupt- und Hilfsantrag sind zulässig. Insbesondere ist die Erweiterung der Verpflichtungsklage um einen Hilfsantrag auf Neubescheidung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gem. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG keine Klageänderung, da der Klagegrund unverändert bleibt (vgl. BSG, Urteil vom 27.4.2005 – B 6 KA 23/04 R; Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 99 Rn. 11).
Die Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Klage ist insoweit stattzugeben, als dass der angefochtene Bescheid aufzuheben und der Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichten ist. Die darüber hinausgehende Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Kosten für die von der Klägerin konkret benannte Maßnahme der beruflichen Weiterbildung ist jedoch abzuweisen.
Der Ablehnungsbescheid vom 31. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2015 ist rechtswidrig, weil der Beklagte bei der Entscheidung über die Förderung der beruflichen Weiterbildung kein Ermessen ausgeübt hat, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB III können Leistungsberechtigte bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, 2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Unstreitig liegen die in Nr. 2 und 3 geregelten Voraussetzungen vor. Entgegen den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden ist auch die Notwendigkeit im Sinne von § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III gegeben. Dies ergibt sich aus § 81 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III, wonach die Notwendigkeit der Weiterbildung wegen fehlenden Berufsabschlusses anerkannt wird, wenn der Betreffende über einen Berufsabschluss verfügt, jedoch auf Grund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine dem Berufsabschluss entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben kann (sog. Berufsentfremdung). Dabei stehen Zeiten der Arbeitslosigkeit Zeiten einer Beschäftigung gleich (§ 81 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Die Klägerin verfügt mit ihrem 2003 erworbenen Diplom der HAW über einen Berufsabschluss, sie war seitdem jedoch mehr als vier Jahre arbeitslos bzw. außerhalb ihres Ausbildungsberufs auf an- oder ungelernter Ebene tätig. Alle Versuche, auf dem Niveau ihres Berufsabschlusses auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, blieben erfolglos, sodass davon auszugehen ist, dass sie derzeit eine ihrem Abschluss entsprechende Beschäftigung nicht erlangen kann. Auch der Beklagte hat zuletzt mit Schreiben vom 19. Juni 2017 eingeräumt, dass die Klägerin wohl unter § 81 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 fallen dürfte. In den Fällen der Berufsentfremdung ist die Notwendigkeit der Weiterbildung unabhängig von einer positiven Beschäftigungsprognose zu bejahen. Es muss also nicht die Erwartung bestehen, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser sind als vorher (vgl. Reichel in jurisPK-SGB III, § 81 SGB III, Rn. 66). Eine Weiterbildung ist in diesen Fällen lediglich dann nicht notwendig, wenn der Betreffende auch ohne die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung eine bisher fehlende Berufsqualifikation zu erlangen vermag, was etwa dann in Betracht kommt, wenn die berufliche Qualifikation nur noch von dem Bestehen einer Prüfung abhängt, zu deren Vorbereitung keine weitere Schulung erforderlich ist (Reichel, a.a.O., Rn. 67).
Ist somit im Falle der Klägerin die Notwendigkeit der Förderung anzuerkennen, so liegen sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Abs. 1 SGB III vor. Daraus folgt jedoch noch kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die begehrte Weiterbildung. Denn auch bei Vorliegen der Voraussetzungen räumt § 81 SGB III dem Beklagten Ermessen hinsichtlich der Entscheidung über die Förderung einer Weiterbildung ein. Eine Ermessensentscheidung ist als solche nur rechtswidrig und auf Anfechtung hin nur dann aufzuheben, wenn der Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, SGB I) verletzt ist (siehe auch § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das Gericht darf dabei nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltung setzen, sondern prüft nur, ob ein Ermessensfehler vorliegt. Ermessensfehlerhaft ist die Entscheidung, wenn die Behörde ihrer Pflicht zur Ermessensbetätigung überhaupt nicht nachgekommen ist (sog. Ermessensnichtgebrauch) oder wenn ihr bei Ausübung des Ermessens Rechtsfehler unterlaufen sind (sog. Ermessensfehlgebrauch).
Vorliegend sind die angefochtenen Entscheidungen ermessensfehlerhaft, da der Beklagte sein Ermessen überhaupt nicht ausgeübt hat. Eine sachgerechte Ermessensausübung erfordert, dass die Behörde ihren Ermessensspielraum erkennt und sich bewusst ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen; dies muss aus den Entscheidungsgründen auch erkennbar sein (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.2.2015 – B 13 R 15/13 R). Dem werden die angefochtenen Bescheide nicht gerecht. Sowohl im Ablehnungs- als auch im Widerspruchsbescheid wird nämlich bereits das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen – genauer: der Notwendigkeit der Weiterbildung – verneint, infolgedessen kommt der Beklagte nicht zu einer Ermessensprüfung. Dass die Erwägungen, die der Beklagte im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen angestellt hat, möglicherweise auch bei der Ermessensausübung herangezogen werden können, ist insoweit unerheblich. Es kommt im Rahmen der Anfechtung nicht darauf an, wie eine Ermessensentscheidung hypothetisch hätte aussehen können, sondern allein darauf, ob die von der Behörde getroffene Entscheidung so, wie sie ergangen ist, den Anforderungen an eine sachgerechte Ermessensausübung genügt.
Somit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und daher aufzuheben. Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin infolge einer Reduzierung des Ermessens des Beklagten auf Null einen Anspruch auf die begehrte Förderung hätte. Eine Ermessensreduzierung auf Null würde voraussetzen, dass allein eine Entscheidung für die Förderung der Klägerin durch Übernahme der Kosten für die begehrte Weiterbildung rechtmäßig wäre. Das ist hier nicht erkennbar; es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte bei rechtmäßiger Ausübung seines Ermessens zu einer anderen Entscheidung kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Klage zwar hinsichtlich der Verpflichtung zur Leistungsgewährung abzuweisen war, jedoch hinsichtlich der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und einer Verpflichtung zur Neubescheidung Erfolg hatte.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
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