L 19 AS 1540/17 B ER und L 19 AS 1543/17 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AS 2214/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1540/17 B ER und L 19 AS 1543/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 04.07.2017 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der am 00.00.1973 geborene Antragsteller ist polnischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein, meldete am 27.06.2013 ein Gewerbe als Akustik- und Trockenbauer an und übte diese selbständige Tätigkeit bis Ende September 2013 aus. Anfang Oktober 2013 beging der Antragsteller einen Selbstmordversuch und wurde schwer verletzt. Sein Prozessbevollmächtigter wurde zum Betreuer bestellt. Der Antragsteller stellte sodann bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts SGB II ab dem 01.10.2013. Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller Leistungen für die Zeit vom 01.10.2013 bis 31.03.2014.

Einen Fortzahlungsantrag des Antragstellers ab dem 01.04.2014 lehnte der Antragsgegner ab. Der Widerspruch des Antragstellers blieb erfolglos. Im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens (Az.: S 20 AS 1039/14) wurde der Antragsgegner zur vorläufigen Weitergewährung des Regelbedarfs nach dem SGB II sowie einem Beitragszuschuss zur privaten Krankenversicherung des Antragstellers verpflichtet. Die dagegen vor dem Sozialgericht Köln erhobenen Klage (Az.: S 4 AS 2554/16 WA) endete mit einem Anerkenntnis der Beigeladenen zur Erbringung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII dem Grunde nach für die Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014.

Einen weiteren Fortzahlungsantrag des Antragstellers lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 26.09.2014 ab. Dagegen erhob der Antragsteller am 05.10.2014 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2014 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück. Mit Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 16.10.2014 (Az.: S 29 AS 3727/14 ER) wurde der Antragsgegner zur vorläufigen Weitergewährung von Arbeitslosengeld II an den Antragsteller ab 01.10.2014 bis zum 31.03.2015 verpflichte. Gegen die erneute Leistungsablehnung erhob der Antragsteller am 06.11.2014 unter dem Aktenzeichen S 6 AS 4265/14 Klage. Der behauptete Leistungsausschluss sei nicht mit europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar, so dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegen den Antragsgegner zustehe. Auch sei der Antragsteller ab dem 01.12.2014 als Arbeitnehmer anzusehen.

Zum 01.12.2014 nahm der Antragsteller eine Beschäftigung bei Herrn Z (Z). in L auf, die ihm von seinem Prozessbevollmächtigten vermittelt worden war. Herr Z bezog Leistungen der Stadt L in Höhe von 117,00 Euro monatlich für eine Haushaltshilfe. Der am 14.01.2015 abgeschlossene Arbeitsvertrag sah eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 2,5 Stunden und eine Stundenvergütung in Höhe von 9,50 Euro vor. Herrn Z meldete die Beschäftigung als Minijob an. Der Antragsteller tätigte für Herrn Z Einkäufe, reinigte die Wohnung und unterstützte ihn manchmal bei der Körperpflege. Bereits ab Januar 2014 erfolgte eine Erhöhung der Beschäftigungszeit auf 3 Stunden pro Woche. Die Leistungen der Stadt L in Höhe von 117,00 Euro monatlich gab Herr Z in bar gegen Ausstellung einer Quittung an den Antragsteller weiter. Die Tätigkeit bei Herrn Z endete zum 31.07.2015, da dieser nach Erhöhung seiner Leistungen für die hauswirtschaftliche Versorgung einen professionellen Pflegedienst beauftragte.

Ebenfalls zum 01.12.2014 nahm der Antragsteller eine weitere von seinem Prozessbevollmächtigten vermittelte Beschäftigung bei Herrn E (E) in L als sogenannter Freizeitgestalter auf. Herr E bezog bei Pflegestufe 0 Pflegegeld in Höhe von 120,00 Euro von seiner Pflegekasse. Der Kläger begleitete Herrn E für die an ihn weiter gereichten 120,00 Euro auf Spaziergängen, zu Kinobesuchen, zu Arztbesuchen und zu Restaurantbesuchen. Der dafür angesetzte Zeitaufwand sollte in der Regel 4 Stunden betragen. Eine Anmeldung der Tätigkeit zur Minijobzentrale erfolgte nicht. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde erst nachträglich am 29.05.2015 erstellt und bei dem Antragsgegner vorgelegt. Die Beschäftigung bei Herrn E endete zum 30.04.2016, da dessen Mutter den Antragsteller wegen seiner Suchtproblematik nicht weiter beschäftigen wollte.

Den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 23.03.2015 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 08.04.2015 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2015 als unbegründet zurück. Der Antragsteller sei trotz der Beschäftigungen als Freizeitgestalter und Haushaltshilfe nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren und verfüge allein über ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitssuche. Dagegen erhob der Antragsteller am 22.05.2015 unter dem Aktenzeichen S 6 AS 1777/15 Klage vor dem Sozialgericht Köln.

Am 15.09.2015 stellte der Antragsteller wiederum einen Weiterbewilligungsantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei dem Antragsgegner, den dieser mit Bescheid vom 16.09.2015 ablehnte. Den Widerspruch des Antragstellers vom 23.09.2015 wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2015 als unbegründet zurück. Dagegen erhob der Antragsteller am 02.10.2015 unter dem Aktenzeichen S 6 AS 3542/15 Klage vor dem Sozialgericht Köln.

Den Fortzahlungsantrag des Antragstellers vom 08.04.2016 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 08.04.2016 ab. Den dagegen von dem Antragsteller erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.2016 als unbegründet zurück. Dagegen erhob der Antragsteller am 24.05.2016 unter dem Aktenzeichen S 6 AS 1734/16 Klage vor dem Sozialgericht Köln.

Mit Bescheid vom 06.12.2016 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit vom 09.10.2016 bis 30.11.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diese Entscheidung erfolgte nach Angabe des Antragsgegners versehentlich.

Vom 01.12.2016 bis 04.04.2017 verbüßte der Antragsteller eine Haftstrafe. Anschließend beantragte der Kläger bei der Beigeladenen Leistungen, was diese unter Verweis auf eine angenommene Leistungsverpflichtung des Antragsgegners ablehnte. Mit Beschluss der 27. Kammer des Sozialgerichts Köln vom 09.05.2017 (Az.: S 27 SO 161/17 ER) wurde der Antragsgegner vorläufig zur Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an den Antragsteller bis 31.05.2017 verpflichtet.

Den am 29.05.2017 bei dem Antragsgegner gestellten Antrag lehnte dieser mit Bescheid vom 30.05.2017 ab. Der Antragsteller sei als polnischer Staatsangehöriger von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, da sich sein Aufenthaltsrecht allein auf den Zweck der Arbeitssuche stütze.

Am 01.06.2017 hat der Antragsteller im vorliegenden Verfahren beim Sozialgericht Köln die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners oder der Beigeladenen begehrt. Er habe einen Grad der Behinderung von 80 und sei nur sehr eingeschränkt in der Lage, überhaupt eine Vollzeittätigkeit auszuüben. Er gehe deshalb davon aus, dass die Beigeladen als örtlicher Sozialhilfeträger zuständig sei. Allerdings sei bislang der Antragsgegner zur vorläufigen Gewährung von Leistungen verpflichtet worden.

Der Antragsgegner hat vertreten, dem Antragsteller stehe kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu. Denn er sei erst im Mai 2013 eingereist und habe mithin noch keine 5 Jahre seinen gewöhnlichen Aufenthalt hier begründet. Die Tätigkeiten bei Herrn Z und Herrn E seien nicht geeignet gewesen, einen Arbeitnehmerstatus im Sinne des FreizügG/EU zu begründen. Es handele sich bereits nach der Beschreibung des Antragstellers selbst nicht um echte Arbeitnehmertätigkeiten. Es fehle an der Weisungsgebundenheit und sonstigen arbeitsvertraglichen Kriterien wie Urlaub, Arbeitsentgelt bei Krankheit etc. Selbst wenn ein Arbeitnehmerstatus vorgelegen habe, sei dieser zwischenzeitlich mangels Meldung als arbeitssuchend entfallen.

Die Beigeladene hat vor dem Sozialgericht keinen Antrag gestellt. Sie sehe nach wie vor keinen Anspruch des Antragstellers auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII. Der Antragsteller könne auf eine insgesamt 17-monatige Erwerbstätigkeit zurückblicken. Es habe sich um Arbeitsverhältnisse ohne ehrenamtlicher Charakter gehandelt. Der Antragsteller habe therapeutische Dienste geleistet.

Mit Beschluss vom 04.07.2017 hat das Sozialgericht sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen

Hiergegen hat der Antragsteller am 04.08.2017 Beschwerde erhoben und Prozesskostenhilfe beantrag. Er verfolgt sein Begehren weiter.

II.

Die Beschwerden sind zulässig, jedoch unbegründet.

1. Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist unbegründet. 2. Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung BSG, Beschlüsse vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B - und vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).

a. Ein Anordnungsanspruch des Antragstellers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist nicht glaubhaft gemacht.

Zu Ungunsten des Antragstellers greift der Leistungsauschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ein. Der Antragsteller kann sich nicht auf einen Aufenthalt von fünf Jahren in der Bundesrepublik berufen (§ 7 Abs. 2 S. 4 SGB II), da er erst im Mai 2013 eingereist ist. Er ist nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Er verfügt im streitbefangenen Zeitraum über kein Aufenthaltsrecht aus dem FreizügG/EU. Denn die Voraussetzungen der Aufenthaltsrechte aus §§ 2, 3, 4, 4a FreizügG/EU liegen nicht vor. Der Antragsteller übt keine (abhängige oder selbständige) Tätigkeit aus (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FreizügG/EU) und hält sich nicht zu dem Zwecke auf, Dienstleistungen zu erbringen oder in Anspruch zu nehmen (§ 2 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 FreizügG/EU). Ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU ist nicht glaubhaft gemacht. Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind danach Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Anhaltspunkte für andauernde und erfolgversprechende Bewerbungsbemühungen sind- abgesehen davon, dass der Antragsteller sich als weitgehend erwerbsgemindert ansieht - weder ersichtlich noch vom Antragsteller vorgetragen. Er verfügt nicht über ausreichende Existenzmittel, um seinen Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz selbst zu decken (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU) und ist auch nicht Familienmitglied eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m.ö § 3 FreizügG/EU). Die Voraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht liegen für den im Mai 2013 in die Bundesrepublik eingereiste Antragsteller ebenfalls nicht vor (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 4a FreizügG/EU).

Der Antragsteller kann sich im streitbefangenen Zeitraum ab dem 17.05.2017 auch nicht auf ein nachwirkendes Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 3 FreizügG/EU berufen.

Nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU wirkt die durch eine Erwerbstätigkeit erworbene Arbeitnehmereigenschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU bei unfreiwilliger und durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung während der Dauer von 6 Monaten fort und vermittelt ein Aufenthaltsrecht. Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit liegt vor, wenn diese unabhängig von dem Willen des Antragstellers bzw. nicht aus einem in seinem Verhalten liegenden Grund eingetreten oder durch einen legitimen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seiner Seite gerechtfertigt ist (vgl. Beschluss des Senats vom 14.06.2017 - L 19 AS 455/17 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11.11.2014 - L 8 SO 306/14 B ER -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.06.2014 - 4 LB 22/13 -; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., § 2 FreizügG/EU Rn. 104 f.) bzw. wenn der Arbeitnehmer die Gründe, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigung/Aufhebungsvertrag) geführt haben, nicht zu vertreten hat (vgl. Ziffer 2.3.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU - AVV zum FreizügG/EU - i.d.F. vom 03.02.2016).

Es kann dahin stehen, ob die vom Antragsteller im Zeitraum 01.12.2014 bis 31.07.2015 bei Herrr Z ausgeübte Tätigkeit eine Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers i.S.v. § 2 Abs. 2 S.1 Nr. 1 FreizügG/EU begründet hat. Jedenfalls wirkt eine auf dieser Tätigkeit beruhende Arbeitnehmereigenschaft i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizüG/EU im streitbefangenen Zeitraum nicht mehr fort, da diese Tätigkeit weniger als ein Jahr lang ausgeübt wurde (§ 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU).

Der Senat sieht es als nicht glaubhaft gemacht an, dass die von dem Antragsteller im Zeitraum 01.12.2014 bis zum 30.04.2016 bei Herrn E) ausgeübten Beschäftigung eine Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU begründet hat. Abzustellen ist dabei auf den unionsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers im Sinne von Art. 45 AEUV. Dieser darf nicht eng ausgelegt werden und ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Allein von einer bestimmten geringen Wochen- oder Monatsarbeitszeit oder einem nicht existenzsichernden Lohn kann noch nicht auf eine völlig untergeordnete oder unwesentliche Tätigkeit geschlossen werden (vgl. EuGH, Urteile vom 23.03.1982 - C-53/81 und vom 14.12.1995 - C-444/93). Das wesentliche, anhand objektiver Kriterien zu bestimmende Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dabei bleiben (nur) Tätigkeiten außer Betracht, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Ob der Betreffende Arbeitnehmer ist, bedarf einer Gesamtbeurteilung, die anhand aller ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Aspekte zu treffen ist (vgl. zum gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff: BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R, BSGE 107, 66; BVerwG, Urteil vom 19.04.2012 - 1 C 10/11, BVerwGE 143, 38; EuGH, Urteil vom 04.02.2010 C-14/09 - Genc), u.a. der Arbeitszeit, die Höhe der Vergütung, der Ansprüche auf bezahlten Urlaub, die Geltung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrages in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag, die Zahlung von Beiträgen und gegebenenfalls die Art dieser Beiträge (vgl. EuGH, Urteil vom 19.07.2017 -. C-143/16 Abercrombie Fitch Italia m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund spricht mehr dafür als dagegen, dass es sich mindestens bei dem Beschäftigungsverhältnis des Antragstellers bei Herrn E im Hinblick auf Arbeitszeit, Höhe der Vergütung und insbesondere fehlende Anmeldung zur Sozialversicherung in der Gesamtbetrachtung nur um eine unwesentliche und untergeordnete Tätigkeit gehandelt hat (vgl. zur Mindestanforderung der Anmeldung zu den Zweigen der Sozialversicherung für eine legale und nur in diesem Fall schützenswerte Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt; BVerwG, Urteil vom 19.04.2012 - 1 C 10/11, BVerwGE 143,38 LSG NRW, Beschluss vom 13.07.2017 - L 2 AS 890/17 BERV m.w.N.; zu Beiträgen als Kriterium an sich EuGH Urteil vom 19.07.2017 -. C-143/16 Abercrombie Fitch Italia m.w.N.). Der Senat tritt der Beweiswürdigung des Sozialgerichts bei und verweist hierauf (§ 142 Abs.2 S.3 SGG).

Dem Antragsteller ist auch kein Aufenthaltstitel nach dem AufenthG erteilt worden, der zu einer Besserstellung über § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG verhelfen könnte (vgl. hierzu VGH Hessen, Urteil vom 16.11.2016 - 9 A 242/15). Der Antragsteller hat bislang keinen Antrag auf Erteilung eines solchen Titels bei der zuständigen Ausländerbehörde gestellt. Ob der reduzierte physische und psychische Zustandes des Antragstellers einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach. § 25 Abs. 4 AufenthG begründen könnte, ist nach derzeitigem Kenntnisstand offen, zumal es sich um eine Ermessensvorschrift handelt.

b. Ebenfalls ist ein Anspruch des Antragstellers auf Leistungen nach dem Dritten und Vierten Buch des SGB XII nicht glaubhaft gemacht.

Entgegen der ohne Begründung geäußerten Rechtsauffassung der Beschwerde sind auch Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vom Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 S.2 Nr.2 SGB XII nach seinem nicht auslegungsfähigen Wortlaut ("Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn ") umfasst.

Dieser Leistungsauschluss greift im Falle des Antragstellers ein. Denn nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII i.d.F. des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl. I 3155), in Kraft getreten am 29.12.2016, ist der Antragsteller vom Bezug von Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII und ebenso nach dem Vierten Kapitel ausgeschlossen. Danach erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Damit erfasst der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII nicht mehr nur diejenigen Ausländer, die einen (Pflicht)Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt aus § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII haben, sondern auch diejenigen Ausländer, die einen Anspruch auf Sozialhilfe im Wege des Ermessens aus § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII bzw, nach dem Vierten Kapitel des SGB XII haben. Der Antragsteller verfügt über kein (materielles) Aufenthaltsrecht. Auf die obigen Ausführungen wird hingewiesen.

Der Senat sieht in ständiger Rechtsprechung (z.B. zuletzt Beschluss vom 20.09.2017 - L19 AS 1382/17 B ER zu § 7 Abs. 2 Nr. 2 SGB II - ungeachtet der während des Gesetzgebungsverfahrens teilweise erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II und § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII (vgl. Dollinger, Ausschussdrs. 18(11) 851 S. 7 ff. und Berlit a.a.O. S. 55 ff.; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Ausschluss von EU-Ausländern von Grundsicherungsleistungen - WD 6-30000-025/16; Kannalan, ZESAR 2016, 365ff, 414ff; siehe auch Thym, NZS 2016, 443; Bernsdorff, NVwZ 2016, 633) - keine Veranlassung, dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, d.h. § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII nicht anzuwenden. Zwar kann sich im Einzelfall aus dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG die Verpflichtung ergeben, ungeachtet des Geltungsanspruchs einer entgegenstehenden gesetzlichen Norm vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, also unter Nichtbeachtung des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts eine Gesetzesvorschrift nicht anzuwenden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das Gericht zumindest gewichtige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des entscheidungserheblichen Gesetzes hat, die sich so weit verdichtet haben, dass die für eine Vorlage im Hauptsacheverfahren erforderliche Überzeugung von seiner Verfassungswidrigkeit voraussichtlich bejaht werden wird (OVG Saarland, Beschluss vom 12.05.2016 - 1 B 199/15 - juris Rn. 46; OVG Sachsen, Beschluss vom 10.06.2016 - 1 B 104/16 -, juris Rn. 16 m.w.N.).

Der Antragsteller hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich für den Senat durchgreifende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Vorschrift, zumindest betreffend den Ausschluss von Unionsbürgern von den Leistungen nach dem SGB II bzw. nach SGB XII ergeben könnten (vgl. Beschluss des Senats vom 19.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER -; LSG NRW, Beschlüsse vom 08.05.2017 - L 20 SO 138/17 B ER, vom 05.04.2017 - L 9 SO 83/17 B ER und vom 05.08.2017 - L 6 AS 783/17 B ER ; LSG Bayern, Beschluss vom 24.04.2017 - L 8 SO 77/17 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 13.02.2017 - L 23 SO 30/17 B ER; a.A. SG Kassel, Beschluss vom 14.02.2017 - S 4 AS 20/17 ER).

c. Der Anspruch des Antragstellers auf Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII bzw. nach der Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 S. 6 SGB XII ist nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen. Dieser Anspruch stellt im Verhältnis zu dem Anspruch auf Hilfen zum Lebensunterhalt nach § 27ff SGB XII ein aliud dar und ist damit nicht in einem Antrag auf Leistungen nach § 27 ff SGB XII als "minus" enthalten (Beschlüsse des Senats vom 20.09.2017 - L 19 AS 1382/17 B ER, vom19.03.2017 - L 19 AS 190/17 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 08.05.2017 - L 20 SO 138/17 B ER -; LSG Bayern, Beschluss vom 24.04.2017 - L 8 SO 77/17 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18.04.2017 - L 13 AS 113/17 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.02.2017 - L 23 SO 30/17 B ER).

2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Antragsverfahren sowie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bleiben nach Vorstehendem wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht erfolglos (§§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Ablehnung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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