L 8 U 2423/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 6911/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2423/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.04.2015 sowie der Veranlagungsbescheid vom 17.04.2013 aufgehoben und der Beitragsbescheid für das Jahr 2012 vom 08.05.2013 in der Fassung des Bescheides vom 04.06.2013, der Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2013 vom 17.04.2013 in der Fassung des Bescheides vom 08.05.2013 und der Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2014 vom 17.04.2013 in der Fassung des Bescheides vom 08.05.2013 jeweils in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13.11.2013 werden insoweit abgeändert, als den Beiträgen die Gefahrtarifstelle 200 anstelle der bisherigen Gefahrtarifstelle 100 zugrunde zu legen ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin von der Beklagten ab dem Beitragsjahr 2012 zu Recht nach der Gefahrtarifstelle 100 (Bauwerksbau) veranlagt worden ist.

Die Klägerin ist seit dem 15.11.2012 als Nachfolgeunternehmen der in Insolvenz befindlichen H. J. Bau-Chemie GmbH tätig. Im Handelsregister (Amtsgericht Stuttgart HRB 742630) ist als Gegenstand des Unternehmens die Ausführung von Dienstleistungen auf den Gebieten Industrieböden, Bautenschutz, Sanierungen und Gebäudereinigung eingetragen (Bl. M6/1 der Verwaltungsakte). Gegenüber der Beklagten gab der Geschäftsführer der Klägerin Joachim J. (zukünftig nur noch Geschäftsführer) in der Betriebsbeschreibung vom 09.11.2012 (Bl. M3 der Verwaltungsakte) an, im Bereich Bodenbeschichtung, Estriche, Bautenschutz würden durchschnittlich 19 Arbeitnehmer beschäftigt, auf diesen Betriebsteil entfalle ein jährliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 600.000 Euro, im Büroteil beschäftige die Klägerin durchschnittlich 4 Arbeitsnehmer mit einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 110.000 Euro und als Hausmeister bzw. Lagerverwalter 1 Arbeitnehmer mit einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 40.000 Euro.

Im Rahmen eines Telefongespräches am 21.11.2012 teilte der Geschäftsführer mit, der Bautenschutz mache im Verhältnis zur Bodenbeschichtung nur ca. 10 % der Tätigkeit aus (Bl. M7/5 der Verwaltungsakte). In erster Linie handele es sich dabei um Verpressung/Injektion, Mauerwerkstrockenlegung, Fugenabdichtung und Betonsanierung. Eine getrennte Arbeitsentgeltaufzeichnung werde nicht gemacht und sei auch nicht möglich.

Am 15.03.2015 erfolgte eine Veranlagungsüberprüfung in den Räumen der Klägerin und in Anwesenheit des Geschäftsführers (vgl. zum Bericht der Veranlagungsüberprüfung, Bl. M12 der Verwaltungsakte). Der Betriebsprüfer gab in seinem Bericht an, die Klägerin beschäftige derzeit im gewerblichen Bereich 18 Vollzeitkräfte (inkl. vier Bauleiter) und zwei Teilzeitkräfte sowie fünf Büroangestellte. Dabei würden laut den eingesehenen Unterlagen folgende Tätigkeiten ausgeführt: Beschichtungen – Fräßen, schleifen und kugelstrahlen von Betonböden in Industrie-, Gewerbebetrieben und Tiefgaragen sowie deren Beschichtung mit Kunstharzen. Im Rahmen der Aufträge führe die Klägerin auch kleinere Verfugungen und nur vereinzelt kleinere Verpressungen von Rissen aus. Fräßmaschinen, Kugelstrahlanlagen und Diamantschleifer seien vorhanden. Im Bereich der Gebäudereinigung werde die Klägerin nicht tätig, auch würden keine Mauerwerkstrockenlegungsarbeiten ausgeführt. Sonstige Änderungen in den Firmenverhältnissen seien nicht eingetreten. Er schlage vor, die Klägerin zur Gefahrtarifstelle 100 zu veranlagen.

Mit Bescheid vom 17.04.2013 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit für die Klägerin fest (Bl. M14 der Verwaltungsakte). Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tage (Bl. M13 der Verwaltungsakte) veranlagte die Beklagte die Klägerin für die Zeit ab dem 15.11.2012 zur Tarifstelle 100 "Bauwerksbau" (Gefahrklasse 15,12) des ab 01.01.2012 gültigen Gefahrtarifs. Gesondert veranlagt wurde der Büroteil der Klägerin zur Tarifstelle 900 (nur Beschäftigte, die ausschließlich Bürotätigkeiten in Büros in Verwaltungsgebäuden verrichten) mit der Gefahrklasse 0,44.

Mit Beitragsvorschussbescheid vom 17.04.2013 (Bl. M16/3 der Verwaltungsakte) forderte die Beklagte für das Jahr 2013 einen Gesamtvorschuss von 44.481,03 Euro. Mit weiterem Beitragsvorschussbescheid vom 17.04.2013 machte die Beklagte die ersten beiden Vorschussteilbeträge 2014 in Höhe von 7.344,75 Euro bzw. 7.344,74 Euro geltend (Bl. M16/5 der Verwaltungsakte).

Mit Beitragsbescheid vom 08.05.2013 (Bl. M20/3 der Verwaltungsakte) erhob die Beklagte für das Jahr 2012 eine Beitragsforderung in Höhe von 6101,57 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 08.05.2013 änderte die Beklagte den Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2013 vom 17.04.2013 ab und verlangte einen Gesamtvorschuss in Höhe von 44.481,03 Euro (Bl. M20/5 der Verwaltungsakte). Mit weiterem Beitragsvorschussbescheid vom 08.05.2013 für die ersten beiden Vorschussteilbeträge 2014 machte die Beklagte Vorschussleistungen von jeweils 7.344,75 bzw. 7.344,74 Euro geltend (Bl. M20/7 der Verwaltungsakte).

Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin am 15.05.2013 Widerspruch und beantragte gleichzeitig, die Vollziehung der Bescheide auszusetzen (Bl. M22 der Verwaltungsakte). Zur Begründung führte sie an, eine Einstufung in die Tarifstelle 100 sei unzutreffend. Da sie in ganz überwiegendem Maße Fußböden beschichte, sei sie dem Maler- bzw. Wand-und Bodenbelagsarbeiten zuzuordnen und daher zur Tarifstelle 200 zu veranlagen. Dies entspreche auch der Zuordnung des Vorgängerunternehmens, H. J. Bau-Chemie GmbH, welches über 50 Jahre identische Arbeiten verrichtet habe.

Mit Schreiben vom 04.06.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab (Bl. M27 der Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 04.06.2013 hob sie den Beitragsbescheid für das Jahr 2012 vom 08.05.2013 der Höhe nach auf (Bl. M26/3 der Verwaltungsakte) und setzte den Betrag weiterhin mit 6.101,57 Euro fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2013 (Bl. M32 der Verwaltungsakte) wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin gegen den Veranlagungsbescheid für die Zeit ab dem 15.11.2012 vom 17.04.2013, den Beitragsbescheid für das Jahr 2012 vom 08.05.2013, den Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2013 in der Fassung vom 08.05.2013 sowie den Beitragsvorschussbescheid für die ersten beiden Vorschussteilbeträge für das Jahr 2014 in der Fassung vom 08.05.2013 zurück. Nach den Feststellungen des Betriebsberaters anlässlich der am 15.03.2013 durchgeführten Betriebsprüfung kämen bei der Klägerin Tätigkeiten zur Ausführung, welche der Tarifstelle 100 zuzuordnen seien. Bei den hauptsächlich zur Ausführung kommenden Bodenbeschichtungsarbeiten handele es sich um vorbereitende Tätigkeiten für die Bauwerksabdichtung. Auch die Ausgangsrechnungen ließen keinen anderen Schluss zu, als dass die Klägerin mit der Tarifstelle 100 zu veranlagen sei. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Veranlagung mit der Tarifstelle 200, auch wenn der Betriebsvorgänger mit dieser veranlagt gewesen sei.

Hiergegen erhob die Klägerin am 09.12.2013 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) und beantragte gleichzeitig die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung. Zur Begründung führte sie an, bei den im Handelsregister angemeldeten Tätigkeiten handele es sich um sämtliche Tätigkeiten, die die Klägerin eventuell auszuführen gedenke. Eine Aussagekraft über die tatsächlich durchgeführten Arbeiten sowie deren Gewichtung komme dem Handelsregister nicht zu. Durch die Klägerin würden im ganz überwiegenden Umfang – mindestens 90 % - Bodenbeschichtungsarbeiten, also Anstriche von Industriefußböden ausgeführt. Bautenschutzarbeiten führe sie hingegen nur in ganz geringem Umfang aus und bewerbe diese auch nicht ausdrücklich. Dies ergebe sich auch aus der Darstellung der Klägerin auf ihrer Homepage, wonach sie praktisch ausschließlich Böden versiegele und beschichte. Mauertrockungsarbeiten habe die Klägerin nie durchgeführt. Die letzte Betonsanierung sei 2009 erfolgt. Die Beschichtung der Böden erfolge mit Kunstharzen. Damit diese Arbeit fachgerecht durchgeführt werden könne, müsse der zu beschichtende Untergrund zuvor gereinigt oder geschliffen bzw. kugelbestrahlt oder auch gefräst werden. Dabei handele es sich lediglich um vorbereitende Arbeiten für die eigentliche Beschichtung. Auch fielen Bauwerksabdichtungen in aller Regel außen am Gebäude statt, um das Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern. Eine Bodenbeschichtung werde aber innen auf den Boden aufgebracht, um den Boden in seinen physikalischen Eigenschaften zu verbessern. Die Klägerin führe dieselben Arbeiten aus wie ein Maler und sei daher derselben Gefahrklasse zuzuordnen. Auch ein Maler streiche nach erfolgter Vorbereitung des Untergrundes diesen mit einer Lammfellrolle bzw. beschichte den Untergrund mit einer Zahnrakel. Im Unterschied zum Maler versehe die Klägerin allerdings den Boden mit Farbe und nicht wie der Maler die Wände. Hierbei sei zu beachten, dass der Maler teilweise sogar von der Leiter aus arbeite und daher vom Gefahrenpotential eher in eine unfallträchtigere Gefahrenklasse gehöre.

Die Beklagte trat der Klage im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, die Klägerin führe Industriefußböden in monolithischer Bauweise aus. In ihrem Internetauftritt beschreibe sie ihr Leistungsspektrum wie folgt: "Imprägnierungen, Versiegelungen, Beschichtungen für Industrie und Gewerbe, für öffentliche Einrichtungen, für den Gewässerschutz, für Bereiche, wo Ableitfähigkeit gefordert wird, für Parkbauten". Im Rahmen der Vorbereitung von Betonböden würden diese gefräst, geschliffen, und/oder kugelbestrahlt. Die dafür erforderlichen Werkzeuge seien vorhanden. Die Verlegung von Industriefußböden sei mit Malerarbeiten nicht vergleichbar. Schon die Vorbereitungsarbeiten wiesen auf eine Gefährdung hin, die bei den Gewerken, die in der Tarifstelle 200 angesiedelt seien, nicht vorhanden wären. Bei der Klägerin sei eine technologische Nähe zur Betonsanierung und zum Bautenschutz gegeben, wobei die Herstellung von Industriefußböden als eine Art der Bauwerksbeschichtung angesehen werde. Für die Veranlagung der Klägerin sei nicht entscheidend, ob die Klägerin größere Kugelstrahlarbeiten an Subunternehmer vergebe. Der Gefahrtarif sei ein Gewerbezweigtarif. Dabei werde nicht auf die konkreten Tätigkeiten sondern auf die Art des Unternehmens abgestellt. Es sei nicht richtig, dass die Vorgängerin der Klägerin identische Arbeiten ausgeführt habe.

Mit Beschluss vom 18.03.2014 (Az. S 1 U 7015/13 ER) lehnte das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sowie den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ab.

Mit Schreiben vom 24.02.2014 (Bl. 56 ff. der SG-Akte) teilte die Klägerin ergänzend mit, dass sie – entgegen der Auffassung der Beklagten – keine Industriefußböden in monolithischer Bauweise ausführe und legte hierzu einen Einkaufsabschluss sowie ein Angebotsleistungsverzeichnis vor. Zudem reichte sie ein Prospekt der Klägerin zu den Akten.

Am 21.07.2014 führte die Beklagte bei der Klägerin erneut eine Veranlagungsprüfung durch (vgl. zum Prüfungsbericht Bl. 109 ff. SG-Akte). Die Klägerin stelle technisch hochwertige Oberflächen her, die den Untergrund bzw. das Gebäude gegen einsickernde Flüssigkeiten schützen solle. Außerdem würden Beschädigungen an bestehenden Oberflächen repariert, wobei hierbei geschliffen oder gefräst werde, bevor die Klägerin der Untergrund mehrschichtig aufbringe. Entsprechend überschreibe die Klägerin auch selbst Aufträge und Rechnungen mit "Bodenversiegelung, Bodensanierung, Beschichtung und Bautenschutz". Die hergestellten Oberflächen seien keine Bodenbeläge, die der Tarifstelle 200 entsprächen. Vielmehr handele es sich bei den ausgeführten Beschichtungen immer um einen technischen Schutz der Gebäude. Die Bauten seien folglich solche des klassischen Bautenschutzes.

Mit Schreiben vom 12.08.2014 (Bl. 178 ff. der SG-Akte) führte die Klägerin ergänzend aus, die Beklagte müsse sich die Frage gefallen lassen, ob es bei der Eingruppierung darum gehe, eine Arbeit bzw. ein Gewerk nach der Gefährlichkeit und dem damit verbundenen Risiko für die Arbeiter einzustufen oder ob es darum gehe, ein Gewerk nur deshalb, weil es einen technischen Zweck für ein Bauteil erfülle, als gefährlich einzustufen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Estricharbeiten, die im Grunde dieselben Arbeitsschritte beinhalteten wie der Bodenbelag der Klägerin, in die Gefahrtarifstelle 200 einsortiert würden.

Mit Urteil vom 22.04.2015 wies das SG die Klage ab. Durch die angefochtenen Bescheide werde die Klägerin richtigerweise nach dem 2. Gefahrtarif der Beklagten zum Gewerbezweig Bauwerksbau mit der Gefahrtarifstelle 100 veranlagt.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 06.05.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 08.06.2015 Berufung zu dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.

Die Klägerin beantragt - sinngemäß - ,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.04.2015 und den Veranlagungsbescheid vom 17.04.2013 aufzuheben und den Beitragsbescheid für das Jahr 2012 vom 08.05.2013 in der Fassung des Bescheides vom 04.06.2013, den Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2013 vom 17.04.2013 in der Fassung des Bescheides vom 08.05.2013 und den Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2014 vom 17.04.2013 in der Fassung des Bescheides vom 08.05.2013 jeweils in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13.11.2013 insoweit abzuändern, als den Beiträgen die Gefahrtarifstelle 200 anstelle der bisherigen Gefahrtarifstelle 100 zugrunde zu legen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe zu Recht dargelegt, dass die Veranlagung nach den Bestimmungen und Regelungen des 2. Gefahrtarifs rechtmäßig sei.

Der Sach- und Streitstand war Gegenstand des Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 25.07.2017 (vgl. zur Niederschrift Bl. 43 ff. der Senatsakte). Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Mit Schreiben vom 27.07.2017 hat die Klägerin ergänzend ausgeführt, die Klägerin tätige keine Bauwerksabdichtung im Sinne der DIN 18195. Die Beklagten hat daraufhin erwidert, Aspekte der DIN 18195 seien letztlich nicht ausschlaggebend. Es werde im Gefahrtarif und in den begleitenden Erläuterungen auch bewusst kein Bezug auf diese DIN genommen. Bei der Veranlagungsthematik gehe es zentral um die Schaffung entsprechender Gefahrgemeinschaften, wobei die Begriffe nicht mit den Anwendungsbereichen von DIN-Bestimmungen deckungsgleich seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akte des LSG genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Denn die zwischen den Beteiligten streitige Veranlagung der Klägerin zum Gefahrtarif 2012 der Beklagten war rechtswidrig, so dass auf die Anfechtungsklage der Klägerin hin der Veranlagungsbescheid vom 17.04.2013, der Beitragsbescheid für das Jahr 2012 vom 08.05.2013 in der Fassung des Bescheides vom 04.06.2013, der Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2013 vom 17.04.2013 in der Fassung des Bescheides vom 08.05.2013 und der Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2014 vom 17.04.2013 in der Fassung des Bescheides vom 08.05.2013 jeweils in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13.11.2013 insoweit aufzuheben waren, als dass die Beklagte die Klägerin in die Tarifstelle 100 (Gewerbezweig: Bauwerksbau) veranlagt hat. Die Klägerin ist insoweit in der Gefahrtarifstelle 200 zu veranlagen.

Rechtsgrundlage für die Veranlagung eines Unternehmens ist § 159 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), wonach der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen veranlagt. Der Unfallversicherungsträger erstellt einen Gefahrtarif als autonomes Recht, in dem zur Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr Gefahrklassen festzustellen sind (§ 157 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII). Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrgemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleiches gebildet werden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind der Finanzbedarf, die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen (§ 153 Abs. 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs. 3 SGB VII). Der Gefahrtarif und jede seiner Änderungen bedürfen der Genehmigung des Bundesversicherungsamtes als Aufsichtsbehörde (§ 158 Abs. 1 SGB VII).

Den Gefahrtarif 2012, den die Vertreterversammlung der Beklagten am 22.06.2011 beschlossen und das Bundesversicherungsamt am 05.07.2011 genehmigt hat, hat die Beklagte zwecks Zuteilung der Unternehmensarten zu den Gefahrklassen in 10 Gefahrtarifstellen untergliedert, wobei er folgende in dem Streitverfahren relevante Gefahrtarifstellen vorsieht: Gefahrtarifstelle 100, Gewerbezweig Bauwerksbau (Hoch-, Brücken-, Tunnel- und Gerüstbau, Dach- und Zimmererarbeiten u.a.), Gefahrklasse 15,12 und Gefahrtarifstelle 200, Gewerbezweig Bauausbau und Fertigteilherstellung (Maler-, Verputz-, Stuck-, Glaser-, Steinmetz-, Installations-, Wand- und Bodenbelagsarbeiten u.a.), Gefahrklasse 7,48. Teil II Nr. 1 Abs. 1 des Gefahrtarifs 2012 regelt: Die Veranlagung eines Unternehmens zu einer Gefahrklasse wird durch seine Zugehörigkeit zu einem Gewerbezweig bestimmt.

Der Gefahrtarif 2012 der Beklagten unterliegt gerichtlicher Kontrolle. Der als Satzung erlassene Gefahrtarif (BSG, Beschluss vom 30.11.2006 - B 2 U 410/05 B, juris RdNr. 5) ist als autonomes Recht von den Gerichten nur daraufhin überprüfbar, ob er mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und mit sonstigem höherrangigem Recht vereinbar ist. Denn dem Unfallversicherungsträger ist innerhalb der gesetzlichen Grenzen ein gerichtlich nicht überprüfbarer Gestaltungsspielraum eingeräumt (BSG, Urteil vom 11.04.2013 - B 2 U 8/12 R m.w.N., juris RdNr. 18), innerhalb dessen er sich für die seines Erachtens zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste gefahrtarifliche Regelung entscheiden darf. Ähnlich wie dem Gesetzgeber ist den ihre Angelegenheiten selbst regelnden öffentlich-rechtlichen Körperschaften als Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung, somit auch den Trägern der Sozialversicherung, ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung Recht setzen. Als gesetzliche Vorgaben sind die in §§ 152 f, 157, 162 SGB VII zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen und Wertentscheidungen sowie die tragenden Grundsätze des Unfallversicherungsrechts zu beachten. Bei komplexen und sich sprunghaft entwickelnden Sachverhalten ist dem Unfallversicherungsträger ein zeitlicher Anpassungsspielraum zuzubilligen, um weitere Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln in den Regelungen abzuhelfen. Aufgrund dieser eingeschränkten gerichtlichen Überprüfungsbefugnis kann nicht jeder Fehler Beachtung finden. Die Bildung des Gefahrtarifs muss aber auf gesichertem Zahlenmaterial fußen und versicherungsmathematischen Grundsätzen entsprechen. Denn Veranlagungs- und Beitragsbescheide sind eingreifende Verwaltungsakte, die nur auf einer klaren rechtlichen und tatsächlichen Grundlage erlassen werden dürfen (BSG, Urteil vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94, juris RdNr. 26). Im Rahmen ihrer Satzungsautonomie und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben hat sich die Beklagte - wie die gewerblichen Unfallversicherungsträger allgemein - in nicht zu beanstandender Weise entschlossen, den Gefahrtarif nach Gewerbezweigen zu gliedern, da dieser Grundsatz mit den Zielvorstellungen und Wertentscheidungen der Gesetze und der Verfassung vereinbar ist (ständige Rechtsprechung, BSG, Urteil vom 21.03.2006 - B 2 U 2/05 R, juris RdNr. 20). Denn ein Gewerbezweigtarif rechtfertigt sich aus der Gleichartigkeit der Unfallrisiken und Präventionserfordernisse bei technologisch verwandten Betrieben. Für deren Zuordnung zu einer Gefahrtarifstelle kommt es neben Art und Gegenstand des Unternehmens entscheidend auf die im Unternehmen anzutreffenden Arbeitsbedingungen an, wobei alle das Gefährdungsrisiko beeinflussenden Faktoren einzubeziehen sind.

Der Gefahrtarif 2012 begegnet weder im Hinblick auf das Gewerbezweigprinzip noch hinsichtlich der Aufgliederung in 10 Gefahrtarifstellen noch bezüglich der Zusammenfassung einzelner Risikogemeinschaften in der jeweiligen Gefahrtarifstelle oder der jeweils errechneten Gefahrklasse rechtlichen Bedenken (so auch LSG Bayern, Urteil vom 29.01.2015, L 17 U 43/13, juris). Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßgaben (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R, juris Rdnr 15) ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die Gewerbe "Bauwerksbau" und "Bauausbau und Fertigteileherstellung" in verschiedene Gewerbezweige aufgliedert. Schon die Unterschiedlichkeit der Gefahrklassen belegt, dass sich in diesen Gewerbezweigen unterschiedliche Gefahren verwirklichen. Bei der Bildung der Gefahrklassen besteht nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.04.2013, B 2 U 8/12 R, juris) ein Regelungsspielraum des Satzungsgebers. Der Senat hat keinen Anhalt dafür, dass die in den Gewerbezweigen "Bauwerksbau" und "Bauausbau und Fertigteileherstellung" jeweils zusammengefassten Unternehmen untereinander ein stärker abweichendes Gefährdungsrisiko aufweisen.

Die Beklagte hat aber den formell und materiell rechtmäßigen Gefahrtarif 2012 bei Veranlagung der Klägerin fehlerhaft angewendet, indem sie die Klägerin in die Gefahrtarifstelle 100 veranlagt hat. Die Klägerin ist in der Gefahrtarifstelle 200 zu veranlagen.

Im Hinblick auf die von der Klägerin ausgeführten, Art und Gegenstand des Unternehmens bestimmenden Tätigkeiten konnte der Senat feststellen, dass die vorherrschende Tätigkeit der Klägerin die Beschichtung von Böden betrifft. Dabei wird der Untergrund - in der Regel Beton oder Estrich - zunächst durch fräßen, schleifen oder kugelstrahlen vorbereitet. Danach erfolgt eine mit einer Lammfellrolle aufgetragene Grundierung bevor das Harz aufgegossen und ggf. in größerer Schichtstärke verteilt. Im Rahmen der Aufträge erfolgen bei der Vorbereitung des Untergrunds auch kleinere Verfugungen und vereinzelt kleinere Verpressungen von Rissen. Die so aufgebrachten Kunstharzböden sind mechanisch und chemisch hoch belastbar, ableitfähig, staubfrei, flüssigkeitsdicht, rutschhemmend und rissüberbrückend (vgl. Prospekt der Klägerin, Bl. M12/8 der Verwaltungsakte).

Diese Feststellungen zu der Art der Tätigkeit sowie zu den Arbeitsschritten bei den Bodenbeschichtungsarbeiten der Klägerin beruhen auf den Angaben in den Prüfberichten der Beklagten vom 15.03.2013 sowie vom 22.07.2014 sowie den glaubhaften Ausführungen des Geschäftsführers der Klägerin in dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts, die mit Blick auf die von der Klägerin durchgeführten Arbeiten den Stand der einschlägigen Vorgehensweise im Bereich der Bodenbeschichtungen mit Kunststoffen darstellen, wie der Senat auch dem im Termin übergebenen Prospekt der Firma S. GmbH entnehmen konnte.

Von diesen Feststellungen ausgehend ist die Tätigkeit der Klägerin dem Gewerbezweig "Bauausbau und Fertigteilherstellung" zuzuordnen und nicht dem Gewerbezweig "Bauwerksbau".

Auch wenn der Beklagten bezüglich der Aufstellung eines Gefahrtarifs ein erheblicher Beurteilungsspielraum zusteht, ist ihr für die konkrete und korrekte Veranlagung eines Unternehmens für die Tarifzeit auf der Grundlage des Gefahrtarifs als Satzung der Beklagten kein Ermessen eingeräumt und ihre Entscheidung insoweit in vollem Umfange gerichtlich überprüfbar (LSG Hessen, Urteil vom 30.08.2011 – L 3 U 141/09, juris RdNr. 26). Wie jede Rechtsnorm ist auch eine Regelung des als Satzung erlassenen Gefahrtarifs eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung nach den allgemein bekannten juristischen Auslegungsmethoden (Wortlaut, systematischer Zusammenhang, Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte) auszulegen (BSG, Beschluss vom 30.11.2006 - B 2 U 410/05 B, juris RdNr. 5).

Nach dem Wortlaut der Regelung ist zwischen Bauwerksbau und Bauausbau zu unterscheiden. Der Begriff Bau meint das Errichten bzw. Herstellen (vgl. Duden online, abrufbar unter http://www.duden.de/node/659454/revisions/1628587/view). Ein Ausbau setzt hingegen ein bereits bestehendes Bauwerk voraus, welches um- bzw. ausgebaut wird (so auch LSG Bayern, Urteil vom 29.01.2015 - L 17 U 43/13, juris RdNr. 26). Dem Begriff Ausbau wohnt die Bedeutung Vergrößern, Erweitern von etwas Vorhandenem, Umbau, (Aus)Gestaltung von etwas zu etwas anderem inne (vgl. Duden online, abrufbar unter http://www.duden.de/node/676437/revisions/1292745/view ). Mit Bezug auf die Bauberichterstattung an die Statistischen Landesämter umfasst das Ausbaugewerbe nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008) jene Gewerke, welche die Ausbauleistungen erbringen, z. B. Installationsarbeiten, Fensterbau, Malerarbeiten, Bodenbelagsarbeiten, Heizung und Lüftung u. a. Dies entspricht auch den jeweils durch Klammerzusätze vorgenommenen näheren Erläuterungen, die die Beklagte in ihrer Satzung bei den Gewerbezweigen hinzugefügt hat. So hat die Beklagte für den Gewerbezweig "Bauausbau und Fertigteilherstellung" (Gefahrtarifstelle 200) in Klammern die Maler-, Verputz-, Stuck-, Glaser-, Steinmetz-, Installations-, Wand- und Bodenbelagsarbeiten benannt und durch die Hinzufügung des Kürzels "u.a." darauf verwiesen, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Für den Gewerbezweig Bauwerksbau" (Gefahrtarifstelle 100) hat die Beklagte in Klammern Hoch-, Brücken-, Tunnel- und Gerüstbau, Dach- und Zimmerarbeiten wiederum mit dem Zusatz u.a. benannt.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich bei der Wortlautauslegung, dass die von der Klägerin durchgeführten Bodenbeschichtungsarbeiten der Gefahrtarifstelle 200 zuzuordnen sind. Die Klägerin gestaltet in jeweils vorbestehenden Bauwerken die Bodenfläche durch das Aufbringen von Kunstharz. Auch unter Einbeziehung der Vorbereitungshandlungen wie das Schleifen und Kugelstrahlen handelt es sich um eine reine Oberflächenbehandlung bzw. Ausbauarbeiten an bereits bestehenden Gebäuden. Entgegen der Auffassung der Beklagten konnte der Senat hingegen nicht feststellen, dass für die Tätigkeit der Klägerin Betonsanierungsarbeiten prägend sind. Zwar sind vor dem Aufbringen des Kunstharzes Verschmutzungen und lose Bestandteile vom Boden zu entfernen, um einen dauerhaften Haftungsverbund sicherzustellen. Sowohl beim Schleifen, Fräsen und Kugelstrahlen handelt es sich jedoch lediglich um Verfahren, um die Oberfläche zu ebnen und für die weitere Behandlung vorzubereiten. Da hierbei lediglich oberflächliche Abtragungen erfolgen, handelt es sich jedoch nicht um einen Eingriff in die Bausubstanz. Soweit die Klägerin zudem Risse oder Hohlstellen ausbessert, handelt es sich ebenfalls nur um Vorbereitungshandlungen für die Belagsarbeiten.

Für diese Beurteilung spricht auch, dass bei der Aufbringung anderer Bodenbeläge, was nach dem Klammerzusatz ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Bauausbau genannt wird, ebenfalls die Vorbereitung des Untergrunds erforderlich ist. In diesem Zusammenhang wird der Unterboden ggf. gefräst oder abgeschliffen und entsprechende Schäden beseitigt (vgl. https://www.dima-parkett.de/unterboden-vorbereiten/). Gleiches gilt bei Malerarbeiten, die ebenfalls ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Bauausbau genannt sind.

Auch die systematische Auslegung spricht dafür, die Klägerin bei der Gefahrtarifstelle 200 zu veranlagen. Bei der systematischen Auslegung ist eine Norm so auszulegen, dass sie sich widerspruchsfrei in die Rechtsordnung einfügt, es sei denn, es gibt verfassungsrechtlich anerkannte und vorzuziehende Gründe für einen Systembruch (vgl. dazu z.B. BVerfG, Beschluss vom 10.11.1981, 1 BvL 18/77, 1 BvL 19/77 juris RdNr 34 f; LSG Bayer, Urteil vom 29.01.2015 - L 17 U 43/13, juris). Die oben vorgenommene Auslegung fügt sich widerspruchsfrei in die Rechtsordnung ein. Nach § 5 Nr. 12 der Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackierergewerbe vom 03.07.2003 - MalerLackAusbV - (BGBl I S. 1064) ist das Herstellen, Bearbeiten, Behandeln und Gestalten von Oberflächen Gegenstand der Berufsausbildung zum(r) Bauten- und Objektbeschichter(in), die gemäß § 2 Abs. 1, 2 und 4 MalerLackAusbV eine Vorstufe für den Ausbildungsberuf Maler(in) und Lackierer(in) darstellt. Die MalerLackAusbV ordnet solche Arbeiten damit dem Kernbereich des Maler- und Lackiererhandwerks zu (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 09.04.2014, 8 C 50/12 juris RdNr. 22). Entsprechend hat der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen des Termins zur Erörterung des Sachverhalts auch angegeben, dass die Tätigkeit der Klägerin in direkter Konkurrenz zu Malerbetrieben stünde. Gegen diese Beurteilung spricht auch nicht, dass im Rahmen der Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Holz und Bautenschutzgewerbe nach § 2 zum Meisterprüfungsberufsbild Kenntnisse im Bereich der Innen- und Außenabdichtung an erdberührten Bauteilen aus Beton mit zement- und kunstharzgebundenen Oberflächendichtungsmitteln gehören. Zwar geht die Beklagte in ihren "Erläuterungen und Arbeitshilfen zum 2. Gefahrtarif" davon aus, dass Betriebe, die Bautenschutz betreiben, in die Tarifstelle 100 einzuordnen sind. Die Arbeitshilfen nehmen an der Satzungsqualität des Gefahrtarifs aber nicht teil. Da sie der Vertreterversammlung bei der Beschlussfassung über den Gefahrtarif vorgelegen haben, können die Arbeitshilfen zwar im Rahmen einer historischen Interpretation herangezogen werden (wie hier LSG Bayern, Urteil vom 29.01.2015 - L 17 U 43/13 unter Bezug auf LSG Hessen, Urteil vom 28.01.2014 - L 3 U 180/10, jeweils abrufbar bei juris). Allerdings hat der Bezug auf den mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angesichts des Auslegungsergebnisses im Hinblick auf den Wortlaut, Systematik und insbesondere Sinn und Zweck (hierzu sogleich) der Satzung hinter diesen Auslegungsmethoden zurückzutreten.

Auch die teleologische Auslegung führt nicht dazu, dass eine Zuordnung der Tätigkeiten der Klägerin zu der Gefahrtarifstelle 100 begründet werden kann. Nach dem Deutungskriterium der Teleologie soll die Auslegung einer Norm nach deren Sinn und Zweck erfolgen. Zweck der unterschiedlichen Gefahrtarifstellen und der entsprechenden Zuordnung von Unternehmen nach deren Art und Gegenstand ist es, den jeweiligen Unfallrisiken und Präventionserfordernissen Rechnung zu tragen und insofern vergleichbare Unternehmen unter diesen Gesichtspunkten zu veranlagen. Diesem Zweck trägt der Wortlaut der Gefahrtarifstellen durch die Unterscheidung in Bau und Ausbau und die jeweilige Konkretisierung der Begriffe durch Beispiele Rechnung (LSG Bayern, Urteil vom 29.01.2015 - L 17 U 43/13, juris RdNr. 29). Ein Vergleich der Tätigkeiten der Klägerin mit den explizit im Gefahrtarif genannten Tätigkeiten legt eine Zuordnung zu der Tarifstelle 100 gerade nicht nahe, sondern spricht für eine Zuordnung zur Tarifstelle 200. So sind die von der Klägerin ausgeführten Bodenbelagsarbeiten vom Gefährdungspotential nicht zu vergleichen mit den in der Tarifstelle 100 explizit benannten Hoch-, Brücken-, Tunnel- und Gerüstbau, Dach- und Zimmererarbeiten. Soweit die Beklagte davon ausgeht, dass sich eine besondere Gefährlichkeit aus dem Fräsen, Schleifen und der Kugelbestrahlung ergibt, kann sich der Senat dem nicht anschließen. Wie dargelegt, erfordern auch andere Bodenbelagsarbeiten, welche ausdrücklich der Gefahrtarifstelle 200 zugewiesen sind, die Vorbereitung des Untergrunds. Auch hierbei wird der Unterboden ggf. abgefräst bzw. geschliffen. Aus welchem Grund dies ein anderes Gefährdungspotential aufweisen soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Nach alledem war die durch die Beklagte vorgenommene Einstufung in den Gefahrtarif 100 nicht rechtmäßig, so dass die verfahrensgegenständlichen Bescheide aufzuheben sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe hierfür gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved